Sorgende Gemeinschaft - Ein Grundlagenpapier der Konferenz Diakonie Schweiz der EKS
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3 Diakonie als Grundvollzug des Kirche-Seins Wie Diakonie vor Ort Gemein- schaft stiften kann Wenn Menschen in den evangelisch- Gemeinden nicht nur im Wort (Verkün- reformierten Kirchen von «Diakonie» digung), sondern gleichermassen auch sprechen, so meinen sie damit das hel- in der Tat Zeugnis ablegen von der fende solidarische Handeln in christli- Menschenliebe Jesu Christi. cher Perspektive mit dem Ziel der Stif- tung von Gemeinschaft. Wo Menschen Die evangelisch-reformierten Kir- Not leiden und wo sie in ihren Lebens- chen sind überzeugt, dass die Diako- möglichkeiten eingeschränkt sind, sol- nie zentral in ihrem Selbstverständ- len sie durch Minderung der Not und nis angelegt ist: Leitend ist hierfür die durch die Bekämpfung deren Ursachen theologische Vorstellung der Diako- Hilfe erfahren. nie als Grundvollzug des Kirche-Seins. Diese Hilfe ist jedoch nicht Selbst- Wenn gefragt wird nach unverzichtba- zweck, sondern dient einem grösse- ren Bestandteilen, die für ein Kirche- ren Ganzen: Durch die Diakonie, durch Sein konstitutiv sind – bzw. umgekehrt: das helfende Handeln sollen die betrof- nach Bestandteilen, ohne die eine Kir- fenen Menschen befähigt werden zur che nicht vollständig Kirche ist –, dann Teilhabe an einem gesellschaftlich inte- spricht man von den vier Grundvollzü- grierten Leben. gen des Kirche-Seins: Verkündigung Wenn die Diakonie «in christlicher (martyria), Liturgie (leiturgia), Diakonie Perspektive» geschieht, so kommt dar- (diakonia) und Gemeinschaft (koinonia): in zum Ausdruck, dass die christlichen Kirche-Sein besteht also wesentlich darin, dass sie den in der Bibel be-
4 Wie Diakonie vor Ort Gemeinschaft stiften kann zeugten Gott bezeugt (Verkündigung), genommen werden, in Verkündigung feiert (Gottesdienst), in tätiger Nächs- und Gottesdienst sowie in der Gestal- tenliebe praktisch werden lässt (Dia- tung des Gemeindelebens. konie) und ihn gemeinschaftlich zum Ausdruck bringt (Gemeinschaft). Diese Das diakonische Handeln hat sei- vier Grundvollzüge stellen die das We- ne Grundlage im Alten und im Neuen sen der Kirche ausmachenden Hand- Testament. Bei der Verkündigung der lungen dar; würde eine einzelne feh- Botschaft vom Reich Gottes traf Je- len, wäre die Kirche nicht ganz Kirche. sus Christus auf Menschen aus unter- Die Diakonie vermittelt, dass die Chris- schiedlichsten Lebenswelten und so- tenmenschen an Gott als Ursprung al- lidarisierte sich insbesondere mit den len Helfens glauben und dass sie sich Ausgeschlossenen und Geschmähten. in Gottes Gemeinschaft als persönlich Wenn er sich mit den «Zöllnern und geliebt erfahren und in ihrem Sosein Sündern» zu Tisch setzte, demonst- mitsamt allen eigenen Defiziten ange- rierte er auf damals ungewohnte Wei- nommen sind. se, wie offenherzig und gastfreundlich Wichtig ist im Verständnis der vier Gott ist. Grundvollzüge des Kirche-Seins, dass Gerade in diesen Tischgemein- diese gegenseitig verbunden und ver- schaften mit den gesellschaftlich am flochten sind. Deshalb muss das dia- Rande Stehenden kam Jesu solidari- konische Handeln eingebunden sein in sches Sich-Positionieren an der Seite das gesamte Leben und Wirken einer der Unbedeutenden und Aussenseiter Gemeinde – d.h. die im diakonischen besonders zum Ausdruck. Die christli- Handeln gemachten Erfahrungen mit chen Gemeinden sind daher aufgeru- sozialen Problemlagen sollen auch in fen, sensibel zu sein auf Situationen, in den anderen kirchlichen Vollzügen auf- denen Menschen vor der Gefahr ste- hen, alleingelassen und ausgeschlos- sen zu werden, und dass sie als Ge- « Die Kirche ist meinschaftsstifterinnen wirken wollen, die dazu beitragen, eine Gemeinschaft nur Kirche, zu bilden, in der alle dazugehören wenn sie für dürfen. andere da ist. » Es wird sich zeigen, dass das Kon- zept der «Sorgenden Gemeinschaften» für diese Grundhaltung sehr anschluss- Dietrich Bonhoeffer fähig ist.
