Stellungnahme zum Sozialschutz-Paket II - Caritas
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Sozialschutz-Paket II Dokumentation Stellungnahme zum Sozialschutz-Paket II Zum Entwurf eines Gesetzes zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der C orona-Pandemie – Sozialschutz-Paket II (BT-Drucks. 19/18966) nimmt der DCV wie folgt Stellung.1 Zusammenfassung 5. Der DCV nimmt Stellung zu den Regelungen zum Bildungs- Die Bundesregierung hat Ende April mit dem Sozialschutz-Pa- und Teilhabepaket. Die Fokussierung auf das Mittagessen greift ket II ein weiteres Maßnahmenpaket vorgelegt, mit dem die wirt- aus Sicht des DCV zu kurz. Neben dem dringenden Erforder- schaftlichen und sozialen Härten der Krise abgefedert werden sol- nis, den von der Koalition angekündigten Digital-Zuschuss für len. Schüler und Schülerinnen aus bedürftigen Familien schnell und Der Deutsche Caritasverband (DCV) nimmt zu verschiedenen großzügig umzusetzen, macht der DCV Vorschläge, wie die im Teilen des Gesetzespakets Stellung: Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) vorgesehenen Mittel für die 1. Der DCV begrüßt, dass mit den Reformen des Sozialdienstleis- Lernförderung und kulturelle Teilhabe in der Krise gestaltet ter-Einsatzgesetzes (SodEG) die Praxistauglichkeit des Gesetzes werden sollten. gestärkt und Lücken geschlossen werden. Die Erweiterung der 6. Der DCV begrüßt die im Sozialschutz-Paket II vorgesehenen SodEG-Leistungen auf die interdisziplinäre Früherkennung Maßnahmen zur Waisenrente am Ausbildungsübergang und und Frühförderung trägt dazu bei, die soziale Infrastruktur in die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I. einem wichtigen Bereich zu erhalten. Allerdings ist der Fortbe- stand der Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ), anders als in der Im Einzelnen: Gesetzesbegründung ausgewiesen, durch die Regelung nicht gesichert, da der Anteil der Frühförderung in diesen Einrich- Artikel 4: Änderungen des Sozialgerichtsgesetzes tungen in der Regel bei maximal 25 Prozent ihres Leistungs- Der DCV begrüßt, dass die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege spektrums liegt. Hier besteht weiterhin Nachbesserungsbedarf. im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit während der Zeit der Epide- Gleichzeitig ist es uns wichtig, den Schutzschirm auch über die mie durch die Ermöglichung der Teilnahme per Videokonferenz Fahrdienste zur Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zu gewährleistet wird. (…) spannen. 2. Informationspflichten im SodEG präzise zu klären entspricht Artikel 6: Änderung des Sozialdienstleister- praktischen Erfordernissen. Die dabei zum Datenschutz vorge- Einsatzgesetzes sehenen Sonderregelungen, die im neuen § 6 vorgesehen sind, schießen weit über das Ziel hinaus. Es sollten für das SodEG Nummer 1 Änderung von § 2 die allgemeinen Regeln des Sozialdatenschutzes Anwendung Frühförderung finden. Der DCV begrüßt die Ergänzung zu § 2 sehr, gemäß derer die Leis- 3. Dass der Gesetzgeber den Rechtsweg klärt, ist grundsätzlich zu tungslücke im SGB V bei der interdisziplinären Früherkennung begrüßen. Zur Gewährleistung einer einheitlichen Bewertung und Frühförderung nach § 46 SGB IX i. V. mit der Frühförderungs- der Regelungen im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzun- verordnung nach § 48 Nummer 1 SGB IX geschlossen wird. gen (gerade zu den Rückerstattungsfragen) spricht sich der Gegenwärtig werden viele Leistungen der Frühförderung aus- DCV allerdings mit Nachdruck für die einheitliche Zuständig- gesetzt, da