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Umweltfreundlicher Straßenbelag – photokatalytischer Stickstoffdioxidabbau unter Nutzung der Nanotechnologie Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Verkehrstechnik Heft V 310
Umweltfreundlicher Straßenbelag – photokatalytischer Stickstoffdioxidabbau unter Nutzung der Nanotechnologie von Dawei Wang Markus Oeser Bernhard Steinauer RWTH Aachen Institut für Straßenwesen Lehrstuhl für Straßenwesen, Erd- und Tunnelbau Michael Hüben Fraunhofer IME Schmallenberg Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Verkehrstechnik Heft V 310
Die Bundesanstalt für Straßenwesen veröffentlicht ihre Arbeits- und Forschungsergebnisse in der Schriftenreihe Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen. Die Reihe besteht aus folgenden Unterreihen: A - Allgemeines B - Brücken- und Ingenieurbau F - Fahrzeugtechnik M - Mensch und Sicherheit S - Straßenbau V - Verkehrstechnik Es wird darauf hingewiesen, dass die unter dem Namen der Verfasser veröffentlichten Berichte nicht in jedem Fall die Ansicht des Herausgebers wiedergeben. Nachdruck und photomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Bundesanstalt für Straßenwesen, Stabsstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit. Die Hefte der Schriftenreihe Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen können direkt bei der Carl Ed. Schünemann KG, Zweite Schlachtpforte 7, D-28195 Bremen, Telefon: (04 21) 3 69 03 - 53, bezogen werden. Über die Forschungsergebnisse und ihre Veröffentlichungen wird in der Regel in Kurzform im Informationsdienst Forschung kompakt berichtet. Dieser Dienst wird kostenlos angeboten; Interessenten wenden sich bitte an die Bundesanstalt für Straßenwesen, Stabsstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit. Ab dem Jahrgang 2003 stehen die Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) zum Teil als kostenfreier Download im elektronischen BASt-Archiv ELBA zur Verfügung. http://bast.opus.hbz-nrw.de Impressum Bericht zum Forschungsprojekt: FE 09.0146/2010/HRB: Umweltfreundlicher Straßenbelag – photokatalytischer Stickstoffdioxidabbau unter Nutzung der Nanotechnologie Fachbetreuung: Jan Sauer Herausgeber Bundesanstalt für Straßenwesen Brüderstraße 53, D-51427 Bergisch Gladbach Telefon: (0 22 04) 43 - 0 Redaktion Stabsstelle Presse und Öffentlichkeitsarbeit Druck und Verlag Fachverlag NW in der Carl Ed. Schünemann KG Zweite Schlachtpforte 7, D-28195 Bremen Telefon: (04 21) 3 69 03 – 53 Telefax: (04 21) 3 69 03 – 48 www.schuenemann-verlag.de ISSN 0943-9331 ISBN 978-3-95606-412-8 Bergisch Gladbach, Oktober 2018
3 Kurzfassung – Abstract Umweltfreundlicher Straßenbelag – Environment-friendly road surface – photokatalytischer Stickstoffdioxidabbau photocatalytic decomposition of nitrogen unter Nutzung der Nanotechnologie dioxide using nanotechnology Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens wurde In the scope of this research project, a procedure ein Verfahren entwickelt, bei dem Titandioxid-Parti- was developed, in which titanium dioxide particles kel im Abstreumaterial vermischt und auf die Fahr- was mixed with chippings and spread on the road bahnoberfläche aufgebracht werden, um das durch surface in order to decompose the emitted NOx in die Abgase des Kraftfahrzeugs emittierte NOx mög- the exhaust gas of the vehicles as quickly and lichst schnell und effektiv abzubauen. effectively as possible. Bei Voruntersuchungen wurden insgesamt acht In the preliminary investigation, totally eight TiO2 TiO2-Produkte auf ihre photokatalytische Aktivität products were tested with respect to its photocatalytic bezüglich des NO-Abbaus untersucht. Basierend activity of decomposing NO. Based on the results, auf den Ergebnissen der Voruntersuchungen wurde the TiO2 variant providing the best results of NO die TiO2-Variante, die die besten Ergebnisse hin- reduction was chosen for the major investigations. sichtlich der NO-Eliminierung lieferte, für die Haupt- In the