5 1 Gesellschaftliche Relevanz sorgender Gemeinschaften Warum das Thema für Gesellschaft und Kirche von Bedeutung ist Das Konzept der «Sorgenden Gemein- Zeit der Gemeinschaft mit Menschen, schaften» beruht auf der Feststellung, die sich einsam und abgehängt fühlen. dass die Sorge für Menschen sowohl im Aufgrund dieses Mangels wird dabei Alltagsleben als auch in besonders ver- von einer «Sorgelücke» bzw. von einem letzlichen Lebenssituationen unter heu- «Sorgedefizit» gesprochen. Die Gründe tigen gesellschaftlichen Bedingungen hierfür sind vielfältig. nicht mehr selbstverständlich gege- Sie stammen zum einen daher, dass ben ist. Menschen jeden Lebensalters der Bedarf an Sorgehandeln angesichts und unterschiedlicher Lebenssituati- der demografischen Entwicklung ten- onen bedürfen der Sorge füreinander denziell zunimmt. Zum anderen ist fest- und untereinander – gleichzeitig fehlt es zustellen, dass das gesellschaftliche in unserer von Erwerbsarbeit dominier- Sorgepotenzial aus unterschiedlichen ten Welt zunehmend an Sorgezeiten, Gründen im Abnehmen begriffen ist: d.h. an Zeit der Zuwendung gegenüber den Nächsten, an Zeit für die Unter- > Die Veränderungen traditioneller Fa- stützung und Pflege von betreuungs- milienstrukturen haben dazu geführt, bedürftigen Angehörigen, aber auch an dass erwachsene Kinder (aufgrund
6 Warum das Thema für Gesellschaft und Kirche von Bedeutung ist ihres Wohnorts oder ihrer Berufstä- lich, dass Sorgehandeln in unserer Ge- tigkeit) nicht mehr selbstverständlich sellschaft vermehrt der Beachtung und für betreuungsbedürftige Eltern sor- Wertschätzung, ja selber der Sorge be- gen und diese wiederum keine Ent- darf. lastung für die Eltern als Grosseltern übernehmen können. Wie können wir zum notwendigen > Die Arbeitswelt stellt erhöhte An- Sorgehandeln Sorge tragen? In ver- sprüche an die Flexibilität der Mitar- schiedenen Kontexten wird nach neu- beitenden, was für das private Sor- en Wegen gesucht, um in unserem ge- gehandeln eher hinderlich ist. sellschaftlichen Umfeld die anfallenden > Die gestiegene Erwerbstätigkeit der Sorgeaufgaben bewältigen zu können Frauen hat bislang nicht dazu ge- und damit der Sorge einen angemes- führt, dass deren bisherige Sorge- senen Platz und Stellenwert einzuräu- zeiten in gleichem Umfang von Män- men. nern übernommen worden wäre. Auf diesem Hintergrund entstan- > Zudem wächst der Anteil an Perso- den unterschiedliche Ansätze und nen, die alleine leben, die alleinerzie- Konzepte – so etwa das Konzept der hend sind sowie die in unser Land «Community Care», das sich um die migriert sind und bei denen das Begleitung geistig beeinträchtigter Sorgehandeln unter erschwerten Menschen sorgt, sowie auch der An- Bedingungen erfolgt. satz der «Compassionate Cities», > Nicht zuletzt ist festzuhalten, dass dessen Aufmerksamkeit den von Ar- Sorgebedürfnisse durch staatliche mut und Ausgrenzung betroffenen Leistungen nur begrenzt ersetzt Menschen gilt. werden können sind und professio- All diesen Konzepten ist gemein, nelle Dienste teilweise an ihre dass der Zivilgesellschaft, dem sozia- Grenzen stossen. len Nahraum und der Nachbarschaft zur Bewältigung der genannten Her- Da es zunehmend an Sorgezeiten ausforderungen eine neue, grössere fehlt, ist das Sorgehandeln nicht ein- Bedeutung zukommt. Das Konzept der fach eine Selbstverständlichkeit. Sor- «Caring communities» bzw. der «sor- gen ist keine «natürliche Ressource», genden Gemeinschaften», das dem die jederzeit als gegeben vorausge- vorliegenden Positionspapier zugrun- setzt werden kann. Vielmehr wird deut- de liegt, reiht sich in diese Ansätze ein, enthält aber auch eigene Merkmale, die nachfolgend beschrieben werden.
