Ästhetische Bewegungserziehung - oder "Spieglein, Spieglein an der Wand - Wer ist die Durchtrainierteste im Land?"
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Praxis: Ästhetische Erziehung Ästhetische Bewegungserziehung oder »Spieglein, Spieglein an der Wand – Wer ist die Durchtrainierteste im Land?« von Der Körper als äußeres Erscheinungs- und Bewegung geht darüber hinaus, um die Erforschung des Zustande- Andrea Probst bild des eigenen Selbst wird häufig wenn man ihre Definitionsbereiche er- kommens subjektiv wertender, sinn- zum Prüfgegenstand für Schönheit. weitert. gebender Aussagen und Produktionen. Schönheit und »schön« sind Begriffe, Durch diese Konnotation erweitert sich mit denen der Begriff Ästhetik im All- Definitions- und Aufgaben auch das Aufgabengebiet ästhetischer gemeinen verbunden wird. Ein durch- bereiche der Ästhetik Erziehung. Ästhetische Erziehung soll trainierter, muskulöser Körper gilt als zu selbstständiger Erkenntnisfindung ästhetisches Ideal. Ästhetische Bewe- Laut Reicher (2006) lassen sich drei und eigener produktiver Praxis beitra- gungen werden assoziiert mit Turnen, traditionelle Definitions- und Arbeits- gen. Bewegungserziehung kann dazu Eiskunstlauf oder Rhythmischer Sport- bereiche der Ästhetik umschreiben: einen wesentlichen Beitrag leisten. gymnastik – Bewegungsformen bzw. Ästhetik als Theorie des Schönen, als Voraussetzung ist die Erweiterung der Bewegungsnormen, die einen hohen Theorie der Kunst und als Theorie der Bedeutung von Leib und Bewegung für technischen Sollwert vorgeben und sinnlichen Erkenntnis. den Menschen, die sich nicht auf eine perfekte Körperkoordination voraus- Legt man die erste Definition zu instrumentelle Funktion beschränken setzen. Grunde, würde ästhetische Bewe- darf. »So gehören gerade im Sport die gungserziehung allein unter dem schönheitsästhetischen Auslegungen Schönheitsaspekt zu betrachten sein, Bedeutung von Leib von Körper und Bewegung zu den tra- wie es oben beschrieben wurde. Eine und Bewegung für ditionellen Ästhetikvorstellungen« solche Definition ist nach meiner Vor- (Röthig 1997, S. 152) stellung unzureichend und wirft viele ästhetische Erziehung Schöne Bewegungen wären demzu- Fragen auf: Was sind schöne Bewe- Der Leib1 ist nach Merleau-Ponty folge gekonnt beherrschte Techniken. gungen? Wer bestimmt, welche Bewe- (1966), Buytendijk (1956), Straus (1956) Ästhetische Bewegungserziehung wäre gungen schön sind? und Plessner (1941, 1982) nicht einfach unter diesen Voraussetzungen gleich- Bezieht sich Ästhetik allein auf eine Daseinsform oder die äußere Hül- zusetzen mit einem Techniktraining, den Bereich Kunst, würde ästhetische le des inneren »Ichs«. Beide bilden eine um eine Perfektion der Bewegung zu Erziehung nur im Kontakt mit künst- Einheit, der Körper ist das »Ich«. Gleich- erreichen. Durch diese Vorstellung wird lerischen Produktionen zu vermitteln zeitig ist der Mensch aber auch in der die Bedeutung von Leiblichkeit und Be- sein. Bezogen auf den Bereich Bewe- Lage, »aus sich heraus« zu treten und, wegung auf ein instrumentelles Ver- gung würde sich ästhetische Erzie- im Sinne der exzentrischen Positionali- ständnis beschränkt. Bewegung wäre hung vorwiegend auf den Bereich Tanz tät Plessners, sich selber zu beobach- als biomechanisch erklärbarer Vorgang beziehen. Eine solche Auslegung wäre ten. Seine Fähigkeit, sich zu bewegen, ein Mittel