scope of the major investigations, various untersuchungen ausgewählt. aggregates containing this TiO2 variant were Mit dieser TiO2-Variante wurden verschiedene produced and were optimized through systematic TiO2-haltigen Gesteinskörnungen im Rahmen der tests on their strength, polishing resistance, wearing Hauptuntersuchungen hergestellt und hinsichtlich resistance and the durability of the photocatalytic der Festigkeit, des Polier- und Verschleißwider- performance. stands sowie der Dauerhaftigkeit der photokatalyti- From the results, it can be ascertained that a durable schen Eigenschaften durch systematische Unter NO degradation is achievable by using the TiO2 in suchungen optimiert. the spreading materials on asphalt road surface Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass mit following the developed procedure. Through this, an dem erarbeiteten Verfahren und für die hier unter- important step of building environment-friendly road suchten Abstreumaterialien ein langfristiger NO- surface with NOx elimination is taken. Abbau auf Asphaltstraßen durch den Einsatz des TiO2 mit photokatalytischen Eigenschaften erzielbar ist. Damit ist ein wichtiger Schritt hin zur Herstellung des umweltfreundlichen Straßenbelags mit photo- katalytischem Stickstoffdioxidabbau genommen.
5 Inhalt Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4.2 Varianzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4.3 Regressionsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . 25 1 Problemstellung und Zielsetzung . . . 9 5 Untersuchungsmethodik . . . . . . . . . . 26 2 Stand der Technik . . . . . . . . . . . . . . . . 9 5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.1 Stickoxidbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . 9 5.1.1 Auswahl der TiO2-Produktvarianten . . . 26 2.2 Einsatz von Titandioxid zum 5.1.2 Herstellung von Mustern zur Stickoxidabbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Überprüfung der photokataly- 2.2.1 Funktionsweise von Titandioxid zur tischen Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . 27 Entstickung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 5.2 Hauptuntersuchungen mit TiO2- 2.2.2 Anwendung von Titandioxid im haltigem Abstreumaterial . . . . . . . . . . . . 28 Straßenbau (Ergebnisse aus 5.2.1 Herstellung und Untersuchung von Literatur) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 TiO2-haltigem Abstreumaterial . . . . . . . 28 5.2.2 Überprüfung der Wirksamkeit auf 3 Untersuchungsmethoden . . . . . . . . . . 16 abgestreuten Asphaltplatten 3.1 Messung der NOx-Eliminierung im Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 nach ISO 22197-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 5.2.3 Überprüfung der Wirksamkeit auf 3.1.1 Messprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 abgestreuten Asphaltplatten aus 3.1.2 Analytische Methoden . . . . . . . . . . . . . . 18 Einbaustrecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.1.3 Versuchsdurchführung . . . . . . . . . . . . . 18 6 Ergebnisse der Vorunter- 3.2 Bestimmung der Stickstoffbilanz suchungen mit verschiedenen aus den Messungen der photo- TiO2-Produkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 katalytischen Aktivität . . . . . . . . . . . . . . 19 6.1 Differenzierung verschiedener 3.3 Prüfverfahren zur Beschreibung TiO2-Varianten hinsichtlich der der mechanischen und thermischen photokatalytischen Aktivität . . . . . . . . . . 31 Eigenschaften der Probekörper . . . . . . 19 6.2 Untersuchungen der Einfluss- 3.3.1 Kornformkennzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 faktoren auf die photokatalytische Aktivität des TiO2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.3.2 Micro-Deval-Versuch . . . . . . . . . . . . . . . 20 6.2.1 Titandioxidgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.3.3 Schlagzertrümmerungsversuch . . . . . . 20 6.2.2 Herstellungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.3.4 Polierwiderstand (Polished Stone Value) . . . . . . . . . . . . . 