7 « Es fehlt, mindestens in den westlichen Industrienationen, zunehmend an Zeit und Ausdrucks- formen der Zuwendung, Unter- stützung, Pflege und Hilfe. Das betrifft vor allem Kinder und Alte, Kranke und anderweitig Bedürftige, aber darüber hinaus auch die Breite der Bevölkerung. » Christine Globig
8 2 Gemeinsam Sorge tragen Was ist eine «sorgende Gemeinschaft» Das Netzwerk «Caring communities Unter dem Begriff der Sorge wird Schweiz» versteht unter einer sorgen- eine «vorausschauende, anteilnehmen- den Gemeinschaft «eine Gemeinschaft de Verantwortungsübernahme für sich in einem Quartier, einer Gemeinde oder selbst und andere» (Klie) verstanden. einer Region, in der Menschen fürein- Er basiert auf der Überzeugung, dass ander sorgen und sich gegenseitig un- Menschen als soziale Wesen zu verste- terstützen. Jede und jeder nimmt und hen sind. Entsprechend gehört die so- gibt etwas, gemeinsam übernimmt ziale und gesellschaftliche Bezogenheit man Verantwortung für soziale Aufga- des Menschen zum Kern menschlicher ben». Existenz: Wir leben nicht für uns allein als Individuen, sondern finden unsere Sorge und Gemeinschaft Bestimmung im Gegenüber und in der Im Zentrum stehen die beiden Begriffe Gemeinschaft. der «Sorge» und der «Gemeinschaft», Der Begriff der Sorge hat hier die wie zwei Brennpunkte einer Ellipse also nicht primär den Charakter zueinander gehören und einander be- einer staatlichen Versicherung, auch dingen. geht er nicht bloss in einer professio- nellen (Pflege-/Betreuungs-)Dienstleis- tung auf, vielmehr ist mit der Sorge die gegenseitige, achtsame und ganzheit-
9 Einzel- Angehörige personen Professio- nelle Hilfeorgani- Staatliche sationen Sorge & Angehörige Behörden Angehörige Gemeinschaft Kir ch em g ein de Weitere … Vereine liche Wahrnehmung des Menschen und das mitfühlende Füreinander-Sor- « Sorge heisst gen und Einander-Umsorgen ange- eine voraus- sprochen. Der Begriff der Gemeinschaft be- schauende an- zieht sich vorerst einmal auf ein Ge- teilnehmende meinwesen, das sich definiert durch eine gewisse Überschaubarkeit bezüg- Verantwortungs- lich ihrer Grösse, der Anzahl ihrer Mit- übernahme für glieder und der geografischen Lage. sich selbst und Diese Gemeinschaften sind auch als kleine Lebenskreise zu verstehen, in andere. » Thomas Klie
10 Was ist eine «sorgende Gemeinschaft» denen die soziale Aufmerksamkeit, die tung für das jeweilige Sorgehandeln auf geteilten Werte und das Gefühl der Si- vielen Schultern verteilt ist. Während cherheit eine bedeutende Rolle spielen. die Mitglieder der Gemeinschaft das soziale Miteinander in gegenseitiger Akteurinnen und Akteure Verantwortung leben, kommt bspw. Für Sorgende Gemeinschaften ist ent- den staatlichen Instanzen die Verant- scheidend, dass an dieser Gemein- wortung zu, gute Bedingungen zu för- schaft die unterschiedlichen Akteure, dern, so dass Gemeinschaften entste- die im sozialen Nahraum präsent sind, hen, gedeihen und wachsen können. beteiligt sind und sich in einem klugen Das erfordert vor allem dort Aktivität, Miteinander netzwerkartig verbinden – wo gemeinschaftliches Leben unter er- Angehörige, Vereine, Einzelpersonen, schwerten Bedingungen starten muss Kirchgemeinden, professionelle Hilfe- oder nicht von sich aus funktioniert. organisationen, staatliche Behörden, Mit der hier erläuterten Vorstellung u.v.m. der geteilten Verantwortung wird klar, All diese Akteurinnen und Akteu- dass es nicht darum geht, dass sich re leisten ihre Beiträge – sei es durch der Staat aus seiner Verantwortung für die konkrete Beziehung im Nahraum, gelingendes nahräumliches Leben zu- durch die