die Eltern Angst vor der Infizierung ihrer Kinder haben, keit der Sozialgerichte aus. die aufgrund ihrer komplexen Gesundheitsbeeinträchtigung zu 4. Zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten spricht sich der DCV den Hochrisikogruppen für SARS-CoV-2 gehören könnten. Auch für zwei klarstellende Ergänzungen in den §§ 2 und 3 SodEG haben Bundesländer Begehungsverbote für Frühförderstellen aus- aus. Im Sicherstellungsauftrag des § 2 sollte geklärt werden, dass gesprochen, die eine Leistungserbringung nicht ermöglichen. es darum geht, den Bestand der Dienstleister zu gewährleisten, Leistungsträger der Sozialen Teilhabe finanzieren die Leistung bei um das Angebot sozialer Leistungen zu sichern. In § 3 ist zu klä- Leistungsausfall nur teilweise weiter; von Krankenkassen, die der ren, dass zwar eine Anzeigepflicht der Dienstleister bezüglich zuständige Leistungsträger für die Finanzierung der medizi- DCV-Position der bereits fließenden vorrangigen Mittel, eine Pflicht zur vor- nisch-therapeutischen Leistungen sind, wird berichtet, dass sie rangigen Beantragung allerdings nicht besteht. die Finanzierung ganz einstellen. Eine telefonische oder digitale neue caritas 9/2020 35
Dokumentation Sozialschutz-Paket II Leistungserbringung kommt für diesen Patientenkreis nicht oder ren Vertragsbeziehung zum Leistungsträger der Eingliederungs- nur in Ausnahmefällen in Betracht. Bislang gab es keine Schutz- hilfe, sondern zur sie beauftragenden WfbM. Aktuell führt diese verordnung, die die Finanzierung der SGB-V-Anteile bei der Konstellation dazu, dass die Fahrdienste vor erheblichen Erlösein- Komplexleistung Frühförderung sicherstellte. Mit der Ergänzung brüchen stehen. zu § 2 SodEG wird diese Lücke nun geschlossen. Allerdings ist der Die Stillhaltekosten im Fahrdienst für Menschen mit Behinde- Fortbestand der Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ), anders als in rung zur WfbM sind beträchtlich. Auch wenn für die Beschäftig- der Gesetzesbegründung ausgewiesen, durch die Regelung keines- ten der Fahrdienste Kurzzeitarbeit beantragt ist und geringfügig wegs gesichert, denn der Anteil der Frühförderung in diesen Ein- Beschäftigte vorübergehend aus eigenen Mitteln weiterbezahlt richtungen beträgt in der Regel maximal 25 Prozent ihres Leis- werden, müssen die laufenden Betriebskosten refinanziert wer- tungsspektrums. den. Der DCV setzt sich nachdrücklich dafür ein, diese Lücke im vorliegenden Gesetzentwurf zu schließen, indem beispielsweise Ergänzender Regelungsbedarf zu § 2: Sicherstellungsauftrag unten stehender Änderungsvorschlag in § 2 eingefügt werden In der Praxis zeigen sich erste Probleme bei der Umsetzung des in könnte. § 2 SodEG geregelten Sicherstellungsauftrages. Der sozialrechtli- Änderungsbedarf che Sicherstellungsauftrag der Leistungsträger knüpft an die in den In § 2 wird ein neuer Absatz 2 eingefügt: Sozialgesetzbüchern geregelten Ansprüche an und umfasst die „Absatz 1 Satz 1 gilt entsprechend für natürliche und juristi- Vorhaltung der dazu notwendigen Infrastruktur. Insoweit muss sche Personen und Personengesellschaften, die, ohne selbst in für den jeweiligen fürsorgerischen und sozialen Dienst im Einzel- einem Rechtsverhältnis zu einem Leistungsträger nach Absatz 1 fall unter Heranziehung des Vertragsverhältnisses zu dem jeweili- zu stehen, mit sozialen Dienstleistern nach Absatz 1 in einem gen Leistungsträger geprüft werden, ob die vertraglich geschulde- Rechtsverhältnis stehen und im Rahmen dieses Rechtsverhältnis- te Leistung durch pandemiebedingte Einschränkungen nicht ses regelmäßig und in erheblichem Umfang unerlässliche Dienst- erbracht werden kann und deshalb der soziale Dienst in seinem leistungen zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch Bestand gefährdet ist. Die Bestandsgefährdung muss innerhalb der oder dem Aufenthaltsgesetz erbringen.