Crystal Meth Prävention - Schutzmaßnahmen während der Schwangerschaft und nach der Geburt - TU Chemnitz
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Crystal Meth Prävention – Schutzmaßnahmen während der Schwangerschaft und nach der Geburt • Dipl.-Psych. Frederik Haarig • Mitarbeit: Stephan Mühlig, Anastasia Gusakova, Caroline Walter, Andreas Staudt, Anna Schramm • 17.06.2015 • frederik.haarig@psychologie.tu-chemnitz.de Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Was sollte präventiv getan werden? Die bisherigen Fakten … • Crystal mit erheblichem Schädigungsrisiko (somatisch und psychisch, Vortrag Prof. Mühlig) • es existieren verschiedene Risikogruppen (u.a. jugendliche Heranwachsende, junge Mütter) • Konsequenzen beziehen sich mittlerweile nicht nur auf Konsumenten selbst, sondern auch auf „Angehörige“ (Neugeborene) • Ergo? àSchritt 1: Welche Präventionsmaßnahmen sind international/ national als wirksam belegt? àSchritt 2: Was kann speziell im Rahmen der Frühen Hilfen zur Vorbeugung getan werden? àSchritt 3: Was davon kann wie umgesetzt werden? Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Schritt 1: Systematische Literaturrecherche zur Wirksamkeit von Präventionsprogrammen • Auswahl anhand des PICO-Schemas (Participants – Intervention – Comparison – Outcomes) • Bestimmung von Suchbegriffen in Übereinstimmung mit neueren bei der Cochrane Collaboration publizierten Reviews • Recherche in vier Schritten: 1. Datenbankrecherche 2. Handsuche in Fachzeitschriften 3. Rückwärts- und Homepagesuche 4. Studienregistersuche àErgebnis: 15 relevante Studien (1 Review mit 10 Studien, 3 RCTs, 1 QRCT und 1 NRCT) mit 77.877 eingeschlossenen Probanden Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention PICO Participants Intervention Comparison Outcomes •Reviews • Rückgang Crystal- •potenzielle •RCTs (randomized Konsum Konsumenten von controlled trials) • Rückgang Crystalmethamphe- •QRCTs (Quasi- Beratungsbedarf tamin, die an randomized controlled • Rückgang Crystal Präventionsprogram- trials) assoziierter men teilgenommen •Präventions- •NRCTs (Non Gesundheitsprobleme haben programme zum randomized controlled • Drop-out Rate Crystalmeth- trials) • Einstellung zum Konsum •keine amphetamin- •CC (case-controlled • Änderungsabsichten bei Einschränkung Konsum study) bereits vorhandenem hinsichtlich •BA (before-and-after Konsum soziodemogra- comparison) • allgemeine Auffassung phischer Merkmale zu Drogen (Geschlecht, Ethnie, aktive vs. passive • Reaktanz Alter oder Sprache) Kontrollgruppen (Higgins • Wissen um & Green, 2011) Konsumfolgen Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention àvorgestellt zum Suchtkongress 2014 in Berlin àzitiert im Landespräventionsrat am 21.01.2015 Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Riskanter Konsum von Crystal Meth – Charakteristik der Konsumenten Konsumenten häufig ausgestattet mit zusätzlichen Problemen (nicht vorhandene Arbeitstätigkeit, Wunsch nach Partnerschaft, wenn Konsumenten Single sind, Verstöße gegen das Gesetz) (Haarig, Schäfer & Mühlig, 2014, Suchtkongress in Berlin) Professur für Klinische Psychologie 10 www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Systematische Literaturrecherche – Ergebnisse Präven- Studie Design Stichprobe Methodik Ergebnisse tionsart McKetin Review Gesetz N = 10 Studien 15 Maßnahmen bezüglich des einge- Die Regulationen und Verbote (2011) (Misch-Designs) schränkten Verkaufs von Bestandteilen und für Bestandteile von Crystal Teilstoffen bei der Methamphetamin- Meth reduzieren