20 6.3 Einfluss des Messzeitpunktes bzw. der Aushärtungsdauer . . . . . . . . . . 37 3.3.5 Frost-Tau-Wechsel . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.4 Polier-/Verschleißverfahren . . . . . . . . . . 22 7 Ergebnisse der Hauptunter- 3.5 Griffigkeitsuntersuchungen . . . . . . . . . . 22 suchungen: Beurteilung der mechanischen und thermischen 3.6 Texturmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Eigenschaften von TiO2-haltigem Abstreumaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4 Statistische Verfahren . . . . . . . . . . . . 24 7.1 Umhüllte Gesteinskörner mit TiO2 4.1 Prüfung auf Ausreißer . . . . . . . . . . . . . . 24 (Alternative 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
6 7.2 Verfüllte, poröse Gesteinskörner 9.2.2 Dauerhaftigkeit der photokataly- mit TiO2 (Alternative 2) . . . . . . . . . . . . . 40 tischen Aktivität abgestreuter Asphaltplatten aus Einbaustrecke . . . . . 56 7.3 Granulierte, TiO2-haltige Mörtelkörner (Alternative 3) . . . . . . . . . . 42 9.3 Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 7.3.1 Optimierung der Zusammensetzung 9.4 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 hinsichtlich der Festigkeit . . . . . . . . . . . 42 7.3.2 Optimierung der Zusammensetzung Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 hinsichtlich der Rauheit und des Verschleißwiderstands . . . . . . . . . . . . . 44 Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 8 Ergebnisse der Hauptunter- suchungen: Beurteilung der Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 photokatalytischen und mechanischen Eigenschaften abgestreuter Asphaltplatten . . . . . . . . 45 8.1 Dauerhaftigkeit der photokataly- tischen Aktivität abgestreuter Walzsektor-Asphaltplatten . . . . . . . . . . . 46 8.1.1 Umhüllung von Gesteinskörnern mit TiO2 (Alternative 1) . . . . . . . . . . . . . 46 8.1.2 Verfüllung poröser Gesteinskörner mit TiO2 (Alternative 2) . . . . . . . . . . . . . 48 8.1.3 Herstellung TiO2-haltiger Mörtelkörner (Alternative 3) . . . . . . . . . . 48 8.2 Dauerhaftigkeit der Mikro- und Makrotextur abgestreuter Asphaltplatten im Labor . . . . . . . . . . . . 49 8.3 Dauerhaftigkeit der photokataly- tischen Aktivität abgestreuter Ausbaustücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 8.4 Bilanzierung des Stickstoffs aus den Messungen der photokataly- tischen Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 9 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . 53 9.1 Voruntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . 53 9.1.1 Differenzierung verschiedener TiO2-Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 9.1.2 Untersuchungen der Einfluss- faktoren auf die photokatalytische Aktivität des TiO2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 9.2 Hauptuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . 54 9.2.1 Herstellung und Untersuchungen abgestreuter Asphaltplatten im Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
7 Glossar ANOVA Analysis Of Variance UHQ Wasser Ultra-high-quality Wasser ARTe Aachener-Rafeling-Tester UV Ultraviolett BASt Bundesanstalt für Straßenwesen w/z-Wert Wasser-Zement-Wert BImSchV Bundes-Immissionsschutzverordnung WSV Walzsektor-Verdichtungsgerät FTW Frost-Tau-Wechsel HBEFA Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs IME Fraunhofer-Institut für Molekular- biologie und Angewandte Oekologie ISO Internationale Organisation für Normung, engl.: International Organization for Standardization MDE Micro-Deval-Koeffizient MDS Micro-Deval-Koeffizient (ohne Wasserzugabe) NO Stickstoffmonoxid NO2 Stickstoffdioxid NOx Stickoxide O3 Ozon ÖPNV Öffentlicher Personennahverkehr PM Particulate Matter (Feinstaub) PSV Polished Stone Value PWS Prüfstand nach Wehner/Schulze SCR Selektive katalytische Reduktion, engl.: selective catalytic reduction SKM Seitenkraft-Messverfahren SRT engl.: Skid Resistance Tester SZ-Wert Schlagzertrümmerungswert TiO2 Titandioxid TiO3+ dreiwertiges Titan
