Das Virus schlägt den Menschen auf die Psyche - UPD Bern
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28. März 2020 Nationale Tageszeitung Seite 1-3 / 160'573 mm² BZ Berner Zeitung CHF 34'157 Werbewert 031 330 33 33 174'162 Auflage Das Virus schlägt den Menschen auf die Psyche Psychiatrie Die Berner Kliniken erleben derzeit einen regelrechten Ansturm von Leuten, die aufgrund des Coronavirus nicht mehr alleine zurechtkommen. Simone Lippuner/ats Die Situation mit den restrikti- ven Massnahmen infolge des Co- ronavirus ist wohl für die meis- ten Leute nicht einfach zu ertra- gen. Ganz besonders schwer haben es aber Menschen, die psy- chisch angeschlagen oder krank sind. Die Berner Kliniken PZM Münsingen und UPD Bern mel- den seit Beginn der Krise deut- lich mehr Akutzuweisungen. "Es kommen viel mehr Menschen mit Ängsten zu uns, Menschen, die psychisch bereits instabil sind und bei denen das Corona- virus quasi den Ausschlag dafür gibt, alleine nicht mehr zurecht- zukommen", sagt Stefan Klöp- pel, Ärztlicher Direktor der Psy- chiatrischen Dienste Bern (UPD), im Interview. Dabei gehe es um reale Ängste wie die bedrohliche Zukunft, finanzielle Existenzsor- gen oder auch die Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus. Der- zeit gebe es noch freie Akutbet- ten. Man mache sich aber auf einen Ansturm gefasst und ver- suche, eine Vollbelegung zu ver- hindern, indem man teilweise geplante Eintritte verschiebe. Um das Angebot aufrechtzu- erhalten, rät die Berufsvereini- gung freischaffenden Psychia- tern, ihre Praxen offenzuhalten und nach Möglichkeit telefoni- sche Konsultationen anzubieten, um die Sicherheit der Patienten und Therapeutenzu gewährleis- ten. Auch Institutionen wie die Dargebotene Hand oder die kirchliche Seelsorge haben alle Hände voll zu tun und bauen ihre Kapazitäten aus. Daneben ent- stehen weitere Angebote für Hil- fe in psychischer Not. Seite 2+3 Seite 1 | 6 Clip #990392727 lizenziert für Kundenservice: 044 500 4460 Universitäre Psychiatrische Dienste Bern (UPD), Bern 60 service@bluereport.net
28. März 2020 Nationale Tageszeitung Seite 1-3 / 160'573 mm² BZ Berner Zeitung CHF 34'157 Werbewert 031 330 33 33 174'162 Auflage "Das Virus wird Teil ihres Wahns" Situation in der Psychiatrie Stefan Klöppel, ärztlicher Direktor der UPD Bern, erklärt, wie sich die Corona-Krise auf die Arbeit mit psychisch kranken Menschen auswirkt. Simone Lippuner hindern und Betten frei zu hal- ten. Dies ist beispielsweise durch se die Essenszeiten an, damit Wie sieht die Situation in sich nicht zu viele Menschen in den UPD aus, haben Sie noch die Verschiebung von geplanten Eintritten in den Bereichen einem Raum befinden. Und, ganz Kapazitäten? wichtig, die Patienten haben kei- Im Moment ja. Wir bereiten uns Suchtbehandlung oder Psycho- therapie möglich. Es geht hier nen Urlaub mehr. Patienten, die aber auf einen Ansturm vor. sich an die Vorschriften im Zu- um Risikoabwägung. Zumeist geht es um Personen mit seit sammenhang mit Corona halten Was sind das für Menschen, die können, dürfen sich auf dem sich nun bei Ihnen melden? Jahren bestehender Alkoholab- Es gibt nun grundsätzlich mehr hängigkeit, die jetzt einen mehr- Areal ausserhalb der Gebäude Akutzuweisungen. Es kommen wöchigen stationären Entzug aufhalten. Besuch ist nicht mehr viel mehr Menschen mit Ängsten machen wollen. erlaubt. zu uns. Menschen, die psychisch Es gibt auch Patienten, die bereits instabil sind und bei Wie sieht es mit Schutzmasken eine Therapie aus eigenen Stü- denen das Coronavirus quasi den ckenverschieben, weil ihnen ein aus? Ausschlag dafür gibt, alleine Spitalaufenthalt in der jetzigen Masken dienen dazu, das