zum Zweck. Doch die Ver- ebenfalls unzureichend, da sich mittels ist weder ein rein biomechanischer bindung von ästhetischer Erziehung Bewegung weiterreichende Möglich- von außen erklärbarer Vorgang, noch keiten für ästhetische Erziehung eröff- ist sie der alleinige Vollzug innerer Be- nen. Die dritte Definition von Ästhetik fehle. Sie ist abhängig vom Selbst, aber erscheint mir im Zusammenhang mit immer auch von weltlichen Gegeben- pädagogischer Arbeit am bedeutends- heiten. Über den Leib als Sitz der Sinne Andrea Probst (geb. 1971) ten und erweitert die Aufgabenfelder nimmt der Mensch Kontakt zur Welt Wissenschaftliche Mitarbeiterin und einer ästhetischen Bewegungserzie- auf, im Leib verarbeitet er innere und Doktorandin an der TU Braunschweig mit den Arbeitsschwerpunkten hung. Vordenker war Baumgarten äußere Eindrücke, bewegend kann er Ästhetische Bildung und Bewegung, (1750), der Ästhetik als »die Wissen- reagieren und sich Welt aktiv erschlie- Turnen, Akrobatik und Tanz. schaft der sinnlichen Erkenntnis« ßen. Bewegung und Leiblichkeit sind Autorin und Referentin für den (Baumgarten 1750, S. 2) beschreibt. also als »phänomenologische Grund- Deutschen und Niedersächsischen Sie sollte gleichbedeutend neben rati- lage menschlicher Existenz« (Laging Turnerbund und den Landessport- bund Niedersachsen. onalen Erkenntnissen stehen und be- 2000, S. 9) zu betrachten. Sportkulturpädagogin der stimmt diese maßgeblich mit. Es geht Bewegung ist somit mehr als Sport- Traumfabrik Regensburg also nicht mehr nur um die Erforschung treiben und eröffnet dem Menschen äs- des Schönen oder der Kunst, sondern thetische Erfahrungsmöglichkeiten. 18 GS aktuell 98 • Mai 2007
Praxis: Ästhetische Erziehung Ästhetische eignetes Medium für subjektive Ge- sungen zu entwickeln. Die Lehrenden Bewegungserziehung staltungs- und Formungsprozesse und sind in dieser Situation Moderatoren deren Ausdruck.2 Aus diesen beiden und individuelle Ratgeber. Sie helfen Fritsch (1989) unterteilt diese Erfah- Bereichen rekrutieren sich handlungs- den Kindern, ihre jeweiligen Bewe- rungsmöglichkeiten, die im Rahmen leitende Prinzipien für die Gestaltung gungsprobleme zu lösen. Sie provo- ästhetischer Bewegungserziehung ge- eines ästhetischen Bewegungsunter- zieren durch weiterführende Aufga- fördert werden können, in zwei Aufga- richts. benstellungen, die auf den Lösungen benfelder: in Aisthesis und Poiesis. der Kinder basieren. Aisthesis oder sinnengetragene Erstes Prinzip: Wahrnehmungsfähigkeit ist die Basis Förderung ästhetischen Wahr Praxisbeispiel: Spiel mit der Balance für eine besondere Weise zum Begrei- nehmens mittels Bewegung Balancieren oder das eigene Gleichge- fen unserer Wirklichkeit. Alle wahrge- In diesen Bereich fallen meines Er- wicht zu riskieren bedeutet vom frühen nommenen Zusammenhänge eines achtens zwei Aufgaben. Erstens eine Kindesalter bis zum Erwachsenenalter Sachverhaltes spielen bei dessen Be- Sensibilisierung für den eigenen Leib an eine große Herausforderung. urteilung eine Rolle. Sie ist Grundlage mit seinen sinnlichen Möglichkeiten. In Balanciersituationen erfahren für eine subjektive Form der Weltan Ein Mensch, der seinen Körper »wahr« Kinder, dass sie durch eigenes Handeln eignung im Gegensatz zu einem ob- nimmt, ist offen für die Botschaften, den Gesetzen der Schwerkraft trotzen jektiv-beschreibenden Zugang. Sie soll die ihm leiblich