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Informationen für den Jahrgang 28 (2021), Heft 1 (ISSN 1438-4132) sportwissenschaftlichen Nachwuchs David Jaitner (Hrsg.) Trend: Systematische Literaturübersichten dvs-Kommission Verein zur Förderung des Wissenschaftlicher sportwissenschaftlichen Nachwuchs Nachwuchses e.V.
inHaLt Inhaltsverzeichnis Vorwort ........................................................................................................................................................ 3 Hauptbeiträge ............................................................................................................................................. 4 „Für einen Überblick siehe …“ – Ein Plädoyer für systematische Reviews und Metaanalysen in der Sportwissenschaft .................................................................................................................................... 4 VON FYNN BERGMANN & OLIVER HÖNER Unter den Wolken – Überlegungen zu den Grenzen systematischer Literaturübersichten .............................. 11 VON TOBIAS ARENZ & DAVID JAITNER How to …? – Anleitung mit Tipps und Tricks zur Erstellung von systematischen Übersichtsarbeiten ............ 17 VON ISABEL MARZI, MAIKE TILL & ANNE K. REIMERS Empirische Einsichten in das Review-Schreiben von Nachwuchswissenschaftler/innen ................................ 26 von LENA GABRIEL, DAVID JAITNER & BENJAMIN ZANDER Reviews in der Lehre – ein Lehr-Lern-Konzept zur Vermittlung von strukturierter Recherche und Analyse der Evidenzlage .................................................................................................................................. 32 von TOBIAS MORAT & TIM FLEINER Bericht zum asp-Methodenworkshop „R“ ............................................................................................. 40 von DOMINIK KRÜSSMANN Start der zweiten Runde des dvs-Mentoring-Programms ................................................................... 41 Termine ...................................................................................................................................................... 42 Nachwuchspreise: „dvs-Promotionspreis gefördert durch den Hofmann-Verlag“ & dvs-Nachwuchspreis 2021“ ..................................................................................................................... 43 Schriftenreihe „Forum Sportwissenschaft“ ........................................................................................... 44 Netzwerker/innen „Sportwissenschaftlicher Nachwuchs“ .................................................................. 46 www.sportwissenschaftlicher-nachwuchs.de @SpowisNachwuchs 2| 2021(1)
Vorwort Vorwort D as Zusammenspiel von Stabilität und Wandel ist fest im Werkzeugkasten der abendländischen Onto- logie verankert. Alles, was ist, verdankt, dass es ist und dass es ist, was es ist, einem Verhältnis von eher konstanten und eher wechselhaften Elementen. Die Zustände und Veränderungen von Phänomenen sind dabei nicht grundsätzlich vorherbestimmt, es gibt aber empirische Regelhaftigkeiten, die bestimmte Zustände und Veränderungen wahrscheinlicher machen als andere. Für soziale und kulturelle Strukturen spielen Trends eine wesentliche Rolle: beobachtbare Tendenzen einer Zeitreihe, die nachhaltig wirken und sozialen Anschluss finden. Die Sportwissenschaft ist von diesen Entwicklungsmustern nicht aus- genommen. Von Zeit zu Zeit ändert sich auch hier die Marschrichtung und etabliert neue Paradigmen, Themen, Theorien und Methoden. Manchmal stellen diese die Disziplin(en) dabei grundlegend auf den Kopf, manchmal ergänzen sie den bestehenden Kanon wesentlich. F ür den wissenschaftlichen Nachwuchs können diese verschiedenen Trends eine wichtige orientie- rende Funktion einnehmen: Trends zeigen auf, was gerade mit einer gewissen Anerkennung möglich ist und ermöglichen damit eine relativ reibungslose Einordnung oder aber eine individuelle Abgrenzung, indem man sich gewissen Entwicklungslinien und Strömungen explizit verweigert. Für die Kommission „Wissenschaftlicher Nachwuchs“ spielt das Thema deshalb seit der Gründung eine große Rolle und bildet seit dem Sommersemester 1996 ein regelmäßig wiederkehrendes Thema im Ze-phir. Während die bishe- rigen Ausgaben jeweils unterschiedliche sportwissenschaftliche Disziplinen zu aktuellen und denkbaren zukünftigen Forschungstrends zu Wort kommen lässt, nimmt das aktuelle Heft einen konkreten Trend zum Ausgangspunkt und beleuchtet diesen aus verschiedenen Perspektiven. F ynn Bergmann und Oliver Höner nähern sich dem Thema in einem undogmatischen Plädoyer für systematische Reviews und Metaanalysen in der Sportwissenschaft und in sportwissenschaftlichen Qualifikationsarbeiten. Tobias Arenz und David Jaitner setzen sich kritisch mit den Grenzen systemati- scher Übersichtsarbeiten auseinander. Isabel Marzi, Maike Till und Anne Reimers entwickeln eine erfah- rungsgesättigte Anleitung zur Erstellung von systematischen Übersichtsarbeiten, die (nicht nur) Nach- wuchswissenschaftler/innen wichtige Anregungen und Hilfestellungen bietet. Lena Gabriel, David Jaitner und Benjamin Zander präsentieren erste Teilergebnisse aus einem Forschungsprojekt, das sich mit dem Review-Schreiben als Teil des sportwissenschaftlichen Qualifikations- und Sozialisationsprozesses be- fasst. Tobias Morat und Tim Fleiner beschäftigten sich mit der Vermittlung von Reviews im Rahmen der universitären Methodenausbildung und stellen ein preisgekröntes Beispiel zur Einbindung von Reviews in ein sportwissenschaftliches Lehr-Lern-Konzept vor. I ch bedanke mich ganz herzlich bei den Autor/innen dieser Ausgabe und wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre, David Jaitner 2021(1) |3