9 1 Problemstellung und Deshalb können die NOx an dieser Stelle durch die photokatalytische Aktivität von TiO2 besonderes Zielsetzung schnell und effektiv abgebaut werden. Aus wissen- Die weltweit zunehmende Industrialisierung und schaftlicher, technischer und auch insbesondere die damit häufig verbundene Belastung der Umwelt wirtschaftlicher Sicht ergibt sich durch den Einsatz führt dazu, dass die Atmosphäre in immer stärke- von TiO2-Partikeln im Straßenbelag erstmals die rem Ausmaß mit Schadstoffen belastet wird [GÖR- Möglichkeit, die NO2-Belastungen der Umwelt GEN, 2008; RABL, 2003]. Dabei steht die Emission sowie der Menschen in deutlichem Maße zu redu- des Stickoxids NOx im Vordergrund. Stickoxide, die zieren. Die angestrebte Reduktion der NO2-Belas- vor allem aus Abgasen von Industrieanlagen, Feue- tungen tritt bereits kurz nach dem Bau ein. rungsanlagen und Verkehr stammen, sind Sammel- Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens sind vor bezeichnungen für Stickstoffmonoxid (NO) und diesem Hintergrund die beiden folgenden Haupt Stickstoffdioxid (NO2). Stickstoffmonoxid (NO) ist ziele zu verfolgen: instabil und reagiert mit Luftsauerstoff und Ozon zu NO2. Da NO2 besonders schädlich für Mensch und • Optimierung des NOx-Abbaupotenzials photo Umwelt ist, sind gemäß der 39. Bundes-Immis katalytisch wirksamer Fahrbahnoberflächen sionsschutzverordnung (BImSchV) zwei Luftquali- sowohl unter UV-Strahlung als auch bei sicht tätsgrenzwerte für NO2 seit 2010 in Deutschland barem Licht. einzuhalten [BImSchV, 2010]: • Sicherstellung einer dauerhaften Wirksamkeit 3 • Der Jahresmittelwert ist auf 40 µg/m begrenzt von TiO2-Partikeln auf der Fahrbahn hinsichtlich und der Beanspruchung durch Verkehr und Witte- rung. • der maximale Ein-Stunden-Mittelwert von 200 µg/m3 darf maximal an 18 Tagen im Kalen- Dabei sind sowohl straßenbautechnische als auch derjahr überschritten werden. wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, indem Allerdings zeigen aktuelle Untersuchungen des Umweltbundesamts [UBA, 2012], dass von 2000 • einerseits keine Beeinträchtigung der Gebrauchs- bis 2011 das emittierte NO2 trotz Verschärfung der eigenschaften des Straßenbelags infolge der Emissionsgrenzwerte bei Kraftfahrzeugen (durch photokatalytischen Zersetzung durch die Titan Euro 3 bis 5 für Pkw und Euro III bis V für Lkw) dioxidpartikel auftritt, sowie nahezu unverändert geblieben ist. Dies trägt dazu bei, dass eine Einhaltung der vorgesehenen • andererseits der sehr kostenintensive Rohstoff NO2-Grenzwerte in vielen Kommunen ohne weitere TiO2 möglichst effektiv und wirtschaftlich ein wirksame Maßnahmen kaum möglich ist [DIEG- gesetzt wird. MANN, 2006; GÖRGEN 2008]. Zur Reinhaltung der Luft ist es daher erforderlich, durch die Entwicklung geeigneter Umweltschutz- 2 Stand der Technik technologien der Bedrohung unseres Lebensraums entgegenzutreten. Eine Möglichkeit zur Stickoxid In diesem Kapitel werden die wesentlichen wissen- reduktion bietet der Einsatz von Titandioxid (TiO2). schaftlichen Erkenntnisse über die Belastung der In Gegenwart von UV-A-Licht katalysiert Titandioxid Umgebungsluft durch Stickoxid und den Stick die Zersetzung von NOx durch Oxidation. Bei voll- oxidabbau durch die photokatalytischen Eigen- ständiger Reaktion bilden sich aus Stickoxiden was- schaften von Titandioxid dargestellt. serlösliche Nitrate [JUSCHKUS, 2008]. Über 40 % der gesamten Emissionen von Stick 2.1 Stickoxidbelastung oxiden stammen aus dem Straßenverkehr [GAIL, 2008; SCHOLZ, 2011; UBA, 2009]. Primäres Ziel Unter dem Begriff Stickoxide werden Stickstoff dieses Forschungsvorhabens ist es daher, TiO2- dioxid (NO2) und Stickstoffmonoxid (NO) zusam- Partikel auf die Straßenoberfläche aufzubringen, mengefasst [UBA, 2009]. Stickstoffmonoxid (NO) ist wo das aus den Abgasen der Kraftfahrzeuge stam- ein farbloses, mindergiftiges, nicht brennbares Gas. mende NOx in hohen Konzentrationen vorliegt. NO ist instabil und reagiert mit Ozon (O3) zu NO2.