übermittelt werden können. Die individuelle Einschätzung nicht der Vernunft gegenübergestellt und die grundlegend für ästhetische der jeweiligen Balanciersituation ist oder bevorzugt werden (aisthesis ver- Prozesse sind.3 Zweitens sollten Kin- von vielen wahrzunehmenden Faktoren sus logos). Vielmehr korrelieren und der sensibilisiert werden für ihre sub- abhängig, z. B. dem Zutrauen in die ei- ergänzen sich beide Bereiche. Wahr- jektiven Wahrnehmungen bezüglich genen Fähigkeiten, der Einschätzung nehmungen können nicht durch Refle- vorgegebener (Bewegungs-)Situati- des Schwierigkeitsgrades, der jewei- xionen ersetzt werden, sondern tragen onen. Diese Wahrnehmungen unter- ligen Atmosphäre etc. Für jeden Einzel- zu deren weiteren Klärung bei. Bewe- scheiden sich u. U. von denen anderer nen spielen unterschiedliche Faktoren gung eröffnet in diesem Zusammen- Kinder, sind aber gleichbedeutend und eine Rolle. Ziel einer Balancierstunde hang Möglichkeiten, sich einen Zugang gleichwertig. Bezogen auf den Bewe- im Sinne einer ästhetischen Erziehung zu den eigenen Sinnen zu verschaffen, gungsunterricht bedeutet das, Kin- ist es, einen eigenen selbstbewussten der über ein bloßes Registrieren der dern Gelegenheit zu geben, sich mit Umgang mit diesen Wahrnehmungen von außen auf ihn einströmenden »bewegungs-provozierenden« Gele- zu fördern und die Schüler zu ermu- Reize hinausgeht. Insbesondere in- genheiten oder Aufgaben selbststän- tigen, für sie passende Balanciergele- nerleibliche Wahrnehmungen werden dig auseinandersetzen. Sie sollten in genheiten zu gestalten. Es geht dabei durch Bewegung gefördert. die Lage versetzt werden, aufgrund nicht um die Verbesserung der koordi- Poiesis oder ästhetisches Handeln ihrer eigenen Wahrnehmungen bezüg- nativen Fähigkeit des Balancierens. umfasst den expressiven Bereich, also lich der Bewegungssituation eigene, n In der Turnhalle (oder wo auch im- die Befähigung des Menschen, sich subjektiv passende Wege zu finden, mer) werden drei bis fünf verschieden auszudrücken, zu formen und zu ge- diese zu bewältigen. Sie lernen da- schwierige Balanciersituationen auf- stalten. Der Mensch kann in Bezug auf durch, objektiv gegebenen Dinge, hier gebaut. Die Kinder bekommen die Auf- ästhetisch reflektierte Erfahrungen die vorgegebenen Geräte oder Aufga- gabe darüber zu balancieren. etwas vorher nicht Da-Gewesenes ent- ben, in ihr eigenes Weltbild einzuord- Hier einige Beispiele nach Schwie- stehen lassen. Er ist in der Lage, Welt nen und individuell angepasste Lö- rigkeit geordnet: selber zu gestalten und ist ihr nicht ausgeliefert. Mein Verständnis von Po- Bank Bank auf klein Bank auf großen Kästen iesis geht dabei noch über das Schaf- en Kästen fen von Kunst oder kulturellen Gütern hinaus. Es geht um eine grundsätzliche Umgedrehte Umgedrehte Umgedrehte Bank auf Bank (u. B.) Bank auf klein großen Kästen Befähigung, eigene Ideen zu entwi- en Kästen ckeln und präsent zu machen, also eine Reckstange Reckstange auf Reckstange in Reck Fähigkeit zur aktiven Einflussnahme, am Boden kleinen Kästen anlage, Höhe variierbar z. B. auch auf lebens- oder arbeitswelt- Barren Barren schräggestellt liche Bedingungen. Bewegung ist die Sprache des Wippe Wippe mit Balkenwippe: Bank auf (z. B. Bank auf umgedrehter hohem Balken, dazwi Leibes, sie kann sogar gesprochene anderer Bank, Bank schen dünne Matte, an Sprache ersetzen. Wahrgenommenes dazwischen den Enden jeweils große (Inneres) wird gewollt oder ungewollt eine dünne Kästen, um den Auss mittels des Körpers nach außen für an- Matte) chlag zu begrenzen dere sichtbar. Eingehängte An beiden Seit An den Ringen einseitig Bank z. B. en eingehängte eingehängte Bank Sie ist als solche in höchstem Maß am Barren Bank in den einseitig Barren gestaltbar und ist somit ein gut ge- GS aktuell 98 • Mai 2007 19