“ jeweiligen Vertragsverhältnisse zum Leistungsträger in Bezug auf die jeweils geschuldete Leistung geprüft werden. Es bedarf einer Nummer 2 Änderung von § 3: Anzeige von Mitteln Klarstellung, dass sich der Sicherstellungsauftrag der Leistungsträ- Die Begründung macht deutlich, dass es darum geht, über vorran- ger auf die sozialrechtlichen Leistungen bezieht, zu deren Erbrin- gige Mittel, die bereits vor Antragstellung beantragt und somit tat- gung eine soziale Infrastruktur notwendig ist. sächlich verfügbar sind, bei Antragstellung zu informieren, um Änderungsbedarf überschießende Bewilligungssummen zu vermeiden, die später Der § 2 Satz 1 wird wie folgt formuliert: zurückerstattet werden müssten. Dieser Regelungsinhalt sollte in Die Leistungsträger nach § 12 des Ersten Buches Sozialgesetz- der Formulierung des § 3 klarer gefasst werden. buch, mit Ausnahme der Leistungsträger nach dem Fünften und Auch sollte in § 3 und in der diesbezüglichen Gesetzesbegrün- Elften Buch Sozialgesetzbuch, und das Bundesamt für Migration dung nochmals klargestellt werden, dass vor einer Gewährung von und Flüchtlinge (Leistungsträger) gewährleisten, dass im Aufga- SodEG-Leistungen keine vorrangigen Mittel nach § 4 Satz 1 benbereich des Sozialgesetzbuches oder des Aufenthaltsgesetzes SodEG beantragt werden müssen. § 4 SodEG zum Erstattungsan- das Angebot sozialer Leistungen vorgehalten wird, und sichern spruch legt fest, dass bei Doppelzahlung die SodEG-Zuschüsse den dazu notwendigen Bestand der Einrichtungen, sozialen vorrangig zurückerstattet werden müssen. Die in § 3 Absatz 1 für Dienste, Leistungserbringer und Maßnahmenträger, die als s oziale die Leistungsträger vorgesehene Verpflichtung zur Auszahlung Dienstleister im Aufgabenbereich des Sozialgesetzbuchs oder des der Zuschüsse in Höhe von 75 Prozent des Monatsdurchschnitts Aufenthaltsgesetzes soziale Leistungen erbringen. gewährleistet, dass die sozialen Dienstleister in der Corana-Krise arbeitsfähig bleiben. Sie werden damit ohne notwendige Vertrags Ergänzender Regelungsbedarf zu § 2: Fahrdienste zur WfbM anpassungen zwischen Dienstleister und Leistungsträger auch im ohne direkte Vertragsbeziehung zum Leistungsträger Interesse der Leistungsträger in die Lage versetzt, ihre sozialen Fahrdienste zur WfbM, die nicht mit eigenem Personal und eige- Dienstleistungen sowie andere in der Krise zwingend benötigte nen Fahrzeugen sichergestellt werden, sondern mit denen Dritte wichtige Unterstützungs- und Daseinsvorsorge-Leistungen (ins- im Rahmen des Personenfördergesetzes beauftragt sind, fallen besondere auch in Umsetzung von § 1 SodEG) zu erbringen. Hier- DCV-Position nicht unter den Schutzschirm des SodEG, denn die beauftragten durch unterscheiden sich die sozialen Dienstleister von Unterneh- Personenbeförderungsunternehmen stehen in keiner unmittelba- mungen in der Wirtschaft. 36 neue caritas 9/2020
