Tag Judika, 29. März 2020, grüße ich Sie mit diesem Spruch

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Predigt zum Sonntag Judika 29. März 2020                        zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tra-
Hebr 13,12-14                                                   gen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die
„Blüh‘ auf, gefrorner Christ!“ Liebe Gemeinde, zum Sonn-        zukünftige suchen wir.“ (Hebr 13,12-14)
tag Judika, 29. März 2020, grüße ich Sie mit diesem Spruch
                                                                Das soziale und das öffentliche Leben ist in diesen Tagen
von Angelus Silesius. „Blüh‘ auf, gefrorner Christ!“ Auf
                                                                und Wochen wie eingefroren, die Innenstädte leer, Cafes
ihre Weise hat ihn Bertold Brechts Mutter Courage gesun-
                                                                und Geschäfte geschlossen. Alles fällt aus. Kontakte werden
gen: „Das Frühjahr kommt. Wach auf, du Christ!“ Ja, die
                                                                auf ein Minimum beschränkt. Der Weg nach draußen bringt
erwachende Natur zieht uns nach draußen. Vor einer Aus-
                                                                Unsicherheit mit sich.
gangssperre sind wir gerade nochmal bewahrt, bisher jeden-
                                                                „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünf-
falls. Trotz Corona dürfen wir raus an die frische Luft; zwar
                                                                tige suchen wir.“ So, wie wir uns eingerichtet haben, im
unter bestimmten Einschränkungen, aber ohne Passier-
                                                                Großen wie im Kleinen, im Privaten wie im öffentlichen
schein. Es ist Frühling geworden – auch wenn für Sonntag
                                                                Leben unserer Gesellschaft, so wie unsere Wirtschaft funk-
eher schlechtes Wetter angesagt ist. Die Sonne scheint auch
                                                                tioniert, wie wir global vernetzt sind – dies alles, unser gan-
während der Pandemie. Gott sei Dank!
                                                                zes Leben ist ins Wanken geraten. Nichts ist mehr so wie es
Der Predigttext aus dem Hebräerbrief spricht in seiner ganz
                                                                war. Wie mag die Zukunft aussehen? Was wir erleben, hat
eigenen Weise von einem Zug nach draußen.
                                                                etwas Apokalyptisches. Kann es sein, dass die Apokalypse
„Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein     aber nicht das Ende, sondern ein Anfang ist?
eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasst uns nun

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Die Welt, die wir kennen, löst sich auf. Doch vielleicht wird   Bindungen verstärkt wurden. Familien, Nachbarn, Freunde
sich dahinter eine neue Welt zusammenfügen, eine ganz           waren sich näher gerückt, vielleicht gar Menschen, die sich
andere Welt, so der Zukunftsforscher Matthias Horx. Er          bis dahin gar nicht so gut kannten.
versucht etwas, des er „Re-Gnose“ nennt – im Unterschied
                                                                Der Einkauf für die ältere Nachbarin, der Spaziergang mit
zu den vielen, meist düsteren Pro-Gnosen dieser Tage:
                                                                deren Hund, das nachbarschaftliche Gespräch von Balkon
Dazu sollen wir uns vorstellen, aus der Zukunft - etwa dem      zu Balkon, womöglich mit Musik und Gesang ...vielfältig
September 2020 - auf unsere jetzige Situation zurückzubli-      sind diese so veränderten sozialer Verhaltensformen tat-
cken. Wie könnte sich das anfühlen?                             sächlich. Trotz radikaler Einschränkungen solidarisch und
Vielleicht würden wir uns wundern, denn nach der anfängli-      konstruktiv bleiben, das ist das Entscheidende. Der Zu-
chen Schockstarre hätte sich womöglich ein Gefühl der Be-       kunftsforscher behauptet, die soziale Intelligenz habe gehol-
freiung durchgesetzt: Befreiung aus den Hamsterrädern           fen. Die viel gepriesene Künstliche Intelligenz, die ja be-
grenzenloser Kommunikation, aus den Zwängen eines im-           kanntlich alles lösen kann, hat dagegen in Sachen Corona
merwährenden Wachstums von Produktion und ungebrems-            nur begrenzt gewirkt. So hat sich das Verhältnis zwischen
tem Konsum! Neue Möglichkeitsräume wären eröffnet! Da-          Technologie und Kultur verschoben. Der große Technik-
von jedenfalls zeugt diese Re-Gnose von Matthias Horx.          Hype ist vorbei. Existentielle Fragen nach dem Mensch-
Zum Beispiel, dass die körperliche Distanz, die das Virus       Sein stehen nun im Vordergrund. Große Vermögensverluste
erzwang, gleichzeitig neue Nähe schaffen konnte, alte           durch den Börseneinbruch schmerzen nicht so, wie es sich
Freundinnen und Freunde wieder häufiger kontaktiert und