Hauptbeiträge „Für einen Überblick siehe …“ – Ein Plädoyer für systematische Reviews und Metaanalysen in der Sportwissenschaft Fynn Bergmann & Oliver Höner (Eberhard Karls Universität Tübingen) Einführung ren gelisteten Artikeln sind allein ca. trägt dieser Entwicklung Rechnung. Eine zentrale Aufgabe von (Nach- 23% (158.667) in den letzten fünf Die Autoren dieses Beitrags wurden wuchs-)Wissenschaftler/innen ist, Jahren des Betrachtungszeitraums angefragt, ein Plädoyer für systema- eine möglichst vollumfängliche erschienen. In Anlehnung an Arenz tische Reviews bzw. Metaanalysen Kenntnis über den Forschungsstand und Jaitner (2021, S. 11) kann festge- in der Sportwissenschaft zu halten. in ihrem Forschungsgebiet zu erlan- stellt werden: „Wissen, das bestän- Dementsprechend werden in diesem gen. Somit ist die Lektüre nationa- dig wächst, wird unübersichtlich. Un- Beitrag solche Übersichtsarbeiten ler und internationaler Publikationen geordnete Evidenzen widersprechen nicht als „selbstdienliche interne obligatorisch, um im Forschungsfeld dem systematischen Selbstanspruch Strategien“ (Arenz & Jaitner, 2021, handlungsfähig und vor allem ‚up to der Wissenschaft und schränken den S. 11) betrachtet, sondern als me- date‘ zu sein. Diese Herausforderung praktischen Orientierungscharakter thodisch anspruchsvolles Tool, das ist in der Sportwissenschaft keines- ein“. Damit besteht ein Bedarf nach neben einer integrativen Theoriebil- wegs neu. Allerdings dürfte sich über ‚Ordnung‘ von Evidenzen. So ist es dung zu einer Zusammenführung die letzten Jahrzehnte in vielen Diszi- nicht verwunderlich, dass insbeson- bestehender Evidenzen führen kann. plinen sowohl der ‚Input‘ als auch der dere ab der Jahrtausendwende ein Systematische Reviews bzw. Meta- ‚Output‘ der zu erstellenden Über- bedeutsamer Anstieg von systema- analysen haben aber auch – wie jede sicht des Forschungsstandes geän- tischen Reviews und Metaanalysen methodische Herangehensweise in dert haben. So hat zum Beispiel der zu verzeichnen ist (vgl. Abb. 1). Sie der Wissenschaft – ihre Limitationen. Zweitautor dieses Beitrags im Rah- können als die bekanntesten Formen Einen entsprechend kritischen Blick men seiner Dissertation (Höner, 2005) von systematischen Übersichtsar- auf systematische Übersichtsstudi- vornehmlich Bücher, Buchkapitel und beiten angesehen werden und bilden en nehmen Arenz und Jaitner (2021) empirische Originalstudien als Infor- mittlerweile in vielen Qualifikationsar- in ihrem sehr lesenswerten Beitrag mationsquellen genutzt. Die daraus beiten den ‚Output‘ der Analyse des in diesem Heft ein, sodass die dort gewonnenen Erkenntnisse wurden Forschungsstands. angeführten Punkte hier nicht wie- mit Bezug zur eigenen Fragestellung derholt werden. aufbereitet und in Form von Einzelka- Systematische Übersichtsarbeiten piteln der Dissertation dokumentiert. gewinnen damit für den sportwis- Wir hingegen erachten systemati- In kumulativen Qualifikationsarbeiten, senschaftlichen Nachwuchs an Re- sche Übersichtsarbeit als überwie- wie sie in der Sportwissenschaft in- levanz und auch die Themenwahl gend sinnvoll, vertreten sie dennoch zwischen deutlich häufiger zu finden des vorliegenden Ze-phirs 2021/1 nicht dogmatisch und sehen sie auch sind (und auch die Absicht des Erst- autors darstellen), hat sich die Bedeu- tung und die Anzahl der empirischen Originalstudien deutlich erhöht. Zu- dem sind Manteltexte kumulativer Qualifikationsarbeiten in der Regel nicht so umfangreich, dass sie eine breite Darstellung des Forschungs- standes umfassen. Einhergehend mit der mittlerweile etablierten Praxis publikationsba- sierter Promotionen steigt die An- zahl publizierter Fachartikel in Form von Einzelstudien. Abbildung 1 ver- anschaulicht dies exemplarisch für die Anzahl gelisteter Einzelstudien Abb. 1. Verlauf des Anteils (in %) der in der Datenbank SPORTDiscus gelisteten Einzelstudien (N = 684.794) sowie systematischen Reviews und Metaanalysen (englischsprachig und mit Peer-Re- (N = 8.611) von 1980 bis 2019. (Die Anzahl der systematischen Reviews und view) in der Datenbank SPORTDis- Metaanalysen wird durch Publikationen abgebildet, deren Titel die Begriffe cus im Zeitraum von 1980 bis 2019. ‚systematic review‘ oder ‚meta-analysis‘ oder ‚systematic review and meta- Von den 684.794 in diesen 40 Jah- analysis‘ enthalten). 4 | 2021(1)
Hauptbeiträge nicht für alle Disziplinen der Sport- nisse im Lichte eingesetzter Metho- Fragestellung der Übersichtsstudie wissenschaft als grundlegend richti- den und auch vor dem Hintergrund zu formulieren, sollte sich ein breiter ge Methodenwahl an. Daher werden von zugrundeliegenden Leitlinien zu Überblick über den Forschungsstand im vorliegenden Beitrag nach einfüh- betrachten. Solche, auf Konsensen verschafft werden, um die Anzahl der renden Begriffsbestimmungen aus- von Expert/innen beruhenden, Leitli- potenziell relevanten Publikationen gewählte methodische Herausfor- nien der Methodik und Datenanalyse abschätzen zu können. Dies trägt zu derungen bei der Durchführung von sollen den höchstmöglichen Eviden- einer vollständigen und effizienten systematischen Reviews bzw. Meta- zanspruch der Übersichtsstudien si- systematischen Suchstrategie bei. analysen thematisiert. Damit möch- chern. Die Herausforderung besteht darin, ten wir für die Auseinandersetzung den Balanceakt zwischen der ‚Sensi- mit bedeutsamen Qualitätsmerkma- Zu den populärsten Leitlinien gehö- tivität‘ und ‚Spezifität‘ auszutarieren, len sensibilisieren, um den Wert von ren das Cochrane Handbook (Hig- das heißt alle relevanten Publikatio- systematischen Übersichtsstudien gins et al., 2019) sowie das PRISMA nen zu erfassen und zugleich mög- für das Fach und für die Nachwuchs- Statement (Moher et al., 2009), an de- lichst viele irrelevanten Publikationen wissenschaftler/innen im Laufe des nen sich auch zahlreiche Übersichts- herauszufiltern. Die Entwicklung der Arbeitsprozesses zu steigern. Daran arbeiten in der Sportwissenschaft systematischen Suche ist daher vor anschließend wird der Frage nachge- orientieren. Die Inhalte, die in den allem zu Beginn eine Phase des Ex- gangen, welche Eigenschaften von Reviews zusammengefasst werden, perimentierens und Ausprobierens. systematischen Reviews bzw. Me- können sich dabei