Sozialschutz-Paket II Dokumentation Änderungsbedarf schutzrechtliche Ermächtigungsgrundlage im Rahmen dieses Die sozialen Dienstleister haben bei Antragstellung gegenüber Gesetzes erforderlich ist. dem zuschussgewährenden Leistungsträger anzuzeigen, in wel- Zu Absatz 1: cher Höhe vorrangige Mittel nach § 4 Satz 1 bereits geleistet wer- Die Kontaktaufnahme zum Zwecke der Vermittlung personeller den. Ressourcen erfolgt über die Ansprechpartner der sozialen Dienst- Vor der Zuschussbewilligung nach SodEG müssen vorrangige leister, deren Daten ohnehin vorhanden sind und im Rahmen der Mittel nicht beantragt werden. allgemeinen Aufgabenerfüllung verarbeitet werden dürfen. Dazu reicht die allgemeine Rechtsgrundlage im SGB X aus. Nummer 3 Änderung von § 4 Zu Absatz 2 und 3: Zu c) § 6 Absatz 2 sieht die Befugnis für die Leistungsträger vor, soziale Der neue § 4 Satz 2 will sicherstellen, dass Vergütungen nach § 22 Dienstleister zu verpflichten, Informationen unmittelbar an dem Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser öffentliche Stellen (zum Beispiel Krisenstäbe) zu übermitteln. Die- und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG) und § 149 se Ermächtigung wird vom DCV grundsätzlich begrüßt. Sie hat SGB XI auf die Ausgleichsleistungen nach dem SodEG angerech- allerdings keinen datenschutzrechtlichen Gehalt, weil die zu über- net werden, sofern die Rehabilitationseinrichtungen Versorgungs- mittelnden Informationen keine personenbezogenen Daten verträge nach SGB VI und SGB VII haben. Das ist sachgerecht. Es umfassen (dürfen). gibt jedoch viele Rehabilitationseinrichtungen, die Versorgungs- Der DCV geht davon aus, dass nach § 1 SodEG keine perso- verträge sowohl nach dem SGB VI als auch nach dem SGB V und nenbezogenen Daten übermittelt werden müssen, sondern ledig- daher anteilig auch Zuschüsse nach § 111 d SGB V in Anspruch lich eine Erklärung zum Umfang der verfügbaren Ressourcen. nehmen dürfen. Um diese Schnittstelle zur Berechnung der Aus- Konkret: Es wäre zum Beispiel zu übermitteln, dass ein Gärtner gleichsleistung nach § 111 d SGB praxisgerecht zu lösen, ist eine einer Jugendhilfeeinrichtung verfügbar ist (der dann gegebenen- Ergänzung notwendig: falls als Erntehelfer einsetzbar wäre). Personenbezogene Daten „Satz 1 gilt entsprechend, wenn die sozialen Dienstleister als dieses Gärtners sind nicht erforderlich und dürfen daher auch Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen folgende Vergütun- nicht übermittelt werden. gen erhalten haben, die nicht bereits in der Kalkulation des Zu Absatz 4: Anspruchs nach § 111 d Absatz 2 Satz 1 SGB V berücksichtigt wur- Für die Berechnung des Zuschusses nach § 3 ist die Verarbeitung den: (…).“ personenbezogener Daten nicht erforderlich. Die Dienstleister Zu d) sind insoweit auch nicht verpflichtet, personenbezogene Daten zu Zu den Informationen, die vom Dienstleister an den Leistungsträ- übermitteln, sondern lediglich die tatsächlich zugeflossenen Sum- ger zu übermitteln sind, um den Erstattungsanspruch ermitteln zu me der vorrangigen Mittel. können, gehören per se keine personenbezogenen Daten. Es geht Für diese Feststellung des nachträglichen Erstattungsanspruchs um bereite Mittel, also um Summen. Darauf verweist auch die nach § 4 genügt die Bezifferung der bereiten Mittel. Auch im Fal- aktuelle Weisung der Bundesagentur für Arbeit vom 29. April le des Kurzarbeitergeldes geht es nicht um die Frage, wer Kurzar- 2020, wenn davon gesprochen wird, dass lediglich die „Anzahl“ beitergeld bezogen hat, sondern um die Frage, in welcher Höhe der sozialversicherungspflichtig Beschäftigen beziehungsweise Kurzarbeitergeld die Belastungen des Trägers gemindert hat (§ 4 der in Kurzarbeit befindlichen Personen anzugeben ist und der tat- Satz 1 Nr. 3). sächliche Mittelzufluss aus vorrangigen Mitteln „rein rechnerisch“ Im Übrigen weisen wir darauf hin, dass die Übermittlung per- dargestellt werden muss.2 sonenbezogener