professionelle Pflegehand- rückziehen kann – vielmehr geht es da- lung oder durch die sozialstaatlichen rum, dass jede Instanz das ihr Mögli- Leistungen –, so dass ihr Zusammen- che für das gemeinschaftliche Leben wirken schliesslich mehr ergibt als nur vor Ort beitragen soll. die Summe der einzelnen Leistungen. Unter idealen Umständen funktio- D.h. das neue Miteinander bildet eine niert eine sorgende Gemeinschaft also neue Qualität im Sinne eines «viel- so, dass allen interessierten Menschen schichtigen Gewebes von Sorgebezie- im sozialen Nahraum – unabhängig hungen» (Wegleitner). von ihrem Alter, ihrem Geschlecht, ih- rer Herkunft und ihrer Schichtzugehö- Organisation, Verantwortung rigkeit – eine vollständige Beteiligung und Beteiligung an der Gemeinschaft ermöglicht wird, Es ist bezeichnend, dass in einer sor- in der die konkreten Sorgen und Be- genden Gemeinschaft die Verantwor- dürfnisse, aber auch Ressourcen aller Beteiligten Platz haben. So verstanden funktioniert die Gemeinschaft als Mitei-
11 nander von Familien, Freiwilligen, Ver- einen, Kirchen und weiteren Professio- Eine Kultur der nellen, das grundsätzlich als Netzwerk Sorge entsteht organisiert ist und demnach möglichst ohne klassische Hierarchien auskom- « … wo Menschen men soll. leben, lieben, arbeiten, alt werden, vorsor gen, sterben, trauern und sich umeinander kümmern. » Klaus Wegleitner
14 3 Das Potenzial der Kirchen Warum Kirchen besonders geeignet für Sorgende Gemeinschaften sind Sorgende Gemeinschaften können Sorge und Mitverantwortung überall dort entstehen, wo Interes- als andauernde Aufgabe sierte bereit sind, im sozialen Nah- der Kirchen raum gemeinsam in eine verant Angesichts der obigen Beschrei- wortungsvolle Sorgegemeinschaft zu bungen darüber, was Sorgende Ge- investieren – unabhängig davon, ob meinschaften sind, ist augenfällig, dass diese Interessierten als Einzelpersonen die zentralen Motive von sorgenden agieren oder einer grösseren Träger- Gemeinschaften bereits im Grundver- schaft oder Institution angehören. So ständnis von kirchlichen Gemeinschaf- können sorgende Gemeinschaften in ten angelegt sind, zumal die Sorge um ganz unterschiedlichen Ausprägungen die Nächsten und die Mitverantwor- und mit ganz verschiedenen Zusam- tung in der Gemeinschaft zum Grund- mensetzungen entstehen. bestandteil ihrer Sendung gehören. Die biblischen Schriften beschrei- ben den Menschen als ein zur Ge- meinschaft bestimmtes Wesen – d.h. Menschsein bedeutet nach den Grund- lagen unseres Glaubens In-Bezie- hungsein mit anderen Menschen. Die
15 Apostelgeschichte erzählt, wie die Mit- Wenn auch Kirchgemeinden be- glieder der ersten christlichen Gemein- reits Vieles davon umsetzen, so kann den Gemeinschaft pflegten und die eine Mitwirkung an Sorgenden Ge- Sorge füreinander lebten. Dabei ge- meinschaften für Kirchgemeinden in hört zu dieser Gemeinschaft, dass da- dreierlei Hinsicht Folgen haben: rin nicht nur der leistungsstarke, son- dern auch der hilfsbedürftige, nicht nur 1. Wenn sich Kirchgemeinden in Sor- der unangefochtene, sondern auch genden Gemeinschaften enga- der verletzliche Mensch seinen Platz gieren, dann lassen sie sich dazu hat. Somit wird bewusst, dass jeder anregen, dass sie ihr Handeln Mensch auf andere Menschen ange- konsequent auf die Sorge um die wiesen ist, und gleichermassen zur Nächsten und die Mitverantwortung Aufgabe einer/eines jeden, fürsorglich in der jeweiligen Gemeinschaft aus- zu leben und Verantwortung für andere richten. Dabei gilt: Die Kirchgemein- zu übernehmen. den arbeiten nicht «für» die Men- schen vor Ort, sondern «mit» ihnen. «Alter Wein in