Umsetzung des FINMA-Rundschreibens "Vergütungs systeme" bei Banken

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Peyer/Schaub, Umsetzung des FINMA-Rundschreibens «Vergütungssysteme» bei Banken                           SJZ 107 (2011) Nr. 7   149

Umsetzung des FINMA-Rundschreibens «Vergütungs­systeme»
bei Banken
Variable Vergütungen im Spannungsfeld zwischen Regulierung
und ­Zivilrecht
Dr. Patrik R. Peyer, Rechtsanwalt, LL.M. (Zürich), und lic. iur. Roland Schaub, Rechtsanwalt (St. Gallen)

I.    Einleitung                                     langfristige Erfolge eines Unterneh-      Die Autoren präsentieren mit ihrem Konzept
                                                     mens berücksichtigt wurden und dies       der «differenzierten Akzessorietät» einen
Im Zuge der weltweiten Finanzkrise                                                             Lösungsansatz zur Festlegung der Vergü-
                                                     die Vergütungsempfänger dazu ani-
gerieten die als exzessiv erachteten                                                           tungshöhe, der grösstenteils in Einklang
                                                     mierte, bei ihrer Geschäftstätigkeit
Entlöhnungen von Verwaltungsrats-                                                              steht mit den im FINMA-Rundschreiben
                                                     überdurchschnittliche Risiken einzu-      ­geforderten Elementen: Transparenz, Bere-
und Geschäftsleitungsmitgliedern ver-
                                                     gehen2.                                    chenbarkeit und hohe Flexibilität. Kernele-
mehrt nicht nur ins Visier der Aktio-
                                                        Leistungs- und erfolgsabhängige         ment der «differenzierten Akzessorietät» ist
näre, sondern auch der Regulatoren
                                                     Vergütungen sind dennoch zentrale          die Einteilung der Lohnbereiche in fünf plus
und Gesetzgeber1. Die Hauptkritik be-                                                           eine Stufe, wobei für jeden Lohnbereich ein
                                                     Verhaltenssteuerungsinstrumente, wel-
stand darin, dass vorwiegend kurzfris-                                                          maximal zulässiger variabler Anteil der Ver-
                                                     che aus der heutigen Wirtschafts- und
tige Gewinne belohnt, nicht aber                                                                gütung im Verhältnis zur Gesamtentschädi-
                                                     Arbeitswelt kaum mehr wegzudenken
                                                                                                gung definiert wird. Das Konzept ermög-
                                                     sind. Ziel muss es aber sein, dass Ver-
                                                                                                licht, auf dynamische Entwicklungen zu
                                                     gütungsanreize so ausgestaltet wer-        reagieren. Nicht die im medialen Interesse
                                                     den, dass sie den Einzelnen «risiko-       stehende absolute Höhe der ausgerichteten
1
     Freilich ist die Debatte um das richtige Mass   optimal motivieren»3.                      Vergütung steht im Zentrum, sondern die
     von Vergütungen alles andere als neu; vgl.         In der Schweiz hat die Finanz-          konkrete Ausgestaltung der Vergütung, die
     bspw. Daniel Daeniker, Vergütung von Ver-                                                  Aufteilung in fixe und variable Bestandteile
                                                     marktaufsicht (FINMA) als zuständiger
     waltungsrat und Geschäftsleitung schwei-                                                   und deren Nachvollziehbarkeit.          Zi.
     zerischer Publikumsgesellschaften – Eine        Regulator rasch auf die Vergütungsdis-
     Bestandesaufnahme aus rechtsvergleichen-        kussion und die Forderung nach wirk-      Avec leur concept d’«accessoriété différen-
     der Sicht, SJZ 101 (2005) 381, m.w.Verw.; s.    samen Massnahmen reagiert. In der         ciée», les auteurs proposent une solution
     weiter Lucian A. Bebchuk/Jesse M. Fried,        Form eines Rundschreibens (FINMA-         pour fixer le montant des rémunérations,
     Pay Without Performance, The Unfulfilled                                                  qui respecte en grande partie les éléments
                                                     RS 10/1) hat sie «Mindeststandards»
     Promise of Executive Compensation, Cam-                                                   posés par la circulaire de la FINMA: trans-
     bridge 2004, 174 ff. et passim.                 festgeschrieben, welche bei der Aus-
                                                                                               parence, prévisibilité et grande flexibilité.
2
     S. anstelle vieler: Financial Services Au-      gestaltung und Implementierung von
                                                                                               Le point central de l’«accessoriété diffé-
     thority (FSA), The Turner Review – A Regu-      Vergütungssystemen durch Finanzins-       renciée» réside dans l’échelonnement des
     latory Response to the Global Banking Cri-      titute einzuhalten sind4.                 classes de rémunération en cinq niveaux
     sis, London 2009, 79 ff., abrufbar unter           Die folgenden Ausführungen zu den      plus un. Pour chaque classe, il est prévu
      (zuletzt besucht am 12. August
                                                     variablen Vergütungen gemäss FINMA-       une part variable maximale de la rémuné-
     2010).                                          RS 10/1 und zum Spannungsfeld zwi-        ration, définie par rapport à l’ensemble des
3
     Hans Caspar von der Crone/Thomas Stei-          schen Regulierung und Zivilrecht, in      salaires. Le concept permet de réagir aux
     ninger, Corporate Governance – Zusam-           welchem sie sich bewegen, fokussie-       évolutions dynamiques. Le point central
     menspiel der Gesellschaftsorgane, ST 84                                                   n’est ainsi pas le montant maximal absolu
                                                     ren primär auf Banken, welche einen
     (2010) 87.                                                                                de la rémunération, contrairement à ce qui
4
     Das FINMA-RS 10/1 ist abrufbar unter
                                                     Grossteil ihrer Vergütungen in bar        retient l’attention des médias, mais sa
      (zuletzt          tenteils mutatis mutandis auch für        part fixe et variable, ainsi que la possibilité
     besucht am 1. Februar 2011).                    weitere Finanzinstitute bzw. andere       d’en comprendre la structure.             P.P.
150   SJZ 107 (2011) Nr. 7      Peyer/Schaub, Umsetzung des FINMA-Rundschreibens «Vergütungssysteme» bei Banken