Daten, die ein sozialer Dienstleister im Rahmen Änderungsbedarf eines Arbeitsverhältnisses erhoben hat und die nur zu diesem Streichen: „einschließlich personenbezogener Daten“ im zweiten Zweck verwertet werden dürfen, stets einer Rechtsgrundlage für Satz der unter d) vorgesehenen Einfügung. den weiterleitenden Arbeitgeber bedürfen. Nach Ansicht des DCV liegt diese aber nicht in Artikel 6 Absatz 1 lit. c) Daten- Nr. 4 neu: § 6 Datenschutz schutz-Grundverordnung (DSGVO) i. V. mit diesem Gesetz, weil § 6 verfolgt das Ziel, die Information über Unterstützungsmög- dieses Gesetz zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch nicht in lichkeiten (Abs. 1 und 2) und zu den Abrechnungsgrundlagen Kraft war und deshalb keinen Erlaubnisvorbehalt für die Weiter- (Absatz 3) für den Leistungsträger verfügbar zu machen. leitung der Daten durch den sozialen Dienstleister vorsehen DCV-Position Der DCV geht davon aus, dass dazu keine Übermittlung per- konnte. Eine Rechtfertigung könnte allenfalls nach Artikel 6 sonenbezogener Daten notwendig und deshalb auch keine daten- Absatz 1 lit. f) DSGVO vorliegen, wenn die Weiterleitung zur neue caritas 9/2020 37
Dokumentation Sozialschutz-Paket II Wahrung der berechtigten Interessen des sozialen Dienstleisters Artikel 7, 12 und 13: Änderungen Aufwendungen erforderlich ist und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßig- für gemeinschaftliches Mittagessen trotz Schul- keit die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betrof- und Kitaschließungen fenen Person hintenanstehen lassen. Nach dem datenschutz- Der mit Schließung von Schulen, Kindertagesstätten und der Kin- rechtlichen Grundsatz der Datensparsamkeit reichen allerdings dertagespflege verbundene Wegfall von Leistungen, die über das abstrakte Informationen über mögliche personelle Unterstüt- Bildungs- und Teilhabepaket gefördert werden, betrifft nicht nur zungen aus, wie zum Beispiel, in welchem Umfang und mit wel- die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung. Auch wenn davon aus- chen Qualifikationen Personal bereitstehen kann. Die Übermitt- gegangen werden kann, dass der Wegfall des kostenlosen Mittag- lung personenbezogener Daten erscheint auch insoweit essens für einkommensschwache Familien eine spürbare finan unverhältnismäßig und rechtfertigt die Übermittlung durch den zielle Belastung darstellt, so ist doch die wesentliche Gefahr, die Dienstleister nicht. für Kinder aus einkommensschwachen bildungsfernen Familien Änderungsbedarf mit der Schulschließung entsteht, noch eine andere. Für sie kann Die Überschrift zu § 6 ist zu ändern in „Informationspflichten“. der Wegfall des analogen Unterrichts besonders gravierende und Absatz 1 entfällt. nachhaltige Auswirkungen auf ihre Leistungsentwicklung haben. Absatz 2 ist wie folgt zu fassen: „Die Dienstleister sind auf Die Krise zeigt noch einmal sehr deutlich auf, dass es dringend Anforderung der Leistungsträger verpflichtet, Informationen zu notwendig ist, den Digital-Gap zu schließen und die Familien mit den Unterstützungsmöglichkeiten nach § 1 an öffentliche Stellen den entsprechenden Geräten auszustatten und in ihre Kompeten- im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben dieser Stellen zu übermit- zen zu investieren. Kinder und Jugendliche laufen Gefahr, bil- teln.