Transformation medialer Artefakte durch "Digitalisierung" - Tag der Forschung der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie
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Transformation medialer Artefakte durch »Digitalisierung« Tag der Forschung der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie 24. Juli 2019 Institut für Buchwissenschaft
Gliederung 1. Zuschreibungen: was macht die »Digitalisierung«? 2. Schrift- und Lesemedien als Artefakte 3. Transformation 1: Verflachung des Mediums 4. Transformation 2: Entgrenzung und freies Jonglieren 5. Transformation 3: Bilderflut! Bilderflut? 6. Synopse und Desiderate 3
»Untergang der Schriftkultur« Gedruckt in NZZ am Sonntag 17. 06. 2018, S. 62 Gedruckt in Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 25.05.2014, S. 2 https://fragmenteum.wordpress.com/2014/05/31/zum-untergang-der- schriftkultur/ 4
»The End of Books« oder »Dead again« »If by books you are to be understood as referring to our innumerable collections of paper, printed, sewed, and bound in a cover announcing the title of the work, I own to you frankly that I do not believe […] that Gutenberg’s invention can do otherwise than sooner or later fall into desuetude as a means of current interpretation of our mental products. […] printing, […], is, in my opinion, threatened with death by the various devices […] which have lately been invented, and which little by little will go on to perfection.« Uzanne 1894. 5
Gliederung 1. Zuschreibungen: was macht die »Digitalisierung«? 2. Schrift- und Lesemedien als Artefakte 3. Transformation 1: Verflachung des Mediums 4. Transformation 2: Entgrenzung und freies Jonglieren 5. Transformation 3: Bilderflut! Bilderflut? 6. Synopse und Desiderate 6
Schrift- und Lesemedien als »interaktive Systeme« Müssen ihren kommunikativen Zweck Müssen ihren Nutzungszweck erfüllen: erfüllen: Ermöglichen der Sinnentnahme Ermöglichen der Bedienbarkeit Erfüllen der funktionalen Anforderungen Rezeptionsobjekt Nutzungsobjekt mit statisch-visuellem Zeichensystem (räumliche Anordnung) Hagenhoff/Kuhn 2015; Kuhn/Hagenhoff 2015; Kuhn/Hagenhoff 2017. 8
Gliederung 1. Zuschreibungen: was macht die »Digitalisierung«? 2. Schrift- und Lesemedien als Artefakte 3. Transformation 1: Verflachung des Mediums 4. Transformation 2: Entgrenzung und freies Jonglieren 5. Transformation 3: Bilderflut! Bilderflut? 6. Synopse und Desiderate 9
Digitale Medien sind flach! »Formerly physical-material properties and possible uses of a three-dimensional, codex- shaped object must be transformed both into software functionality and into a digital, two-dimensional surface with clickability, e.g. setting bookmarks, opening pages, tearing pages out, taking notes.« Hagenhoff/Jörissen 2018, unveröffentlichter Antrag zum ›Digitalen Bild‹ • Digitale Lesemedien sind zweidimensional zur Bedeutung der Dimensionen z.B. Spoerhase 2016 • Digitale Lesemedien benötigen ein Interface hierzu z.B. Hagenhoff/Kuhn 2015; Pentzold et al. 2012. • Digitale Lesemedien sind eine Melange aus Inhaltsobjekt und Software hierzu Hagenhoff 2014 11
Vom Kochbuch zum interaktiven System Fallbeispiel Ganske Verlagsgruppe 12
Schichten digitaler Schrift- und Lesemedien Visuelles Phänomen • Darstellung, Ausvisualisierung • Modalität Mediensystem • Hardware und Software • Laufzeitumgebung und Funktionalität • Interpretieren, transformieren Bitfolgen • Codierung Ähnlich Hagenhoff 2014 sowie Klinke 2013 13