Herstellung, herstellung: 13 beinhalten rechtliche Re- Verkauf und Konsum gulationen, 2 streben gänzliche Verbote an signifikant. Spoth RCT Schule, N = 1.346 Konsekutive Verknüpfung von 2 RCTs von Signifikant positive Ergebnisse (2006) famili- Follow- up: 1993 bis 2004 an 69 öffentlichen Schulen zur Prävention von Crystal- äres N = 1.054 1. Studie: EG = Iowa Strengthening konsum für LST allein und in Umfeld Families Program (ISFP) und „Preparing for Kombination mit ISFP (weniger drug free years“; KG = keine Maßnahme Crystal-Konsum im Vergleich 2. Studie: EG1= ISFP + Life Skills Training zu KG). (LST); EG2 = LST; KG = keine Maßnahme Follow-up über Selbstberichte zum Konsum im letzten Jahr und Lebenszeit (4½; 5½; 6 ½ Jahre später) Riggs RCT Schule, N = 1.606 8 Mittelschulen in Kansas City Signifikanter Rückgang des (2009) famili- Follow- up: EG = Teilnahme am Midwestern Prevention Methamphetamin-Konsums im äres N = 1.002 Programm (MPP); KG = keine Maßnahme Follow-up. Umfeld Follow-up jedes Jahr (bis 29. Lebensjahr) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Systematische Literaturrecherche – Ergebnisse Präven- Studie Design Stichprobe Methodik Ergebnisse tionsart Gyull RCT Schule, N = 1.025 1993 bis 1998 an 58 öffentlichen Schulen Die Programme LST und ISFP (2010) famili- Follow-up: EG 1 = LST; EG2 = ISFP and „preparing for weisen kleinen positiven sign. äres N = 905 drug free years“; EG 3 = IST + LSFP; KG = Einfluss auf Konsumreduktion Umfeld, minimale Kontrolle (nur Pretesting); Follow- auf und sind im Vergleich zur Kosten- up: Selbstauskünfte (n der 12. Klasse) Behandlung der Konsumenten faktoren kostengünstiger. Ander- QRCT Medien N = 73.900 Anhand zwei nationaler Surveys (YRBS, Keine positive Wirkung des son TEDS) wurden die Daten von Jugendlichen Montana Meth Projects auf den (2010) ausgewertet (Konsum von Crystalmeth im Methamphetamin-Konsum in letzten Jahr und auf Lebenszeit): Montana. EG = Jugendliche aus Montana KG = Jugendliche aus anderen Bundesstaaten Gold- NRCT Medien, Gefängnis- Einführung verschiedener Interventionen und Rate crystalmethbezogener berg Umwelt, insassen Präventionsmaßnahmen, Prä-Post-Vergleich Auffälligkeiten im Jahr 2005 (2007) Gesetz verschiedener crystalbezogener signifikant reduziert. Auffälligkeiten (Todesfälle, Verhaftungen) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Systematische Literaturrecherche – Diskussion Präventionsprogramme setzen bei gesetzlichen Regulationen, familien- bezogener und schulischer Aufklärung, medialer Informationsvermittlung sowie städtischen Beratungsangeboten an àgesetzliche Maßnahmen am effektivsten (stärkere rechtliche Einschränkungen, gänzliche Verbote; McKetin, 2011) àauf Familien und Schule bezogene Präventionsprogramme (ISFP, LST, MPP) sowohl in Post- als auch Follow-Up-Messungen ebenfalls effektiv (Spoth, 2006; Riggs, 2009; Gyull, 2010) àVerzahnung schulischer Informationsangebote mit dem Einbezug von Angehörigen sowie dem Angebot zusätzlicher Beratungsgespräche àAufklärung durch mediale Informationsvermittlung: kein prädiktiver Effekt auf Konsumreduktion (Anderson, 2010) àschulische Informationsangebote mit Einbezug der Angehörigen als wirksamer Ansatz zur Aufklärung potentieller Konsumentengruppen Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Beispiel: Strengthening Families Program (SFP) • Versionen: 1. Früher: Iowa Strengthening Families Program (IOWA) für 11- bis 18-Jährige [14 Sitzungen] àrevidierte Version mit gleichem Format/ Inhalt für Familien mit geringem Risiko: Strengthening Families Program: For Parents and Youth 10 – 14 (SFP 10 – 14) angemessener für multikulturelle Familien; mehr Fokus auf Resilienz [7 Sitzungen] 2. Für Familien mit hohem Risiko: SFP 3 – 5 (pre-school children), SFP 12 – 16 (elementary school children), SFP 7 – 17 (Group class Curriculum) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Beispiel: Strengthening Families Program: For Parents and Youth 10-14 (SFP 10 - 14) • Ziele: drei Programmkomponenten: 1. „Parenting Sessions“: angemessene Erwartungen bzgl. Entwicklung, positive Interaktion mit Kindern, begründete und logische Konsequenzen, ... 2. „Children‘s Skill Training“: verbesserte Eltern-, Peers- und Lehrerbeziehungen, Hoffnungen & Träume, Widerstandfähigkeit, Problemlösefähigkeit, Umgang mit Kritik, Wutmanagement, ... 3. „Family Sessions“: Üben des Gelernten aus den Einzelsitzungen, Eltern-Kind-Interaktionen, Familienregeln, neues Verhalten zu Hause generalisieren • Methoden: Präsentationen, Fähigkeiten einüben, Spiele spielen, Familienprojekte, Rollenspiele, Diskussionen, Lernspiele, Videos • Durchführung: sieben bis zehn Familien; sieben Wochen; pro Woche eine Sitzung; gewöhnlich am Abend à Sitzung: in der ersten Stunde: separate Gruppen; in der zweiten Stunde: zusammen als Familie Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Botvin, G. J., & Griffin, K. W. (2004). Life skills Beispiel: Life Skills Training (LST) training: Empirical findings and future directions. Journal of Primary Prevention, 25(2), 211-232. • Für Mittel- bzw. Junior-High School Schüler (6.-8. Klasse oder 7.-9. Klasse) • Ziel: drei Hauptkomponenten: 1. „Self-management Skills“: Medieneinfluss widerstehen, realistische Ziele setzen, Selbstwert stärken, „decision-making“, Bewältigung von Wut/ Frustration, ... 2. „Interpersonal Skills“: Stärkung sozialer Kompetenzen, Schüchternheit bewältigen, Komplimente geben/ bekommen, .. 3. Wissen/ Einstellung bzgl. Drogenkonsum: direkten physiologischen Einfluss aufzeigen, Fokus auf kurzfristige Konsequenzen, ... • Methoden: kognitiv-behaviorale Skills-Training-Techniken (Kombination aus: Anleitung, Feedback, soziale Verstärkung, Verhaltenshausaufgaben, Demonstrationen), Gruppendiskussionen, traditionelle didaktische Methoden • Durchführung: im ersten Jahr: 15 Unterrichtsstunden (ca. 45 Minuten) à zusätzliche „Booster-Interventionen“: zehn Sitzungen im zweiten und fünf Sitzungen im dritten Jahr Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Beispiel: Midwestern Prevention Project (MPP) • für 10- bis 14-jährige Mittelschüler (besonders 6./7. Klasse) • Ziel: Substanzgebrauch verhindern/ reduzieren, Widerstandfähigkeit, Vorstellungen über Konsequenzen à vier Programmkomponenten: 1. Schule: aktive soziale Lerntechniken (Rollenspiele, Diskussionen, ...) und Hausaufgaben à im Lehrplan für Mittelschullehrer mit inbegriffen 2. Gesellschaft/ Politik: Veränderungen in lokaler Gesundheitspolitik 3. Eltern: zur Unterstützung der Programmziele motivieren 4. Massenmedien: Nachricht: „kein Drogenkonsum“ verbreiten, zur Unterstützung der anderen Komponenten • Methoden: Rollenspiele, Gruppenfeedbacks, Gebrauch von Lehrern und Gruppenleitern, Hausaufgaben (Familieninterviews) • Durchführung: zehn Sitzungen im Unterricht; fünf interaktive Hausaufgaben mit den Eltern Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Implikationen für das medizinische Versorgungssystem mildernder Effekt von versorgungspolitischen Rahmenbedingungen auf die Langzeitfolgen von Crystalkonsum - kostenlose medizinische prä- und postnatale und pädiatrische Versorgung