Vergütungsarten Geltung haben dürf-      seit der Wirtschaftskrise liegt darin,             8
                                                                                                 S. Amstutz (Fn. 6) 198 ff., der diese Ent-
ten5.                                    dass auf unterschiedliche Weise ver-                    wicklung treffend als das «Referenzgrup-
                                         sucht wird, eine «Kongruenz zwischen                    pen-Syndrom» bezeichnet.
                                                                                            9
                                                                                                 Wissenschaftlich aufgearbeitet hat die
                                         Anreizen und Risiken» zu erreichen14.                   Frage von Wirkung und Nutzen der Trans-
II. Regulierung im Bereich der             Als Beispiel für die vielfältigen Be-                 parenz im Bereich der Vergütungsfragen
    ­Vergütungen                         strebungen auf internationaler Ebene                    Rashid Bahar, Executive Compensation: Is
                                         sind stellvertretend die neun wegwei-                   Disclosure Enough?, in Luc Thévenoz/Rashid
1. Regulierung vor der                                                                           Bahar (Hrsg.), Conflicts of Interest. Corpo-
                                         senden «Principles for Sound Compen-
   ­Wirtschaftskrise                                                                             rate Governance and Financial Markets,
                                         sation Practices» des Financial Stability               Genf 2007, 85 ff., insb. 103 ff.
Das Ausbalancieren der finanziellen      Board («FSB»; damals noch Financial                10
                                                                                                 Zur Entwicklung der CG in der Schweiz s.
Interessen der Unternehmensführun-       Stability Forum), welche anlässlich des                 anstelle vieler: Peter Böckli, Harte Stellen
gen mit den Interessen der Aktionäre     G-20-Gipfels im April 2009 präsentiert                  im Soft Law – Zum Swiss Code of Best
war seit Beginn der Corporate-Go-                                                                Practice for Corporate Governance, ST 76
                                         wurden, zu erwähnen15.                                  (2002) 981 ff.; Peter Forstmoser, Corporate
vernance-Diskussion eines der Kern-        In der Schweiz reagierte die FINMA                    Governance in der Schweiz – besser als ihr
anliegen6. Die Bestrebungen waren        schnell und erliess bereits am 11. No-                  Ruf, in Peter Forstmoser/Hans Caspar von
von der Idee geprägt, dass mehr          vember 2009 das FINMA-RS 10/1, mit                      der Crone/Rolf H. Weber/Dieter Zobl (Hrsg.),
Transparenz bei den Vergütungen das      welchem die internationalen Bestre-                     Corproate Governance, Symposium zum
Problem lösen und die Entscheidungs­                                                             80. Geburtstag von Arthur Meier-Hayoz, Zü-
                                         bungen und insbesondere die Vorga-                      rich 2002, 15 ff.
träger zu massvollem Handeln animie-     ben des FSB umgesetzt wurden.                      11
                                                                                                 Für eine detaillierte Erläuterung dieser Be-
ren würde7. Die so geschaffene Ver-        Die weiteren Regulierungsbestre-                      stimmungen s. anstelle vieler Karim Maizar/
gleichsmöglichkeit bez. der Ver-         bungen im Nachgang zur Wirtschafts-                     Rolf Watter, Transparenz der Vergütungen
gütungen weckte allerdings neue          krise sind von der Debatte um die                       und Beteiligungen von Mitgliedern des Ver-
Begehrlichkeiten8 und es wurde bald                                                              waltungsrates und der Geschäftsleitung
                                         oben erwähnte Volksinitiative «gegen                    (Art.663bbis und 663c Abs. 3 OR) – Entste-
offensichtlich, dass Transparenz al-     die Abzockerei» geprägt, welche noch                    hungsgeschichte, Normzweck sowie erste
leine nicht die Panazee sein konnte9.    in vollem Gange ist16.                                  praktische Anwendungsfragen, GesKR 1
  In chronologischer Reihenfolge                                                                 (2006) 349 ff.
wurden in der Zeit vor der Wirt-                                                            12
                                                                                                 S. insbesondere Gesetzesentwurf zur Bot-
                                                                                                 schaft zur Änderung des OR vom 21. Dezem-
schaftskrise folgende Transparenzbe-     5
                                             Die «in der ersten Runde» betroffenen Fi-
                                                                                                 ber 2007, BBl 2008 1751 ff.: Art. 697quater
strebungen unternommen:                      nanzinstitute haben ihre Vergütungssys-
                                                                                                 Abs. 2 OR; Art. 697quater Abs. 1 Ziff. 1–4 OR;
– Richtlinie der SWX Swiss Exchange          teme bei Publikation dieses Beitrags bereits
                                                                                                 Art. 697quinquies OR sowie Art. 627 Ziff. 4 OR.
                                             an das FINMA-RS 10/1 angepasst; zu be-
   (seit Oktober 2008 SIX Swiss Ex-          achten ist aber, dass die FINMA auch den
                                                                                            13
                                                                                                 Der genaue Wortlaut der Initiative ist in BBl
   change) betreffend Informationen                                                              2009 304 f., abgedruckt; die Initiative geht
                                             übrigen Finanzinstituten empfiehlt, die
                                                                                                 freilich weit über reine Transparenzbestre-
   zur Corporate Governance («RLCG»),        Grundsätze des Rundschreibens als Leitli-           bungen hinaus.
   in Kraft seit 1. Juli 2002;               nien für ihre Vergütungssysteme heranzu-       14
                                                                                                 Hausmann/Bechtold-Orth (Fn. 6) 197.
– Swiss Code of Best Practice for Cor-       ziehen und sie bei Bedarf auch dazu ver-       15
                                                                                                 Die FSF Grundsätze (Principles for Sound
                                             pflichten wird.
   porate Governance (SCBP) der eco-                                                             Compensation Practices) können abgerufen
                                         6
                                             Yannick Hausmann/Elisabeth Bechtold-                werden unter: 
- Art. 663bbis und 663c Abs. 3 OR in         Europe and the United States – A Legal              (zuletzt besucht am 14. August 2010); s. für
   Kraft seit 1. Januar 200711;              Analysis of Recent Developments in the              eine Übersicht zu den Bestrebungen in den
- Gesetzesentwurf betreffend die sog.        Wake of the Financial Crisis, EBOR 11 (2010)        wichtigsten G-20-Ländern Hausmann/
                                             196; Max D. Amstutz, Macht und Ohnmacht             Bechtold-Orth (Fn. 6) 195 ff.
   «grosse» Aktienrechtsrevision12;
                                             des Aktionärs – Möglichkeiten und Grenzen      16
                                                                                                 S. zur Entwicklung der parlamentarischen
- eidgenössische Volksinitiative «ge-        der Corporate Governance bei der Wahrung            Beratungen die «Übersicht über den Verlauf
   gen die Abzockerei»13.                    der Aktionärsinteressen, Zürich 2007, 187;          der Aktienrechtsrevision unter Berücksich-
                                             ausführlich hiezu a. Gion Giger, Corporate          tigung der Initiative gegen die Abzockerei»,
2. Regulierungsbestrebungen                  Governance als neues Element im schwei-             welche fortlaufend aktualisiert wird und
   ­aufgrund der Wirtschaftskrise            zerischen Aktienrecht, Zürich 2003, 389 ff.         auf der Webseite der Zeitschrift GesKR ab-
                                         7
                                             Guido Ferrarini/Niamh Moloney, Executive            rufbar ist 
licher vergütungsbezogener Vorstösse         Reform, Oxf Rev Econ Policy 21 (2005) 323.          (zuletzt besucht am 1. Februar 2011).
Peyer/Schaub, Umsetzung des FINMA-Rundschreibens «Vergütungssysteme» bei Banken                                        SJZ 107 (2011) Nr. 7   151