Umfeld nicht mehr zurechtzukommen. Situation zu riskant ist. zu schützen. So werden sie bei- Sie kommen direkt vorbei oder, spielsweiseauf der Alterspsych- und dieser Bereich hat stark zu- iatrie konsequent eingesetzt. In Gab es bereits einen Corona- genommen, rufen uns an. Fall in den UPD? der Akutpsychiatrie, zum Bei- Bis jetzt nicht. Aber wir haben spiel in unserer Kinder- und Ju- Und drehen sich diese Ängste viele Tests gemacht. Patienten gendpsychiatrie, können Masken ausschliesslich um Corona? werden intern grundsätzlich auf aber die Therapie stören: Die In den meisten Fällen schon. Infektzeichen hin untersucht und mimische und nonverbale Kom- Corona ist überall. Es handelt gegebenenfallsauf Corona getes- munikation ist dort sehr wichtig, sich meist um absolut reale, tet, bevor sie auf eine Station kom- eine Maske würde diese er- nachvollziehbare Ängste. Da men. So gewährleisten wir auch schweren. geht es um die Ansteckungs- den Schutz der Mitarbeitenden. gefahr innerhalb der Familie, Die UPD haben mehr Zulauf. beispielsweise wenn mehrere Können bei der Arbeit mit den Haben Sie das Angebot Generationen in einem Haus Patienten die Hygiene- und ausgebaut? Zusammenleben. Aber auch fi- Wir kennen eine ganze Reihe von nanzielle Nöte und Existenz- Abstandsregelnüberhaupt ambulanten Angeboten wie zum ängste sind ein grosses Thema eingehaltenwerden? Beispiel die Telemedizin. Dieser bei den Patienten. Ein Arbeit- Das ist sehr unterschiedlich. Bereich hat stark zugenommen. geber hat sich bei uns gemeldet, Wir behandeln viele depressive Einerseits, weil die Menschen weil einer seiner Mitarbeiter in Menschen, diese ziehen sich wegen der Angst vor Ansteckung der häuslichen Isolation psy- von sich aus eher zurück und nicht in ein Spital wollen, aber chisch sehr belastet ist und nun gehen auf Abstand. Andere auch, weil wir wenn möglich ver- durch völlig unangemessene brauchen aber genau den engen mehrt telefonisch betreuen, um Postings das weitere Arbeitsver- Kontakt und können mit dem Betten frei zu halten. Vor allem hältnis erheblich gefährdet. Thema Nähe/Distanz nicht um- mit vielen älteren Menschen ste- gehen, oder sie verfügen nicht hen wir derzeit in engemtelefo- Wie gewährleisten Sie bei über die notwendige Impuls- nischem Kontakt, um die schwie- gestiegenenAkutzuweisungen kontrolle. rige Zeit zu überbrücken. Wir set- die Aufnahmen? zen derzeit für die Telemedizin Total stehen beiuns über 300 Was wird unternommen, um viel mehr Personal ein. Betten zur Verfügung, und wir Patienten und Personal vor könnten eine ganze Reihe von einer Ansteckungzu schützen? Suizidale oder schizophrene Zusatzbetten aufstellen. Konkre- Wir schulen Patienten und Mit- Patienten brauchen eine enge te Zahlen zu nennen, ist jedoch arbeitende, hängen Infozettel auf Betreuung. Welche Probleme schwierig. Wir versuchen bereits und schaffen genügend Raum, stellen sich durch Corona im jetzt, eine Vollbelegung zu ver- um Abstand halten zu können. Arbeitsalltagmit diesen Weiter passen wir beispielswei- Menschen? Seite 2 | 6 Clip #990392727 lizenziert für Kundenservice: 044 500 4460 Universitäre Psychiatrische Dienste Bern (UPD), Bern 60 service@bluereport.net
