Taxi Orange Intimes in der Öffentlichkeit Eine Untersuchung des Verhältnisses Öffentlichkeit/Privatheit/Intimität in Taxi Orange2

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Taxi Orange − Intimes in der Öffentlichkeit
   Eine Untersuchung des Verhältnisses
    Öffentlichkeit/Privatheit/Intimität
               in Taxi Orange2

       Irene Korom (Matr.Nr. 9605088) A 301
        e−mail: irene_korom@hotmail.com
    Michaela Reischitz (Matr.Nr. 9509042) A 122
           e−mail: m.reischitz@gmx.net

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Inhaltsverzeichnis

I THEORETISCHER TEIL..............................................................................................4
1. Begriffdefinitionen zu Privatheit−Öffentlichkeit−Intimität..........................................................................4

2. Intimität in der Medien− und Informationsgesellschaft................................................................................7

3. Privatheit − Öffentlichkeit − Intimität im Format Taxi Orange................................................................10

II EMPIRISCHER TEIL..................................................................................................13
1. Die KandidatInnen von TXO2......................................................................................................................13

2. Methode der Untersuchung..........................................................................................................................14

3. Auswahl der Analyseeinheiten .....................................................................................................................16

4. Hypothesen....................................................................................................................................................17

5. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse...........................................................................................17
   5.1 Sequenzanalyse nach Froschauer/Lueger..................................................................................................17
      5.1.1 Szene 1: Nikola Rücken wird eingeschmiert......................................................................................17
         5.1.1.1 Zusammenfassende Interpretation der 1. Szene:.........................................................................19
      5.1.2 Szene 2: Gespräch in der Gruppe über das erste Mal.........................................................................20
         5.1.2.1 Zusammenfassende Interpretation der 2. Szene..........................................................................23
      5.1.3 Szene 3: Gespräch über Sex am Morgen............................................................................................24
         5.1.3.1 Zusammenfassende Interpretation der Szene 3...........................................................................25
      5.1.4 Szene 4: Martinas Geburtstag............................................................................................................25
         5.1.4.1 Zusammenfassende Interpretation der Szene 4...........................................................................28

6. Hypothesenüberprüfung...............................................................................................................................30

7. Resumée.........................................................................................................................................................30

8. Literaturverzeichnis......................................................................................................................................32

Anhang..............................................................................................................................................................34

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EINLEITUNG

"Die Veröffentlichung von Privatangelegenheiten kann ebenso durch ein behauptetes
allgemeines      Interesse   legitimiert   werden,   wie   die    Geheimhaltung   gesellschaftlicher
Angelegenheiten."(Westerbarkey 1998, S. 16)

Diese Aussage steht am Anfang der Idee von "real−life−soaps" wie Taxi Orange. Die
Programmmacher gehen davon aus, daß es reichlich Publikum für Formate gibt, die "Menschen
wie du und ich" zeigen.

Wir wollen uns in unserer Arbeit damit auseinandersetzen, wie in TXO2 die Grenzen des
privaten und öffentlichen Lebens gezogen werden. Zu Beginn nähern wir uns der vielfältigen
theoretischen Beschäftigung zum Komplex Öffentlichkeit vs. Privatheit an. Um die
Verwendung der Begriffe zu klären, ist es sinnvoll, eine historischen Rückblick auf die
gesellschaftliche Bedeutung dieser Begrifflichkeiten zu werfen. Diese haben in der Neuzeit
einen vielfältigen Wandlungsprozeß vollzogen, der diese vormals starren Begriffe gänzlich
verschwimmen lässt, sowie ihre ursprüngliche Verwendung in der Gesellschaft ins Gegenteil
kehrt.

  Heute gibt es entsprechend der vielen Disziplinen, die sich mit diesen Bereichen
auseinandersetzen, unterschiedliche Zugänge zu diesen Gegenüberstellungen. Es gilt zu klären,
inwieweit die Trennung von Privatheit heute noch verwendet werden kann, insbesondere bei der
Beschäftigung mit einem Format der modernen Unterhaltungsindustrie.

Dazu wird es wichtig sein, die spezielle Situationen der BewohnerInnen im Kutscherhof zu
verdeutlichen.
Für      unsere empirische Untersuchung haben wir                vier Beispiele gewählt, die die
Vielschichtigkeit, die Privates in der Öffentlichkeit annehmen kann, wiederspiegeln sollen. Als
Methode haben wir die Videoanalyse gewählt, wobei wir uns auf               ein Analysemodell für
qualitative Interviews stützen, das die AutorInnen Froschauer/Lueger vorschlagen. Durch die
Auswertung des empirischen Materials hoffen wir, die von uns aufgeworfenen Fragestellungen
beantwortet zu haben.

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I Theoretischer Teil

1. Begriffdefinitionen zu Privatheit−Öffentlichkeit−Intimität

Im Laufe des 18. Jahrhunderts bildete sich der Begriff der "bürgerlichen Öffentlichkeit": Die
bürgerliche Gesellschaft begann, sich als Pendant zur Obrigkeit zu etablieren. Privatpersonen
fanden sich als raisonnierendes Publikum zusammen, um die öffentliche Meinung zu
konstituieren. Bevor diese Öffentlichkeit jedoch politische Funktionen übernahm, konstituierte
sie sich als literarische: In den großen Städten bildeten sich Kommunikationsnetze in den Salons
der Damen von Welt, in den "Tischgesellschaften" der sogenannten Intellektuellen, in den
Kaffeehäusern, in Geheimgesellschaften und Klubs. Imhof/Schulz beschreiben, wie im Begriff
dieser bürgerlichen Öffentlichkeit die klassisch aristotelischen Kategorien von Öffentlichkeit
und Privatheit wieder erscheinen: Öffentlichkeit konstituierte sich als herrschaftsemanzipierte
Sphäre eines umfassenden Diskurses, in der mündige Bürger kraft ihrer Unabhängigkeit von
Herrschaftszwängen vernünftig über öffentliche Angelegenheiten zu urteilen und zu entscheiden
in der Lage waren. (vgl. Imhof/Schulz 1998, S. 9)

Im 19. Jahrhundert löste sich die Illusion einer Öffentlichkeit als herrschaftsemanzipierte
Sphäre rationalen Diskurses auf. Im Kapitalismus veränderte sich die öffentliche Sphäre, sie
teilte sich auf. Auf der einen Seite zog man sich noch stärker in den familiären Bereich zurück,
auf der anderen Seite traten nun materielle Elemente im Bereich der öffentlichen Sphäre auf,
durch die sich Gewinn erzielen ließ. Öffentlichkeit bedeutete für die Frauen damals eine
"Sphäre der Unmoral". Für den bürgerlichen Mann hatte Öffentlichkeit eine andere moralische
Bedeutung. Er umgab sich mit Fremden, das konnten Frauen aus einer niedereren Schicht sein,
die nicht so sehr an das Moralische des privaten Bereiches gewöhnt waren. (vgl. Sennett 1993,
S. 41)

Heute hat der Begriff der Öffentlichkeit eine andere Bedeutung. Die Trennung zwischen
öffentlich und privat ist nicht mehr strikt zu sehen.

Unterschiedliche    Bedeutungszuweisungen        des    Begriffs   Öffentlichkeit   verweisen   auf
verschiedene Disziplinen, sei dies im juristischen, politischen, soziologischen oder
kommunikationswissenschaftlichen Bereich.

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Es kann zwischen der komplexen, mittleren und einfachen Ebene von Öffentlichkeit
unterschieden werden (vgl. Klaus/Weiß in Imhof/Schulz 1998, S. 100): Die komplex
differenzierte Öffentlichkeit ist die bürgerliche Öffentlichkeit mit ihren Institutionen wie
Parlamenten, Parteien, Gerichten, Massenmedien. Auf dem gesellschaftlichen Feld, auf dem
Öffentlichkeit hergestellt und verwirklicht wird, interagieren und konkurrieren diese
Institutionen mit anderen intermediären Organisationen und Interessensgruppen wie auch mit
den persönlichen sozialen Netzwerken von Menschen. Taxi Orange würde in dieser Form der
Einteilung eine Kombination von komplexer Öffentlichkeit durch Massenmedien (Fernsehen,
Internet) und der einfachen zwischenmenschlichen Öffentlichkeit bilden, wo es um alltägliche
Kommunikation und private Lebensäußerungen geht, die durch die Medien eine andere Form
von Öffentlichkeit bekommen.