Praxis: Ästhetische Erziehung Reflexion über diese erste Erfahrung: sicher gefühlt haben, siehe erste Refle- gungen, wie Funke (1987) beschreibt. ▼ »Welche Geräte habt ihr als leicht, xion. Dazu gehören nach Funke die Erfah- welche als schwer oder als Herausfor- An den selbstentwickelten Geräten rung des Spielens mit Bewegung wie ▼ derung für euch empfunden?« An die- soll nun geübt werden, bis die Kinder oben beschrieben und daraus resul- ser Stelle kann die unterschiedliche erneut meinen, sie zu beherrschen. tiert das Entwickeln von »eigenen« Be- Wahrnehmung derselben Situation für Reflexion, wie die Schwierigkeit wegungen, die sich vom alltäglichen, ▼ verschiedene Kinder thematisiert wer- noch weiter gesteigert werden kann. bekannten Sich-Bewegen abheben und den. Wieso gelingt es einigen leichter, Hier entstehen Ideen, wie zum Beispiel von den Kindern für schön befunden wieso anderen nicht, wann fühlen sich das Gehen zu verändern, seitwärts, werden. Sie wollen damit eine Wirkung die Kinder sicher, an welchen Empfin- rückwärts, auf Zehenspitzen, mit ge- auf Andere erzielen. Insbesondere klei- dungen machen sie es fest (z. B. »leicht schlossenen Augen etc. oder aber auch ne Kinder präsentieren stolz immer ist es, wenn es nicht so wackelig ist, der Wunsch, zusätzliches Material zu wieder neu gefundene Bewegungs- wenn ich Platz für meine Füße habe, nutzen, z. B. Stäbe balancieren, et- formen. Größeren Kindern sollten im- wenn ich meinen Bauch einziehe, wenn was auf dem Kopf balancieren, Seil zu mer wieder neue Herausforderungen ich nach vorne gucke, etc.«). springen etc. Hier wird jedes Kind für geboten werden, durch z. B. Besuche Jedes Kind soll an eine Station ge- sich eine individuelle Herausforderung im Zirkus, von Tanzvorstellungen oder ▼ hen, die es für sich als herausfordernd finden. (Stabbalance, Standwaage) ähnlichen Vorführungen von »Bewe- empfunden hat und eigene Strategien Die Lehrenden werden zu Modera- gungskünstlern«. Auch können Bilder entwickeln, um darüber zu balancieren. toren des Geschehens. Sie lenken die oder Filme als Anregung dienen. Die Kinder können z. B. Hilfen durch Stunde, indem sie an den passenden »Wer die Kunst macht, richtet seine andere in Anspruch nehmen, oder aber Stellen eingreifen, um die Aufgaben Absicht darauf, sie zu erzeugen« (Funke auch die Bewegung verändern, z. B. auf zu erweitern. Sie sind stets präsent, in- 1987, S. 14). allen Vieren drüberlaufen. Die Kinder dem sie Hilfe bieten, wo sie nötig ist, Im Rahmen einer ästhetischen Be- sollen spüren, dass sich im Verlauf des Einzelne ermuntern, Andere bremsen, wegungserziehung sollten die Schü- Übens die Einschätzung der gewählten loben, ermutigen, vielleicht hin und lerinnen und Schüler immer wieder Stationen verändert, dass sie mehr Zu- wieder erstaunt sein, welche Ideen die ermutigt werden, aus dem freien Spiel trauen in ihre eigenen Fähigkeiten be- Kinder entwickeln … mit Bewegung eigene Bewegungsge- kommen. staltungen