Gliederung 1. Zuschreibungen: was macht die »Digitalisierung«? 2. Schrift- und Lesemedien als Artefakte 3. Transformation 1: Verflachung des Mediums 4. Transformation 2: Entgrenzung und freies Jonglieren 5. Transformation 3: Bilderflut! Bilderflut? 6. Synopse und Desiderate 14
Transformation Ebene 2: inhaltstragende Einheit 15
Ein beeindruckendes dominantes Design: die Seite E-Reader eOneBook von Progress Technologies • Alleinstellungsmerkmal unter den E-Book- Readern: 2-PAGE DISPLAY! • Designt für die Rezeption von Mangas, welche »nativ doppelseitig sind« • »This dual-screen manga ebook is so book- like you can’t load new content.« http://progresstech.jp/tsumikii/zenkan/index_en.html 16
Freeflow, Variation und Mathe » The second level focuses on the nature and behavior of individual content-carrying elements within the entire artifact. One such element has been the page in the print world for centuries.« Hagenhoff/Jörissen 2018, unveröffentlichter Antrag zum ›Digitalen Bild‹ In digitalen Lesenmedien • Können visuelle Elemente frei in Relation zueinander flottieren: repsonsive Design Hack 2015; Marcotte 2010 • Werden die Beziehungen zwischen den Elementen algorithmisch kontrolliert: An die Stelle der Materialität (Papier mit Kanten) tritt die Mathematik Hack 2015, ähnlich Wehde 2000, S. 9, Gitelman 2014 • Die Nachahmung der Ordnung des physischen Objekts ist ggf. eine willkürliche Veranstaltung ohne sachliche Notwendigkeit oder gar mit Behinderungspotenzial Müller/Steinfeld 2013 17
›Digitale Falz‹ in der ›Mitte‹ von ›zwei‹ Seiten Magazin Geo Epoche (Das Florenz der Medici) 18
Divergente Ausvisualisierungen: Zeichen auf der Fläche iOS-App »V« iOS-App »Wikipedia« Wikipedia Desktop 19
Gliederung 1. Zuschreibungen: was macht die »Digitalisierung«? 2. Schrift- und Lesemedien als Artefakte 3. Transformation 1: Verflachung des Mediums 4. Transformation 2: Entgrenzung und freies Jonglieren 5. Transformation 3: Bilderflut! Bilderflut? 6. Synopse und Desiderate 20
Transformation Ebene 3: Modalität Al Gore: Our Choice: A Plan to Solve the Climate Crisis, iPad-App, Version 1.0.3 (2012) https://www.goethe.de/de/kul/med/20693483.html 21
Unten drin sind nur Nullen und Einsen »For a long time, media of public, time- and space-bridging communication were dominated by literary language as a means of expression and representation; a clear hierarchy has developed between so called written and so called visual culture. […]. With Jäger (2002) it can be formulated that the use of signs and media necessary for the appropriation of the world and the human condition is essentially characterized by transcriptions between modalities (»transcriptive intelligence«, 35).« Hagenhoff/Jörissen 2018, unveröffentlichter Antrag zum ›Digitalen Bild‹ vgl. auch Rautenberg/Wetzel 2001, S. 5, Schulz 2014; Coleman 2010; Kress/Van Leeuwen 2006; Stöckl 2011; Mitchel 1994 • Digitale Lesemedien basieren nicht auf spezifischen Techniken, zahlreiche Limitationen sind dadurch aufgehoben zu Spezifik oder Universalität von Techniken differenziert Hagenhoff 2017 • ›Lesen‹ sollte mehr umfassen als ›Text lesen‹ (Multiliteracy) z.B. Duncum 2004, S. 253; Doelker 2002, S. 151, Dürscheid/Siever 2017. • Aber: divergente Zeichensysteme erbringen divergente kommunikative Leistungen 22
Gliederung 1. Zuschreibungen: was macht die »Digitalisierung«? 2. Schrift- und Lesemedien als Artefakte 3. Transformation 1: Verflachung des Mediums 4. Transformation 2: Entgrenzung und freies Jonglieren 5. Transformation 3: Bilderflut! Bilderflut? 6. Synopse und Desiderate 23