Burkart zufolge entsteht und besteht Öffentlichkeit v.a. dadurch, dass Informationen via
Massenmedien veröffentlicht und dadurch allen zugänglich gemacht werden. (Burkart 1995, S.
363f.)

Im Fischer Lexikon für Publizistik/Massenkommunikation wird Öffentlichkeit als jener Zustand
beschrieben, in dem der einzelne von allen gesehen und beurteilt wird, wo sein Ruf und seine
Beliebtheit auf dem Spiel stehen. In der Öffentlichkeit will der einzelne sich nicht isolieren,
nicht sein Gesicht verlieren. (Fischer Lexikon 1994, S. 376) Dies trifft im Fall von TXO in
besonderer Weise zu, da die KandidatInnen sich möglichst so präsentieren wollen, daß die
ZuschauerInnen bzw. ChatterInnen positiv auf sie reagieren.

Nach Nuissl sind die Begriffe öffentlich/privat nicht aufeinander bezogen, sondern sie
produzieren aus sich selbst heraus ihr jeweiliges Gegenteil. Die Abgrenzung zwischen den
beiden ist gesellschaftlich bedingt, nicht naturwüchsig. Aus dieser Trennung beziehen beide
Form, Inhalt und Legitimation. (vgl. Nuissl 1975, S. 16)

Imhof/Schulz beschäftigen sich mit der Privatisierung des Öffentlichen sowie der
Veröffentlichung des Privaten in den Medien. Diese reicht von der Personalisierung,
Skandalisierung und Boulevardisierung politischer Berichterstattung bis zur Thematisierung der
Intimsphäre in den Medien. Beide oben genannten Entwicklungen verändern den klassischen
Dualismus öffentlich/privat nachhaltig. (vgl. Imhof/Schulz 1998, S. 10f.)

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Um sich der bereitwilligen Veröffentlichung und Vermarktung der eigenen Privatsphäre in
Formaten wie "Taxi Orange" nähern zu können, erscheint es sinnvoll, sich mit dem Begriff der
Intimität näher auseinander zu setzen.

"Mit Intimität verbindet man Wärme, Vertrauen und die Möglichkeit zu offenem Ausdruck von
Gefühlen.", so Richard Sennett. (Sennett 1996, S. 17)

"Intimität, intimes menschliches Zusammenleben ist, [...] der Ort gefühlsbestimmten,
unmittelbaren Umgangs mit nahestehenden Menschen, der Raum gegenseitiger Anerkennung,
emotional begründeter Objektbeziehungen [...]". ( Lorenzer in Buchholz 1989, S. 33)

Intimität als Charakteristikum von Beziehungen zwischen Menschen bedeutet in erster Linie

  "wechselseitiges Einbezogensein, Inklusion, sie bedeutet ein Miteinanderteilen von
Informationen, Gefühlen, Aktivitäten und Orten. Weiterhin beinhaltet sie den Ausschluss, die
Exklusion von Außenstehenden aus dieser Beziehung. [...] Nach innen bedeutet Intimität also
Teilhabe und Partizipation, nach außen Abgeschlossenheit." (Abraham de Swaan in Buchholz
1989, S. 52)

Intimität wird vom Verhalten in der Öffentlichkeit und dem Verhalten im privaten Rahmen
unterschieden und erfordert die Notwendigkeit (Fremdzwang) zwischen beiden Bereichen hin−
und herzuwechseln. Intimität entsteht nach de Swaan im Kreis von Verwandten und Freunden,
indem man seine "wirkliche" oder "innere" Persönlichkeit zeigen darf. Intimität bedeutet, dass
etwas da ist, das den meisten anderen vorenthalten bleibt, und mit nur einem oder wenigen
Partnern geteilt wird. (vgl. Abram de Swaan in Buchholz 1989, S. 54)
Dies hat sich durch die zunehmende Kommerzialisierung in den Massenmedien stark verändert:
In Talkshows etwa geben Menschen intime Details ihres Lebens einer großen Öffentlichkeit
preis. Weiter unten werden wir untersuchen, wie die KandidatInnen in TXO mit intimen
Situationen vor laufenden Kameras umgehen bzw. diese auch positiv für sich nutzen.

Sennett kritisiert in seinem Buch "Die Tyrannei der Intimtität" die psychologische Einstellung
der Menschen heute zum Leben, die er "intime Sichtweise der Gesellschaft" nennt. Er
behauptet, wir suchen in der Privatsphäre nach einem Spiegelbild dessen, was an unserer
Psyche, an unseren Gefühlen authentisch ist. Die Menschen erwarteten diese Intimität allerdings
in allen Erfahrungsbereichen, was große Teile des öffentlichen Lebens nicht bieten können.

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Dies hat zu einer Verwirrung zwischen dem öffentlichen und dem intimen Leben geführt. (vgl.
Sennett 1993, S. 17f.) Die Welt der intimen Empfindungen verliert alle Grenzen, sie wird nicht
mehr von einer öffentlichen Welt begrenzt, die ein Gegengewicht zur Intimität darstellen
würde. Er diagnostiziert so den Verfall des öffentlichen Lebens. (vgl. Sennett 1993, S. 19)

Was zum Bereich der Intimsphäre zu zählen ist, darüber existiert keine einheitliche Regel. Das
gilt nicht nur für den Bereich der sexuellen Intimsphäre oder der "Benimmformen", sondern ist
von Land zu Land verschieden. Eingriffe in diesem Bereich bedürfen einer legitimierten
Rechtfertigung, wobei hier nicht die öffentliche Neugier Vorrang hat, sondern der Anspruch des
einzelnen auf seine Intimsphäre. Rechte, wie die Unverletzlichkeit der Wohnung, das
Briefgeheimnis oder das Recht am eigenen Bild sichern Räume freier Kommunikation,
unabhängig von dem, was in diesen Freiräumen geschieht. (vgl. Niemiec 2001, S. 11)

2. Intimität in der Medien− und Informationsgesellschaft

Wie kommt es dazu, dass Formate wie "Big Brother" oder "Taxi Orange" einen derartigen
Boom erfahren? Dass Menschen bereit sind, auf ihre Intimsphäre zu verzichten, nur um ins
Fernsehen zu kommen? Was ist für die ZuschauerInnen so verlockend daran, anderen Menschen
bei Alltagsaktivitäten zuzusehen?

Wolfgang Wunden sieht in Formaten wie Big Brother eine Gefährdung der Menschenwürde.
Die Verfügung über einen persönlichen Bereich gehört zum Kernbereich dessen, was in den
Grundrechtskatalogen mit "Menschenwürde" bezeichnet wird und nach vorwiegender
juristischer Meinung Drittwirkung besitzt, d.h. nicht nur dem Staat gegenüber, sondern auch im
freien gesellschaftlichen Verkehr zu respektieren ist. (vgl. Wunden in Weber 2000, S. 147) Der
Autor sieht zwei prinzipielle Ansprüche gegenübergestellt: den demokratischen Anspruch auf
Öffentlichkeit und den individuellen Anspruch auf Respektierung und Schutz der Intimsphäre.
Wunden geht so weit, dass er meint, die Einwilligung der Container−Bewohner sei zwar frei
erfolgt, man müsse die KandidatInnen möglicherweise jedoch vor sich selbst schützen.
(ebendort S. 149)
Es sei auch der Gedanke zu prüfen, ob es im Interesse der Gesellschaft ist, wenn in der
Öffentlichkeit Intimformate boomen, da dies zur Folge haben könnte, dass Intimität für die
Bevölkerung an Wert einbüße. (ebendort S. 151) Weiters gibt Wunden zu bedenken, dass die