neuen D.h. nicht die Kirchgemeinden oder Schläuchen?» – oder: Was andere Hilfeinstitutionen bestimmen ist neu für Kirchgemeinden? über die zu errichtenden Angebote; Freilich ist es so, dass Kirchge- meinden bereits seit jeher als vielfälti- ge Sorgenetzwerke wirken. Sie stiften Beziehungen und Gemeinschaft, sie besuchen Kranke, unterstützen Vul- nerable und haben somit langjährige « Caring Erfahrung in der Übernahme von Ver- antwortung für andere und im solida- Community rischen Handeln mit Bedürftigen. Ist ermöglicht, es nun also so, dass Kirchgemeinden längst verwirklicht haben, was Sorgen- dass Menschen de Gemeinschaften neu propagieren? einander Was wird für Kirchgemeinden neu mit Mitmenschen Sorgenden Gemeinschaften? sind. » Cornelia Coenen-Marx
16 Warum Kirchen besonders geeignet für Sorgende Gemeinschaften sind vielmehr orientieren sich die Formen setzen, sondern sie mitten in die der Unterstützung und der Gemein- Gesellschaft einbringen. Dadurch schaftsstiftung vollständig an der erkennen Kirchgemeinden neue Be- Lebenswelt der Betroffenen. darfe, können rasch reagieren und sich agil mit je den passenden Part- 2. Die Kirchgemeinden haben vielfälti- nern vernetzen. ge Ressourcen und Kompetenzen, die sie konsequent in die Gestal- 4. So kann es gelingen, dass die tung der Gemeinschaften vor Ort Kirchgemeinden durch ihre Ressour- einbringen sollen. Dazu gehören die cen und Kompetenzen die Gemein- fachkundigen Mitarbeitenden, die wesen befähigen, aktivieren und vielfältigen Begabungen der vielen mobilisieren und so zu einer «Ge- Freiwilligen sowie die offenen und meinschaftsstifterin» werden. niederschwellig zugänglichen Räum- lichkeiten, die sich oftmals an bester Lage befinden – alle diese Ressour- cen sollen sie einsetzen, um beste- hende Sorgegemeinschaften zu ver- tiefen und neue zu fördern. 3. Entscheidend ist sodann, dass sie diese Ressourcen und Kompeten- zen nicht allein kirchenintern ein-
17 4 Sorgende Gemeinschaften konkret Wie eine Sorgende Gemeinschaft entstehen kann Wenn es darum geht, eine sorgende und des örtlichen Kontexts prüfen, wel- Gemeinschaft zu initiieren, die im ge- che Formen der Sorge notwendig sind, nannten Sinne als Netzwerk von Sor- um anschliessend auszuhandeln, wie gebeziehungen im Nahraum funk- sie sich darin als Gemeinschaft enga- tioniert, so erscheint klar, dass sich gieren können. eine solche Gemeinschaft nicht «von oben herab» (top down) implementie- Das impliziert, dass es kein fix an- ren lässt. Vielmehr ist grundsätzlich zu wendbares, standardisiertes Vorgehen beachten, dass sie nur aus dem Kreis bzw. kein «Rezeptbuch» gibt, das bei der vor Ort Beteiligten entstehen kann der Gründung einer sorgenden Ge- (bottom up): Sie alle – Einzelpersonen, meinschaft angewendet werden kann. bestehende Gruppen, involvierte Insti- Die Entstehung von sorgenden Ge- tutionen sowie idealerweise auch Ver- meinschaften ist damit auch nicht voll- tretungen der Behörden – müssen je ständig planbar. Sie durchläuft jedoch aufgrund der örtlichen Gegebenheiten idealtypisch verschiedene aufeinan- der aufbauende Phasen, die bewirken, dass die gemeinsame Gestaltung und