à besserer Zugang - finanzielle Unterstützung bei Armut - keine Meldepflicht von mütterlichem Konsum an das Jugendamt àhäufigere Inanspruchnahme von Vor- und Nachsorgeuntersuchungen, da keine Angst um Sorgerechtsentzug àEffekte können langfristig anhand der Kohorten in der IDEAL- Studie (USA vs. NZL) untersucht werden (LaGasse et al., 2011) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Schritt 2: Systematische Literaturrecherche zu den Auswirkungen pränatalen Crystal Meth Konsums auf das Kind (siehe Vortrag Prof. Mühlig) • Auswahl anhand des PICO-Schemas (Participants – Intervention – Comparison – Outcomes) • Bestimmung von Suchbegriffen in Übereinstimmung mit neueren bei der Cochrane Collaboration publizierten Reviews • Recherche in vier Schritten: 1. Datenbankrecherche 2. Handsuche in Fachzeitschriften 3. Rückwärts- und Homepagesuche 4. Studienregistersuche àErgebnis: 18 Studien (33 Publikationen) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Präventionsprogramme für gefährdete Konsumentinnen 1. Verhütungskampagnen unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen àungeschützten Geschlechtsverkehr und ungewollte Schwangerschaften infolge von Crystalkonsum verhindern (Chomchai et al., 2004) 2. Aufklärung über die Wirkung, Folgen und Konsequenzen von Methamphetaminen generell und während der Schwangerschaft àAufklärung, Edukation und Prävention bei Jugendlichen und Schwangeren, v.a. in Risikomilieus durch Versorgungseinrichtungen àfrauenspezifische Beratungsangebote Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Präventionsprogramme für gefährdete Konsumentinnen 3. Angebote zur Unterstützung bei bereits bestehender Abhängigkeitsproblematik 4. Suche nach biopsychosozialen Gründen für negative Auswirkungen auf die Schwangerschaft àAnnahme: Crystalkonsum als Marker für bestehende bio-psychosoziale Ursachen, die negative Auswirkungen auf die Schwangerschaft haben können (Ursachen könnten negativere Folgen haben als die Droge selbst) àAnsatz: Konsum von Crystal als Indikator für dahinterliegende Problematik verwenden (Gorman et al., 2014) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Maßnahmen vor der Geburt Früherkennung: • Befragung nach Drogenkonsum und Screening (Urintest oder Haarprobe) bei Schwangeren als Standardkontrolle (Garcia- Bournissen et al., 2007) • besonderes Augenmerk auf Schwangere, die dem typischen demografischen Profil von jungen Konsumentinnen entsprechen (Good et al., 2010) Aufklärung: …über mögliche medizinische und rechtliche Folgen des pränatalen Konsums für Mutter und Kind in Form von Psychoedukation àWichtigkeit von regelmäßigen Check-Ups und den Anlaufstellen in der medizinischen, sozialen und psychologischen Betreuung àfrauenspezifische Beratungsangebote (Beratungsstellen, Jugendamt, Gesundheitsamt, gemeindespsychiatrischer Verbund, ambulante Therapeuten, stationär?) (Diaz et al., 2014; Gorman et al., 2014) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Maßnahmen vor der Geburt Medizinische, soziale und psychologische Unterstützung • intensive und regelmäßige Betreuung durch Sozialarbeiter (ggf. betreutes Wohnen) • Aufklärung über und Hilfe bei Suchtproblematik (bestenfalls Entzug) à z.B. Angebot „Sucht“ der Sozialpädagogischen Familienhilfe • psychotherapeutische Behandlung (komorbide psychische Störungen, zusätzliche Probleme: Stress, häusliche Gewalt, Arbeitslosigkeit; Haarig, Schäfer & Mühlig, 2014) • Sicherstellung regelmäßiger medizinischer vorgeburtlicher Betreuung (Check-Ups, Drogenscreening, usw.) (Diaz et al., 2014; van