III. Entstehung und Analyse des                          die Stabilität von Finanzinstituten ge-             schen Anhörungsergebnisse sieht das
     FINMA-RS 10/1                                       fährden können»18. Materiell ging es                Rundschreiben weiterhin folgenden
                                                        der FINMA somit um Regeln zum Risi-                  Wortlaut vor27:
1. Entwurf des FINMA-RS und                             komanagement und um die Verbesse-                      «Das Finanzinstitut stellt sicher, dass die
    ­Anhörung                                           rung der Transparenz19.                              vertraglichen Vereinbarungen mit den be-
Am 3. Juni 2009 publizierte die FINMA                      Eine Durchsicht der im Rahmen der                 troffenen Personen den Anforderungen
den Entwurf für das Rundschreiben17.                    Anhörung eingegangenen Stellung-                     dieses Rundschreibens sowie des Vergü-
Dieser enthielt im Kern zehn Grund-                     nahmen20 zeigt, dass neben dem                       tungsreglements entsprechen. Soweit er-
sätze, welche als Min-deststandards                     ­Geltungsbereich21 insbesondere die                  forderlich sind Verträge anzupassen.»
dazu beitragen sollten, «dass Vergü-                     Inkonsistenz mit dem geltenden Ar-                    Flankiert wird diese Vorgabe von der
tungssysteme keine Anreize für unan-                     beitsrecht22 kritisiert wurde.                      Feststellung, wonach das Rundschrei-
gemessene Risiken schaffen, welche                                                                           ben die Regeln des Obligationenrechts
                                                                                                             ergänze, sie aber nicht ersetze28. Dies
                                                        2. Definitive Fassung des                            wirft die Frage nach dem Verhältnis
                                                           ­FINMA-RS                                         des Rundschreibens zum Obligatio-
17
     Der Entwurf zum FINMA-RS 10/1 ist ab-              Am 11. November 2009 veröffentlichte                 nenrecht auf.
     rufbar unter  (zuletzt                                                                3. Verhältnis FINMA-RS 10/1 zum
     besucht am 1. Februar 2011).                       2010 in Kraft23. Die Bestimmungen sind
                                                                                                                Obligationenrecht im Allgemei-
18
     FINMA, Erläuterungsbericht zum [Entwurf]           von den betroffenen Instituten seit dem
                                                                                                                nen
     Rundschreiben «Vergütungssysteme», Bern            1. Januar 2011 vollständig einzuhalten.
     2009, 6, abrufbar unter  (zuletzt besucht am 28. Oktober 2010).                                                             darin ihre «intendierte Praxis» dar29.
19
     FINMA-RS 10/1, Grundsatz 9.
                                                        terschiedlich ausgefallen.
20
     Die Anhörungsresultate sind abrufbar unter           Beim Geltungsbereich legt das                      Die Kompetenz bezüglich des Rege-
                   definierten Schwellenwert von min-                   ten FINMA-RS 10/1 stützt die FINMA
     (zuletzt besucht am 1. Februar 2011).              destens 2 Milliarden Eigenmitteln                    soweit ersichtlich auf die für Finanz-
21
     S. bspw. Schweizerischer Bankpersonalver-          fest24. Diese Änderung hat zur Folge,                institute geltenden Bestimmungen zu
     band, Stellungnahme, 2; Verband Schwei-            dass bei den Banken nur sieben Insti-                Risikoüberwachung und Risikoma-
     zerischer Kantonalbanken, Stellungnahme,                                                                nagement sowie zur internen Kont-
     4; RBA Holding, Stellungnahme, 2; Vereini-
                                                        tute verpflichtet sind, die Vorgaben
     gung Schweizerischer Handels- und Ver-             des FINMA-RS 10/1 umzusetzen25.                      rolle30. Die FINMA schreibt dazu31:
     waltungsbanken, Anhörung, 2; sowie AEK             Den übrigen Instituten wird die Ein-                    «Banken, […] müssen sich so organi­
     Bank, Anhörung, 1.                                 haltung immerhin nahegelegt26.                       sieren, dass sie alle wesentlichen Risiken
22
     S. bspw. CVP, Anhörung, 2; Centre Patronal,          Die Frage der Inkonsistenz mit dem                 erfassen, begrenzen und überwachen
     Anhörung, 7; umfassend auch die Stellung-          geltenden Arbeitsrecht adressiert die                können. […] Aus Anreiz- und Vergütungs-
     nahme der Universität St. Gallen.                                                                       systemen ergeben sich Risiken, welche die
                                                        FINMA nur marginal. Trotz der kriti-
23
     Das FINMA-RS 10/1 ist abrufbar unter                                                                    Finanzinstitute ebenfalls in ihr Risikoma-
      (zuletzt             30
                                                             Für Bankinstitute stützt sich die FINMA so-
     besucht am 1. Februar 2011).                            mit auf Art. 3 Abs. 2 lit. a, 3f und 3g BankG   angemessenes Vergütungssystem bildet
24
     FINMA-RS 10/1, N 6; dies gilt freilich auch             und Art. 9 Abs. 2–4 BankV.                      im Weiteren Bestandteil eines effektiven
     für Versicherungen.                                31
                                                             FINMA, Erläuterungsbericht, 32 f.               Risikomanagements und einer angemes-
25
     FINMA-RS 10/1, N 5–7; FINMA, Bericht, 14.          32
                                                             Dieter Zobel/Stefan Kramer, Schweizerisches     senen Organisation eines Finanzinsti-
26
     FINMA-RS 10/1, N 8.                                     Kapitalmarktrecht, Zürich 2004, 50 f.; BVGE     tuts.»
27
     FINMA-RS 10/1, N 26.                                    B-7765/2008 vom 14. Dezember 2009, Erw.           Gemäss herrschender Lehre und
28
     FINMA-RS 10/1, N 3.                                     8.4.1; Christoph Winzeler, BSK FINMAG,
29
     Peter Nobel, Schweizerisches Finanzmarkt-               2. A., Basel 2011, N 19 zu Art. 7, bezeichnet
                                                                                                             Rechtsprechung werden die Rund-
     recht, 3. A., Bern 2010, §8 N 33; die Kompe-            die Rundschreiben als «eine Art Soft law».      schreiben als Verwaltungsverordnung
     tenz der FINMA zum Erlass von Rundschrei-          33
                                                             BVGE B-7765/2008 vom 14. Dezember               qualifiziert32, welche nicht zu neuen
     ben ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 lit. b FINMAG.        2009, Erw. 8.4.1.                               Rechten und Pflichten führen33.
152   SJZ 107 (2011) Nr. 7                                           Peyer/Schaub, Umsetzung des FINMA-Rundschreibens «Vergütungssysteme» bei Banken

Rundschreiben dienen der Schaffung                                           jenen Teil der Gesamtvergütung, des-                              men, wenn dem Arbeitgeber zumin-
einer einheitlichen Verwaltungspra-                                          sen Ausrichtung oder Höhe in einem                                dest bei der Festsetzung der Höhe ein
xis34. Das FINMA-RS 10/1 kann somit                                          gewissen Ermessen des Finanzinstitu-                              Ermessen zusteht41.
nicht als Rechtsgrundlage für eine                                           tes steht oder vom Eintritt vereinbar-                               Besteht das Ermessen bezüglich
Verfügung der FINMA dienen, aber die                                         ter Bedingungen abhängt. Im Ver-                                  Grundsatz und Höhe der Sonderver-
FINMA kann ihre Verfügung unter Zu-                                          ständnis der FINMA fallen darunter                                gütung wird von einer «echten», liegt
hilfenahme des FINMA-RS 10/1 bzw.                                            alle leistungs- und erfolgsabhängigen                             das Ermessen lediglich in der Höhe,
der darin festgehaltenen Verwal-                                             Vergütungen, aber auch Antritts- und                              wird von einer «unechten Gratifika-
tungspraxis begründen.                                                       Abgangsentschädigungen38.                                         tion» gesprochen42. Sind hingegen so-
  Erlässt aber die FINMA eine Ver­                                                                                                             wohl der Grundsatz wie auch die
fügung, welche dem Gesetz – beispiels-                                       b) Terminologie im Obligationenrecht                              Höhe einer Sondervergütung vertrag-
weise dem OR – widerspricht, so kann                                         Die Vergütung ist arbeitsrechtlich un-                            lich bestimmt oder objektiv bestimm-
die betreffende Verfügung beim Bun-                                          ter der Bezeichnung «Lohn» in Art. 322                            bar, so handelt es sich um eine «Son-
desverwaltungsgericht angefochten                                            ff. OR geregelt39. Als variable Lohnbe-                           dervergütung mit Lohncharakter» und
werden35. Dieses ist als verwaltungs-                                        standteile kennt das Arbeitsrecht den                             damit um einen Lohnbestandteil43.
unabhängige Instanz an Verwaltungs-                                          «Anteil am Geschäftsergebnis», die                                Zudem muss die Gratifikation «akzes-
verordnungen und somit an Rund-                                              «Provision», die «Gratifikation» sowie                            sorisch» sein. Das heisst, sie darf, «um
schreiben der FINMA nicht gebunden36.                                        den «Akkordlohn». Freilich werden die                             den Charakter einer Sondervergütung
                                                                             in der (Banken-)Praxis anzutreffen-                               zu wahren, neben dem Lohn nur eine
                                                                             den Varianten der variablen Vergü-                                zweitrangige Bedeutung haben»44.
4. Verhältnis des Vergütungs­                                                tungen anderes bezeichnet und diffe-
   begriffs im FINMA-RS 10/1 zur                                             renzierter ausgestaltet.
   Terminologie im Obligationen-                                                Als Gratifikation bezeichnet Art.
   recht                                                                     322d Abs. 1 OR eine Sondervergü-
                                                                                                                                               34
                                                                                                                                                    Christoph B. Bühler, Regulierung im Bereich
                                                                                                                                                    der Corporate Governance, Zürich 2009, § 9
a) Vergütungsbegriff im FINMA-RS                                             tung, die der Arbeitgeber neben dem                                    Rz. 816.
    10/1                                                                     Lohn bei bestimmten Anlässen aus-                                 35
                                                                                                                                                    Art. 54 Abs. 1 FINMAG i.V.m. Art. 33 lit. e
Im Gegensatz zum allgemeinen                                                 richtet. Gemäss ständiger Praxis des                                   VGG; s. a. Botschaft zum FINMAG vom
Sprachgebrauch und zu den Medien,                                            Bundesgerichts zeichnet sich eine                                      1. Februar 2006, BBl 2006 2829 ff., 2892 f.
                                                                                                                                               36
                                                                                                                                                    BVGE B-7765/2008 vom 14. Dezember
in welchen der Begriff «Bonus» allge-                                        Gratifikation dadurch aus, «dass sie
                                                                                                                                                    2009, Erw. 8.4.1.
genwärtig ist, verwendet das FINMA-                                          zum Lohn hinzutritt und in einem ge-                              37
                                                                                                                                                    FINMA-RS 10/1, passim.
RS 10/1 den Begriff «variable Vergü-                                         wissen Masse vom Willen des Arbeit-                               38
                                                                                                                                                    FINMA-RS 10/1, N 12.
tung»37. Die FINMA versteht darunter                                         gebers abhängt»40. Dies ist anzuneh-                              39
                                                                                                                                                    Manfred Rebinder/Jean-Fritz Stöckli, Ber-
                                                                                                                                                    ner Kommentar zum schweizerischen Pri-
                                                                                                                                                    vatrecht, Bank VI, 2. Abteilung, 2. Teilband,
                                                   VARIABLE VERGÜTUNG…                                                                              1. Abschnitt, Bern 2010, N 30 ff. zu Art. 322
                                                                                                                                                    OR.
1.                                                                                                                                             40
                                                                                                                                                    Vgl. statt vieler: BGer-Urteil 4A_28/2009
                                                                                       … ist betragsmässig festgelegt oder
           … liegt im Ermessen des Arbeitgebers?
                                                                              aufgrund eindeutiger, objektiver Kriterien berechenbar?               vom 26. März 2009, Erw. 2.3.
                                                                                                                                               41
                                                                                                                                                    BGer-Urteil 4A_28/2009 vom 26. März 2009,
     … betreffend Grundsatz                         … betreffend Höhe                                                                               Erw. 2.3 m.w. Verw.
         = ECHTE                                     = UNECHTE
                                                                                                                                               42
                                                                                                                                                    Vgl. statt vieler: Rehbinder/Stöckli (Fn. 39)­
                                                                                         = VARIABLER LOHNBESTANDTEIL
       GRATIFIKATION                                GRATIFIKATION                                                                                   N 11 zu Art. 322d OR.
                                                                                                                                               43
                                                                                                                                                    Der wichtigste Anwendungsfall ist der
2.                                                                                                                                                  13. Monatslohn; s. Wolfgang Portmann,
        … und erfüllt die Kriterien der Akzessorietät?                                                                                              Kommentar zu Art. 319–362 OR, in Heinrich
                                                                                                                                                    Honsell/Nedim Peter Vogt/Wolfgang Wie-
               Ja                                              Nein
                                                                                                                                                    gand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligatio-
                                                                                                                                                    nenrecht I, Art. 1–529 OR, 4. A., Basel 2007,
                                                                                                                                                    N 16/17 zu Art. 322d.
  GRATIFIKATION                                                                         LOHN                                                   44
                                                                                                                                                    Vgl. statt vieler: BGer-Urteil 4A_28/2009
          (Art. 322d OR)                                                     (Art. 322 / 322a / 322b / 326 OR)
                                                                                                                                                    vom 26. März 2009, Erw. 2.3.