unterscheiden. Dabei müssen zumeist auch die spe- taanalysen dazu beitragen können, So lassen sich in der Sportwissen- zifischen Funktionen und Eigenheiten dass sie einen besonderen Gewinn schaft zum Beispiel systematische der Datenbanken erkundet werden, für a) die Sportwissenschaft und b) Übersichtsstudien finden, die Wissen deren Einstellungen bestmöglich do- den wissenschaftlichen Nachwuchs über die Wirksamkeit von Interventio- kumentiert werden sollten, um eine darstellen. Abschließend wird der nen (z. B. Kelso et al., 2020), über Zu- exakte Replikation der systemati- Wert von systematischen Reviews sammenhänge von Merkmalen (z. B. schen Suche zu ermöglichen (Pozs- bzw. Metaanalysen zusammengetra- Scharfen & Memmert, 2019) oder gai et al., 2020). gen und mit Anregungen für zukünfti- über prognostische Bedeutung von ge Übersichtsstudien verknüpft. Prädiktoren (z. B. Murr et al., 2018) Sobald Schlagworte, Operatoren verdichten. Darüber hinaus werden und Datenbankeinstellungen de- Begriffsbestimmung systematische Übersichtsarbeiten finiert sind, bilden eindeutige Ein- eingesetzt, um das Begriffsverständ- und Ausschlusskriterien den Kern Systematische Reviews bzw. Me- nis und die Konzeptualisierung von einer intersubjektiv nachvollziehba- taanalysen werden mit dem Ziel Merkmalen gegenüberzustellen (z. B. ren Methodik. Grundsätzlich sollte durchgeführt, eine Forschungsfrage Zahno & Hossner, 2020). beachtet werden, dass Ausschluss- auf Basis aller publizierten Studien kriterien (z. B. „die Studie wurde im und gemäß einer expliziten Metho- Herausforderungen im Schulsportkontext durchgeführt“) die dik möglichst umfassend und zu- Arbeitsprozess Einschlusskriterien (z. B. „die Studie verlässig zu beantworten (Chandler wurde im leistungsorientierten Ver- et al., 2020). Der Unterschied zwi- Im Rahmen des Arbeitsprozesses an einssport durchgeführt“) nicht per schen systematischen Reviews und systematischen Reviews und Meta- se beinhalten, sondern die Studien- Metaanalysen liegt darin, dass bei analysen werden Wissenschaftler/in- auswahl präzisieren. Die Bestimmung Metaanalysen zusätzlich quantita- nen mit diversen Herausforderungen objektiver Qualitätsmerkmale der Kri- tive Synthesen mithilfe von statisti- konfrontiert. Eine nachhaltige Ausei- terien ist nur bedingt möglich, wes- schen Verfahren eingesetzt werden, nandersetzung mit diesen Heraus- halb diese durch unabhängige und um eine höhere statistische Power im forderungen geht in den allermeisten bestenfalls themenfremde Personen Vergleich zu den Einzelstudien zu er- Fällen mit einem Erkenntnisgewinn angewandt und überprüft werden zielen und vorliegende Effekte mög- der Forschenden und einer Quali- sollten (Ioannidis, 2016). Im Sinne der lichst präzise bestimmen zu können tätssteigerung der Übersichtsstudie Vermeidung beziehungsweise Offen- (Field & Gillett, 2010). In der evidenz- einher. Strategien zur Bewältigung legung von „Researcher Degrees of basierten Medizin bilden Metaanaly- solcher Herausforderungen werden Freedom“ (Schweizer & Furley, 2016, sen die Spitze der Evidenzpyramide, in zahlreichen Publikationen themati- S. 81), also den Freiheiten der For- gelten also als verlässlichster metho- siert (für einen Überblick siehe Muel- schenden in methodischen Entschei- discher Ansatz um eine Forschungs- ler et al., 2018) und inzwischen auch dungen, trägt dies zur Transparenz frage zu beantworten (Eichler, 2020). auf sport- und bewegungsbezogene des Forschungsprozesses bei. Angesichts der Komplexität der Wis- Themenfelder bezogen (Tod, 2019). sensbestände sind solche Prozedu- Auch die Extraktion aller Informa- ren hilfreich, bedürfen aber immer Nachdem die erste Herausforde- tionen aus den Einzelstudien sollte menschlicher Urteile, um die Ergeb- rung bewältigt wurde, eine präzise von zwei unabhängigen Personen 2021(1) |5
Hauptbeiträge durchgeführt werden, um dem soge- tistische Ermittlung der Heterogeni- zustellen. Darüber hinaus sind sie von nannten ‚reviewer bias‘ vorzubeugen tät obligatorisch (‚statistical hetero- Bedeutung, um eine möglichst evi- (Misra & Agarwal, 2018). Bei diesem geneity‘; Deeks et al., 2020). Weitere denzbasierte Unterstützung für Ent- Prozess wird ersichtlich, welche In- Verfahren, beispielsweise zur Erfas- scheidungen in einem Themenge- formationen nicht oder unvollständig sung eines ‚publication bias‘ (z. B. biet zu ermöglichen. Ein besonderer berichtet wurden, also ein ‚reporting Egger et al., 1997), zumeist visuell Wert von systematischen Reviews bias‘ vorliegt. Zur Erfassung sol- unterstützt durch Funnel Plots, kön- bzw. Metaanalysen für die Sportwis- cher und weiterer Verzerrungen der nen die Gefahr der Reproduktion ver- senschaft ist in der Herausarbeitung Studienergebnisse ist ein wiederum zerrter Effekte zusätzlich minimieren. der kumulativen Evidenz und deren unabhängig durchgeführtes Rating Transfer in die Sportpraxis (siehe 1.) des ‚risk of bias‘ obligatorisch (Hig- Auch wenn ein vergleichsweise ein- zu sehen. Dies wird insbesondere gins et al., 2019). Ein solches Rating fach zu interpretierender Gesamtef- durch das Strukturmerkmal der Inter- sollte vor der Arbeit an der Ergeb- fekt verlockend ist, besteht bei einem disziplinarität (siehe 2.) und der damit nisdarstellung erfolgen, um diese unreflektierten Einsatz der Metaana- einhergehenden Vielfalt an Theorien vor dem Hintergrund des Wissens lyse die Gefahr, diesen durch Verzer- (siehe 3.) sowie einem Facettenreich- über Verzerrungen und Schwächen rungen zu verfälschen sowie auf in- tum an Methoden und Instrumenten der Einzelstudien vorzunehmen. Ins- haltlicher Ebene ‚Äpfel mit Birnen‘ zu (siehe 4.) deutlich. besondere für medizinische und ge- vergleichen (Deeks et al., 2020). Die sundheitswissenschaftliche Studien Entscheidung, ob eine Metaanalyse 1. Kumulative Evidenz und Transfer liegen ‚Kriterienkataloge‘ für die Be- sinnvoll ist oder nicht, kann somit in die Sportpraxis urteilung der Einzelstudien vor (z. B. nur auf Basis von sowohl inhaltlichen Higgins