Dyk et al., 2014; Thompson, Levitt, & Stanwood, 2009) àZiel: Ausgleichen der negativen Effekte des Konsums auf das Kind Reduktion von Mangelernährung (Nährstoffe und Vitamine), Polykonsum (Cannabis, Tabak, Alkohol), Stress und Überforderung àVoraussetzung: frühe Identifikation des Drogenkonsums Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Maßnahmen nach der Geburt Entwicklung einer Routineuntersuchung für Neugeborene: • subtile Abweichungen der Aufmerksamkeit und state regulation (Zustandsregulation) durch bisherige Routineuntersuchungen nicht aufzudecken (Skalen für Entzugssymptome bisher nur für Heroin) • ruhigere und stärker unter dem Entzug leidende Kinder werden evtl. nur unzuverlässig erfasst àWelche Routineuntersuchungen zur Identifikation gibt es in den USA, Deutschland und anderen Ländern mit erhöhtem Crystalkonsum? àWas sind typische Abweichungen, Marker und mögliche Prädiktoren für Langzeitfolgen bei Neugeborenen? àFrühförderstellen (u.a. Sozialpädiatrische Zentren) als Diagnostik- und Erstförderungsschnittstellen (Integration in Komplexleistungen) (Smith et al., 2003) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Maßnahmen nach der Geburt Besondere medizinische Versorgung • pharmakotherapeutische Interventionen bei Entzugssyndrom sowie zur Behandlung von Begleiterscheinungen (Ciketic et al., 2012; Smith et al., 2003) à keine Untersuchungen speziell für Neugeborene • Antizipation von Problemen durch pädiatrische Versorgungsein- richtungen (Untersuchung nach körperlichen und geistigen Un- regelmäßigkeiten und Entwicklungsverzögerungen) àregelmäßige Check-Ups zur Beobachtung àFrühförderstellen àpädagogische und soziale Unterstützung bei auftretenden Problemen bzw. Auffälligkeiten àJugendamt, Beratungsstellen ambulante Therapeuten (Familienbetreuung) (van Dyk et al., 2014; Kirlic et al., 2013) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Maßnahmen nach der Geburt Sicherheit des Kindes àEntscheidung, ob Eltern fähig sind, sich um das Kind zu kümmern àBeispiel: Vulnerable Infants Program in Rhode Island = Frühsorge-Koordinationsprogramm • an Kliniken angebunden, Mütter werden durch Krankenhauspersonal an Programm herangeführt • Eltern werden sehr früh mit einbezogen (auf individuelle Bedürfnisse und Probleme zugeschnittene Hilfs- und Beratungsangebote) • kümmert sich um Suchtberatung, Psychotherapie, Krankenversicherung (vor allem für das Kind), Sozialleistungen und Erziehungsberatung Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Maßnahmen nach der Geburt Sicherheit des Kindes àEntscheidung, ob Eltern fähig sind, sich um das Kind zu kümmern àBeispiel: Vulnerable Infants Program in Rhode Island • Vereinfachung der Zusammenarbeit von sozialen Diensten, Staat, Justiz und Sucht- bzw. Familienberatungsstellen • erleichtert die Entscheidung des Gerichts über die Unterbringung und Behandlung der betroffenen Kinder • Ziele: bestmögliche Unterbringung für Kinder (langfristige Stabilität und Sicherheit für betroffene Kinder ermöglichen), Kontrolle, Eltern unterstützen, wenn möglich: unter Beobachtung Beziehungsaufbau von Kind zu Mutter • Problem: Kinder drogenabhängiger Eltern werden oft zu schnell den Eltern entrissen und oft wechselnd in Kinderheimen und bei Pflegeltern untergebracht • Nutzen: weniger Hospitalisierung der Eltern, hohe Zufriedenheit auf Elternseite, Kontrolle durch Behörden, ABER: 50% Abbrecher, Stabilität der Effekte unklar (Twomey et al., 2009; Wouldes et al., 2004) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Maßnahmen nach der Geburt