“ dungstechnisch ausgeschlossen zu werden, weil sie digital nicht Absatz 3 und 4 entfallen. auf dem Stand sind. Es müssen flächendeckend Lösungen zum Auffangen und Unterstützen der abgehängten jungen Menschen § Nr. 4 neu: § 7 Rechtsweg erarbeitet werden – nicht erst nach der Krise. Der Entwurf sieht eine geteilte Rechtswegzuständigkeit vor. Der Die Bundesregierung hat dies erkannt und hat beschlossen, DCV lehnt diese Zersplitterung ab, denn der Rechtsschutz für arme Familien mit einem Zuschuss 150 Euro zu unterstützen, Streitigkeiten aufgrund des SodEG muss effektiv ausgestaltet sein um digitale Geräte und Infrastruktur (Internetzugang) zu beschaf- (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz). (…) fen. Dieser Beschluss muss nun zügig umgesetzt werden. Dabei muss sichergestellt werden, dass alle Familien/Schüler über die § 8 Evaluation Zuschussmöglichkeit informiert werden. Bei der Organisation der Der DCV begrüßt nachdrücklich, dass die Regelungen des SodEG Auszahlung ist nach Bedürftigkeit entlang rechtssicherer Kriterien evaluiert werden sollen. Das Bundesministerium für Arbeit und vorzugehen. Grundsätzlich erscheint der Betrag deutlich zu nied- Soziales (BMAS) sollte jedoch zur Evaluation verpflichtet werden. rig, um geeignete Geräte zu kaufen. Um zu vermeiden, dass wei- Die „Kann“-Regelung ist entsprechend nachzubessern. Des Wei- tere Anträge beim Jobcenter gestellt werden müssen, sollten die teren ist klarzustellen, dass die in die Untersuchung einzubezie- tatsächlichen Kosten einer angemessenen und in dieser Form von henden Dritten unabhängige Wissenschaftler sein sollen. Der mit den Schulen beschriebenen EDV-Ausstattung (bis zu 250 Euro) einer Million Euro bezifferte Erfüllungsaufwand, der für die übernommen werden. Sicherzustellen ist die administrative Untersuchung vorgesehen ist, erscheint uns allerdings als sehr Umsetzung über die Schulen. Dabei ist zu beachten, dass die hoch, um wissenschaftliche Expertise in ausreichendem Umfang gesamte Abwicklung möglichst stigmatisierungsfrei erfolgt. Zu und der gebotenen Qualität einzubeziehen. Der DCV fordert berücksichtigen ist, dass es nicht damit getan ist, die notwendigen zudem, dass die vom SodEG betroffenen Spitzenverbände der Ein- Geräte zur Verfügung zu stellen. Studien belegen, dass teilweise richtungen und Dienste über einen Beirat in die Evaluation einge- auch das Know-how fehlt, die Geräte und die Software anzuwen- schlossen werden müssen. Dies ist in der Gesetzesbegründung zu den. Hier braucht es weitere Anstrengungen. ergänzen. Derzeit ist festzustellen, dass manche Kinder weder digital Änderungsbedarf noch analog hinreichend erreicht werden. Damit sich Bildungs „Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragt eine armut nicht verschärft, müssen sozial- und bildungsbenachteilig- Untersuchung zur Ausführung dieses Gesetzes. In die Untersu- te Kinder bei der schrittweisen Öffnung der Betreuungs- und chung ist wissenschaftliche Expertise einzubeziehen. Die Ergeb- Bildungseinrichtungen möglichst schnell eine besondere Berück- DCV-Position nisse der Untersuchung sollen bis zum 31. Dezember 2021 veröf- sichtigung erfahren. Kindern mit besonderem Förderbedarf fällt fentlicht werden.“ es häufig schwer, ihre Lernaufgaben eigenständig zu strukturieren 38 neue caritas 9/2020