et al., 2019). Eine Anwendung als auch statistischen Komponenten Ein zentrales Merkmal der Sport- dieser Kriterien ist in der Sportwis- getroffen werden. Eine Metaanalyse wissenschaft ist, dass sie sich pro- senschaft nicht immer möglich, so- sollte demnach nicht auf dem Selbst- blemorientiert mit Phänomenen des dass es der Regelfall ist, Leitfäden zweck beruhen, sondern insbeson- Sports bzw. der Sportpraxis ausei- bzw. Instrumente auszuwählen und dere inhaltlich begründbar sein. „Vom nandersetzt. Sie verfolgt somit un- diese zu modifizieren. Als Unterstüt- Wiegen wird die Sau nicht schwerer“ ter anderem die im Memorandum zung bei der Suche nach geeigneten – diese Redensart, die der Nestor der Sportwissenschaft verankerte Aufga- Instrumenten dient das Equator Net- Sportwissenschaft Ommo Grupe zu- be, „Entscheidungshilfen für die Ver- work (https://www.equator-network. sammen mit Kollegen als Titel für ei- besserung der vielfältigen Praxis zu org/reporting-guidelines/), welches nen kritischen Artikel zur Verkürzung entwickeln“ (Hottenrott et al., 2017, das Ziel verfolgt, die Qualität der Stu- von Bildung auf Bildungsstandards S. 288). Eine evidenzbasierte Bera- dienbeschreibung zu erhöhen. im Schulsport wählte (Grupe et al., tung der Sportpraxis profitiert von 2004), sollte man sich auch vor Au- den Erkenntnissen systematischer Auch bei der wohl komplexesten Fra- gen führen, bevor man eine Meta- Reviews bzw. Metaanalysen, da sie ge – wie die Analyse und Synthese analyse durchführt. die Ergebnisse aus Einzelstudien zu der Ergebnisse erfolgt und insbeson- einer kumulativen Evidenz bündeln. dere, ob Techniken der Metaanaly- Systematische Übersichtsstudien Dies sichert, dass ‚Entscheidungs- se eingesetzt werden – spielt die für die Sportwissenschaft? hilfen‘ nicht auf Einzelerkenntnissen Studienqualität eine entscheidende beruhen, sondern das Wissen akku- Rolle. Liegen bereits in den Einzel- Aus der Perspektive des Fachs muliert zurate gezogen werden kann. studien Verzerrungen vor, so besteht Sportwissenschaft Komplexe Probleme der Sportpraxis die Gefahr, dass diese mit gleichem können jedoch nur selten aus einer Gewicht und vor allem ohne kriti- Die Bedeutung von systematischen Perspektive heraus gewinnbringend sche Diskussion in den Gesamtef- Übersichtsstudien für die Sportwis- bearbeitet werden, sodass es Er- fekt der Metaanalyse eingehen. Eine senschaft ist in vielen Punkten ana- kenntnisse aus verschiedenen Teil- Metaanalyse mit höchstem Eviden- log zur Bedeutung für andere Wis- disziplinen der Sportwissenschaft zanspruch zehrt von hochwertigen senschaftsdisziplinen anzusehen: bedarf. Einzelstudien. Die grundsätzlich zu Nach Tod (2019) dienen sie dazu, begrüßende Weiterentwicklung von vorliegendes Wissen bezogen auf 2. Interdisziplinarität Erhebungsmethoden in der Sport- eine spezifische sportwissenschaft- wissenschaft geht jedoch mit zum liche Fragestellung gebündelt und Die Interdisziplinarität gilt als zentra- Teil erheblichen methodischen Un- systematisch darzulegen (‚what we les Strukturmerkmal der Sportwissen- terschieden einher (‚methodologi- know‘), Wissenslücken zu identifizie- schaft und wurde bereits in diversen cal diversity‘). Dadurch erscheint in ren (‚what we do not know‘) und Be- Ze-phir-Ausgaben (z. B. Barisch-Fritz vielen Fällen die Bestimmung eines gründungszusammenhänge für zu- & Volk, 2016) sowie im Memoran- Gesamteffekts inhaltlich zumindest künftig notwendiges Wissen (‚what dum Sportwissenschaft aufgegriffen problematisch. Zudem ist die sta- we need to know and why?‘) heraus- (Hottenrott et al., 2017). Im Sinne der 6 | 2021(1)
Hauptbeiträge Interdisziplinarität können systema- Interdisziplinär ausgerichtete Über- aufzuarbeiten und sich ein Metho- tische Reviews bzw. Metaanalysen sichtsarbeiten, die den Einzelstudien denwissen anzueignen, das sowohl eingesetzt werden, um Erkenntnisse zugrundeliegenden Theorien analy- die Forschungsparadigmen als auch verschiedener Teildisziplinen zusam- sieren und diese in eine Beziehung Untersuchungsinstrumente umfasst. menzufassen und gegenüberzustel- zueinander stellen, können dazu bei- Sobald die Nachwuchswissenschaft- len. Sie können darauf ausgerichtet tragen, die Interdisziplinarität durch ler/innen mit diesen Punkten vertraut sein, komplexe Probleme der Sport- Intertheoretik zu realisieren (Willim- sind, kann damit begonnen werden, praxis aus verschiedenen Perspek- czik, 2018). eine eigene Forschungsfrage zu ent- tiven zu bearbeiten. Ein besonderer wickeln, die eine Erweiterung des in Mehrwert wird Übersichtsarbeiten zu 4. Facettenreichtum an Methoden der Übersichtsstudie dargelegten Beginn interdisziplinär ausgerichte- und Instrumenten Forschungsstandes behandeln soll- ter Forschungsprojekte attestiert, um te. Somit kann die Lektüre publizier- Theorien, Methoden und Erkenntnis- Die Sportwissenschaft hat sich im ter Übersichtsstudien in vielerlei Hin- se unterschiedlicher Disziplinen ver- Laufe ihrer Entwicklung ein breites sicht hilfreich sein. knüpfen und kontrastieren zu können Spektrum an Methoden und Instru- (Burgers et al., 2019). Dies kann dazu menten angeeignet (vgl. Willimczik, Liegen keine systematischen Über- führen, dass systematische Über- 2019, S. 5ff.). Aufgrund dieser grund- sichtsarbeiten vor, werden sie häufig sichtsstudien von größeren Autoren- sätzlich bereichernden Vielfalt kann zu Beginn einer Dissertation durch- gruppen aus unterschiedlichen Dis- allerdings nur sehr selten auf ‚generi- geführt, um die genannten Punkte ziplinen bearbeitet werden. Ein solch sche‘ Methoden zurückgegriffen wer- objektiv und unter der gewinnbrin- interdisziplinärer Austausch mit Ex- den, um interessierende Merkmale zu genden Qualitätskontrolle eines Peer- pert/innen ist insbesondere für Nach- erheben. Systematische Übersichts- Reviews zu bearbeiten. Den Mentor/ wuchswissenschaftler/innen berei- studien können solche Entwicklungs- innen obliegt die Verantwortung, den chernd. Um die Vollständigkeit der prozesse einer Wissenschaftsdiszip- über