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Selbstdarstellungslust von Menschen für die Quoten− und Werbegewinne der Fernsehanstalten
und Firmen ausgenützt wird. (ebendort S. 151) Der Autor stellt dazu folgende These auf:

"Funktionierende Öffentlichkeit bedarf der Intimsphären und Kommunikation kann als
gesamtgesellschaftlicher Prozeß nur gelingen, wenn die Freiheit, sich mitzuteilen, respektiert
und geschützt wird." (Wunden in Weber 2000, S. 152)

Joan Kristin Bleicher vertritt die Ansicht, dass Formate à la Taxi Orange die gesellschaftliche
Funktion der zunehmenden medialen Präsentation von Privatheit zeigen. Sie informieren
darüber, welche individuellen Kompetenzen derzeit in der Gesellschaft gefragt sind.
Gleichzeitig bieten sie Modelle an, wie sich diese Kompetenzen im privaten Lebensraum
aneignen und erproben lassen. Die medial vermittelte Privatheit dient als potentielles Vorbild
für die gesellschaftlich akzeptierte Form der Privatheit des/der Zuschauers/Zuschauerin. Das
Fernsehen normiere, schließt er, den Alltag seiner Zuschauer stärker als ihnen bewusst ist. (vgl.
Bleicher in Weber 2000, S. 215)

Joachim Westerbarkey betont, dass durch die fortschreitende kulturelle Enttabuisierung des
Privaten und Intimen auch die öffentlichen Kommunikationsbarrieren für diese Themen fallen.
Nicht mehr das "Ob" stehe zur Debatte, nur mehr das "Wie". Er spricht von einem
Differenzverlust zwischen Realität und Fiktion. So käme es zustande, dass die Illusion genährt
wird, Kameras erspähen Ereignisse, während sich vieles nur für Kameras ereignet. Die
Konturen zwischen Leben und Spiel lösen sich auf diese Weise auf. Westerbarkey stellt das
Szenario einer Show wie Big Brother folgendermaßen dar: Medienpraktiker vermitteln immer
mehr imaginäre Primärkommunikation und machen gute Geschäfte damit, dass Darsteller
("Exhibitionisten") angebliche Privates und Intimes gegen die Aufmerksamkeit großer Publika
(Popularität) tauschen. Fotografen und Kameraleute übernehmen dabei die Funktion von
"Leitvoyeuren", Reporter, Redakteure, Moderatoren und Regisseure die Rolle von Jägern und
Aufsehern, die das "Wild nach Bestand stellen, zur Strecke bringen, sortieren, präparieren,
vorführen und ausweiden." Die in der Regel freiwillig Vorgeführten folgen lediglich dem
verschärft geltenden Postulat, dass nur der gilt, der etwas Besonderes besitzt und dieses auch zur
Schau stellt. (vgl. Westerbarkey in Weber 2000, S. 70f.) Im Gegensatz zu Wunden vertritt
Westerbarkey die Ansicht, dass bei einem derartigen Mechanismus Moral fehl am Platz ist, da
es sich eben nicht um Reality−TV handele, einem sehr oft verwendeten Begriff. (ebendort S.
72)

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In Bezug auf die ZuseherInnen greift Westerbarkey den Begriff des Voyeurismus auf.
Besonders attraktiv sind demnach die hohe Kontingenz und die Beliebigkeit ("anything goes"),
die die voyeuristische Spannung halten. Der Unterschied zu anderen Spielen sei das
Außerordentliche    an     privaten   Geschichten    und      intimen    Enthüllungen,       deren
Möglichkeitsreichtum in seiner Grenzenlosigkeit und Unerschöpflichkeit neugierig mache.
Weiters erkläre sich die Attraktivität des "Banalen" durch eine symbolische Aneignung eines
fremden Stücks Welt. (vgl. Westerbarkey in Weber 2000, S. 73)

Lutz Ellrich meint dazu:

"Die moderne Gesellschaft mit ihren emanzipierten und individualisierten Mitgliedern hat ein
unaufhörliches Begehren. Doch das Begehren kann aus eigener Kraft die wirklich
erstrebenswerten Objekte nicht mehr auszeichnen, es sucht aus diesem Grunde Halt im Akt des
Beobachtens. Damit wird das Problem nur verschärft, denn auch das Beobachten führt nicht
zur Gewissheit über erstrebenswerte Objekte, sondern verfängt sich im Netz der Beobachtungen
anderer Beobachter." (Ellrich in Balke/Schwering/Stäheli 2000, S. 116)

Niemiec will im Zusammenhang mit Shows wie mit "Taxi Orange" nicht von ZuschauerInnen
als VoyeurInnen sprechen, da nichts im Heimlichen stattfindet. Die KandidatInnen wissen von
der 24−stündigen Überwachung, und die ZuschauerInnen wissen, dass die KandidatInnen
wissen, dass sie von den ZuschauerInnen beobachtet werden. (vgl. Niemiec 2001, S. 21)

Hans−Jürgen Wulff hat die Beziehung zwischen Voyeur und Exhibitionist im Bezug auf
Phone−In−Sendungen im Radio folgendermaßen umschrieben:

"[...] der vorgebliche Voyeur weiß, dass der Exhibitionist weiß, dass der Voyeur zugegen ist!
Nichts passiert hier insgeheim, es geschieht nichts Verbotenes und Heimliches. Alle Beteiligten
sind sich ihrer Rolle im Geschehen bewusst, wissen über die Gegenwart der anderen, sind
freiwillig versammelt." (Wulff in Imhof/Schulz 1998, S. 68)

Zu berücksichtigen ist in dem Zusammenhang allerdings, dass es sich bei Formaten wie "Big
Brother" und "Taxi Orange" um Shows handelt. Die KandidatInnen spielen mit der
Inszenierung einer künstlichen Realität bewusst, bringen ihre eigene Intimität möglicherweise
auch bewusst ins Spiel. Während Wunden dies eingesteht, weist etwa Ellrich auf ein
fernsehtheoretisches Werk hin, "No Sense of Place" von Joshua Meyrowitz, der die These

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vertritt, dass sich bei langanhaltender medialer Beobachtung die Verhaltensweisen der ins Visier
genommenen ProbandInnen "normalisieren". Durch den Gewöhnungseffekt gleicht sich das
Gehabe auf öffentlichen Schauplätzen dem Benehmen im privaten bzw. intimen Bereich
allmählich an. Die Maske der Subjekt würde fallen, die Individuen die Kontrolle über ihre Rolle
verlieren, und sich zeigen, wie sie im wirklichen Leben sind. (vgl. Ellrich in
Balke/Schwering/Stäheli 2000, S. 100)

Mikos und Wiedemann fassen diesen komplexen Themenbereich folgendermaßen zusammen:
Die KandidatInnen können als DarstellerInnen ihrer selbst, als SpielerInnen und als
DarstellerInnen einer Fernsehrolle, also als KandidatInnen oder Mitwirkende einer medialen
Show oder Fernsehsendung gesehen werden. Demnach würde sich nach Müller folgendes
Schema ergeben:

a) szenische Darstellung
b) transfigurative Darstellung
c) unwillkürliche Darstellung

Die Erste bezieht sich auf die Tatsache, dass die KandidatInnen als soziale Wesen auch im
außermedialen Leben SelbstdarstellerInnen sind und über ein Repertoire an Rollen− und
Darstellungskompetenz verfügen. Die zweite bezieht sich auf die Rolle der TeilnehmerInnen als
KandidatInnen einer Fernsehshow und die dritte auf die Momente, in denen das authentische
Selbst zutage tritt. In solchen Momenten wird von einem "Authenthie−Effekt" gesprochen. (vgl.
Mikos /Wiedemann 2000, S. 114)