                    EMBA 37 | Peyer / Schaub | FINMA-RS 10/1                                                                     Abbildung 4
Peyer/Schaub, Umsetzung des FINMA-Rundschreibens «Vergütungssysteme» bei Banken                            SJZ 107 (2011) Nr. 7   153

  Variable Vergütungen, welche die                   gen, dass die Zuteilung von nachhalti-       schäftsjahres auszurichten ist55. Diese
beiden Elemente «Ermessen» und «Ak-                  gen und nachvollziehbaren Krite­rien         relativ zwingende Regelung kann nur
zessorietät» nicht aufweisen, sind als               abhängt, welche ihrerseits der Ge-           zugunsten des Arbeitnehmers abge-
Lohn zu qualifizieren45. Die Abgren-                 schäfts- und Risikopolitik des Finanz-       ändert werden56. Bei Beendigung des
zung kann grafisch wie folgt darge-                  instituts entsprechen47. Schwere Ver-        Arbeitsverhältnisses werden die Lohn-
stellt werden46:                                     stösse gegen interne oder externe            forderungen fällig57. Kommt der Ar-
                                                     Vorschriften müssen zu einer Reduk-          beitgeber seiner Lohnzahlungspflicht
                                                     tion oder zu einer Verwirkung füh-           trotz Fälligkeit nicht nach, gerät er in
                                                     ren48. Soweit aufgrund des Risikopro-        Schuldnerverzug58.
IV. Spannungsfeld zwischen                                                                           Ist die Vergütung hingegen als Gra-
                                                     fils angezeigt, ist ein Teil der variablen
    ­Regulierung und Zivilrecht bei                                                               tifikation zu qualifizieren, sind ander-
                                                     Vergütung in aufgeschobener Form
     variablen Vergütungen                                                                        weitige Fälligkeitsabreden zulässig59.
                                                     auszurichten49.
1. Antinomie von Berechenbarkeit                        Werden diese Vorgaben der FINMA
   und Flexibilität als                              (Transparenz und Berechenbarkeit bei         3. Lohnrückbehalt
   ­Grund­problematik                                gleichzeitig hoher Flexibilität) den zi-     Art. 323a Abs. 2 OR ergänzt unter der
Die Finanzinstitute haben bei den                    vilrechtlichen Instrumenten gegen-           Marginalie «Lohnrückbehalt», dass
­variablen Vergütungen dafür zu sor-                 über gestellt, ist ersichtlich, dass das     vom fälligen Lohn einer einzelnen
                                                     Arbeitsrecht diese Vorgaben nicht in         Lohnperiode nicht mehr als 10% und
                                                     Kombination vorsieht50. Es bietet nur        insgesamt nicht mehr als der Lohn für
45
     Vgl. a. Thomas Geiser, Boni zwischen Pri-       Transparenz und Berechenbarkeit bei          eine Arbeitswoche zurückbehalten
     vatrecht und öffentlichem Interesse, recht      hoher Starrheit des Vergütungssys-           werden darf.
     27 (2009) 115 ff., 116.                         tems (variable Vergütung als Lohnbe-           Keine gesetzlichen Regelungen zum
46
     Eine Versicherung des Bonus in der berufli-     standteil) oder hohe Flexibilität, ge-
     chen Vorsorge wertet das BGer lediglich als                                                  Rückbehalt bestehen bei einer Vergü-
                                                     paart mit einem sehr ausgeprägten            tung, die als Gratifikation qualifiziert
     Indiz für das Vorliegen eines Lohnbestand-
     teils, s. BGer-Urteil 4C.6/2003 vom 24. April   Ermessen auf Seiten der Arbeitgeber          wird.
     2003, Erw. 3.3.                                 (variable Vergütung als Gratifikation)
47
     FINMA-RS 10/1, N 45.                            an.
48
     FINMA-RS 10/1, N 46.                               Unabhängig von der durch die              4. Reduktion
49
     FINMA-RS 10/1, N 49.                                                                         Das FINMA-RS 10/1 verlangt, dass so-
                                                     FINMA verwendeten Terminologie sind
50
     Patrik R. Peyer/Roland Schaub, Finma-
     Richtlinie stösst auf rechtliche Barrieren –    die variablen Vergütungen arbeits-           wohl der Gesamtpool der variablen
     Variable Vergütungen für den Finanzsektor       rechtlich in die bestehenden Vergü-          Vergütungen als auch die Ausrichtung
     stehen im Spannungsfeld zwischen Regu-          tungskategorien Lohn resp. Gratifika-        der nicht aufgeschobenen variablen
     lierung und Zivilrecht, NZZ vom 4. Juni         tion einzuordnen51.                          Vergütungen bei schlechtem Ge-
     2010, Nr. 126, 31.                                                                           schäftsverlauf, namentlich bei einem
51
     Universität St. Gallen, Anhörung, 2.
52
     FINMA-RS 10/1, N 49.
                                                                                                  Verlust, reduziert werden oder gänz-
                                                     2. Fälligkeit                                lich entfallen60.
53
     FINMA-RS 10/1, Grundsatz 7 und insb. N 52.
54
     Art. 323 Abs. 1 OR.                             Das FINMA-RS 10/1 verlangt, dass ein            Grundsätzlich ist eine Lohnreduk-
55
     Art. 323 Abs. 3 OR.                             Teil der (variablen) Vergütung in auf-       tion eine Vertragsänderung und be-
56
     Rehbinder/Stöckli (Fn. 39) N 10 zu Art. 323.    geschobener Form ausgerichtet wird,          darf der Zustimmung beider Parteien.
57
     Art. 339 Abs. 1 OR; diese Bestimmung ist
                                                     soweit dies aufgrund des Risikoprofils       Kürzt der Arbeitgeber den Lohn ohne
     gemäss Art. 361 OR absolut zwingend.
58
     Rehbinder/Stöckli (Fn. 39) N 7 und N 25 zu      angezeigt ist52. Die minimale Auf-           Zustimmung des Arbeitnehmers, gerät
     Art. 323; zudem kann der Arbeitnehmer in        schiebungsfrist beträgt dabei drei           er in Schuldnerverzug61. Die Recht-
     analoger Anwendung von Art. 82 OR die           Jahre53.                                     sprechung geht davon aus, dass eine
     Arbeitsleistung verweigern.                       Das Arbeitsrecht sieht jedoch vor,         Lohnkürzung zulässig sein kann, wenn
59
     Portmann (Fn. 43) N 10 zu Art. 322d.
                                                     dass dem Arbeitnehmer der Lohn am            dem Arbeitgeber dieses Recht im Ar-
60
     FINMA-RS 10/1, N 42 und N 56.
61
     Rehbinder/Stöckli (Fn. 39) N 19 zu Art. 322;    Ende jedes Monats54 oder beim Anteil         beitsvertrag eingeräumt wurde62.
     s. a. Universität St. Gallen, Anhörung, 3.      am Geschäftsergebnis spätestens                 Ist die variable Vergütung hingegen
62
     JAR 1981 246 ff.                                sechs Monate nach Ablauf des Ge-             als Gratifikation zu qualifizieren, ist
154   SJZ 107 (2011) Nr. 7        Peyer/Schaub, Umsetzung des FINMA-Rundschreibens «Vergütungssysteme» bei Banken