Sozialschutz-Paket II Dokumentation und Lerninhalte selbstständig zu erarbeiten. Ihre Familien können mäßig großen Aufwand mit sich. Der DCV plädiert deshalb dafür, eine angemessene Unterstützung aus unterschiedlichen Gründen allen Familien im Bezug von SGB-II-, SGB-XII-, Kinderzu- nicht immer sicherstellen. Bei Bedarf sollten deshalb Kinder mit schlags-, Asylbewerberleistungsgesetz- und Wohngeld-Leistun- besonderem Förderbedarf auch schon während der Schließung gen eine einmalige Leistung in Höhe von 150 Euro pro Kind für eine intensivere Betreuung durch die Lehrer erhalten, zum Beispiel das Mittagessen in Zeiten der Corona-Krise zu gewähren und so telefonisch oder per Skype, wenn WLAN vorhanden ist. Zudem eine Entlastung zu schaffen. Sachleistungen schränken die Gestal- müssen Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf über tungsfreiheit unnötig ein. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass „Rückkehrkonzepte“ möglichst schnell wieder in das schulische Eltern diese Mittel zweckwidrig verwenden. Studien belegen im Lernumfeld integriert werden. In Baden-Württemberg können Gegenteil, dass Eltern zuletzt bei ihren Kindern sparen. Vorrangig schwächere Schülerinnen und Schüler ohne Digitalausstattung wichtig ist es aus Sicht des DCV, dass mit der schrittweisen Öff- seit 4. Mai zur Betreuung in kleinen Lerngruppen in die Schule nung der Schulen auch zügig die Möglichkeit eröffnet wird, dass bestellt werden. Die Entscheidung, wer kommen muss/soll und Kinder und Jugendliche unter Einhaltung der gebotenen Hygiene- wer nicht, liegt bei den Lehrkräften. Dieses Arrangement erlaubt regelungen Zugang zur Mittagsversorgung in Schulen und Kitas es, gezielt solche Kinder zu fördern, die in der momentanen Situa- erhalten. tion besonders benachteiligt werden, weil sie den Anschluss zu Der DCV schlägt weiter vor, die im Bildungs- und Teilhabepa- verlieren drohen. Die Einbeziehung der Schulsozialarbeit in die ket vorgesehenen Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kultu- Konzepte muss dabei selbstverständlich sein. rellen Leben, für die bei nachgewiesener Teilhabe 15 Euro monat- In der Philosophie der Hilfeleistung des Bildungs- und Teilha- lich vorgesehen sind, auch dann zu gewähren, wenn Bücher, bepakets muss auch die Lernförderung nach § 28 Absatz 5 SGB II Spiele oder Bastelmaterial gekauft wurden. Aufgrund der Kontakt- besonders großzügig angewandt werden. Grundsätzlich ist das beschränkungen und Schließungen aller Kultureinrichtungen wie schulische Bildungssystem vorrangig in der Pflicht, bei allen Schü- zum Beispiel Kino ist Lesen momentan ein wesentlicher Ausfluss lerinnen und Schülern auf einen Bildungserfolg hinzuwirken. Die von Teilhabe am kulturellen Leben. Diese sollten hilfebedürftige coronabedingten Lücken sind allerdings in den nächsten Wochen Kinder mit den Mitteln des BuT finanzieren können; eine Auf- und Monaten durch die Schule allein nicht zu schließen. Solange stockung auf 30 Euro monatlich wird vom DCV für die Zeit coro- durch das schulische Bildungssystem nicht gewährleistet ist, dass nabedingter Einschränkungen empfohlen. auch Kinder aus Haushalten mit Einkommen an der Grenze des soziokulturellen Existenzminimums, die eine ergänzende Lernför- Artikel 8: Änderung des Tarifvertragsgesetzes derung benötigen, diese tatsächlich erhalten und somit Bildungs- Wie bei dem Verfahren bei der Mindestlohnkommission sollte und Chancengerechtigkeit hergestellt wird, müssen die Leis- sichergestellt werden, dass die Verfahren nach § 5 Absatz 2 Tarif- tungsträger die Deckung des Bedarfs an Bildung durch vertragsgesetz (TVG) nicht gegen den Willen der Beteiligten mit- angemessene Lernförderung sicherstellen. Dies gilt in Zeiten von tels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden. Schulschließungen in ganz besonderer Weise. Sollte die Verhandlung des Tarifausschusses mittels Video- Wenn für bildungsbenachteiligte Schüler, die derzeit weder oder Telefonkonferenz zudem nicht nur für das Verfahren nach digital noch analog gut erreicht werden