die Übersichtsstudie hinausge- Übersichtsstudie zu gewährleisten, lin, beispielsweise im Hinblick auf die henden Forschungsstand im Blick zu sollten die spezifischen Charakteris- Untersuchungsmethodik, abbilden. behalten und eine Einordnung und tika der eingeschlossenen Teildiszi- Diese historischen Betrachtungen Diskussion der Befunde auf Theo- plinen beachtet werden. Dies betrifft sind vor allem für Nachwuchswissen- rie-, Methoden- und Ergebnisebene auch die Publikationspraxis und setzt schaftler/innen, die diese Prozesse zu begleiten. Eine solche Diskussion beispielsweise in einigen Themenge- nicht aktiv miterlebt bzw. -gestaltet und Bewertung des Forschungsstan- bieten der Sportpädagogik die Einbe- haben, bereichernd. In systemati- des mit Expert/innen unterschiedli- ziehung deutschsprachiger Beiträge schen Reviews bzw. Metaanalysen cher Bereiche und Disziplinen (z. B. voraus, um den Forschungsstand sollten die in den Einzelstudien einge- Koautor/innen, aber auch Gutachter/ vollständig abbilden zu können (z. B. setzten Instrumente allerdings auch innen) ist vor allem für Nachwuchs- Ruin & Stibbe, 2020). kritisch diskutiert werden, um ihre wissenschaftler/innen bereichernd. Stimmigkeit zur Fragestellung sowie 3. Theorien der Einzelstudien den interessierenden Merkmalen zu Einzeln publizierte Übersichtsarbei- prüfen. ten bilden häufig den ersten Bestand- Aufgrund der Komplexität des alle teil der Publikationsreihe, die die ku- Teildisziplinen vereinenden Gegen- Aus der Perspektive des wissen- mulative Qualifikationsarbeit – oder stands ‚Sport‘ beschreibt Kurz (2007, schaftlichen Nachwuchses auch auf Einzelstudien ausgelegte S. 70), dass die Sportwissenschaft Monografien (z. B. Kröckel, 2019) – „weitgehend von Leihgaben aus al- Systematische Reviews bzw. Meta- ausmacht. Anknüpfende empirische len möglichen Wissenschaften (‚ihren analysen sind sowohl für gestande- Studien profitieren vor allem von der Müttern‘)“ lebe. Eine interdisziplinä- ne Wissenschaftler/innen als auch theoretischen Rekonstruktion von re Theorienbildung kann somit berei- für Nachwuchswissenschaftler/in- Sachverhalten, deren empirischer chernd sein, um sportwissenschaftli- nen bereichernd, sodass viele Grün- Gehalt durch Ergebnisintegration ge- che Problemstellungen zu bearbeiten de für die Lektüre, aber auch für die prüft werden kann. Somit regen die (Willimczik, 2003). Im Rahmen von Erstellung von Übersichtsstudien Erkenntnisse systematischer Reviews systematischen Reviews bzw. Me- sprechen. Für Nachwuchswissen- bzw. Metaanalysen zur Präzisierung taanalysen ist daher eine nachhalti- schaftler/innen kann die Lektüre von von Theorien an, um zutreffende- ge Auseinandersetzung mit den zu- Übersichtsstudien eine wichtige Ori- re Erklärungsansätze sportwissen- grundeliegenden Theoriekonzepten entierungshilfe bei der thematischen schaftlicher Phänomene zu entwi- der Einzelstudien wertvoll, die neben Verortung der Qualifikationsarbeit ckeln. Eben diese Neuformulierung der Beschreibung auch die ‚Herkunft‘ sein. Darüber hinaus können Über- und Spezifikation von Theorien, ver- sowie die Art des Transfers in das sichtsstudien dazu beitragen, die ei- knüpft mit einer Evidenzakkumulation sportwissenschaftliche Handlungs- nem Forschungsgebiet zugrundelie- durch systematische Reviews bzw. feld kritisch beäugt und diskutiert. genden theoretischen Perspektiven Metaanalysen, wird als eine zentrale 2021(1) |7
Hauptbeiträge Maßnahme zur Optimierung des Er- innen in der Sportwissenschaft eine Expertise zu bereichern. Dies kann kenntnisfortschritts erachtet (Glöck- bedeutsame Herausforderung dar- im Sinne der Interdisziplinarität einer- ner et al., 2018). stellen, diesen Forschungsstand seits die Zusammenarbeit mit Wis- systematisch aufzuzeigen. Nach ei- senschaftler/innen unterschiedlicher Auch wenn dieser Einstieg heraus- gener Erfahrung besteht der Wert Teildisziplinen umfassen. Anderer- fordernd ist, ergibt sich insbesonde- einer Übersichtsstudie nicht nur in seits kann eine über die Sportwissen- re aus den Stärken und Schwächen der inferenzstatistischen Zusammen- schaft hinausgehende Zusammenar- publizierter Studien ein großer Ler- fassung von statistischen Effekten, beit, beispielsweise mit Bibliothekar/ neffekt. Zugleich besteht die Mög- sondern vor allem in der kritischen innen bei der Entwicklung der syste- lichkeit, durch die identifizierten For- Würdigung des Forschungsstandes. matischen Suche oder Expert/innen schungslücken die Notwendigkeit Wir plädieren daher zum einen für die im Bereich statistischer Verfahren, die von Folgestudien gegenüber Förde- nachhaltige Auseinandersetzung mit Qualität der Übersichtsstudie stei- rern und Förderinnen oder Betreuer/ den benannten und weiteren metho- gern (Harari et al., 2020). innen der Dissertation zu legitimieren. dischen Herausforderungen bei der Arbeit an systematischen Reviews Die Entwicklung sportwissenschaft- Fazit und Ausblick bzw. Metaanalysen. Zum anderen lich ausgerichteter Instrumente zur plädieren wir für die Beachtung der Erfassung der Studienqualität könn- Zunächst lässt sich festhalten, dass Merkmale, die aus unserer Sicht den ten umständliche Modifikationen und systematische Übersichtsarbei- besonderen Wert von systematischen damit einhergehende Limitationen ten schon seit einigen Jahren fest Übersichtsstudien für die Sportwis- der wissenschaftlichen Güte umge- in der Sportwissenschaft etabliert senschaft ausmachen. hen. Solche Instrumente sollten unter sind. Auch im Rahmen von Qualifi- anderem eine ausführlichere Betrach- kationsarbeiten werden sie zuneh- Abschließend werden einige Anre- tung zugrundeliegender Theoriekon- mend eingesetzt und bilden oftmals gungen für zukünftige systematische zepte sowie die Operationalisierung den Ausgangspunkt für anknüpfen- Reviews bzw. Metaanalysen in der erfasster Merkmale adressieren. Zu- de empirische Studien. Die Sport- Sportwissenschaft angeführt, deren dem sollten die Besonderheiten des wissenschaft ist jedoch ein Fach, Bearbeitung