eine Reduktion rechtlich möglich,          gung zugeteilt werden kann, dass im       rungsrechts der variablen Vergütun-
liegt es doch gerade in der Natur der      Zeitpunkt ihrer definitiven Auszah-       gen stellen, hält die FINMA fest, dass
Gratifikation, dass ihr Bestand oder       lung kein Verlust eingetreten ist70.
ihre Höhe im alleinigen Ermessen des
Arbeitgebers liegen63.                                                               63
                                                                                          Portmann (Fn. 43) N 10 zu Art. 322d.
                                           V. Einige Lösungsansätze                  64
                                                                                          FINMA-RS 10/1, Rz. 55.
                                                                                     65
                                                                                          Universität St. Gallen, Anhörung, 3.
5. Rückforderung und                       1. Vorbemerkungen                         66
                                                                                          Christoph Senti, Die Abgrenzung zwischen
   ­Bedingungen                            Den aufgezeigten zivilrechtlichen              Leistungslohn und Gratifikation, AJP 11
                                                                                          (2002) 669 ff., 675.
Das FINMA-RS 10/1 verlangt, dass           Problemen könnte am einfachsten           67
                                                                                          Vgl. statt vieler: Thomas Geiser, Arbeits-
aufgeschobene Vergütungen ganz             mit einer Rückkehr zu rein fixen               rechtliche Aspekte im Zusammenhang mit
oder teilweise zurückgezogen werden        ­Ver­gütungen begegnet werden. Diese­          Leistungslohn, AJP 10 (2001) 382; Senti
können, falls im Verantwortungsbe-          auf den ersten Blick attraktive               (Fn. 66) 671; s. a. Conradin Cramer, Der Bo-
                                            ­Variante71 führt allerdings zu un­           nus als Malus – Zur Überwälzung von Ge-
reich der betreffenden Person Verluste                                                    schäftsverlusten auf Arbeitnehmer, AJP 17
erwirtschaftet werden und eine Rück-       erwünschten Begleiterscheinungen:
                                                                                          (2008) 535 ff., 539; Rehbinder/Stöckli
forderung für das Risikobewusstsein        Verminderung der Anreize zur Er­               (Fn. 39) N 38 ff. zu Art. 324.
und die Nachhaltigkeit förderlich und      bringung von Höchstleistungen, Er-        68
                                                                                          Geiser (Fn. 45) 123; Daniel Leu, Variable
verhältnismässig ist64. Diese Verfalls-    höhung des Risikos für die Abwerbung           Vergütungen für Manager und Verwal-
und Rückzahlungsklauseln («Claw­           hochqualifizierter Mitarbeiter, etc.72.        tungsräte, Zürich 2005, 86 f.; vgl. auch Art.
                                           Zudem verliert ein Unternehmen, das            533 Abs. 3 OR.
backs»/«Malus») sind rechtlich als die                                               69
                                                                                          Rehbinder/Stöckli (Fn. 39) N 5 zu Art. 322a;
Anknüpfung der definitiven Auszah-         auf variable Vergütungen verzichtet,           Geiser (Fn. 45) 123; im Resultat überein-
lung der aufgeschobenen variablen          ein hohes Mass an finanzieller Flexibi-        stimmend Cramer (Fn. 67) 539, aber mit der
Vergütung an eine Bedingung zu qua-        lität, können variable Vergütungen             Begründung der arbeitsrechtlichen Risiko-
lifizieren. Diese Klauseln stehen im       doch auch als Puffer dienen, um in             verteilung gemäss Art. 324 OR als Grenze.
                                           Krisenzeiten den Personalaufwand
                                                                                     70
                                                                                          In BGer-Urteil 4A_115/2007 vom 13. Juli
Widerspruch zum Umstand, dass der                                                         2007, Erw. 4.3.1, hat das BGer explizit fest-
Arbeitnehmer «einen vom Ergebnis ­­un-     senken zu können, ohne Mitarbeiter             gehalten, dass eine Gratifikation bspw. «von
abhängigen Lohnanspruch besitzt»65,        entlassen zu müssen73.                         der Bedingung abhängig gemacht werden»
der nicht an Bedingungen geknüpft              Nicht näher beleuchtet werden vor-         kann, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt
werden darf66, da das Betriebs- und        liegend die diversen Vorschläge zur            der Fälligkeit noch im Betrieb arbeitet.
                                           analogen Anwendung der für Tantie-
                                                                                     71
                                                                                          Bereits 2003 schlug dies Margit Osterloh, in
Wirtschaftsrisiko nach Lehre und                                                          Zurück zu fixen Löhnen für Manager, NZZaS
Rechtsprechung durch den Arbeitge-         men geltenden Regelung auf variable
                                                                                          vom 23. März 2003, Nr. 12, 47 f., vor.
ber zu tragen ist67. Eine eigentliche      Vergütungen. In diesem Zusammen-          72
                                                                                          Amstutz (Fn. 6) 220 f.; neuerdings scheint
Verlustbeteiligung kann nicht im Rah-      hang ist lediglich festzuhalten, dass          eine Art Gegenbewegung einzusetzen, in-
men eines Arbeits-, sondern höchs-         der Auffassung, diejenigen Unterneh-           dem die UBS gewissen Mitarbeitern «hö-
                                           men, welche in den Anwendungsbe-               here Fixgehälter anstelle von ‹unsicheren›
tens im Rahmen eines Gesellschafts-                                                       Boni zugesichert hat», um sie im Unterneh-
vertrages vereinbart werden68.             reich des FINMA-RS 10/1 fallen, könn-
                                                                                          men halten zu können, vgl. Handelszeitung
   Wird die aufgeschobene variable         ten in Zukunft keine Tantiemen mehr            vom 3. November 2010, 25.
Vergütung jedoch als Lohn in Form ei-      ausrichten74, u.E. nicht beigepflichtet   73
                                                                                          S. a. Stefan Hostettler, Managersaläre, Zü-
nes Anteils am Geschäftsergebnis im        werden kann75.                                 rich 2010, 45 f., für den eine vollständige
Sinne von Art. 322a OR ausgerichtet,           Im Folgenden werden zwei Lösungs-          Beschränkung auf Fixlöhne «ganz undenk-
                                           ansätze aufgezeigt, welche ohne Ge-            bar» ist.
so ist in analoger Anwendung von                                                     74
                                                                                          Vgl. Pascal Zysset, Aktienrechtliche Aspekte
Art. 349a Abs. 2 OR die Vereinbarung       setzesänderung umsetzbar sind.                 von Bonuszahlungen an Verwaltungsräte,
einer Verlustbeteiligung unter gewis-                                                     Jusletter 19. April 2010, , N 32.
sen Voraussetzungen zulässig69.            2. Qualifikation als Anwartschaft         75
                                                                                          S. als Bsp. Schaffung von bedingtem Kapital
                                                                                          für ESOP gemäss Art. 627 Ziff. 6 i.V.m.
   Ist die variable Vergütung als Grati-   Im Zusammenhang mit den rechtli-
                                                                                          Art. 698 Abs. 2 Ziff. 1 OR, welche – trotz
fikation zu qualifizieren, ist eine        chen Schwierigkeiten, welche sich bei          grundsätzlicher VR-Kompetenz der Ent-
Rückforderung rechtlich möglich, da        der Umsetzung des Aufschubes der               schädigungen – ebenfalls vorgängig die
eine Gratifikation unter der Bedin-        Auszahlung sowie des Rückforde-                Zustimmung der GV benötigt.
Peyer/Schaub, Umsetzung des FINMA-Rundschreibens «Vergütungssysteme» bei Banken                             SJZ 107 (2011) Nr. 7   155