18 5 Care Aufgaben in einer Community gemeinsam gestalten und verantworten 4 Sich gemeinschaftlich organisieren 3 Sich gegenseitig gelegentlich unterstützen 2 Sich füreinander interessieren, Anteil nehmen 1 Sich gegenseitig wahrnehmen, miteinander in Kontakt treten Verantwortung von Sorgeaufgaben Netzwerks ist (4), da ist die gemeinsa- konkret gelebt wird (Modell gemäss me Gestaltung von Sorgeaufgaben im Sempach). Zuerst geht es darum, dass Nahraum (5) möglich. sich die Beteiligten vor Ort gegenseitig wahrnehmen und miteinander in Kon- Damit wird die Entstehung von takt treten (1); wenn es gelingt, dass sorgenden Gemeinschaften prozess- sie sich füreinander interessieren und je haft verstanden als ein agiles und gegenseitig an ihren eigenen Bedarfs- sich entwickelndes Gebilde, das sich situationen Anteil nehmen (2), so ist der wechselnden Bedürfnissen anzupas- Boden gelegt, um sich gegenseitig un- sen weiss. terstützen zu können (3). Wo schliess- Wenn auch klar ist, dass sorgen- lich diese gegenseitige Unterstützung de Gemeinschaften nur im engen Mit- nicht nur zufällig und temporär erfolgt, einander aller Beteiligten vor Ort ent- sondern Ausdruck eines organisierten stehen können, so ist dennoch zu beachten, dass diese nicht von selbst entstehen. Daher brauchen sorgen-
19 de Gemeinschaften oftmals Initiatorin- nen und Initiatoren, die die beteiligten « Eine Sorge- Menschen gezielt verbinden und dazu kultur meint beitragen, dass deren Wirken zu einem leistungsfähigen Ganzen zusammen- eben auch das gefügt werden kann. Recht auf eine Es sind gerade auch die Kirchen und Kirchgemeinden, die geeignet eigene Sorge sind, um diese Rolle als Initiantinnen und die Fähig- einzunehmen: Sie können den Sozial- raum wahrnehmen, Räume schaffen keit und Bereit- zum Austausch und Räumlichkeiten schaft, dass sich öffnen für das Gemeinwesen, Koopera- tionen anregen sowie ihre Ressourcen andere Sorgen und Kompetenzen zur Verfügung stel- machen dürfen len, um gemeinsam mit den Beteilig- ten vor Ort bedarfsgerechte Lösungen um mich. » zu entwickeln. Wenn Kirchgemeinden Andreas Heller bereit sind, sich auf diese Rolle einzu- lassen, so benötigen sie hierfür initiati- ve Menschen, die sich dafür engagie- ren wollen, sowie einen klaren Auftrag mit der Zuteilung von personellen und finanziellen Ressourcen. Notwendig sind in jedem Fall aber auch gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen (u.a. Interesse, Ressourcen, aktive Mitwirkung der ört- lichen Behörden), die die Entstehung solcher Netzwerke interessiert und un- terstützend begleiten.
20 5 Weiterführende Hinweise Wo wir Unterstützung erhalten können Wer sich vertieft mit sorgenden Gemein- Beispiele und Materialien schaften auseinandersetzen will, sei Wer an Beispielprojekten zu Sorgen- auf das Fachportal www.diakonie.ch / den Gemeinschaften aus der Schweiz www.diaconie.ch verwiesen. Interes- und aus dem nahen Ausland inter- sierte Leserinnen und Leser finden essiert ist, findet auf dem Fachportal dort weitere Materialien und Hinwei- www.diakonie.ch / www.diaconie.ch se zu Sorgenden Gemeinschaften, entsprechende Materialien. namentlich: Kontakt und Vertiefung Ansprechpersonen Tagungsband «Gemeinsam Sorge tra- Wenn Sie interessiert sind, in ihrer gen – Das Potenzial der Diakonie für Region eine sorgende Gemeinschaft sorgende Gemeinschaften», Theologi- zu gründen und hierfür eine Ansprech- scher Verlag Zürich (TVZ), 2021. person suchen, die Sie beraten kann, so melden Sie sich bitte beim Stab Netzwerk Caring communities Schweiz der Konferenz Diakonie Schweiz (info@diakonie.ch).
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22 Impressum Eine Publikation der Konferenz Diakonie Schweiz der EKS Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz Konferenz Diakonie Schweiz Sulgenauweg 26 Postfach 3001 Bern www.diakonie.ch Redaktion: Miriam Deuble, Maya Hauri Thoma, Simon Hofstetter, Jacqueline Lavoyer-Bünzli, Daniel Menzi Gestaltung/Layout: Meier Media Design Cartoon: Corinne Bromundt © 1. Auflage August 2021
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