Langzeitbetreuung von Mutter und Kind • regelmäßige medizinische Drogenscreenings • Untersuchung des Kindes auf Defizite à Ableitung von Interventionen • sozialpädagogische Unterstützung - regelmäßige Termine und Kontrollen, Beratungen, Hilfestellungen, Früh- und Schulförderung, usw. - ggf. Mutter-Kind-Wohnheim (kontrollierte Interaktionsbeobachtungen) • Vermittlung von Fachwissen an die Eltern, damit diese die Entwicklung ihres Kindes beobachten können • Ziel: Funktionsniveau und Lebensqualität steigern (Diaz et al., 2014; van Dyk et al., 2014) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Beispiel: Nurse Family Partnership and Early Start Ziele: (1) vor der Geburt: Verbesserung des Ausgangs der Schwangerschaft durch Verbesserung der Gesundheit der Mutter (2) Unterstützung der Gesundheit und altersgerechten Entwicklung des Kindes durch kompetente Pflege (3) Verbesserung des häuslichen Umfelds (Familiengestaltung) (4) Verbesserung des elterlichen Umgangs mit dem Kind (Kommunikation und Verhalten bei Problemen) (5) Unterstützung des Lebensweges der Eltern • Planung weiterer Schwangerschaften • Ausbildung abschließen • Arbeit finden und Einkommen regeln Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Beispiel: Nurse Family Partnership and Early Start Vorgehen: • regelmäßige Hausbesuche (vorgeburtlich und in früher Kindheit) durch Krankenschwestern • Fokus auf Bedürfnisse und Probleme der Eltern Empirische Nachweise (RCTs): + Olds (2006): bessere elterliche Fürsorge (weniger Unfälle und Miss-handlungen), bessere Sprach- und emotionale Entwicklung des Kindes, Verbesserung des Lebensweges der Mutter (Berufstätigkeit, weniger Abhängigkeit von Sozialleistungen) + Olds et al. (1998): weniger antisoziales Verhalten der Kinder + Fergusson et al. (2005): vermehrte Nutzung von Gesundheits- und Bildungsangeboten, weniger problematisches Verhalten der Kinder (weniger Bestrafung, mehr Zuwendung und Lob) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Maßnahmen nach der Geburt Frühe Interventionsprogramme für Kinder • Aufklärung der Eltern über Hilfsangebote und Fördermöglichkeiten für Kinder vor und während der Schullaufbahn àAusgleich von kognitiven Problemen (z.B. Lerngeschwindigkeit, Aufgabenorganisation, Konzentration) àErweiterung des bestehenden elterlichen Wissens zu medizinischen Versorgungsmöglichkeiten um pädagogische und schulbegleitende • Beispiel: Individualized Education Program = Teams zusammengesetzt aus Familienangehörigen, Lehrern und Schulvertretern, die ein individualisiertes Bildungsprogramm entwickeln • Barnard-Brak & Lechtenberger (2010): bessere schulische Leistungen bei Kindern in IEPs Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention PICKNICK - Sozialpädagogische Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien und Elternkompetenztraining - ein familienorientiertes Angebot für suchtkranke Familien (Stadtmission Chemnitz) Ablauf: • Unterstützung und Ermutigung von Eltern zur 1. Kontaktphase Wahrnehmung der Elternverantwortung • zur Motivation • mind. 3 Beratungsge- • Förderung von Einsicht (Einfluss von spräche in Familie Suchtverhalten auf Entwicklung der Kinder) 2. Kernphase • zur Veränderung • Stärkung von Kompetenzen zur Vorbeugung von • intensive Gruppenan- Kindeswohlgefährdungen gebote in Familie • KinderPICKNICK und • Psychoedukation bei betroffenen Kindern ElternPICKNICK 3. Ablösephase (Aufklärung, Besprechen von Ängsten und Fragen • zur Stabilisierung à (Neu)Gestaltung des familiären Alltags • Gruppenangebote in größeren Abständen (1 à