28. März 2020 Nationale Tageszeitung Seite 1-3 / 160'573 mm² BZ Berner Zeitung CHF 34'157 Werbewert 031 330 33 33 174'162 Auflage Muss ein suizidgefährdeter Pa- tient beim Verdacht auf eine Co- Es ist schwierig, diese Frage pau- schal zu beantworten, da jeder "Patienten, die rona-Infektion isoliert werden, Mensch etwas anderes benötigt. sich an die darf die Isolation nur in Räumen Und doch, was sicherlich wich- Vorschriften im erfolgen, wo sich dieser nicht tig ist, ist die Aufrechterhaltung verletzen kann. Doch Isolations- von Tagesstruktur, sind Sport- Zusammenhang und Entspannungsübungenfür zimmer dürften in Folge eines zu Hause. Aber auch, sich mit der mit Corona halten Patientenansturms ja ebenfalls knapp werden. Schizophrene Pa- Familie auszutauschen, Freunde anzurufen. Gerade wenn meh- können, dürfen tienten bauen in ihre Wahnvor- stellungen oft aktuelle Ereignis- rere Personen im Haushalt sind, sich auf dem Areal se ein. Das ist bei Corona nicht ist es umgekehrt auch wichtig, Rückzugsräumezu schaffen, um ausserhalb der anders. Das Virus wird Teil ihres Wahns. Da sich im Moment fast Spannungenzu vermeiden. Und Gebäude jeder mit dem Thema ausei- sich immer wieder die reale Ge- fahr bewusst machen, im Sinn: aufhalten." nandersetzt, wird es für diese Pa- Inwiefern bin ich persönlichtat- tienten besonders schwierig, sich Stefan Klöppel von ihrem Wahn wieder zu dis- sächlich ernsthaft gefährdet? Wer aber merkt, dass er in der Ärztlicher Direktor tanzieren. der Universitären Situation alleine ist und Hilfe braucht, soll sich an die tele- Psychiatrischen Dienste Bern Wie sieht Ihr Plan für das fonischen Seelsorgedienste der Worst-Case-Szenario aus, wenn Kirchgemeinden oder den Tele- Vor allem mit Mitarbeitende krank werden und ausfallen? fonservice einer psychiatrischen vielen älteren Institution wie der UPD wenden. Wir stecken mitten in der Rekru- Menschen stehen tierung: Ganz klar benötigenwir Im Notfall: Anrufen wir derzeit in in allen Funktionen und auf al- len Levels Personal und haben diese Stellenausschreibungen Wer Hilfe benötigt, kann sich bei der Notfallnummer der UPD telefonischem jüngst publiziert. Es sind auch melden: 031 632 8811. Die Kontakt, um die schon Bewerbungen eingegan- Telefone sind sieben Tage die schwierige Zeit zu gen. Pauschale Regelungen wie Woche rund um die Uhr besetzt. ein genereller Ferienstopp für Wochentags von 8.30 bis überbrücken." Ärzte und Pflegepersonalgibt es 16.30 Uhr sind unter der Nummer bei uns derzeit keine. zudem zusätzliche telefonische Stefan Klöppel Hilfsangeboteerreichbar, (sl) ÄrztlicherDirektor UPD Bern In vielen Bereichen spricht man bereits von den Chancen, Zur Person welche die Corona-Krise Prof. Dr. med. Stefan Klöppel nachhaltig mit sich bringen ist ärztlicher Direktor der Univer- könnte, zum Beispiel den sitären Psychiatrischen Dienste Fortschritt der Digitalisierung. Bern (UPD) sowie Direktor und Wie sieht das in den UPD aus? Chefarzt der Klinik für Alters- Auch uns bringt diese Situation psychiatrie und Psychotherapie sicherlich wichtige Inputs. Zum der UPD. Zudem ist Klöppel Chef Beispiel stellen wir uns die Frage, der Taskforce Coronavirus. Stefan wann ein Aufenthalt im Spital Klöppel ist 43 Jahre alt und seit überhaupt noch Sinn macht und 2016 in den UPD tätig, (sl) wo eben Telemedizin oder so- genannte Home Treatments als Ersatz für stationäre Behand- lungen die bessere Lösung sind. In all diesen ambulanten Berei- chen gibt es noch viel Ausbau- potenzial. Sie sind vom Fach: Was raten Sie uns, um diese Krise psychisch möglichst unversehrt zu überstehen? Seite 3 | 6 Clip #990392727 lizenziert für Kundenservice: 044 500 4460 Universitäre Psychiatrische Dienste Bern (UPD), Bern 60 service@bluereport.net