zu erarbeiten. Das bedeutet In gemeinsamen Reflexionen sol- Zweites Prinzip: Förderung ästhe- aber nicht, wie es oft im Tanz geschieht, ▼ len die Kinder Gründe finden, wie das tischen Handelns mittels Bewegung vorgefertigte Choreographien zu ver- Balancieren durch Verändern der Ge- Aus einem solch freien4 Spiel mit Be- mitteln.5 Dann wären die entstande- räte erschwert bzw. erleichtert wird. wegung entwickeln sich Bewegungs nen Bewegungsformen kein Beitrag zu Dazu kann z. B. ein Plakat entstehen ideen, die dem subjektiven Empfinden ästhetischer Erziehung. Es entständen (hoch / tief, wackelig / stabil, schmal / der Kinder nach Kunststücke sind. Und Formen ohne Inhalt (Roscher 2004). breit). Die Kinder sollen nun ihrem an dieser Stelle lässt sich wieder die Erst in der Erkenntnis ihres Entstehens Empfinden nach herausfordernde Ba- Brücke schlagen zu den Definitionsbe- lanciergeräte erfinden bzw. ihre vorher reichen von Ästhetik als Wissenschaft benutzten Geräte erweitern. An dieser des Schönen und der Kunst, wie sie Stelle die Kinder wiederum sensibili- einleitend beschrieben wurden. Kinder sieren, was sie in ihrem Körper gespürt entwickeln im Tun ihre eigene Vorstel- haben, wenn sie sich beim Balancieren lung von Kunst, von kunstvollen Bewe- Beispiele am Barren und an Tauen für Kopf- unter-Übungen 20 GS aktuell 98 • Mai 2007
Praxis: Pädagogik im Kontext von Kinderarmut Kastenkopfstand und Doppelkastenkopfstand – Handstand mit Helfer Nicht nur Grundschulkinder haben ihren Spaß beim Kopfuntersein werden sie mit Inhalt gefüllt und als n Zwei Personen machen Kopfstand etwas subjektiv zu Formendes verstan- auf den Kästen, eine steht in der Mit- den. Das bedeutet, übertragen auf eine te und hält (Foto Doppelkastenkopf- Bewegungserziehung, dass vor allem stand). ein subjektiv kreativer Umgang mit Be- n Handstand gegen einen / eine Part- wegung einen ästhetischen Bildungs- nerIn, die sich die Knie der Turnenden beitrag leistet. über die Schulter legt. Diese kann ihre Hände lösen oder auf die Füße der Praxisbeispiel: Partnerin setzen (Foto Handstandein- Die Welt auf den Kopf stellen hängen) Diese besondere Erfahrung des »In-der- n Zwei Partnerinnen stehen sich vis-a- Welt-Seins« kann mithilfe verschiedener vis gegenüber. Eine Partnerin (möglichst Klammerbank kopfunter Geräten gemacht werden. In der Hal- die Stärkere) beugt sich vor, die zweite le werden die verschiedensten Geräte beugt sich über sie mit dem Gesicht zu und Gerätekombinationen aufgebaut, ihrem Rücken. Sie umfasst fest deren die Kopfunterpositionen ermöglichen. Taille. Die erste fasst die zweite um die Beispiele: Fußgelenke. Sie kann sich nun aufrich- n Mehrere Recks übereinander ten. Ihre Partnerin hängt nun in einer n Ringe/Taue »Kopfunter«-Position an ihrem Rücken n Kleine Kästen n Eine Partnerin nimmt eine »Bank- n Große Kästen stellung« ein. Die andere umfasst ihre n Barren Taille und turnt eine Art Schulterstand Die Kinder werden aufgefordert, in auf deren Rücken (Foto Klammerbank Paaren oder zu mehreren Positionen zu kopfunter). finden, in denen sich ihr Kopf unterhalb n Zwei Partnerinnen liegen Kopf an der Füße befindet (siehe Fotos links un- Kopf hintereinander auf dem Rücken. ten). Eine dritte stellt sich in Kopfhöhe da- neben. Sie senkt ihre Schulter in die Herausforderung: gegenüberliegenden Arme der Partne- Partnerinnenarbeit rinnen. Die Liegenden greifen mit