«derartige aufgeschobene Vergütun-                     zerstören vermag»78. Es handelt sich        che mit einem auf diese Weise aus­
gen als Anwartschaften ausgestaltet»                   somit um eine Art «qualifiziertes Ent-      gestalteten Rückforderungsrecht des
werden76.                                              wicklungsstadium auf dem Weg zum            Arbeitgebers versehen ist, kann aus
  Der Rechtsfigur «Anwartschaft»                       Vollrecht»79.                               Sicht der begünstigten Person recht-
wurde in der schweizerischen Lehre                          Die FINMA schreibt vor, dass die be-   lich als Anwartschaft qualifiziert wer-
bisher nur im Zusammenhang mit                         günstigte Person über aufgeschobene         den, mit welcher sich die Vorgaben
Fragen der beruflichen Vorsorge, des                   Vergütungen erst nach Ablauf einer          der FINMA im Einklang mit dem Zivil-
Zwangsvollstreckungsrechts oder im                     Frist frei verfügen und dass der Wert       recht umsetzen lassen.
Bereich des Eigentumsvorbehalts Be-                    der aufgeschobenen Vergütung sich
achtung geschenkt77. In der deutschen                  während der Frist ändern kann80. Die
Literatur und Rechtsprechung wird                      Wertänderungen während der rele-            3. Konzept der differenzierten
von einer Anwartschaft gesprochen,                     vanten Aufschubsperiode müssen                 ­Akzessorietät
«wenn von dem mehraktigen Entste-                      «symmetrisch zur Entwicklung klar           a) Akzessorietät
hungstatbestand eines Rechts schon                     definierter und objektiver Bemes-           Sind die Vorgaben im FINMA-RS 10/1
so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass              sungskriterien, welche Erträge, Auf-        rechtlich korrekt umzusetzen, so hat
von einer gesicherten Rechtstellung                    wendungen und Kapitalkosten voll-           ein Finanzinstitut darauf zu achten,
des Erwerbers gesprochen werden                        umfänglich berücksichtigen oder vom         dass die variablen Vergütungen mög-
kann, die der Veräusserer nicht mehr                   Unternehmenswert abhängig sind,             lichst als Gratifikation und nicht als
durch eine einseitige Erklärung zu                     ­erfolgen»81. Es kann mithin von einer      Lohnbestandteil qualifiziert werden.
                                                        gesicherten Rechtsstellung der be-         Die aktuelle Bundesgerichtspraxis
                                                        günstigten Person gesprochen wer-          zeigt, dass dabei die Vorgaben zur Ak-
                                                        den, denn bei einer entlang der            zessorietät den kritischen Faktor dar-
76
     FINMA, Bericht, 27; gemäss dem Vergü-              ­Vorgaben des FINMA-RS 10/1 ausge-         stellen. Zwar sind die Überlegungen
     tungsbericht 2010 der Zürcher Kantonal-
                                                         stalteten aufgeschobenen Vergütung        des Bundesgerichtes, wonach im Fall
     bank hat diese neu sog. Langzeitanwart-
     schaften eingeführt.                                liegt das Verhindern einer Wertände-      von niedrigen Löhnen «schon ein ver-
77
     Dieter Zobel, Zur Rechtsfigur der Anwart-           rung im Einflussbereich der begüns-       hältnismässig kleiner Betrag bereits
     schaft und zu deren Verwendbarkeit im               tigten Person; insofern wird nicht die    einen variablen Lohnbestandteil dar-
     schweizerischen Recht, in Peter Forstmoser/         Fälligkeit der obligatorischen Forde-     stellen» kann82, richtig. Doch bei ho-
     Walter R. Schluep (Hrsg.), Freiheit und Ver-
                                                         rung, sondern deren Entstehung auf-       hen und höchsten Löhnen kann und
     antwortung im Recht, FS Arthur Meier-
     Hayoz, Bern 1982, 497 f., m.w. Verw.                geschoben.                                muss «der als Gratifikation ausgerich-
78
     Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs                Werden im Verantwortungsbereich        tete Teil der Leistung prozentual zum
     BGHZ 49, 197, 201 f., zitiert bei Zobel             der betreffenden Person innerhalb der     Lohn grösser sein, als bei einem nied-
     (Fn. 77) 499.                                       relevanten Frist keine Verluste erwirt-   rigen Einkommen»83 und es ist «unver-
79
     Zobel (Fn. 77) 499.                                 schaftet, so entsteht nicht nur der ob-   meidlich, den Begriff der Akzessorie-
80
     FINMA-RS 10/1, N 50.
81
     FINMA-RS 10/1, N 54.
                                                         ligatorische Anspruch auf die Auszah-     tät weit auszulegen und unter einem
82
     Vgl. statt vieler: BGE 131 III 615, 621.            lung, sondern aus der suspensiv           Akzessorium nicht […] zwingend et-
83
     BGE 129 III 276, 279.                               bedingten Tradition wird eine de­         was Kleineres zu sehen, das etwas
84
     Conradin Cramer, Der Bonus im Arbeitsver-           finitive Verfügung bzw. Auszahlung        Grösserem anhängt»84. Die bundesge-
     trag, Bern 2007, N 331.                             der Vergütung. Treten umgekehrt           richtliche Praxis wird denn auch in der
85
     Rehbinder/Stöckli (Fn. 39) N 1 zu Art. 322a;
     Portmann (Fn. 43) N 19 zu Art. 322d; Peter
                                                         ­entsprechende Verluste in der mass-      Lehre mehrheitlich kritisiert85.
     Reinert, Variable Gehaltssysteme aus ar-             gebenden Periode auf, so entsteht
     beitsrechtlicher Sicht, AJP 18 (2009) 3 ff., 7;      kein Anspruch auf Vergütung und die      b) Struktur der differenzierten
     tw.a.M. Geiser (Fn. 45) 120; unklar Beat M.          bereits resolutiv bedingt tradierte          ­Akzessorietät
     Barthold/Marc Widmer, Regulierung der                Vergütung ist aufgrund der Nichter-      Basierend auf der Analyse der bun-
     variablen Vergütung? Eine Bewertung der                                                       desgerichtlichen Rechtsprechung so-
                                                          füllung der Bedingung und somit der
     schweizerischen Regulierungsbestrebung im
     Vergütungsbereich, AJP 18 (2009) 1389 ff.,           rechtsgrundlosen Tradition zurückzu-     wie auf einer Erweiterung und Ver­
     1396.                                                erstatten bzw. durch den Arbeitgeber     tiefung von in der Lehre postulierten
86
     S. insb. Cramer (Fn. 84) N 314 ff.                   rückforderbar. Eine Vergütung, wel-      Ansätzen86 wird anhand des Konzepts
156   SJZ 107 (2011) Nr. 7        Peyer/Schaub, Umsetzung des FINMA-Rundschreibens «Vergütungssysteme» bei Banken