3. Privatheit − Öffentlichkeit − Intimität                           im Format Taxi
Orange

Wir schließen uns für die Definition des Verhältnisses Öffentlichkeit−Privatheit Lothar Mikos
an, für den es nicht um die "Tyrannei der Öffentlichkeit" nach Sennett geht, sondern der von der
"Tyrannei der Öffentlichkeit" spricht. (Mikos 1998, S. 443) So halten wir für Taxi Orange fest:
Durch Selbstdarstellung und Inszenierung von Privatheit sind die Grenzen verwischt, die
Öffentlichkeit ist bereits sehr weit in die Privatsphäre vorgedrungen. Die TeilnehmerInnen sind
einer zweifachen Belastung ausgesetzt: Einerseits werden sie ohne Unterbrechung von Kameras
gefilmt, mit einer Ausnahme, dem WC. Die ZuseherInnen bekommen dann die "besten" Szenen

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am Abend in einem Zusammenschnitt zu sehen. Andererseits kann bereits das Leben in einer
WG das Ende der Privatheit bedeuten. Nach Stamm, der sich mit der WG−Bewegung
auseinandersetzt, führt die Veröffentlichung des Privaten in einer WG zu einer Überlastung der
Individuen und ihres Privatbereichs, da diese nur minimale Möglichkeiten zu einem privaten
Rückzug haben. (vgl. Stamm 1988, S. 84)

Johann August Schülein charakterisiert die Besonderheiten einer Wohngemeinschaft
folgendermaßen:

  Wohngemeinschaften haben keinen "Kern" im Sinne einer einmaligen, unverwechselbaren
  und dominierenden heterosexuellen Paarbeziehung. Es handelt sich vielmehr um ein offenes
  Feld möglicher Beziehungen zwischen verschiedenen Erwachsenen, in dem jede/jeder zu
  jedem/jeder eine eigenen Beziehung aufnehmen und sich zugleich zu den Beziehungen
  dieser/dieses zu den anderen stellen muss.
  Da es keine vorgegebenen und klar unterscheidbaren Positionen und Beziehungen gibt (an
  denen sich Struktur quasi "von selbst" festmacht), existiert auch keine vorab festgelegte und
  selbständig   funktionierende     Verteilung      von    Positionen,    Funktionen,     Macht   und
  Abhängigkeit. Auch in dieser Hinsicht bilden Wohngemeinschaften eine primär
  unstrukturierte Gruppe mit egalitärem Profil.
  Gleichzeitig ist ein höheres Maß an Distanz für Wohngemeinschaften typisch. Man zieht
  nicht auf immer und ewig zusammen, man behält sich vor, die Lebensbereiche, die geteilt
  werden, individuell zu bestimmen. Auch das Maß der Beziehungen und die Innen−/Außen−
  Verteilung    bleibt   unter    dem        Vorbehalt    individueller     Festlegung.   Durch   das
  Nebeneinanderleben unterschiedlicher Einzelbeziehungen und deren Zusammenspiel ist die
  Wohngemeinschaft eine ungewöhnlich "attraktive" Projektionsfläche mit einem hohen Maß
  an intrapsychischer wie sozialer Dynamik. (vgl. Schülein in Buchholz 1989, S. 156)

Taxi Orange, genannt auch die "Taxler−WG", unterscheidet sich abgesehen von der ständigen
Beobachtung     durch    Kameras,       in     vielen    Bereichen    von     einer   "gewöhnlichen"
Wohngemeinschaft:

  Die hohe Zahl an WG−BewohnerInnen (zu Beginn 13, dann scheidet wöchentliche ein/e
  BewohnerIn aus) ist eher ungewöhnlich für eine WG −v.a. ein Zusammenleben auf einem
  engen Raum, wo es nur ein Wohnzimmer, eine Küche, ein Bad, ein WC und
  Kollektivschlafräume gibt. Dies führt zu einer anderen Form von Intimität, da auch

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Rückzugsmöglichkeiten für die Individuen erschwert herzustellen sind. Die TXO−
KandidatInnen haben − mit Ausnahme der Taxifahrten − nur in Notfällen oder zu geplanten
Auftritten die Möglichkeiten, den Kutscherhof zu verlassen. Die von Schülein erwähnte freie
Einteilungsmöglichkeit zwischen "Innen− und Außenverteilung" ist also so gut wie nicht
gegeben.
Zusätzlich haben die KandidatInnen einen Druck, sich möglichst oft in der Gruppe zu zeigen,
sich vor den Kameras zu inszenieren: In den täglichen Zusammenschnitten für das TV
werden besondere Vorkommnisse, Gespräche etc. genommen, weniger KandidatInnen
gezeigt, die sich eine Privatsphäre suchen und       von den anderen MitbewohnerInnen
distanzieren.
Schließlich besteht für die KandidatInnen auch aufgrund der vielen Kameras, die in den
Schlafzimmern und im Bad 24 Stunden lang laufen, nicht die Möglichkeit, ihre privateste
Sphäre, ihre Sexualität und ihre Körper−/Intimpflege ungestört wahrzunehmen.

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II Empirischer Teil

1. Die KandidatInnen von TXO2

Wir stellen gleich zu Beginn die KandidatInnen der 2.Staffel von TXO vor, da wir sie für
Beispiele im interpretativen Teil namentlich heranziehen.

Martina: 22 Jahre, Medizinstudentin aus Vorarlberg; sie wird dritte im "Endranking" und wird
besonders von den ZuseherInnen aus Vorarlberg unterstützt.

Josef (genannt "Killy"): 22 Jahre, Barkeeper aus Salzburg; er gewinnt TXO2, punktete
besonders durch sein "Spaßvogel−Image"

Jürgen: 30 Jahre, Pilot aus Vorarlberg, wird in der 3. Woche von seinem Rivalen Alex
rausgewählt

Nikola: 27 Jahre, Büroangestellte aus Niederösterreich, bleibt bis zur 6. Woche im Kutscherhof.
Sie wird von Alex rausgewählt, nachdem sich die beiden nach anfänglicher Sympathie aus dem
Weg gehen.

Georg: 22 Jahre, TU−Student aus Wien, wird als erster rausgewählt; ging in der
Berichterstattung in den Medien unter

Claudia: 23 Jahre, Psychologiestudentin aus Oberösterreich; Sie wird zum Schluß zweite,
nachdem sie im Laufe der Staffel immer mehr Sympathieträgerin wurde

Sandra: 34 Jahre, WG−älteste, Immobilienmaklerin aus Niederösterreich, scheidet in der 4.
Woche aus, wurde vor allem im Internet wüstest beschimpft, weil sie trotz Kind in TXO2
mitmachte; in der WG behauptet sie sich als "WG−Mama", wäre in der Woche ihres
Ausscheidens freiwillig gegangen, weil ihr die negative Publicity zu Ohren kam

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Dietmar ("Didi"): 22 Jahre, Kälte− und Klimatechniker, Tupperware−Vertreter aus
Oberösterreich; bleibt bis zur 7. Woche dabei; spielt den Entertainer im Kutscherhof, wird aber
nicht wirklich ernst genommen

Viktoria ("Vicky"): 21 Jahre, Bürokauffrau aus Wien; wird in der ?Woche disqualifiziert, weil
sie mit ihrem Freund im Taxi rumschmuste und sich freiwillig zur Abwahl stellte;statt ihr
kommt Kathi in den Kutscherhof; Vicky wird "Schoki" genannt, die "angepasste Schöne mit
dem Wiener Dialekt"

Sladzan: 24 Jahre, Architekturstudent aus Graz, wird in der 5. Woche rausgewählt von Killy,
Teenieschwarm

Martin ("Crazy"): 27 Jahre, Künstler aus Kärnten, wird im Abschlußranking vierter hinter
Martina; punktet durch unangepasstes Verhalten und Kreativität, schließt sich mit Killy
zusammen

Nicy: 25 Jahre, Dekorationsmalerin aus Kärnten, wird in der 2. Woche rausgewählt; macht
Schlagzeilen durch ihr "Drogen−Outing" in der 1. Woche

Alex: 35 Jahre, Installateur aus Oberösterreich, kommt als 13 Überraschungskandidat durch
Publikumswahl in den Kutscherhof; Er wird in der 8. Woche von Kathi rausgewählt, sorgt im
Kutscherhof und in den Medien durch sein teils aggressives und unsoziales Verhalten für
Aufruhr, spaltet die Fans von TXO2 in zwei "Lager"

Kathi: 22 Jahre, Medizinstudentin aus Oberösterreich, steigt für Vicky ein, wird 2 Wochen
später knapp vor dem Finale rausgewählt; kommt gegen die "alten Taxler" letztlich nicht an,
wird von Killy rausgewählt
(vgl. Fanhaft von tv−media, Nr. 18, vom 28.4.2001)

2. Methode der Untersuchung

Folgende forschungsleitende Fragen stehen für unsere empirische Untersuchung im
Mittelpunkt:

                                                                                      14
Gibt es private/intime Szenen im Format Taxi Orange?
       − Wenn ja, wie wird dem/der ZuschauerIn Intimität medial vermittelt?
  Werden private/intime Gespräche im Kutscherhof geführt?
       − Wenn ja, von wem werden sie angesprochen, gibt es geschlechtsspezifische
       Unterschiede?
       − In welchen Situationen wird über private/intime Themen gesprochen?
   Wird in der Dramaturgie der Zusammenschnitte auf private/intime Momente Rücksicht
   genommen?