auch im Rahmen von sportlichen Handlungsfeldes beach- welches nicht nur auf verschiedenen Fortbildungsprogrammen einen Ge- tet werden, da häufig angewandte Disziplinen basiert, sondern in dem winn für Sportwissenschaftler/innen Kriterien anderer Wissenschaftsdis- auch unterschiedliche Theorien und darstellen kann. ziplinen durch die Natur einiger Tätig- Paradigmen vertreten sind. Dement- keiten im Sport nicht realisierbar sind. sprechend gilt es, diverse Wege der Die Weiterentwicklung der Methodik, Forschungserkenntnis möglichst ge- insbesondere bei der Durchführung Eine zunehmende Transparenz des winnbringend zu vereinen. Das Den- von Metaanalysen, ist bedeutsam, Forschungsprozesses durch Open ken im Sinne einer Evidenzbasie- um die steigende Anzahl an Publika- Science-Praktiken hat die Sportwis- rung durch die Zusammenführung tionen gewinnbringend zu vereinen senschaft längst erreicht und berei- einzelner empirischer Studien zu ei- und die Gefahr der ‚Unordnung‘ im chert (z. B. Geukes et al., 2016). Eine nem Gesamtbild ist eine von vielen Forschungsstand zu reduzieren. Zu entscheidende Rolle nehmen Prä- möglichen Vorgehensweisen. Es ist erwarten ist, dass die steigende An- Registrierungen ein, um die Planung in vielen Mutterdisziplinen der Sport- zahl an Publikationen zunehmend einer Studie zu systematisieren sowie wissenschaft etabliert und wird die mit der Möglichkeit einhergeht, Me- zur Transparenz des Forschungspro- Sportwissenschaft auch zukünftig taanalysen sinnvoll einzusetzen und zesses beizutragen (Lakens, 2019). (mit)prägen. Leider fällt das ange- somit einen größtmöglichen Eviden- Planungsprotokolle von sportwis- strebte Gesamtbild oft nicht so kon- zanspruch an die Ergebnisse stellen senschaftlichen systematischen Re- sistent wie gewünscht aus. Dies führt zu können. Dies ist insbesondere von views bzw. Metaanalysen wurden un- dazu, dass für einige Übersichtsar- Bedeutung, da in der Sportwissen- längst auf Online-Plattformen (z. B. beiten aufgrund der Heterogenität der schaft eine geringe statistische Pow- OSF) oder in Journals publiziert, Studienlage eine Metaanalyse – trotz er in Einzelstudien ein häufig zu be- um die Fragestellungen, die Metho- methodischer ‚Korrekturmaßnahmen‘ obachtendes Problem darstellt (Abt dik oder auch die Voraussetzungen – kritisch zu sehen ist. Die Angabe ei- et al., 2020). und Techniken einer Metaanalyse im ner Maßzahl könnte eine Genauigkeit Vorfeld zu bestimmen (z. B. Berg- suggerieren, die so gar nicht gegeben Die verstärkte Zusammenarbeit mit mann et al., 2020; Demetriou et al., ist. Vielleicht aber auch gerade wegen Expert/innen verschiedener Themen- 2019). Ein weiterer Mehrwert für die dieser Heterogenität und der zum Teil gebiete ist wünschenswert, um die Forschenden ist darin zu sehen, die methodisch noch nicht allen Anfor- notwendigen, und zum Teil sehr spe- inhaltlichen und methodischen Ent- derungen der Interventionsforschung zifischen, Kompetenzen bei der Ar- scheidungen gegenüber Gutachter/ entsprechenden Studienlage dürfte beit an systematischen Reviews bzw. innen, aber auch anderen Forschen- es für Nachwuchswissenschaftler/ Metaanalysen mit möglichst großer den rechtfertigen zu können. 8 | 2021(1)
Hauptbeiträge Literatur Egger, M., Davey Smith, G., Schneider, Sportwissenschaft. German Journal M., & Minder, C. (1997). Bias in of Exercise and Sport Research, Abt, G., Boreham, C., Davison, G., meta-analysis detected by a simple, 47(4), 287-293. https://doi. Jackson, R., Nevill, A., Wallace, graphical test. BMJ, 315(7109), org/10.1007/s12662-017-0476-x E., & Williams, A. M. (2020). 629-634. https://doi.org/10.1136/ Höner, O. (2005). Power, precision, and sample size bmj.315.7109.629 Entscheidungshandeln im estimation in sport and exercise Eichler, M. (2020). Das menschliche Sportspiel Fußball – Eine Analyse science research. Journal of Sports Urteil in der evidenzbasierten im Lichte der Rubikontheorie. Sciences, 38(17), 1933-1935. Medizin. Der Onkologe, 26(5), Hofmann. https://doi.org/10.1080/02640414.2 456-464. https://doi.org/10.1007/ Ioannidis, J. P. (2016). The mass 020.1776002 s00761-020-00720-x production of redundant, Arenz, T., & Jaitner, D. (2021). Unter Field, A. 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Hauptbeiträge systematically review and meta- Ruin, S., & Stibbe, G. (2020). Physical Willimczik, K. (2003). Sportwissen- analyse observational studies: education and physical education schaft interdisziplinär. Ein A systematic scoping review of research. An overview of German- wissenschaftstheoretischer Dialog. recommendations. BMC Medical language publications 2018-2019. Band 2: Forschungsprogramme Research Methodology, 18(44), International Journal of Physical und Theoriebildung in der https://doi.org/10.1186/s12874- Education, 57(3), 2-14. Sportwissenschaft. Feldhaus. 018-0495-9 Scharfen, H.-E., & Memmert, D. Willimczik, K. (2018). Murr, D., Feichtinger, P., Larkin, P., (2019). Measurement of cognitive Entwicklungstendenzen in O‘Connor, D., & Höner, O. (2018). functions in experts and elite‐ der Sportwissenschaft an den Psychological talent predictors in athletes: A meta‐analytic review. deutschen Universitäten in den youth soccer: A systematic review Applied Cognitive Psychology, vergangenen Jahren/Jahrzehnten. of the prognostic relevance of 33(5), 843-860. https://doi. Ze-phir, 25(1), 3-6. psychomotor, perceptual-cognitive org/10.1002/acp.3526 Willimczik, K. (2019). Theorielose and personality-related factors. Schweizer, G., & Furley, P. (2016). Sportwissenschaft? Vom Nutzen PloS one, 13(10), e0205337. Die Vertrauenskrise empirischer der Wissenschafts-Theorie für die https://doi.org/10.1371/journal. Forschung in der Psychologie. Sportwissenschaft. Ze-phir, 26(2), pone.0205337 Ausgewählte Ursachen und 4-10. Pozsgai, G., Lövei, G. L., Vasseur, L., exemplarische Lösungsvorschläge Zahno, S., & Hossner, E.-J. (2020). Gurr, G., Batáry, P., Korponai, J., für die sportpsychologische On the issue of developing Littlewood, N. A., Liu, J., Móra, A., Forschung. Zeitschrift für creative players in team sports: A Obrycki, J., Reynolds, O., Stockan, Sportpsychologie, 23(3), 77-83. systematic review and critique from J. A., Volkenburg, H. V., Zhang, https://doi.org/10.1026/1612-5010/ a functional perspective. Frontiers J., Zhou, W., & You, M. (2020). a000171 in Psychology, 11, 575475. https:// A comparative analysis reveals Tod, D. (2019). Conducting Systematic doi.org/10.3389/fpsyg.2020.575475 irreproducibility in searches of Reviews in Sport, Exercise, scientific literature. bioRxiv. https:// and Physical Activity. Palgrave doi.org/10.1101/2020.03.20.997783 Macmillan. Sportwissenschaftlicher Nachwuchs auf Twitter: @SpowisNachwuchs 10 | 2021(1)