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am Anfang anfühlte. In der neuen Welt spielt Vermögen            um ihre Existenz bangen muss wie jene anderen, die nur
plötzlich nicht mehr die entscheidende Rolle.                    hoffen können, dass die staatliche Unterstützung greift, um
                                                                 sie vor dem wirtschaftlichen Aus zu bewahren.
Wichtiger sind gute Nachbarn und ein blühender Gemüse-
garten.                                                          Aber ich sehe auch, was sich in dieser Krise verändert. Die
                                                                 CO2-Emissionen in den Städten gehen zurück, der Flugver-
Ob er recht haben könnte mit seiner Re-Gnose, jener Zu-
                                                                 kehr ist drastisch reduziert (worden), so vieles, was für das
kunftsforscher? Ist nicht eher ein großer wirtschaftlicher
                                                                 Klima so schädlich war, hat sich ins Positive verändert. Und
Zusammenbruch zu befürchten - als Folge dieser Monate
                                                                 ich staune tatsächlich auch über die wachsende Hilfsbereit-
des eingefrorenen Lebens - der alles andere überschattet?
                                                                 schaft der Menschen und kreative Formen eines guten Mit-
Ich denke da vor allem an so viele Kleinbetriebe, an Selb-
                                                                 einanders trotz Kontakteinschränkungen. Dazu eine kleine
ständige, Kulturschaffende, Gastronomen – sie stehen am
                                                                 Wundergeschichte aus dem Corona-Alltag: Im SWR 2,
Rande des Ruins. Diese Wirtschaftskrise wird jene beson-
                                                                 meinem Lieblingssender, wurde dieser Tage der Grünenpo-
ders in ihrer Existenz gefährden, die ohnehin zu kämpfen
                                                                 litiker Cem Ozdemir in seiner Corona-Quarantäne inter-
haben.
                                                                 viewt. Er erzählte vom Gespräch mit seiner Frau am Kü-

Schön, wenn sich ein Philosoph, ein Zukunftsforscher mit         chentisch. Da haben sie sich gegenseitig von ihren Lieb-

gut gesichertem Einkommen, womöglich durch eine Profes-          lingsspeisen vorgeschwärmt – in Vorfreude auf die Zeit

sur verbeamtet, solche Gedanken machen kann. Und auch            nach seiner Coronaerkrankung. Cem schwärmte von einem

ich selbst gehöre ja zu jener privilegierten Gruppe, die nicht   Börek, jener typisch türkischen Speise. Und was geschah?

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Sie können es jetzt glauben oder nicht, sagte er im Radio.     draußen. „So lasst uns nun zu ihm hinausgehen…“ Außer-
Kurze Zeit später stand vor seiner Wohnungstüre ein Teller     halb der Stadt, außerhalb der heiligen Zone des Jerusalemer
Börek, von einer Nachbarin als kleinen Krankengruß für ihn     Tempels, draußen vor dem Tor, da wo gelebt und gelitten
hingestellt.                                                   wird, da ist auch der Ort Jesu, der Ort seines Leidens. Da
                                                               setzt sich Jesus der Wirklichkeit der Welt aus, der Unge-
Ja, das sind schon wunderbare Zeichen eines menschlichen
                                                               rechtigkeit, der Sünde, dort gibt er sich hin – um der Liebe
Miteinanders, die wir in diesen Wochen erleben können. In
                                                               willen.
einer Zeit der Entschleunigung, der verordneten Entschleu-
nigung. Und ich kann nur hoffen, dass sich jetzt nicht alles   „Wir haben hier keine bleibende Stadt…“ nicht hier, auf

auf atemlose Weise in die Digitalisierung stürzt und so eine   dieser Welt, so, wie sie ist. Das hält uns die Corona-Krise

grandiose Beschleunigung der Digitalwelt einsetzt – ein        jetzt auf erschreckende Weise vor Augen. Und sie trifft