Als Untersuchungsmethode haben wir für unsere Arbeit die Videoanalyse gewählt. Dabei
stützen wir uns theoretisch auf die Vorschläge von Froschauer und Lueger zur Interpretation
von Texteinheiten bei qualitativen Interviews. (Froschauer/Lueger 1998) Im folgenden wollen
wir zunächst die Arbeitsbegriffe zur Textanalyse vorstellen, die beide AutorInnen empfehlen,
parallel dazu werden wir diese Begriffe für unsere Untersuchung entsprechend neu definieren
und im weiteren anwenden.

Der erste Schritt in der Analyse von Texten stellt die Transkription von Gesprächen dar. Die
Transkription soll nicht nur das gesprochene Wort wiedergeben, sondern auch möglichst
Einflüsse aus der Umgebung und nonverbale Kommunikation. (vgl. Froschauer/Lueger 1998, S.
52) Nachdem eine Transkription erstellt wurde, besteht die Wahl zwischen einer Sequenz− oder
Grobanalyse. Die Sequenzanalyse zielt auf das Erfassen von Sinneinheiten ab und hiezu ist es
notwendig, kleine bis kleinste Gesprächseinheiten zu reproduzieren. Dazu müssen die
ausgewählten Sequenzen genau transkribiert sein. (ebendort S. 62) Die Grobanalyse soll
Aussagekomplexe erforschen, diese werden zuerst komprimiert, dann expliziert und zuletzt
strukturiert. Dabei sollen latente Hintergründe der Gesprächssituation dargestellt werden,
Feinheiten stehen hierbei nicht im Mittelpunkt. (ebendort S. 71) Von den AutorInnen wird die
Sequenzanalyse für mehrere Personen empfohlen, die Grobanalyse ist auch als Einzelperson
durchführbar.
Das Auswertungsschema besteht aus mehreren aufeinander folgenden Schritten: Paraphrase,
Intention, strukturelle Bedingungen, Strukturfolgen und Systemeffekte.

Paraphrase: Die Funktion der Paraphrase ist es, den Textteil kurz zusammenzufassen. (ebendort
S. 74) Für unsere Arbeit heißt das, die betreffende Handlungseinheit kurz darzustellen.
Beispiele für eine abgeschlossene Handlungseinheit sind etwa: Themawechsel, eine neue Person
kommt hinzu, Ortswechsel, andere Kameraeinstellung

                                                                                     15
Intention: Was will die befragte/handelnde Person vermitteln? Was will dieselbe Person in ihrer
Umwelt auslösen? (Beispiel: Sladzan über Didi: "Ah, der versteckt sich!")

Strukturelle Aspekte: Durch welche Umwelteinflüsse bzw. Handlungen werden Aussagen bzw.
Handlungen ausgelöst? Dazu kommen noch die strukturellen Bedingungen. Diese stellen
Unterschiede zwischen persönlichen Momenten und gesellschaftlichen Ablaufgesetzlichkeiten,
Regeln oder Normen dar. (ebendort S. 74f.) Beispiel für unsere Untersuchung: Während einer
Gruppendiskussion in TXO2 über das 1. Mal ist Didi nicht bereit, seine Erfahrungen den
anderen preiszugeben. Alle anderen an der Diskussion Beteiligten stellen ihre Erfahrungen dar.

Systemeffekte: Welche Effekte ergeben sich für ein System hinsichtlich der Aufrechterhaltung
einer spezifischen Ordnung? (ebendort S. 75) In unserer Untersuchung gehen wir in dieser
Analyseebene besonders auf die Gruppendynamik und geschlechterspezifische Aspekte ein.
Beispiel: Gespräche intensivieren Beziehungen bzw. bringen Spannungen zutage, latentes
Konkurrenzverhalten zwischen Männern/Frauen wird sichtbar.

3. Auswahl der Analyseeinheiten

Bei der Auswahl der zu analysierenden Szenen haben wir uns auf unsere forschungsleitenden
Fragen gestützt. Ursprünglich wollten wir uns auf die erste und die vierte Ausstrahlungswoche
konzentrieren, und aus den Zusammenschnitten dieser Wochen jeweils zwei Szenen
herausnehmen. Wir haben uns dann aber entschlossen eine Szene aus der ersten Woche, zwei
Szenen aus der dritten Woche und eine Szene aus der fünften Woche zu nehmen. Wir haben
immer wieder stichprobenartig Szenen aus TXO2 betrachtet und daraus die für uns besonders
relevante Szenen ausgewählt. Dabei sollten sowohl Situationen in der Gruppe, als auch engere
Kontakte zwischen zwei bzw. drei MitbewohnerInnen des Kutscherhofes vorkommen. Wir sind
bei der vorliegenden Untersuchung von folgenden Kategorien ausgegangen, die folgende
Inhalte aufweisen:

− Gespräche über private/intime Themen
− Private/intime Situationen
− Körper−/Intimpflege
− individuelle Rückzugsmöglichkeiten der TXO−TeilnehmerInnen aus der Gruppe

                                                                                       16
4. Hypothesen

Wir legen folgende Hypothesen für unsere Untersuchung fest:

H1: Im Format Taxi Orange2 gibt es private/intime Szenen.
H2: Im Format Taxi Orange2 werden private/intime Gespräche geführt.
H.2.1: Die Gespräche werden zumeist von den weiblichen TeilnehmerInnen iniziert.
H3: Es werden in der Dramaturgie von TXO2 gewisse Grenzen der intimen Darstellung
gewahrt. Sexualität, Geschlechtsorgane werden nicht gezeigt, emotionale Regungen hingegen
schon.

5. Darstellung und Interpretation der Ergebnisse

5.1 Sequenzanalyse nach Froschauer/Lueger

5.1.1 Szene 1: Nikola Rücken wird eingeschmiert

beteiligte Personen: Nikola, Martin, Didi
Ort: Badezimmer
Datum: 23.4.2001

                                                                                   17
Szene   Paraphrase         Intention         Strukturelle              Systemeffekte
                                             Aspekte