Förderung der Beziehung von Eltern und Jahr) • Abschlussgespräche Kindern (www.stadtmission-chemnitz.de, 2015) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Selbsthilfe Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung (Mai 2015) mit spezifischen Informationen zu (Meth)amphetamin verfügbar unter: http:// www.drogenbeauftragte.de/ fileadmin/dateien-dba/Service/ Publikationen/ 2015_Drogenbericht_web_030615 .pdf Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Selbsthilfe Broschüre „Sehn-Sucht“ (mit Informationen zu Crystal-Meth), unterstützt von der Bundesdrogenbeauftragten verfügbar unter: http://www.polizei- beratung.de/fileadmin/upload/Polizei- Beratung/Germany/Medienportal/Medien/ Broschueren/BR_Sehn- Sucht_2013_10.pdf Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Selbsthilfe „Stop Crystal“ www.stop-crystal.de Sauber! Eine Initiative zur Drogenprävention und Aufklärung Vom Rotary Club Oberpfälzer Wald/Oberviechtach Ziel ist die Verhinderung von Drogenmissbrauch, insbesondere von Crystal Meth. Das Vorhaben richtet sich sowohl an betroffene Personen, als auch an Vereine, Schulen, Einrichtungen und Organisationen. Betroffenen werden die Sucht & Drogenhotline, die Initiative „Need-NO-Speed“ und „The Meth Project“ genannt. Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Selbsthilfe Drugcom.de Breaking Meth Narcotics Anonymous • Modell Projekt bis 2016 • Selbsthilfegruppen für • virtuelles Selbsthilfe-Angebot abstinent lebende • Internetchat • Zentrum für interdisziplinäre Süchtige Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS) & • Problem: Nicht überall Drug Scouts Leipzig (z.B. nicht in Chemnitz) • bisher 99 Mitglieder • positiv für Ex- Konsumenten • Zielgruppe: Menschen, die • Mo- Fr: 15.00- ihren Methamphetamin- Konsum reduzieren oder • http://www.narcotics- 17.00 einstellen wollen sowie an anonymous.de/ ehemalige Konsument_innen • www.drugcom.de • https://breaking-meth.de/ (Milin, Lotzin, Degkwitz, Verthein & Schäfer, 2014) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Schritt 3: Implikationen (Bedarf und Umsetzung) • kein spezifisches, zielgruppennahes Präventionsprogramm auf dem Markt • Prävention muss sowohl vor als auch nach der Geburt erfolgen • Beginn: Schule (in Verbindung mit Familie) à Pädagogisch- Psychologische Tage mit Fokus auf Probleme junger Heranwachsender (nicht speziell Fokus auf Drogen) • Kontrollen in den Einrichtungen/Institutionen, die an Schwangerschaft direkt oder indirekt beteiligt sind • Notfallplan in Verdachtsfällen • Lebenskompetenzsteigerung vs. spezifische Aufklärung à Förderung von Problemlösefähigkeiten, Bewältigungskompetenzen (speziell: Impulskontrolle), Krankheits- und Problemeinsicht, Eltern-Kind-Beziehung (Kindeswohlgefährdung) Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Diskussion • wenn gezielte Prävention, dann erfordert dies Zusammenarbeit verschiedener Institutionen und Kontaktstellen (Gynäkologie, Erstbehandler, Beratung, Jugendamt, Frühförderstellen, Psychiater, Therapeuten, u.a.) • offene Fragen? à Durchführbarkeit crystal-spezifischer und -präventiver Maßnahmen à Realisierbarkeit eines solchen Modell-Gedankens à Wer koordiniert das Netzwerk? • Was lässt sich ohne Netzwerk im „kleinen Rahmen“ leisten? àAufklärung und Informationsvermittlung àWeitervermittlung à„Lebenskompetenz“-Ansatz Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Dipl.