Hauptbeiträge Unter den Wolken – Überlegungen zu den Grenzen systematischer Literaturübersichten Tobias Arenz (Deutsche Sporthochschule Köln) & David Jaitner (Technische Universität Braunschweig) Die moderne Gesellschaft gliedert die Möglichkeiten, bestehendes Wis- wissenschaft mit sich bringt, schla- sich in autonom operierende Teil- sen nicht mehr nur enzyklopädisch gen allerdings ab einem gewissen bereiche, die gemeinsam nebenei- zu ordnen, sondern Wissen syste- Zeitpunkt in Nachteile um. Wissen, nander die gesamtgesellschaftliche matisch selbst zu produzieren (Stich- das beständig wächst, wird un- Reproduktion auf Dauer stellen und weh, 2013): Zunächst etablieren sich übersichtlich. Ungeordnete Evi- dafür je eigenständige Wissensbe- Sinneserfahrung und Vernunft als denzen widersprechen dem sys- stände zur Lösung von bereichsspe- wesentliche Erkenntnisgrundlagen. tematischen Selbstanspruch der zifischen Problemstellungen in Ge- Im Anschluss werden diese epistemi- Wissenschaft und schränken den brauch setzen. Die Wissenschaft der schen Zugriffsweisen beständig the- praktischen Orientierungscharakter Gesellschaft zeichnet sich für die oretisch unterfüttert und methodisch ein. Als Möglichkeit, mit dieser Un- Lösung des Problems einer metho- ausdifferenziert. ordnung umzugehen, hat sich in den disch kontrollierten Produktion von letzten Jahrzehnten eine selbstdien- Aussagen über Weltsachverhalte Ein wesentlicher Gewinner der ‚wis- liche interne Strategie durchgesetzt: verantwortlich, die ihre Wahrheits- senschaftlichen Revolution‘ des 17. systematische Literaturübersichten. behauptungen durch Publikationen Jahrhunderts sind die empirischen Das Wissenschaftssystem folgt der kommuniziert und öffentlich zugäng- Wissenschaften. In der geistigen bordeigenen Handlungslogik und lich macht (Stichweh, 2013). Das Nachfolge von Galileo Galilei eman- entwickelt ein methodisches Reper- Wissen der Wissenschaft ist dabei zipieren sich wissenschaftliche Ver- toire, dass die empirischen Wissens- nicht grundlegend verschieden von fahren, die in systematischen Ex- bestände zu einem Thema systema- anderen Wissensformen, hat sich perimenten, Beobachtungen oder tisch bündelt und auf diese Weise die aber als eine reflexive Wissensform Befragungen das zentrale mensch- Funktions- und Leistungserwartun- etabliert, die besonders erfolgreich liche Erkenntnisvermögen sehen, gen in gesteigerter Form zu befriedi- darin ist, logisch widerspruchsfreie zügig gegenüber den arrivierten gen imstande ist. Damit behalten die Ordnungszusammenhänge zu er- rationalen Vernunftwissenschaften empirischen Wissenschaften ihren mitteln. Das Geheimnis dieses Er- (Lewin, 1931) und sorgen spätestens wissenschaftsimmanenten Status folgs ist wesentlich darin begründet, ab dem 19. Jahrhundert dafür, dass bei, stärken diesen durch die Einfüh- dass wissenschaftliche Weltzugän- eine steigende Anzahl spezialisierter rung einer Hierarchie, die Systema- ge ernst nehmen, dass menschli- Wissensproduzent/innen beständig tic Reviews mit Metaanalysen an die ches Wissen beständig von Irrtü- empirische Fachpublikation an empi- Spitze der Evidenzpyramide setzen mern bedroht ist, und diese Vorsicht rische Fachpublikation reihen. Nimmt (Evans, 2003), und die erweiterten in ein Kulturphänomen wandeln, das man mögliche Ursachen für den Er- Publikationsmöglichkeiten mithin, systematisch versucht, Zweifel zu folg der Erfahrungswissenschaften und verstetigen die Attraktivität für befördern, den Produktionsweg der in den Blick, so scheint dieser ins- die gesellschaftliche Umwelt in ei- Einsichten und Erkenntnisse offen besondere auch in der Natur der nem gesteigerten Leistungsangebot, zu legen und Verzerrungen bei der produzierten Wissensform verortet das lebensweltliche (z. B. politische, Wissenssuche zu berücksichtigen zu sein: Wissenschaftsintern ist das medizinische, pädagogische etc.) (Hoyningen-Huene, 2009). systematisch erzeugte Erfahrungs- Entscheidungen nicht mehr auf die wissen als Produkt der Wahrheitsfa- Schlussfolgerungen einzelner wis- Der Prozess der Produktion wissen- brikation und Argument im Kampf um senschaftlicher Studien, sondern auf schaftlichen Wissens nimmt im 17. begrenzte institutionelle Ressourcen eine Summe an verfügbaren Eviden- Jahrhundert ausdifferenzierte For- schnell voll etabliert. Die Handlungs- zen verpflichten kann. men an, die ab dem 19. Jahrhundert relevanz des wissenschaftlichen Er- eine disziplinäre Binnendifferenzie- fahrungswissens macht die Wis- Systematische Übersichtsarbeiten, rung der neuzeitlichen Wissenschaft sensform gleichzeitig interessant für als Sammelbegriff für eine selbstdien- ausbilden, die entlang von Gegen- andere Teilbereiche der Gesellschaft liche sekundäre empirische Arbeits- standsbereichen, Problemstellungen und sorgt dafür, dass vielfältige Leis- form mit praktischen Nebenwirkun- und Ausschnitten der natürlichen und tungsbeziehungen das empirische gen, sind eine relativ neue Folgefolge sozialen Umwelt der Wissenschaft Weltwissen und dessen Vorhersa- des Wissenschaftssystems. Sieht eine durchaus dynamische Menge gekraft beständig steigern. man von einigen wenigen Vorläufern an abgegrenzten wissenschaftlichen ab (z. B. Lind, 1753; Gould, 1898; Subsystemen ausweist. Mit der so- Die Standortvorteile, die das selbst- Pearson, 1904; Leitch, 1959), dann zialen Struktur entwickeln sich auch produzierte Wissen der Erfahrungs- ist die Methode bis zum Ende der 2021(1) | 11