1       Nikola,      die   Nikola            Nikola möchte braun       Die Ordnung Die Ordnung der
        nur           in   erwartet sich     werden           (die     Beziehungen könnte dadurch verändert
        Unterwäsche        das ihr der       verwendete Creme          werden, dass eine nackte Frau einen bzw.
        ist, schreit aus   Rücken            ist                       mehrere Männer erregt, was zu
        dem Bad nach       eingeschmier      Bräunungscreme).          Konkurrenzsituationen zwischen den
        jemanden der       t wird Nikola     Was sie mit ihrer         Männern führen könnte.
        ihr          den   verfolgt hier     Nacktheit erreichen       Das Publikum soll wohl mit Szenen, die
        Rücken             Eigeninteress     will ist unklar. Für      (Fast−)Nacktheit zeigen, "bei der
        eincremen          e.                die     ZuseherInnen      Stange" gehalten werden.
        kann                                 soll klar werden, das
                                             sie die Männer bzw.
                                             denjenigen der ihr
                                             den           Rücken
                                             eincremt
                                             provozieren will
2       Martin kommt       Martin will       Ein Mann tut einer        Martin ergreift die Initiative in der
        ins Bad und        Nikola einen      Frau einen Gefallen,      Gruppe. Er greift aktiv in das Geschehen
        cremt Nikolas      Gefallen tun.     allerdings könnte er      ein.
        Rücken ein.        Martin hat        dahinter       einen
                           Freude daran      Eigennutz sehen.
                           Nikola den
                           Rücken
                           einzucremen.
3       Nikola    gibt     Nikola            Nikola              hat   Eine     Frau   gibt    einem   Mann
        Martin             möchte das        bestimmte                 Anweisungen, um ihre bestimmten
        Anweisungen        sie               Vorstellungen wie         Vorstellungen zu erreichen. Der Mann
        wo er sie          gleichmäßig       sie         eingecremt    befolgt die Anweisungen nach seinen
        einschmieren       eingeschmier      werden         möchte.    Vorstellungen.
        soll. Martin       t        wird.    Martin geht auf           Durch das Auftreten zweier Männer und
        knüpft dabei       Martin knüpt      ihren Wunsch ein.         einer Frau         könnte eine Art
        Nikolas BH         den BH auf,       Er hilft sich dadurch,    Konkurrenzsituation    zwischen   den
        auf        (Ihr    um          die   daß er ihr den BH         Männern entstehen.
        Rücken       ist   Stellen           aufmacht (gilt als
        nun      frei).    besser       zu   Intimbereich). Didi
        Währenddesse       erreichen.        zeigt Interesse an
        n kommt Didi       Didi möchte       der     Badezimmer−
        ins Bad.           auch Nikolas      Szene.
                           Rücken
                           einschmieren
                           .
4       Didi erklärt,      Didi wollte       Didi         braucht Die Konkurrenzsituation zwischen den
        warum er ins       Nähe         zu   Argumente für sein Männern wird offensichtlicher.
        Bad gelaufen       Nikola            Auftreten, da ein
        ist       und      herstellen,       anderer          den
        Nikolas            durch             gewünschten
        Rücken             Berührung.        Handlungsbereich
        einschmieren       Martin            eingenommen hat.
        wollte, dabei      genießt seine     Martin geht nicht
        beobachtet er,     Position,         auf Didi ein und
        wie     Martin     derjenige         führt seine Handlung
        Nikolas            sein         zu   fort.
        Rücken             dürfen, der
        einschmiert.       der
                           (Fast−)Nackt
                           en     Nikola
                           den Rücken
                           einschmiert.

                                                                                                          18
5        Nikola            Nikola weist Didi ist in einen         Die Frau weist den zweiten Mann
         bedankt sich      Didi zurück. Handlungsbereich          zurück, und entscheidet damit bewusst
         bei Didi. in                   eingetreten, der die      über      ihre    Intimsphäre.   Die
         einem                          "Intimsphäre"    der      Konkurrenzsituation    zwischen  den
         abweisenden                    beiden Handelnden         Männern wird so zwar nicht aufgelöst,
         Tonfall und                    stört.                    aber verändert.
         mit
         abweisender
         Mimik..
6        Didi geht aus     Didi geht aus   Didi zieht sich aus    Didi ist vom Martin und Nikola
         der     Szene     einer           den                    ausgegrenzt worden. Die Auswirkungen
         weg. Martin       "peinlichen"    Handlungsbereich       auf die folgende Beziehungsstruktur
         meint, er solle   Situation       zurück.      Martin    zwischen den Handelnden sind nun
         sich    nichts    weg,      was   versucht      diesen   offen..
         daraus            Martin     zu   Misserfolg    verbal
         machen.           einer           abzuschwächen.
                           Aussage
                           bewegt..

5.1.1.1 Zusammenfassende Interpretation der 1. Szene:

Eine weibliche Teilnehmerin von TXO2 zeigt bewusst vor laufender Kamera ihren Körper. Die
einzige Bekleidung, die sie trägt, ist Unterwäsche (Slip und BH). Ein männlicher Teilnehmer
von TXO2 cremt ihr nach ihren Anweisungen den Rücken ein, wobei er ihr den BH öffnet,
hierbei ist ihr freier Rücken zu sehen, ihre Brüste bleiben bedeckt. Ein weiterer Mann
beobachtet diese Szene, wird aber zurückgewiesen.

In TXO2 sind des öfteren intime Kameraeinstellungen aus dem Badezimmer zu sehen. Die
KandidatInnen wissen, dass im Bad auch eine Kamera angebracht ist, und versuchen, ihre
intimen Körperteile möglichst zu verbergen (beispielsweise steigen sie abgetrocknet und mit
Unterwäsche bekleidet aus der Dusche; Nicy verwendet ein von den KH−BewohnerInnen als
"Zelt" bezeichnetes Teil zum Umkleiden)
In der oben analysierten Szene "kokettiert" Nicola mit der Kamera im Bad und stellt sich
bewusst in Unterwäsche ins Rampenlicht. Nach Mikos/Wiedemann wäre in diesem Fall von
einer Mischung aus "szenischer" und "transfigurativer" Darstellung der Kandidatin zu sprechen.
Sie handelt zwar nach einer Rolle, die sie eventuell auch im Alltagsleben annehmen würde,
doch rückt sie ihre Handlung zweifelsohne in den Mittelpunkt.
Bei der Auswahl des Zusammenschnitts der Tagesgeschehnisse für die Abendsendung im ORF
könnten folgende Faktoren eine Rolle gespielt haben: Zum einen hat die Szene nahezu
filmischen Charakter. Nicola zeigt den ZuseherInnen, dass sie etwas "Besonderes" hat, das

                                                                                                  19
betrachtet werden darf und gezeigt werden will. Für das Publikum mag wohl gelten, dass intime
Enthüllungen neugierig machen. (vgl. Westerbarkey in Buchholz 1989, S. 73)

5.1.2 Szene 2: Gespräch in der Gruppe über das erste Mal

beteiligte Personen: Martina, Nikola, Sladzan, Didi, Vicky, Sandra, Claudia
Ort: Wohnzimmer
Datum: 8.5.2001

Szen    Paraphrase                  Intention                  Strukturelle               Systemeffekte
e                                                              Bedingungen
1       Entspanntes am Sofa         Das Aussprechen der        Entspannte Gespräche       Die           handelnden
        sitzen              bzw.    Altersangaben    dient     sollen dazu führen ,       Personen sind daran
        Herumliegen       einiger   dazu, ein Gespräch zu      einander besser kennen     interessiert,
        Personen         (Vicky,    beginnen.                  zu lernen.                 Informationen
        Martina, Didi, Sladzan,                                                           auszutauschen.
        Nikola). Altersangaben
        werden ausgesprochen.
2       Sladzan hatte sein          Sladzan     will   sein    Sladzan     will    sich   Die Preisgabe einer
        erstes        sexuelles     frühes        sexuelles    interessant      machen,   solchen           intimen
        Erlebnis     mit      13,   Erlebnis in der Gruppe     dadurch, dass er seine     Situation    kann      zu
        Martina     und Vicky       zum Thema machen.          Intimsphäre preisgibt.     Anerkennung/Ablehnung
        sind darüber entsetzt                                                             in der Gruppe führen,.
                                                                                          Eine solche Preisgabe
                                                                                          intimer Kontexte könnte
                                                                                          als besonders mutig
                                                                                          empfunden werden.
3       Martina meint, dass sie     Martina will durch das     Martina ist interessiert   Zwei     unterschiedliche
        selbst mit 13 noch zu       Einbringen                 daran, einen Vergleich     Erfahrungen mit einer
        kindlich gewesen wäre,      persönlicher               zwischen ihren und         intimen Situation werden
        um an sexuelle Szenen       Erfahrungen Sladzans       Sladzans          ersten   einander in der Gruppe
        zu denken. Sladzan          Verhalten in Frage         Erfahrungen                gegenübergestellt.
        rechtfertigt sich für       stellen.. Sladzan hat      anzustellen.    Sladzan
        sein erstes sexuelles       das Bedürfnis, sich zu     steigt      auf     ihre
        Erlebnis, dadurch dass      rechtfertigen.             Argumentation ein.
        er verführt wurde.
4       Didi       findet      es   Didi steigt aktiv in das   Didi     will     seinen Für die Gruppe könnte
        empörend,            dass   Gespräch ein. Die          Standpunkt einbringen. Didi     dadurch   zum
        Sladzan mit 13 seine        anderen Anwesenden         Die anderen haben den Außenseiter werden.
        erste           sexuelle    reagieren auf seine        Eindruck, dass Didis
        Erfahrung hatte. Die        Aussage.                   verbaler Einsteig in das
        anderen am Gespräch                                    Gespräch relativ spät
        Beteiligten       (Vicky,                              erfolgt.
        Martina,          Nikola)
        belächeln ihn dafür.