können, Rückkehrkonzep- § 5 TVG, sondern auch für §§ 7, 7 a Arbeitnehmerentsendegesetz te erarbeitet werden, die einen baldigen Schulbesuch sicherstellen, (AEntG) gelten, sollte dies rechtssicher klargestellt werden. § 7 a so kann für diese Kinder auch das schulische Mittagessen sicher- Absatz 4 AEntG verweist jedenfalls für die Befassung des Tarifaus- gestellt werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das Mittagessen schusses nur auf § 5 Absatz 1 Satz 1 TVG und nicht auf § 5 TVG, im Rahmen des Bildungspakets geliefert oder abgeholt werden wie in der Begründung der Formulierungshilfe ausgeführt. Wir kann. Diese Lösung ist aus Sicht des DCV nicht praktikabel. Solan- gehen zudem davon aus, dass die beabsichtigte Neuregelung der ge kein Schulbesuch stattfinden kann, findet das Mittagessen Ermöglichung einer Telefon- oder Videokonferenz nicht auch das gemeinsam in der Familie statt. In den Blick genommen werden Anhörungsverfahren der paritätisch besetzten Kommissionen muss dabei die gesamte Familie. nach § 7 a Absatz 1 a AEntG erfasst. Dies sollte in der Begründung Das BuT-Mittagessen stellt einen pauschal geregelten Mehrbe- ausdrücklich klargestellt werden. darf dar. Dieser hatte die Voraussetzung, dass das Mittagessen Der letzte Satz des zweiten Absatzes der Begründung zu Arti- gemeinschaftlich und in schulischer/Kita-Verantwortung einge- kel 7 sollte vor diesem Hintergrund daher auch wie folgt gefasst nommen wird. Nun wird auf diese Voraussetzungen verzichtet. werden: „Die Möglichkeit einer Video- oder Telefonkonferenz DCV-Position Deshalb wäre es konsequent, diesen Betrag an die Familien auszu- steht auch für die Befassung des Tarifausschusses auf Grundlage der zahlen. Alles andere bringt für alle Beteiligten einen unverhältnis- Regelungen der §§ 7, 7 a Arbeitnehmer-Entsendegesetz sowie 3 a neue caritas 9/2020 39
Dokumentation Sozialschutz-Paket II Arbeitnehmerüberlassungsgesetz offen, die auf die Vorschrift des Berlin/Freiburg, den 6. Mai 2020 § 5 TVG verweisen.“ Hilfsweise weisen wir ausdrücklich darauf Eva M. Welskop-Deffaa hin, dass die Durchführung des Anhörungsverfahrens nach § 7 a Vorstand Sozial- und Fachpolitik Absatz 1 a AEntG im Wege einer Telefon- oder Videokonferenz Deutscher Caritasverband e. V. nicht gegen den Willen der an der Anhörung Beteiligten – wie etwa der paritätisch besetzten Kommissionen – erfolgen kann. Kontakt: Auch insoweit bitten wir dann – zur Gewährleistung des kirchli- Dr. Birgit Fix, E-Mail: birgit.fix@caritas.de chen Selbstbestimmungsrechts – nachdrücklich um die oben Dr. Elisabeth Fix, E-Mail: elisabeth.fix@caritas.de erwähnte Ergänzung des Gesetzestextes. Änderungsbedarf Anmerkung Die in § 5 Absatz 2 TVG vorgeschlagene Anfügung eines weiteren 1. Die vollständige Stellungnahme findet sich unter: Satzes zur Ermöglichung von Video- oder Telefonkonferenzen www.caritas.de/Stellungnahmen sollte wie folgt ergänzt werden: 2. Fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit zum Gesetz über „In begründeten Fällen kann das Bundesministerium für den Einsatz der Einrichtungen und sozialen Dienste zur Bekämpfung Arbeit und Soziales eine Teilnahme an der Verhandlung mittels der Coronavirus SARS-Co V-2 Krise in Verbindung mit einem Sicher Video- oder Telefonkonferenz vorsehen, wenn nicht ein Teilneh- stellungsauftrag Sozialdienstleister-Einsatzgesetz vom 29. April 2020, mer diesem Verfahren unverzüglich widerspricht.“ www.arbeitsagentur.de/datei/ba146463.pdf, S. 8 und S. 12. DCV-Position 40 neue caritas 9/2020
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