28. März 2020 Nationale Tageszeitung Seite 1-3 / 160'573 mm² BZ Berner Zeitung CHF 34'157 Werbewert 031 330 33 33 174'162 Auflage Die Telefone laufen heiss Das Coronavirus schlägt auf die Psyche. Die Dargebotene Hand und andere Institutionenbauen ihre Angebote aus Fachleute erwarten aufgrund der die Konsultationen telefonisch Als weitere Hüfsangebotesind Corona-Krise einen starken An- durchzuführen, das ist für alle der Kindernotruf der Pro Juven- stieg von psychischen Erkran- Beteiligten am einfachsten und tute (Telefon 147 oder www.147. kungen. Seit Beginn der Krise ver- sichersten." ch) und die Careteams der Not- zeichnen die psychiatrischen Kli- Auch andere Institutionen haben fallseelsorge Schweiz zu nennen: niken denn auch einen deutlichen alle Hände voll zu tun. "Bei den www.cns-cas.ch. Patientenzuwachs. Genau wie die zwölf Regionalstellen der Darge- Simone Lippuner Universitären Psychiatrischen botenen Hand laufen seit Anfang Dienste bereitet sich das Psychi- März die Drähte heiss. Innert 15 atriezentrum Münsingen (PZM) Tagen wurden 1720 Gespräche auf einen Ansturm vor. "Wir sto- zum Coronavirus verzeichnet", cken derzeit die Anzahl Betten für schreibt die Organisation in einer Corona-Erkrankte auf", sagt Ma- Pressemitteilung. Das sind täg- rion Ebinger vom PZM. lich mehr als 100 Gespräche zu Derzeit habe das PZM noch diesem Thema, bei durchschnitt- Kapazität,laut Ebingerwird aber lich 520 Gesprächenpro Tag. auch hier versucht,verstärkt am- In den kommenden Wochen bulante Beratungen anzubieten, werde die Dargebotene Hand um einen Kollaps zu verhindern. ihre Kapazitäten ausbauen. Da Um das Risiko einer Ansteckung viele der bei Telefon 143 tätigen zu verhindern, gelten verschärf- Freiwilligen,primärältere Men- te Regeln für die Patienten: kein schen, aufs Hüten von Enkeln Ausgang, kein Urlaub, keine Be- und auf soziale und kulturelle suche. Das Psychiatriezentrum Aktivitäten verzichten müssten, verzeichnete einen Corona-Fall: bestehe die Bereitschaft, die Zahl "Eine Patientin zeigte bei Ein- der Schichten um bis zu 17 Pro- tritt Krankheitssymptome. Sie zent zu erhöhen. Auch ehemali- wurde positiv getestet und ist ge Freiwillige hätten sich bereit nun zu Hause in Quarantäne", sagt Ebinger. Auf ein Worst- erklärt, wieder Dienst zu tun. Das Angebot ist kostenlos und rund Case-Szenario angesprochen um die Uhr präsent. Es kann per sagt die Kommunikationsverant- Telefon, E-Mail oder Chat Hilfe wortliche: "Auch wir wissen gesucht werden. Am einfachsten nicht, was uns noch alles erwar- ist der Einstieg über www.143.ch. tet. Aber Stand jetzt haben wir Die Corona-Krise bringt auch uns bestmöglichvorbereitet." neue Angebote hervor. So haben Die Erkrankungen im Zusam- die Stiftung Pro Mente Sana und menhang mit Corona sind viel- die Berner Fachhochschule BFH seitig. Die Angstvor einer Anste- gemeinsam die Plattform www. ckung könne beispielsweise inclousiv.ch lanciert. Die Inter- einen Anstieg von Panikattacken netseite ermöglicht Raum für zur Folge haben, sagen Fachleu- Dialoge und Fragen rund um die te. Auch die Suizidalität und die psychische Gesundheit während Gewaltbereitschaft könnten zu- der Corona-Pandemie. nehmen. Entsprechend sind Kli- Inclousiv bietet auch tägliche niken wie auch freischaffende LiveChats mit Fachpersonenund Psychiater derzeit stark gefragt. Betroffenen sowie ein Forum, in 1720 Gespräche welchem sich die Nutzer unter- einander austauschen können. Grundsätzlich würden Psychia- Zudem baut die Stiftung Pro ter angehalten, ihre Praxis offen Mente Sana ihre Beratungskapa- zu halten, sagt Pierre Vallon, Prä-zitäten aus. Die Fachpersonen sident der Vereinigung der psy- sind erreichbar unter der Tele- chiatrisch-psychotherapeutisch fonnummer 0848 800 858. Die tätigen Ärzte der Schweiz. "Aber Beratungsdienstleistungen sind sie sollen den Patienten anbieten, kostenlos. Seite 4 | 6 Clip #990392727 lizenziert für Kundenservice: 044 500 4460 Universitäre Psychiatrische Dienste Bern (UPD), Bern 60 service@bluereport.net
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