                                                                                                          20
5    Martina     stellt den     Martina     will   die     Martina versucht zu        Martina versucht Regeln
     Unterschied zwischen       Unterschiede zwischen      definieren, wann man       darüber aufzustellen, mit
     ihrem ersten sexuellen     ihrer und Sladzans         alt genug ist, um Sex zu   welchen Alter der erste
     Erlebnis, das mit 15       erster        sexueller    haben..                    Sex      als    deviantes
     stattfand, und Sladzans    Erfahrung                                             Verhalten gilt. Vicky ist
     Erlebnis mit 14 fest.      herausstreichen. Vicky                                solidarisch mit Martina.
     Auch Vicky findet,         unterstützt    Martina
     dass Sladzans Erlebnis     darin.
     zu früh stattfand.
6    Martina bestätigt, dass    Martina will ihren Martinas Ausführungen              Martina      untermauert
     sie ihr erstes sexuelles   Standpunkt betonen.     werden von der Gruppe         ihren Standpunkt.
     Erlebnis mit 15 hatte.                             aufmerksam verfolgt.
7    Didi meint, dass man       Didi versucht, Sladzan Didi     versucht,    das      Didi       will         die
     heute immer früher         zu unterstützen.        Gespräch     auf   eine       Aufmerksamkeit          von
     Geschlechtsverkehr                                 allgemeinere Ebene zu         Sladzan ablenken.
     hat.                                               heben.
8    Martina meint, dass das    Martina       versucht, Martina ist mit Didis         Dadurch, dass eine Frau
     Erlebnis von Sladzan       Didis Aussage zu Standpunkt               nicht       gegenüber den Männern
     bereits vor 10 Jahren      relativieren.           einverstanden.                ihren         Standpunkt
     stattgefunden habe.                                                              verteidigt, wird das
                                                                                      Selbstbewusstsein dieser
                                                                                      Frau offensichtlich.
9    Nikola will über ihr Nikola        will        die Eine weitere weibliche        Nikola will sich in den
     erstes        sexuelles Aufmerksamkeit         auf Person will aktiv am          Mittelpunkt       stellen,
     Erlebnis sprechen.      sich lenken.               Gespräch teilhaben.           anstatt die Themen der
                                                                                      anderen
                                                                                      auszudiskutieren.
10   Martina     will    nun    Martina      unterbricht   Martina     lenkt   die    Martina übernimmt die
     wissen, wann Vicky ihr     Nikola, und will etwas     Aufmerksamkeit      von    Gesprächsführung.
     erstes         sexuelles   über die Intimsphäre       Nikola ab. Es gelingt
     Erlebnis hatte. Viktoria   von Vicky wissen.          ihr, den Zeitpunkt von
     will es zuerst nicht       Vicky       will     ihr   Vickys erstem sexuellen
     sagen, lässt sich dann     Geheimnis eigentlich       Kontakt herauszufinden.
     aber doch überreden.       für sich behalten.
11   Nochmalige Empörung        Sladzans                   Martina ist neugierig,     Martina hat sich in
     Martinas über Sladzans     abweichendes               intime Details über        diesem Gespräch zur
     frühes         sexuelles   Verhalten wird betont.     Didis Sexualleben zu       tonangebenden Person
     Erlebnis, gleichzeitige                               erfahren.                  herauskristallisiert. Sie
     Aufforderung an Didi,                                                            versucht, den anderen
     etwas über sein erstes                                                           TeilnehmerInnen Details
     Mal zu erzählen.                                                                 über ihre Intimsphäre zu
                                                                                      entlocken, und urteilt
                                                                                      darüber.
12   Nochmalige                 Sladzan     will    auf Sladzan hat anscheinend       Sladzan versucht durch
     Rechtfertigung             Martinas       Einwürfe das Gefühl, nochmals          Rechtfertigung,      seine
     Sladzans.                  eingehen.               für   sein    Verhalten       Position
                                                        Rechenschaft ablegen          aufrechtzuerhalten.
                                                        zu müssen
13   Didi will nicht über       Didi      will    seine Folgen sind zu diesem         Didi    nimmt       eine
     sein     erstes    Mal     Intimität wahren.       Zeitpunkt noch nicht          Außenseiter−Position in
     erzählen.                                          auszumachen                   diesem Gespräch ein.
14   Sladzan stellt Didi als    Sladzan will Didi Didi wird von einem                 Didi    gerät      durch
     "Spielverderber" dar.      durch Necken zu einer anderen        männlichen       Sladzans Aussage unter
                                Aussage bringen.        Gesprächsteilnehmer           Druck.
                                                        herausgefordert.
15   Nikola meint, dass sie     Nikola will abermals Nikola        lenkt     die      Nikola      will        ihre
     ihr erstes Mal erst mit    über ihr erstes Mal Aufmerksamkeit          auf       Intimsphäre
     16 hatte.                  sprechen.               sich.                         präsentieren.