Transformationen und Herausforderungen Transformation 1: Artefakt • Vom kodexförmigen Artefakt zur ›Flachware‹ mit Interface, Funktionslogik und Schichtenarchitektur • Gelernte Orientierung im und Handhabung des Artefakts wird gefordert Transformation 2: inhaltstragendes Element Seite • Aus fix (Seite) wird variabel und ständiger Wandel (Ausrichtung und Größe von Fläche) • Vermeintlicher Kontrollverlust hinsichtlich der adäquaten Gestaltung des Lesemediums Transformation 3: Modalität • Binärcodierung ist eine unspezifische Technik -> keine materialspezifischen Hindernisse in der Produktion von Medien als Artefakt • ›Fluten‹ von Bildern und Tönen gefährden vermeintlich die Schrift- und Lesekultur (Die Kamera ist die neue Tastatur) 24
Zentrale Desiderate • Wechselwirkungen von Praktiken des Rezipierens und Nutzens von medialen Artefakten mit deren Beschaffenheit als Bündel von Eigenschaften Hierzu Gilbert 2018, Kap.2; Kuhn/Hagenhoff 2017 • Schärfen von Begriffen bzw. Konzepten losgelöst von ›naheliegenden‹ Zuschreibungen: • Materiell (üblicherweise mechanistisch verkürzt) hierzu Soentgen 2014 • Lesen (üblicherweise viel zu eng) • Schrift (üblicherweise viel zu eng) hierzu z.B. Dürscheid/Siever 2017; Krämer/Totzke 2012 • Digital & Digitalisierung hierzu z.B. Hagenhoff 2018 25
Finis! »Typografie, das ist die Inszenierung einer Mitteilung in der Fläche […]« Erik Spiekermann 26
Zitierte Literatur Coleman, Renita (2010): Framing the Pictures in Our Heads. Exploring the Framing and Agenda- Setting Effects of Visual Images. In: Paul D'Angelo und Jim A. Kuypers (Hg.): Doing news framing analysis. Empirical and theoretical perspectives. New York, NY, S. 233–262. Doelker, Christian (2002): Ein Bild ist mehr als ein Bild. Visuelle Kompetenz in der Multimedia-Gesellschaft. 3., durchges. Aufl. Auflage. Stuttgart. Duncum, Paul (2004): Visual Culture isn't Just Visual. Multiliteracy, Multimodality and Meaning. In: Studies in Art Education 45 (3), S. 252–264. Dürscheid, Christa; Siever, Christina Margrit (2017): Jenseits des Alphabets – Kommunikation mit Emojis (Zeitschrift für germanistische Linguistik, 45), S. 256–285. Gilbert, Annette (2018): Im toten Winkel der Literatur. Grenzfälle literarischer Werkwerdung seit den 1950er Jahren. Paderborn. Gitelman, Lisa (2014): Paper Knowledge. Toward a Media History of Documents. Durham. Online verfügbar unter http://gbv.eblib.com/patron/FullRecord.aspx?p=1656071. Hack, Günter (2015): Philosophie des Responsive Design – Gestaltung und Kontrolle. In: Merkur - Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 69 (5), S. 71–77. Hagenhoff, Svenja (2014): Digitale Schriftmedien – Eine Melange aus Informationsgut und Software. Erlanger Beiträge zur Medienwirtschaft Nr. 4. Hg. v. Svenja Hagenhoff. Institut für Buchwissenschaft, Universität Erlangen-Nürnberg. Erlangen. Hagenhoff, Svenja; Kuhn, Axel (2015): Klickst Du noch oder liest Du schon? Softwarebasierte Benutzungsschnittstellen als Chance und Risiko digitaler Buch-, Zeitschriften- und Zeitungsangebote. In: Sven Pagel (Hg.): Schnittstellen (in) der Medienökonomie – Interaktion mit Medienpolitik, Medienrezeption und Medientechnologie. Baden-Baden, S. 217–239. Hagenhoff, Svenja (2017): Medieninnovationen und Medienrevolutionen: Von Gutenberg zu Berners Lee. In: Jan Krone und Tassilo Pellegrini (Hg.): Handbuch Medienökonomie. Berlin, Aufsatz online first. Hagenhoff, Svenja (2018): Gegen die Diskussion mit den drei Unbekannten: Daten, Algorithmen, Digitalisierung. Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung tech talk. Einblicke in die digitale Transformation. Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Interdisziplinäres Zentrum für Digitale Geistes- und Sozialwissenschaften. Erlangen, 16.10.2018. Online verfügbar unter https://www.video.uni-erlangen.de/course/id/709. Jäger, Ludwig (2002): Transkriptivität. Zur medialen Logik der kulturellen Semantik. In: Ludwig Jäger und Georg Stanitzek (Hg.): Transkribieren. Medien/Lektüre. München, S. 19–41. Klinke, Harald (2013): Bildwissenschaft ohne Bildbegriff. In: Harald Klinke und Lars Stamm (Hg.): Bilder der Gegenwart. Aspekte und Perspektiven des digitalen Wandels. 1. Auflage Auflage. Göttingen, S. 11–32. Kuhn, Axel; Hagenhoff, Svenja (2015): Digitale Lesemedien. In: Ursula Rautenberg und Ute Schneider (Hg.): Lesen - Ein interdisziplinäres Handbuch. Berlin, S. 361–380. 27
Zitierte Literatur Kuhn, Axel; Hagenhoff, Svenja (2017): Kommunikative statt objektzentrierte Gestaltung: Zur Notwendigkeit veränderter Lesekonzepte und Leseforschung für digitale Lesemedien. In: Sebastian Böck, Julian Ingelmann, Kai Matuszkiewicz und Friederike Schruhl (Hg.): Lesen X.0. Rezeptionsprozesse in der digitalen Gegenwart. Göttingen, S. 27–45. Krämer, Sybille; Totzke, Rainer (2012): Einleitung: Was bedeutet Schriftbildlichkeit? In: Sybille Krämer, Eva Christiane Cancik-Kirschbaum und Rainer Totzke (Hg.): Schriftbildlichkeit. Wahrnehmbarkeit, Materialität und Operativität von Notationen. Berlin, Berlin, S. 13–38. Kress, Gunther R.; van Leeuwen, Theo (2006): Reading images. The grammar of visual design. 2. ed. Auflage. London. Marcotte, Ethan (2010): Responsive Web Design. In: A List Apart (25. Mai). Mitchell, W.J. Thomas (1994): Picture theory. Essays on verbal and visual representation. Chicago, Ill. Müller, Lothar; Steinfeld, Thomas (2013): Zukunft der Zeitung. In: Merkur - Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 67 (12), S. 1091–1103. Pentzold, Christian; Fraas, Claudia; Meier, Stefan (2012): Online-mediale Texte: Kommunikationsformen, Affordanzen, Interfaces. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 41 (1), 81–101. Rautenberg, Ursula; Wetzel, Dirk (2001): Buch. Tübingen. Soentgen, Jens (2014): Materialität. In: Stefanie Samida, Manfred K. H. Eggert und Hans Peter Hahn (Hg.): Handbuch materielle Kultur. Bedeutungen, Konzepte, Disziplinen. Stuttgart [u.a.], S. 226–229. Schulz, Martin (2014): Bilder. In: Stefanie Samida, Manfred K. H. Eggert und Hans Peter Hahn (Hg.): Handbuch materielle Kultur. Bedeutungen, Konzepte, Disziplinen. Stuttgart [u.a.], S. 184–188. Spoerhase, Carlos (2016): Linie, Fläche, Raum. Göttingen. Stöckl, Hartmut (2011): Sprache-Bild-Texte lesen. Bausteine zur Methodik einer Grundkompetenz. In: Hajo Diekmannshenke, Michael Klemm und Hartmut Stöckl (Hg.): Bildlinguistik: Theorien - Methoden - Fallbeispiele. Berlin, S. 45–70. Uzanne, Octave (1894): End of Books. Illustrated by Albert Robida. In: Scribner's Magazine 16 (July–December), S. 221–231. Wehde, Susanne (2000): Typographische Kultur. Eine zeichentheoretische und kulturgeschichtliche Studie zur Typographie und ihrer Entwicklung. Tübingen. Wetzel, Dirk (2002): Die Konstruktion von Lesekultur im westdeutschen Buchhandel und öffentlichen Bibliothekswesen der Nachkriegszeit 1950 - 1989. Berlin. 28
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