Hauptbeiträge 1960er Jahre eine eher randständige Synthese, Meta-Ethnographie). Derartige Selektivitäten sind kein wissenschaftliche Praxis, gewinnt in Literaturverwaltungsprogramme Mangel wissenschaftlicher Praktiken, der Folge allerdings rasch an Bedeu- und Software zur Durchführung sondern ein ganz normales Phäno- tung (Ioannidis, 2016). Die Evolution von Metaanalysen vereinfachen men, das durch die Kontingenz mo- kann in drei Phasen nachgezeichnet den Reviewprozess technologisch. derner Interdependenzen bedingt ist. werden, in denen sich die Umweltbe- » Seit der Jahrtausendwende diffe- Im Kontext systematischer Literatur- züge, Methoden, Organisationsstruk- renzieren sich die Umweltbezüge übersichten werden die notwendigen turen und Technologien schrittweise und die Review-Methoden dann Grenzziehungen jedoch zum einen verstetigen und ausdifferenzieren fortlaufend aus. Der Wandel von durch den Anspruch der Vollstän- (Hong & Pluye, 2018): der Industrie- zur Wissensgesell- digkeit und zum anderen durch die schaft und die politisch forcierte Linearität der Methodik verdeckt. Für » Ende der 1960er Jahre sorgt der lebensweltliche Dissemination wis- einen selbst-bewussten Umgang mit politische Wandel, v. a. gesund- senschaftlicher Ergebnisse sorgen derartigen Verfahren ist es nötig, die heits- und bildungspolitische für eine Integration von systema- mitlaufenden Prämissen sichtbar Strategien evidenzbasiert zu ge- tisch geordnetem Erfahrungswis- zu machen, was wir für zwei unter- stalten, für einen massiven Ent- sen bis zur individuellen Ebene. schiedliche Arbeitsweisen der em- wicklungsschub für systematische Zusätzlich vergrößert sich das pirischen Sozialforschung und ihrer Übersichtsarbeiten (Light & Smith, Portfolio an Review-Methoden. Integration in systematische Litera- 1971) und stimuliert die ersten Die exponentielle Steigerung der turübersichten exemplarisch andeu- Anfänge einer Review-Methode, wissenschaftlichen Publikationen ten wollen. Damit beschränken wir die quantitative Effekte von Inter- sorgt für einen orientierenden und unsere Grenzanalyse auf solche The- ventionen systematisch zusam- zeitlich angepassten Bedarf (z. B. men, die zunächst für die (in einem menfasst (Systematic Reviews). Scoping Reviews, Reviews of Sys- weiten Sinne) sozialwissenschaft- Innerhalb der empirischen Wis- tematic Reviews, Rapid Reviews) lichen Arbeitsfelder der Sportwis- senschaften setzen sich zudem und die Entwicklung von Tech- senschaft von Relevanz sind (z. B. randomisierte kontrollierte Studi- nologien, die den Reviewprozess innerhalb der Sportsoziologie, der en (RCTs) als Goldstandard durch teilweise automatisieren. Komple- Sportpädagogik, der Sportpsycholo- und regen die Entwicklung von xe Fragestellungen führen zur Ent- gie, der Sportökonomie). Die folgen- metaanalytischen Aggregations- wicklung von Mixed-Method Re- den Überlegungen erfolgen selbst verfahren für Interventionseffekte views (z. B. Integrative Reviews, nicht durch einen ‚Blick von nirgend- an (Glass, 1976). Die computerge- Realist Reviews, Metanarrative- wo‘ (Thomas Nagel), sondern haben stützte Erfassung von bibliografi- Reviews). ihren Ort in einer spezifischen Kons- schen Indizes erleichtert die Zu- tellation wissenschaftlicher Kommu- gänglichkeit zu den Studien. Die fortlaufende Verbreitung und nikationen. Dieser Ort ist das bereits » Ab den 1990er Jahren etabliert sich Ausdifferenzierung systematischer angesprochene Interesse an einer re- die Orientierung an wissenschaftli- Literaturübersichten hat einen Impact flexiven Sportwissenschaft, die sich chem Erfahrungswissen nach und auf die Gestalt moderner (Sport-) gegen eine Reduzierung der Sport- nach als Qualitätsmerkmal für pro- Wissenschaft, der eine Kritik im Sin- wissenschaft auf eine angewandte fessionelles Entscheiden und Han- ne einer Analyse von Grenzen jener Sportwissenschaft positioniert. Im deln, z. B. von Klinikpersonal, in Praxis verlangt. Dieses Anliegen ist Sinne von Michel Foucault sind sol- Unternehmen oder von Lehrkräf- im Kontext einer reflexiven Sportwis- che Konstellationen ein Beispiel für ten. Organisationen und internatio- senschaft verortet, für die eine Refle- Macht-Wissens-Komplexe, in de- nale Netzwerke profilieren sich, um xion von Grundannahmen und Be- nen immer nur bestimmte Aussagen die evidenzbasierten Politik- und dingungen sportwissenschaftlichen möglich sind, die wiederum spezifi- Berufspraktiken mit Systematic Wissens zu den zentralen Facetten sche Wahrheiten produzieren. Das Reviews zu versorgen und das moderner Sportwissenschaft gehört heißt, dass weder systematische Li- methodische Inventar zu verbes- (Schürmann & Körner, 2014). Wir ge- teraturübersichten noch ihre kritische sern (z. B. Cochrane Collaborati- hen in diesem Sinne davon aus, dass Reflexion ‚kostenlos‘ zu haben sind. on, 1993; Campbell Collaboration, schon die implizite Parteinahme für 2000). Erste Guidelines und Critical die Ordnung empirischen Wissens Quantitative Sozialforschung Appraisal Tools für Systematic Re- Ausdruck sowohl einer spezifischen views werden entwickelt und stan- Problemstellung („Wie ist Ordnung Innerhalb der empirischen Sozial- dardisieren den Review-Prozess möglich?“) als auch eines spezifi- forschung hat sich ein Forschungs- für quantitative Interventionseffek- schen Verständnisses des Empiri- paradigma ausdifferenziert, das te (Moher et al., 1995). Methoden schen („Was ist evident der Fall?“) typischerweise als quantitative So- zur systematischen Zusammen- ist, das andere Möglichkeiten des zialforschung bezeichnet wird. Im fassung von qualitativen Studien Umgangs mit wissenschaftlichen weitesten Sinne geht es dieser For- werden entwickelt (z. B. Meta- Erkenntnissen ausschließt. schung darum, die empirische Struk- 12 | 2021(1)
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