                                                                                                         21
16   Didi wird nochmals        Sladzan nimmt nicht Didi wird wiederum von Es stellt sich als schwer
     von Sladzan auf sein      hin, dass Didi seine Sladzan                      heraus, in der Gruppe
     Schweigen                 Intimität wahren will. herausgefordert.           intime Geheimnisse zu
     angesprochen                                                                bewahren.
17   Nikola kann sich nicht,   Erinnerungen an das 1. Das Gespräch wird auf Der Druck auf Didi wird
     Vicky, Sladzan können     Mal              werden einer anderen Ebene abgeschwächt. Andere
     sich an ihr erstes Mal    ausgetauscht.           weitergeführt.            TeilnehmerInnen
     erinnern.                                                                   nehmen die Diskussion
                                                                                 auf.
18   Martina erzählt Details   Martina     will    die Die Erzählungen über Martina           lenkt die
     über ihr erstes Mal, das  Erfahrungen über ihr intime          Erfahrungen Aufmerksamkeit wieder
     mit einen fixen Freund    erstes Mal detallierter werden          konkreter auf sich.
     stattfand.                besprechen.             ausgesprochen.
19   An das erste Mal, an      Auch Nikola will sich Es ist Nikola möglich, Nikola bringt sich in den
     das      sich     Nikola  der Gruppe öffnen.      sich zu öffnen.           Mittelpunkt.
     erinnern kann, ist das
     mit ihrem langjährigen
     Freund, nicht an das
     "wirkliche" erste Mal.
20   Martina erinnert sich Martina              möchte    Martinas Erinnerung ist Martina nimmt wieder
     gut an ihr erstes Mal.    wieder              ihre   gut und sie ist bereit, die Gesprächsführung an
                               persönlichen               darüber zu sprechen.    sich.
                               Erlebnisse           ins
                               Gespräch bringen.
21   Nikolas                   Nikola will das Thema      Nikola ist bereit, noch Das           Gespräch
     Detailerinnerung       an wieder an sich reißen.     mehr in die Tiefe zu konzentriert sich auf
     einen              Kuss,                             gehen.                  Nikola und Martina.
     Zahlenangabe,        wie
     viele es zuvor waren.
22   Didi, der sich während Didi will das Gespräch        Es könnte Didi peinlich    Didi    versucht,  das
     diesem                    in     eine      andere    sein, intime Details       Gespräch, das sich auf
     Gesprächsthema            Richtung lenken.           seiner                     Nikola und Martina
     abwartend gezeigt hat,                               MitbewohnerInnen zu        beschränkte, auf eine
     macht              einen                             erfahren.                  weniger private Ebene
     Themawechsel         und                                                        zu bringen.
     redet über die schönste
     Zeit.
23   Antwort Sandras           Sandra will nun am         Sandra kann sich genau     Sandra steigt auf Didis
                               Gespräch           aktiv   an ihre schönste Zeit      Themawechsel ein.
                               teilhaben.                 erinnern.
24   Sandra begründet ihre Sandra          will     die   Sandra begründet ihre      Sandra und Claudia
     Aussage.         Claudia Umstände        erklären.   Aussage. Claudia hat       bringen neue Impulse in
     schließt sich Sandra an. Claudia           möchte    ähnliche   Erfahrungen     den Gesprächsverlauf.
                               aussagen,    daß sie       wie Sandra gemacht.
                               ähnliche Erfahrungen,
                               wie Sandra gemacht
                               hat.
25   Nikola wechselt das Nikola will das Thema            Nikola      will     die   Das           Gespräch
     Thema, Sandra schließt wieder an sich reißen.        Aufmerksamkeit wieder      konzentriert sich im
     sich     ihrem     neuen Sandra möchte am            auf sich lenken. Sandra    Moment auf Nikola und
     Thema an.                 Gespräch nun aktiv         geht auf den neuen         Sandra.
                               teilhaben.                 Themenvorschlag ein.
26   Detailerinnerung          Sandra hat nun das         Sandra     hat    weiter   Sandra erzählt über ihre
     Sandras                   Bedürfnis, über ihre       Interesse an der aktiven   Erlebnisse. Die anderen
                               Erfahrungen           zu   Teilhabe am Gespräch.      GesprächsteilnehmerInn
                               sprechen.                                             en haben die Rolle von
                                                                                     ZuhörerInnen
                                                                                     übernommen.

                                                                                                    22
27      Didi spricht über seine   Didi entschließt sich, Das Gespräch hat eine Didi versucht sich in die
        Probleme,      sexuelle   sich zu öffnen.        private   Atmosphäre Gruppe zu integrieren.
        Kontakte zu haben, er                            erreicht.
        verwendet         dabei
        diskriminierende
        Aussagen        Frauen
        gegenüber.
28      Martina teilt Didis       Martina hat Mitgefühl, Martina kann      Didis Martina steigt erneut in
        Erfahrung aus anderer     Verständnis für Didi.  Erfahrungen             das Gespräch ein.
        Sicht, sie hatte einen                           nachvollziehen.
        guten Freund der in sie
        verliebt war.
29      Martina erzählt Details   Martina          will Martina hat noch mehr Martina versucht den
        über diesen Freund.       persönliche           Erfahrungen, über die Gesprächsleitfaden
                                  Erfahrungen           sie berichten möchte. wieder an sich zu reißen.
                                  einbringen.

5.1.2.1 Zusammenfassende Interpretation der 2. Szene

In der zweiten von uns ausgesuchten Szenen geht es um das sehr intime Thema des ersten
sexuellen Erlebnisses, das in der Gruppe thematisiert wird. Dabei ist zu erkennen, dass die
meisten KandidatInnen dieses Thema offen preisgeben, diejenigen, die sich verschlossener
halten, geraten durch die Gruppe unter Druck, sich zu öffnen.
Den Gesprächsleitfaden bestimmt hauptsächlich Martina, die das Gespräch iniziert. Sie berichtet
immer wieder selbstbewusst über ihre Erfahrungen, auch fordert sie die anderen dazu auf, sich
ebenso zu öffnen. Sie reagiert beinahe auf jedes neue Thema, das von anderen vorgegeben wird,
womit sie sich selbst immer wieder in den Mittelpunkt rückt.
Es kommt im Laufe des Gesprächs zu einer Klassifizierung verschiedener Erfahrungshorizonte
bezüglich des "1. Mals". So wird Sladzans frühes erstes sexuelles Erlebnis in der Gruppe
mehrheitlich als abweichend von der gesellschaftlichen Norm eingestuft.
Bei dieser Gruppendiskussion sind die Frauen im Kutscherhof mehrheitlich vertreten.
Auffallend ist, dass die Frauen in der Runde ihre Erzählungen selbstbewusster ausführen. Die
beiden Männer werden von der Gruppe eher unter Druck gesetzt: Sladzan ist in der Position,
sich ständig verteidigen zu müssen; Didi will sich anfangs nicht zu diesem Thema äußern. Seine
diskriminierenden Aussagen gegenüber Frauen wird mit Ablehnung aufgenommen.

                                                                                                23
Für die ZuseherInnen wirken die "privaten Geschichten und intimen Enthüllungen"
(Westerbarkey in Buchholz 1989, S. 73) besonders anziehend. Hinzu kommt, dass die
Erfahrungen der KandidatInnen als "normal" gelten, diese jedermann/−frau zugänglich sind.
.

5.1.3 Szene 3: Gespräch über Sex am Morgen

beteiligte Personen: Nikola, Claudia
Ort: Innenhof des Kutscherhofs
Datum: 9.5.2001

    Szen   Paraphrase                    Intention                Strukturelle            Systemeffekte
    e                                                             Bedingungen
    1      Nikola erzählt über ihr Nikola möchte etwas Die                      beiden    Durch die im Gespräch
           Bedürfnis nach Berührung, über                  ihrer Gesprächspartnerinn      preisgegebene Intimität
           Zärtlichkeit                  Erfahrungen         mit en befinden sich im      wird ein "privater"
                                         Berührung          und Innenhof           des    Rahmen hergestellt.
                                         Bedürfnis         nach Kutscherhofes.
                                         "Zweisamkeit"           Claudia nimmt die
                                         berichten.              Funktion          der
                                                                 aufmerksamen
                                                                 Zuhörerin ein.
    2      Claudia gibt zu, daß auch sie Claudia stimmt den Claudia nutzt die             Nikola möchte gerne
           ein       Bedürfnis     nach Erzählungen Nikolas Redepause Nikolas,            ihre         Intimität
           Berührung/Zärtlichkeit hat, zu, führt aber ihre um             sich      zu    preisgeben,   Claudia
           das an machen Tagen Bedürfnisse                 nicht positionieren.           erweist sich als gute
           stärker/schwächer ist.        näher aus. Könnte                                Zuhörerin.
                                         sein, das Claudia eher
                                         im         Hintergrund
                                         bleiben möchte.
    3      Nikola will in der Früh nicht Nikola möchte weiter Claudia bleibt in der       Nikola           erzählt
           angegriffen werden            über ihre Erfahrungen Position            der    weiterhin           über
                                         mit       Berührungen aufmerksamen               intime/private
                                         sprechen.               Zuhörerin,       auch    Bedürfnisse, in dem
                                                                 sonst wird die Szene     "privaten" Bereich, den
                                                                 nicht von anderen        sich die beiden Frauen
                                                                 Personen gestört.        geschaffen haben.
    4      Claudia schliesst daraus, Claudia            möchte Claudia       präzisiert   Claudia bringt Nikolas
           dass Nikola Morgensex Nikolas              Aussagen Nikolas Aussagen           Ausführungen auf eine
           ablehnt.                      präzisieren.                                     konkrete Ebene.
    5      Detaillierte      Ausführung Nikola          möchte Claudia ist wieder in      Nikola stellt detailliert
           Nikolas über die Abneigung weiterhin über ihre der Position der                ihre Intimsphäre dar.
           von Berührung/Zärtlichkeit Erfahrungen            mit aufmerksamen
           am Morgen.                    Berührungen         am Zuhörerin.
                                         Morgen sprechen.

                                                                                                         24
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