dem Handstandeinhängen Nun sollen weitere »Kopf-Unter-Positi- anderen Arm den jeweiligen gestreck- onen« ausprobiert werden, bei denen ten Arm der Oberen, die nun einen das Gewicht z. T. an eine oder mehrere Schulterstand turnen kann (Foto Drei- Partnerinnen abgegeben wird. Anre- er-Kopfunter) etc. gungen können z. B. durch Fotos, Ar- beitskarten o. Ä. gegeben werden, so Gestalten: Denkmäler dass sich jeder etwas Passendes aussu- Im Anschluss daran sollen die Schüle- chen kann. rinnen und Schüler Teams mit ca. fünf Beispiele Personen bilden und an einem ge- n Handstand mit ein bis zwei Helfen- wählten Gerät Denkmäler entwerfen, den (Foto Handstand mit Helfer) bei denen mindestens zwei Personen n Kopfstand in zwei Kästen mit Hel- kopfunter sind. Die anderen sollen da- fern (Foto Kastenkopfstand) bei nicht nutzlos daneben stehen. Sie Dreier-Kopfunter können dabei Ideen aus der ersten Auf- GS aktuell 98 • Mai 2007 21
gabe aufgreifen und Neuerlerntes aus der zweiten Aufgabe einbauen. An die- Anmerkungen ser Stelle kann eine Reflexion darüber 1 In der sportpädagogischen Fachliteratur werden die Begriffe Leib, initiiert werden, wie die »Nicht-Kopf- Körper, Körperleib oft in denselben Kontexten genutzt. Zumeist wird »Leib« als die Körper/Seele-Einheit des Menschen betrachtet Stehenden« trotzdem am Gesamtbild oder wie Größing (2005, S. 11) sie beschreibt, als »Daseinsver- beteiligt sind, um schöne Bilder ent- fassung« bzw. »kulturelles Gebilde«, während »Körper« als das stehen zu lassen. trainierbare Instrument des Menschen definiert wird oder als »Naturding« (Größing, 2005, S. 11). Diese Unterscheidung findet sich nur im deutschsprachigen Raum und bedeutet im positiven Mögliche Präsentation: Sinne die Möglichkeit einer begrifflichen Schärfung, die auch ich Bilder einer Ausstellung nutzen möchte. Den Begriff »Körper« betrachte ich als einen Teil Die Teams können sich ihre Denkmäler von Leiblichkeit – als gestaltbare äußere Form des Menschen und gegenseitig vorführen. Weiterführend als Medium zur Gestaltung von Welt. Von solchen Überlegungen (abhängig vom Alter) und um auch an- ist auch die Betrachtungsweise und Definition der Bedeutung von dere Medien der Gestaltung einzube- Bewegung und Sport abhängig. 2 Im Rahmen des Sportunterrichts ergibt sich ein weiteres Hand- ziehen, können die Teams die entstan- lungsfeld. Viele Handlungen im Sport erfordern Regeln. Diese denen Denkmäler fotografieren und so Regeln sind aber nicht »gottgegeben«. Schülerinnen und Schüler z. B. eine Fotoausstellung schützens- können bei entsprechender Vorgehensweise im Unterricht die werter Denkmäler gestalten. Der Phan- Erfahrung machen, dass sie selber Spielregeln entwickeln bzw. tasie sind keine Grenzen gesetzt. weiterentwickeln und damit an deren Entstehung aktiv mitwirken. Eine solche Vorgehensweise im Unterricht enthält eine ästhetische Komponente, da diese Regeln an individuelle Situationen ange- Fazit passt und aus der Situation heraus entstanden sind. 3 Häufig werden für diesen Bereich der ästhetischen Erziehung »Spieglein, Spieglein an der Wand …« Aufgaben zur Förderung der einzelnen Sinneswahrnehmungen Mit dem Blick in den Spiegel kann genannt. Im alltäglichen Leben arbeiten die Sinnesorgane niemals isoliert voneinander. Insofern können solche Übungen höchstens sich auch ein anderes Bild vom eigenen als Bewusstmachung ihrer Existenz und ihrer Bedeutung für eine Leib manifestieren. Ein stolzer Blick Gesamteinschätzung von Situationen dienen. – stolz nicht auf das äußere Erschei- 4 Frei bedeutet hier nicht ein »Nun macht mal!