der differenzierten Akzessorietät nach-    – für jeden Lohnbereich wird ein ma-           – Im oberen Lohnbereich: 33¹/3 %.
folgend die Frage beantwortet, wel-          ximal zulässiger Anteil der variab-            Im oberen Lohnbereich befindet
cher prozentuale Anteil der variablen        len Vergütung an der Gesamtver-                sich – zumindest bei Banken, wel-
Vergütung bei einer bestimmten Höhe          gütung definiert.                              che nur Barvergütungen ausrich-
der Gesamtvergütung die bundesge-                                                           ten – nur noch eine relativ geringe
richtlichen Vorgaben der Akzessorie-       c) Eckwerte der differenzierten                  Anzahl von Kadermitarbeitenden.
tät noch erfüllt und ab welchem Be-              ­Akzessorietät
trag das Prinzip der Akzessorietät         Der maximal zulässige Anteil der vari-         87
                                                                                               Das Minimalsalär ist abrufbar beim Schwei-
seine Berechtigung verliert.               ablen Vergütung an der Gesamtver-                   zerischen Bankpersonalverband (sbpv) un-
   Das Konzept, welches vorliegend für     gütung wird wie folgt definiert92:                  ter  (zuletzt besucht am 27. Oktober
aber freilich auf jede andere Branche          Dieser Wert entspricht der Höhe                 2010).
adaptiert werden kann, beruht auf              ­eines (13.) Monatslohnes. Letzterer
                                                                                          88
                                                                                               Bundesamt für Statistik (Hrsg.), Schweize-
                                                                                               rische Lohnstrukturerhebung 2008, Neu­
folgender Struktur:                             hatte am Anfang der Rechtspre-                 châ­tel 2010, 10 und 23.
– es werden «fünf + 1» unterschiedli-           chung zur Abgrenzung von Gratifi-         89
                                                                                               Bundesamt für Statistik (Fn. 88) 24.
   che Lohnbereiche gebildet;                   kation und festem Lohnbestandteil         90
                                                                                               Bundesamt für Statistik (Fn. 88) 24.
– unterster Lohnbereich: reicht bis             gestanden93. Eine tiefere Limite94        91
                                                                                               Dieser Betrag entspricht als Gesamtvergü-
   zum Minimalsalär gemäss Ziff. 25.1          erscheint im Bankenumfeld nicht                 tung ziemlich genau dem Ansatz von Cra-
                                                                                               mer (Fn. 84) N 332.
   der Vereinbarung über die Anstel-           angebracht, da variable Vergütun-          92
                                                                                               Die heute verwendeten Relationen sind un-
   lungsbedingungen der Bankange-              gen branchenimmanent und die                    einheitlich: Während das BGer in BGE 129
   stellten von derzeit CHF 50 000 87;         Mitarbeiter mit diesem Vergü-                   III 279 den «als Gratifikation ausgerichteten
– unterer Lohnbereich: reicht vom              tungsinstrument vertraut sind95.                Teil der Leistung» prozentual mit dem Lohn
   Minimalsalär bis zum Bruttomedi-        – Im unteren Lohnbereich: 15%.                      vergleicht und dabei mit «Lohn» den Fixlohn
                                                                                               meint, spricht Cramer einmal vom «Bonus-
   anlohn im Kreditgewerbe von der-           Die obere Grenze des unteren
                                                                                               anteil an der Gesamtvergütung» (Fn. 84, N
   zeit CHF 108 012 88;                       Lohnbereichs beträgt rund das                    331) und einmal vom «Verhältnis zwischen
– mittlerer Lohnbereich: reicht vom           Doppelte der Obergrenze des                      Festlohn und Bonus» (Fn. 84, N 332). Das
   Bruttomedianlohn bis zum Brutto-           ­untersten Lohnbereiches, was eine               Bundesamt für Statistik berücksichtigt in
   medianlohn des mittleren Kaders             knappe Verdoppelung der zuläs­                  den standardisierten Löhnen der Lohn-
                                                                                               strukturerhebung 2008 ebenfalls variable
   im Kreditgewerbe von derzeit CHF            sigen        Gratifikationsobergrenze
                                                                                               Lohnbestandteile, und auch Art. 79c BVG
   171 432 89;                                 rechtfertigt. Darüber hinaus liegt              berücksichtigt Lohn und Bonus, d.h. diese
– oberer Lohnbereich: reicht vom               dieser Ansatz im Rahmen dessen,                 beiden Ansätze gehen von einer Gesamt-
   Bruttomedianlohn des mittleren              was das Bundesgericht in BGE 129                vergütung aus. Soll das Konzept des BGer
   Kaders bis zum Bruttomedianlohn             III 276 ff. als zulässig erachtet hat96.        angewendet werden, sind die jeweiligen
   des oberen Kaders im Kreditge-          – Im mittleren Lohnbereich: 25%.                    Prozentzahlen problemlos umzurechnen.
                                                                                          93
                                                                                               Portmann (Fn. 43) N 4 zu Art. 322d, m.w.
   werbe von derzeit CHF 281 688 90;           Im mittleren Lohnbereich befindet               Verw. auf verschiedene Gerichtsurteile aus
– oberster Lohnbereich: reicht vom             sich der Grossteil der Kadermitar-              den frühen 80er-Jahren; Ausgangspunkt
   Bruttomedianlohn des oberen Ka-             beitenden von Banken. Hier recht-               der Überlegungen auch bei Cramer (Fn. 84)
   ders bis zum maximal versicher-             fertigt es sich deshalb, die zulässige          N 320.
   baren Lohn gemäss Art. 79c i.V.m.           Bandbreite und damit den Hand-
                                                                                          94
                                                                                               Cramer (Fn. 84) N 321 f. will die Grenze im
                                                                                               unteren Lohnbereich aus persönlichkeits-
   Art. 8 Abs. 1 BVG von derzeit CHF           lungsspielraum leicht überpropor-               rechtlichen Überlegungen, d.h., um den Un-
   820 080 91;                                 tional zu erhöhen, um dem Finanz-               sicherheitsfaktor für den Arbeitnehmer über
– für Gesamtvergütungen über der               institut die notwendige Flexibilität            das Jahr minimal zu halten, auf weniger als
   Betragsgrenze von Art. 79c i.V.m.           zu geben. Darüber hinaus orien-                 5 % reduzieren.
   Art. 8 Abs. 1 BVG ist keine Differen-       tiert sich dieser Ansatz an der bun-
                                                                                          95
                                                                                               Bundesamt für Statistik (Fn. 88) 10.
                                                                                          96
                                                                                               Eine variable Vergütung von CHF 30 000 bei
   zierung mehr notwendig;                     desgerichtlichen Rechtsprechung97
                                                                                               einem (festen) Jahreslohn von CHF 132 000
– der prozentuale Anteil der variablen         und an der in der Literatur als zu-             spricht nicht gegen eine Gratifikation.
   Vergütung wird in Relation zur Höhe         lässig erachteten Obergrenze von           97
                                                                                               BGE 129 III 276 ff.
   der Gesamtvergütung gestellt;               einem Drittel98.                           98
                                                                                               S. anstelle vieler: Geiser (Fn. 45) 120.
Peyer/Schaub, Umsetzung des FINMA-Rundschreibens «Vergütungssysteme» bei Banken                                                                                                     SJZ 107 (2011) Nr. 7   157

  Die zulässige Bandbreite wird da-                                               90              = Variable Vergütung aufgrund Verhältnis zur Gesamtvergütung vom Bundesgericht nicht als Gratifikation anerkannt

                                                      Variable Vergütung in [%]
  her auf einen Drittel erhöht, d.h.                                              80
                                                                                                  = Variable Vergütung aufgrund Verhältnis zur Gesamtvergütung vom Bundesgericht als Gratifikation anerkannt

  auf einen variablen Vergütungsan-                                                                                                             BGE 4C.426/2005

                                                                                  70
  teil, der die Hälfte des festen Lohn-                                                                                                                      BGE 4C.475/2004
                                                                                                                                                                                                                                  in
                                                                                                                                                                                                                               ke
  anteils beträgt. Darüber hinaus                                                 60
                                                                                                                                                                                                                     o
                                                                                                                                                                                                                          tä t
                                                                                                                                                                                                                       rie ende r!
                                                                                                                                                                                                                                   s
                                                                                                                                               50%                                                                ss       r
  entspricht dieser Wert einerseits ei-                                           50
                                                                                                                                                                        BGE 4C.364/2004
                                                                                                                                                                                                               kze lifizie l me
                                                                                                                                                                                                              A ua         a
                                                                                                                                                                                                                                  h
                                                                                                                                                                                                                 q r km
  ner stringenten Weiterentwicklung                                                                                                                                                                               Me

                                                                                                                               33%
                                                                                  40                                                                   BGE 4C.364/2004
  der Obergrenze des mittleren Lohn-

                                                                                                                25%
  bereiches und orientiert sich ande-                                             30

                                                                                                      15%
  rerseits am zulässigen Wert des                                                 20                                      BGE 4A_115/2007