-Psych. Frederik Haarig Professur für Klinische Psychologie (Prof. Dr. Stephan Mühlig) TU Chemnitz, Wilhelm-Raabe-Straße 43, 09120 Chemnitz Telefon: 0371 531 38315 Mail: frederik.haarig@psychologie.tu-chemnitz.de Homepage: www.kopfvitamin.de (im Aufbau) Vielen Dank an Stephan Mühlig, Anastasia Gusakova, Caroline Walther, Andreas Staudt und Anna Schramm. Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Literaturverzeichnis Barnard-Brak, L., & Lechtenberger, D. (2010). Student IEP participation and academic achievement across time. Remedial and Special Education, 31(5), 343-349 Chomchai, C., Na Manorom, N., Watanarungsan, P., Yossuck, P., & Chomchai, S. (2004). Methamphetamine abuse during pregnancy and its health impact on neonates born at Siriraj Hospital, Bangkok, Thailand. The Southeast Asian Journal Of Tropical Medicine And Public Health, 35(1), 228-231. Diaz, S. D., Smith, L. M., LaGasse, L. L., Derauf, C., Newman, E., Shah, R., ... & Lester, B. M. (2014). Effects of prenatal methamphetamine exposure on behavioral and cognitive findings at 7.5 years of age. The Journal of pediatrics, 164(6), 1333-1338. Garcia-Bournissen, F., Rokach, B., Karaskov, T., & Koren, G. (2007). Methamphetamine detection in maternal and neonatal hair: implications for fetal safety. Archives of Disease in Childhood-Fetal and Neonatal Edition, 92(5), 351-355. Good, M. M., Solt, I., Acuna, J. G., Rotmensch, S., & Kim, M. J. (2010). Methamphetamine use during pregnancy: maternal and neonatal implications. Obstetrics And Gynecology, 116(2 Pt 1), 330-334. Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Literaturverzeichnis Gorman, M. C., Orme, K. S., Nguyen, N. T., Kent, E. J., & Caughey, A. B. (2014). Outcomes in pregnancies complicated by methamphetamine use. American journal of obstetrics and gynecology, 211(4), 429-e1. Kirlic, N., Newman, E., LaGasse, L. L., Derauf, C., Shah, R., Smith, L. M., ... & Lester, B. M. (2013). Cortisol Reactivity in Two-Year-Old Children Prenatally Exposed to Methamphetamine. Journal of studies on alcohol and drugs, 74(3), 447 LaGasse, L. L., Wouldes, T., Newman, E., Smith, L. M., Shah, R. Z., Derauf, C., & ... Lester, B. M. (2011). Prenatal methamphetamine exposure and neonatal neurobehavioral outcome in the USA and New Zealand. , Neurotoxicology And Teratology 33(1), 166-175. Olds, D. L. (2006). The nurse-family partnership: An evidence-based preventive intervention. Infant Mental Health Journal, 27, 5–25 Smith, L., Yonekura, M. L., Wallace, T., Berman, N., Kuo, J., & Berkowitz, C. (2003). Effects of prenatal methamphetamine exposure on fetal growth and drug withdrawal symptoms in infants born at term. Journal of Developmental & Behavioral Pediatrics, 24(1), 17-23). Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
Crystal Meth – Möglichkeiten zur Prävention Literaturverzeichnis Thompson, B. L., Levitt, P., & Stanwood, G. D. (2009). Prenatal exposure to drugs: effects on brain development and implications for policy and education. Nature Reviews Neuroscience, 10(4), 303-312. Twomey, J. E., Caldwell, D., Soave, R., Fontaine, L. A., & Lester, B. M. (2009). Vulnerable infants program of Rhode Island: promoting permanency for substance-exposed infants. Child welfare, 89(3), 121-142. Wouldes, T., LaGasse, L., Sheridan, J., & Lester, B. (2004). Maternal methamphetamine use during pregnancy and child outcome: what do we know.NZ Med J, 117(1206), 1-10. van Dyk, J., Ramanjam, V., Church, P., Koren, G., & Donald, K. (2014). Maternal methamphetamine use in pregnancy and long-term neurodevelopmental and behavioral deficits in children. Professur für Klinische Psychologie www.tu-chemnitz.de
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