«. Freiheit bedeutet nungsbild, sondern im Sinne der Aner- eine Freiheit in der Lösung von Aufgaben oder Situationen, die kennung für das, was man mit ihm er- vom Lehrenden geplant wurden. Häufig werden durch zusätzliche Einschränkungen des Freiheitsgrades wieder neue und differen- leben und erspüren kann und für seine ziertere Lösungen gefunden. Bewegungsmöglichkeiten, die so viel 5 Insofern würde ich Tanzunterricht nicht per se ästhetisch bildende ausdrücken können. Werte zumessen. Wenn allerdings das neu Erlernte in neue selbstgefundene Kontexte gebracht wird, entsteht wiederum ein ästhetischer Lernprozess. »Es [Nachmachen, Anm. d. Autorin] umfasst die Möglichkeit, sich im nachgeahmten Anderen zu erproben, einzufühlen oder auch zu reiben, das fremde Andere mit dem Eigenen verbinden und in einer neuen, eigenen Gestalt zum Ausdruck zu bringen« (Klinge 2004, S. 9). Literatur Langer, S. (1979): Philosophie auf neuem Wege. Mittenwald: Mäander. Bannmüller, E. & Röthig, P. (1990): Grundlagen und Perspektiven Merleau-Ponty, M. (1966): Phänomenologie der Wahrnehmung. ästhetischer und rhythmischer Bewegungserziehung. Stuttgart: Klett. Berlin: Gruyter. Baumgarten, A. G. (1750): Aesthetica. In H. R. Schweizer (1983): Otto, G. (1998): Lehren und Lernen zwischen Didaktik und Ästhetik. Texte zur Grundlegung der Ästhetik. Hamburg: Meiner Verlag. Band 1. Seelze-Velber: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung. Bernd, Ch. (1987). Bewegung und Theater. Lernen durch Verkörpern. Plessner, H. (1941): Lachen und Weinen. Eine Untersuchung der Gren- Butzbach-Griedel: Afra. zen menschlichen Verhaltens. In G. Dux, O. Marquard & E. Ströker Buytendijk, F. J. J. (1963): Über die menschliche Bewegung als Einheit (Hrsg.): Helmuth Plessner Gesammelte Schriften VII. Ausdruck und von Natur und Geist. Schorndorf: Hofmann. menschliche Natur (201 – 388). Frankfurt am Main: Suhrkamp. Fritsch, U. (1989): Ästhetische Erziehung: der Körper als Ausdrucksor- Plessner, H. (1982): Mit anderen Augen. Aspekte einer philoso- gan. Sportpädagogik 13 (5), 11 – 18. phischen Anthropologie. Stuttgart: Reclam. Funke, J. (1987). Bewegungskünste und ästhetische Selbsterziehung Probst, A. & Hildebrandt-Stramann (2006): Ästhetische Erziehung – oder: »Sieh mal! Kunst!« Sportpädagogik, 11 (3), 11 – 19 im Sportunterricht der Grundschule. In J. Kahlert, G. Lieber & Klinge, A. (2004). Nachmachen und Tanzen – Tanzen und Nach S. Binder (Hrsg.): Ästhetisch bilden. Braunschweig: Westermann. machen. Sportpädagogik, 28 (5), 4 – 9. Röthig, P. (1997): Pädagogische Reflexionen über Sport, Bildung und Laging, R. (2000): Theoretische Bezüge und Konzepte der Bewegten Ästhetik. In Müller, E. et. al. (Hrsg.): Sportpädagogik in Bewegung Schule – Grundlagen und Überblick. In: Laging, R./Schillack, G. (143 – 160). Salzburg: Institut für Sportwissenschaft (Hrsg.): Die Schule kommt in Bewegung: Konzepte, Untersuchungen, Straus, E. (1956): Vom Sinn der Sinne. Berlin, Göttingen, Heidelberg: praktische Beispiele zur bewegten Schule (2 – 38). Hohengehren: Springer. Schneider Verlag Welsch, W. (1998): Ästhetisches Denken. Stuttgart: Reclam. 22 GS aktuell 98 • Mai 2007
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