                                                                                           8.3%
  obersten Lohnbereiches, welcher                                                                                  BGE 129 III 280 /
                                                                                  10

                                                                                                                                                                                                               0
  bei 50% liegt.                                                                                                    BGE 4C.6/2003                         BGE 131 III 615

                                                                                                                                                                                                             08
                                                                                                                                                                                                           0‘
                                                                                                                                                                                                         82
– Im obersten Lohnbereich: 50%.                                                    0
                                                                                                            2

                                                                                                                      2

                                                                                                                                       8
                                                                                                  0

                                                                                                        01

                                                                                                                   43

                                                                                                                                     68
                                                                                               0

                                                                                       0               100               200               300        400         500       600         700        800          900         1000
  Der Wert von 50% besagt, dass ne-
                                                                                            ‘0

                                                                                                      8‘

                                                                                                                 1‘

                                                                                                                                   1‘
                                                                                       50

                                                                                                    10

                                                                                                              17

                                                                                                                                28
                                                                                                                                                                                              Gesamtvergütung in [1000 CHF]
  ben einem Fixlohn nochmals die-                                                                                                                                                 basierend auf den per 31.10.10 verfügbaren Daten

  selbe Summe als variable Vergü-
  tung ausgeschüttet werden darf,                                                                        EMBA 37 | Peyer / Schaub | FINMA-RS 10/1                                                                                      Abbildung 7

  ohne dass sie dadurch ihren Cha-                                                sondern dass sie ihren Charakter als                                                ablen Vergütung die neueren, in
  rakter als Gratifikation verliert99.                                            Gratifikation beibehält (siehe Gra-                                                 Lehre und Rechtsprechung skizzier-
– Im Lohnbereich über der Betrags-                                                fik):                                                                               ten Konzepte aufnimmt, aber ein-
  grenze von Art. 79c i.V.m. Art. 8                                                                                                                                   deutige und einheitliche Bezugs-
  Abs. 1 BVG ist die Akzessorietät                    d) Vorteile der differenzierten                                                                                 punkte verwendet;
  nicht mehr Voraussetzungskrite-                          ­Akzessorietät                                                                                           – die heute vom Bundesgericht ange-
  rium für die Annahme einer Grati-                   Die Vorteile des dargestellten Konzep-                                                                          wendeten Limiten massvoll erwei-
  fikation, da kein Mitarbeiterschutz-                tes der differenzierten Akzessorietät                                                                           tert;
  bedarf mehr besteht100. Dies hat                    liegen darin, dass es                                                                                         – durch die Einführung einer absolu-
  zur Konsequenz, dass über dieser                    – klar in den Aussagen, einfach nach-                                                                           ten Obergrenze, über welcher die
  Betragsgrenze nur noch das Krite-                      vollziehbar, aber dennoch sinnvoll                                                                           Akzessorietät nicht mehr als Vor-
  rium des Ermessens für die Qualifi-                    differenzierend ist;                                                                                         aussetzungskriterium für die An-
  zierung einer variablen Vergütung                   – langfristig Bestand hat, weil es in                                                                           nahme einer Gratifikation gilt,
  als Gratifikation herangezogen                         der Lage ist, die dynamische Ent-                                                                            rechtspolitisch bedenkliche Resul-
  wird. Das Nichterfüllen der Akzes-                     wicklung des Lohnniveaus und die                                                                             tate verhindert;
  sorietät führt gemäss vorliegender                     damit verbundene Verschiebung                                                                              – die Flexibilität erhöht und damit ei-
  Auffassung – aber entgegen der                         der einzelnen Lohnbereichsgrenzen                                                                            nen liberalen, partnerschaftlichen
  Bundesgerichtspraxis – nicht dazu,                     zu absorbieren;                                                                                              Ansatz ins Zentrum stellt.
  dass die gesamte variable Vergü-                    – spezifisch auf die Finanzindustrie
  tung zum Lohnbestandteil mutiert,                      ausgerichtete Werte als Lohnbe-
                                                                                                                                                                    VI. Schlussbetrachtung
                                                         reichsgrenzen verwendet und da-
                                                         durch das grundsätzlich höhere                                                                             Die vorstehenden Ausführungen ha-
99
      Solche Ansätze werden unter Fachleuten
                                                         Lohnniveau in der Finanzindustrie                                                                          ben gezeigt, dass die im medialen In-
      bereits diskutiert (Senti, anlässlich des Re-
      ferates vom 29. September 2010 vor dem             abbildet;                                                                                                  teresse stehende absolute Höhe der
      Verein St. Galler Juristinnen und Juristen),    – prozentuale Abstufungen der Höhe                                                                            ausgerichteten Vergütung weder aus
      gehen aber nicht gar so weit wie Cramer            der variablen Vergütung im Ver-                                                                            Sicht des Berechtigten, noch aus Sicht
      (Fn. 84) N 331, der am oberen Ende der             hältnis zur Gesamtvergütung ver-                                                                           des Unternehmens, des Aktionärs, des
      Lohnskala einen «Bonusanteil an der Ge-
                                                         wendet, welche stringent aufein-                                                                           Gesetzgebers oder des Regulators
      samtvergütung» von gegen 100% zulassen
      will.                                              ander aufbauen;                                                                                            wirklich relevant ist. Hingegen steht
100
      Cramer (Fn. 84) N 332: «Schutz braucht nur      – bei den angewendeten prozentua-                                                                             die konkrete Ausgestaltung der Ver-
      der Schutzbedürftige.»                             len Abstufungen der Höhe der vari-                                                                         gütung und somit deren Aufteilung in
158   SJZ 107 (2011) Nr. 7      Peyer/Schaub, Umsetzung des FINMA-Rundschreibens «Vergütungssysteme» bei Banken

fixe und variable Bestandteile aus       Durch die Globalisierung der (Finanz-)     diesem Beitrag vorgestellte Konzept
wirtschaftlicher Sicht im Zentrum des    Märkte und die Internationalisierung       der differenzierten Akzessorietät.
Interesses; denn dies sind die Hebel,    der ­Anstellungsbedingungen hat das        Freilich liegt auch diesem Ansatz eine
mit denen «positive» Anreize geschaf-    ­Schweizer Arbeitsrecht mit einer Mi-      Interessenabwägung zu Grunde, wel-
fen werden können, um den langfris-       schung aus kontinentaleuropäischen        che teilweise zu Lasten der Transpa-
tigen Unternehmenserfolg sicherzu-        und angloamerikanischen Rechtsins-        renz-Vorgabe der FINMA geht. Das
stellen. Wird dies mit einem Ver­-        tituten zu kämpfen. Langfristig kann      Konzept ist aber einfach, klar und
gütungssystem effektiv und unter          hier nur eine Revision des Arbeits-       trotzdem genügend differenzierend.
Berücksichtigung des Risikoprofils ei-    rechts adäquate Rahmenbedingungen         Es passt sich dynamisch an allfällige
nes Unternehmens erreicht, dann ist       schaffen, welche nicht nur den be-        Wert- bzw. Entschädigungsentwick-
zwar nicht auszuschliessen, dass die      rechtigen Anliegen der FINMA, son-        lungen an und trägt zur Versachli-
absolute und für viele unvorstellbare     dern auch den gesamten Entwicklun-        chung der häufig polemisch geführ-
Höhe einer Vergütung nach wie vor         gen in der Dienstleistungsgesellschaft    ten Debatte bei.
Neid und Unverständnis weckt, die         des 21. Jahrhunderts Rechnung tragen.
Vergütung sich so aber zumindest ob-         Da ein neues Arbeitsrecht zurzeit
jektiv rechtfertigen lässt101.           nicht absehbar, resp. eine allfällige
   Die sich bei der Ausgestaltung der    Revision von einem langen politischen
variablen Vergütung und insbeson-        Prozess geprägt ist, gilt es, die beste-   101
                                                                                          Vgl. a. Gerhard Schwarz, Wider die Selbst-
dere bei der Umsetzung der Vorgaben      henden Grundlagen und die Recht-                 bedienung von Wellenreitern – Topmana-
der FINMA aus rechtlicher Sicht          sprechung weiter zu entwickeln. Ein              ger bringen die Marktwirtschaft in Verruf,
­stellenden Probleme sind vielfältig.    möglicher Ansatz dazu wäre das in                NZZ vom 28. Februar 2004, Nr. 49, 21.
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