neues Hamsterrad!                                              mich ja auch genau da, wo ich mich ganz gut eingerichtet
                                                               habe. Die Suche nach der zukünftigen Stadt lässt mich auf-
Die erzwungene Aus-Zeit aushalten und darüber nachden-         brechen, auch wenn dieser Aufbruch schmerzhaft ist.
ken: Könnte es sein, dass das Virus unser Leben in eine
                                                               „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünf-
Richtung verändert, in die es sich sowieso hat verändern
                                                               tige suchen wir.“
wollen oder sollen?
                                                               Es ist die Suche nach dem, was Nachfolge Christi wirklich
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünf-
                                                               heißt: „So lasst uns nun zu ihm - zu Jesus - hinausgehen aus
tige suchen wir.“ Der Weg in Gottes Zukunft führt uns nach
                                                               dem Lager,“ das meint einen radikalen Ortswechsel! Heute
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– inmitten einer Krise, die den Finger sehr deutlich auf die   den Planeten gekarrt werden, muss kritisch hinterfragt wer-
Wunden unserer Welt legt. Hinausgehen aus dem Lager, das       den. Die Maßlosigkeit in so vielen Bereichen des Lebens ist
ist: Vertrautes, Gewohntes, Liebgewonnenes hinter mir las-     empfindlich erschüttert, die Verletzlichkeit menschlichen
sen. Alte Denkmuster aufgeben, etablierte Wirtschaftsme-       Lebens allgegenwärtig.
chanismen aufbrechen und den Weg ins Neuland wagen.
                                                               „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünf-
Hinausgehen, nach draußen vor dem Tor - das setzt in Be-       tige suchen wir.“ …auf der Suche nach der zukunftsfähigen
wegung, führt mich, führt uns vor so viele Tore… Will mir      Stadt für alle Menschen mögen wir weit hinausgeführt wer-
den Weg weisen vor das Tor unserer scheinbar so gut etab-      den. Doch Christus selbst begegnet uns vor jenen vielen
lierten Gesellschaft, vor das Tor des Wohlstands und des       Toren. Christus ist da, wo Menschen draußen stehen, wo
Konsums, vor das Tor der Festung Europa, und auch vor          Menschen zu Opfern werden, zu Opfern unserer globalisier-
das Tor starrer religiöser Überzeugungen, vor das Tor unse-    ten Welt, zu Opfern satter Börsengeschäfte, wo Menschen
rer Welt.                                                      leiden und sterben. Christus kommt zu uns Menschen –
                                                               auch in noch so eingefrorenen Lebenssituationen, in verord-
„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünf-
                                                               neten Kontaktsperren, zu den um ihr Leben ringenden
tige suchen wir“ – Corona bedroht weltweit, Corona kennt
                                                               Corona-Kranken, zu den Ärztinnen, den Pflegerinnen und
keine Grenzen. Nur gemeinsam können wir Wege aus der
                                                               Pflegern auf den Intensivstationen.
Krise heraus finden. Die globale Art des Wirtschaftens mit
ihrer Just-in-Time-Produktion, mit riesigen verzweigten        Apokalypse – nicht nur Ende, sondern auch Anfang, Neu-
Wertschöpfungsketten, bei denen Millionen Einzelteile über     beginn. Im Buch der Offenbarung ist das neue Jerusalem

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das Bild für die zukünftige Stadt. Ein Ort, wo die Menschen     pflegen, die forschen, die retten. Wir singen es und bitten
                                                                um Frieden in unserem Land, bei den Menschen in Syrien
in Frieden und Gerechtigkeit beieinander leben. „Siehe da,
                                                                und auf der ganzen Welt. Du, unser Gott, erbarme dich.
die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen
                                                                Jesu, meine Freude! Allein und in dir verbunden singen wir.
wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er wird ihr Gott     Wir singen und loben dich. Wir singen und beten mit unse-
sein. Und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Ge-      ren Freundinnen und Freunden. Wir singen und hoffen für
                                                                alle, um die wir uns sorgen. Dir vertrauen wir uns an, heute,
schrei noch Schmerz wird mehr sein". Weil Gott bei uns          morgen und an jedem neuen Tag. Amen.
wohnt – wie auch immer wir uns Gott vorstellen – können
                                                                Vaterunser-Gebet
wir aufblühen und aus der Erstarrung erwachen – gerade in
diesen Tagen und Wochen. Amen.                                  Ich möchte dazu einladen, Fürbitte zu halten für die Ver-
                                                                storbenen aus unserer Gemeinde:

Fürbitte – Gebet                                                Christel Föhl geb. Kurz Einsteinweg 30, 78 Jahre alt.

Jesu, meine Freude! Wir singen es - allein und mit schwa-       Günther Bauknecht Forststraße 15, 90 Jahre alt.
cher Stimme - und sind nicht allein. Wir singen es - getrennt
von unseren Freundinnen und Freunden - und sind nicht al-       Wir nehmen Anteil am Leid derer, die um die Verstorbenen
lein. Du, unser Gott, erbarme dich.                             trauern, und schließen sie und die Toten ein in unsere Hoff-
                                                                nung und unser Gebet, im Vertrauen darauf, dass Christus
Jesu, meine Freude! Wir singen es bangen Herzens - in Sor-      uns zuspricht:
ge um die Kranken - und sie sind nicht allein. Wir singen es
bangen Herzens - in Trauer um geliebte Menschen – und           „Ich bin die Auferstehung und das Leben! Wer an mich
sind nicht allein. Du, unser Gott, erbarme dich.                glaubt, wird leben, ob er gleich stürbe.“

Jesu, meine Freude! Wir singen es unter deinen Schirmen.        Gottes Segen möge uns begleiten: Herr, segne uns und be-
Wir singen es und bitten um Schutz und Schirm für alle, die     hüte uns. Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und
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sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib
uns deinen Frieden. Amen.          Bärbel Brückner-Walter

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