10 NO2 ist ein braunrotes Gas und für die Bildung von saurem Regen sowie für Smogbildung verantwort- lich [GÖRGEN, 2008; WALZ, 2000]. Unter Einfluss von UV-Strahlung bildet sich aus einer Reaktion zwischen NO2 und Sauerstoff bodennahes O3, wel- ches ab bestimmten Konzentrationen die Leis- tungsfähigkeit vieler Menschen beeinträchtigen und auch mittelbar die Vegetation sowie den Boden schädigen kann. Zwischen den drei Gasen NO, NO2 und O3 besteht also ein komplexes, UV-Licht abhängiges Gleichgewicht, das durch die folgenden Reaktionen zurückgeführt werden kann: Bild 1: Anteil des Straßenverkehrs an den gesamten NOx-Emis- Bildung von NO2 aus NO und O3 sionen in Deutschland 1990 – 2009 (Datenquelle: [UBA, 2011]) nanderfolgenden Stunden) für NO2 festgelegt. Bildung von NO und O3 aus NO2 unter Lichtein Wenn sie überschritten wird, müssen entsprechen- wirkung de Maßnahmen unverzüglich ergriffen werden. Stickoxide in der Luft stammen insbesondere aus Abgasen von Industrieanlagen, Feuerungsanlagen und Verkehr. Über 40 % der gesamten Emissionen von Stickoxiden, die bei der Verbrennung von Treib- stoff mit hohen Temperaturen entstehen, stammen Des Weiteren ist NO2 stark giftig und aufgrund der aus dem Straßenverkehr [GAIL, 2008; SCHOLZ, unmittelbaren Schädigung der Gesundheit von 2011; UBA, 2009] (siehe Bild 1). Mensch, Tier und Vegetation toxikologisch von Bedeutung [WHO, 2003]. Als Reizstoff kann NO2 Seit 1990 sind die Gesamtstickoxidemissionen aus die Schleimhäute in den Atmungsorganen angrei- Kraftfahrzeugen und Industrieanlagen in Deutsch- fen, da er mit Wasser salpetrige Säure bildet. Ein- land durch gezielte Maßnahmen gegen Abgasemis- geatmetes Stickstoffdioxid wird in geringen Kon sionen in den Kraftwerken [vgl. WALZ, 2000; de zentrationen kaum wahrgenommen und löst Hus- BUHR, 2005; KLARE, 1999] um ca. 50 % zurück tenreiz, Atembeschwerden, Kopfschmerzen und gegangen [GÖRGEN, 2008]. Hier sind grundsätz- Schwindel aus [WHO, 2003]. Wird NO2 in höheren lich zu unterscheiden: Konzentrationen (wie z. B. 40 – 100 µg/m3) über längere Zeit eingeatmet, erhöht sich das Risiko für • Die Primärmaßnahmen (motortechnische Maß- Herz- und Kreislauferkrankungen sowie die Infek nahmen) betreffen den Feuerungsprozess und tionsanfälligkeit. verhindern die Entstehung. Dazu zählt beispiels- weise der 3-Wege-Katalysator bei Otto-Pkw. Zum Schutz der Gesundheit des Menschen sind verschiedene Luftqualitätsgrenzwerte für NO2 ein- • Die Sekundärmaßnahmen (auch Abgasnach zuhalten. Gemäß 39. Bundes-Immissionsschutz- behandlung genannt) mindern das NOx im verordnung (BImSchV) ist der Jahresmittelwert seit Abgas (Rauchgasentstickung). 2010 in Deutschland auf 40 µg/m3 begrenzt [BImSchV, 2010], während in der Schweiz und in In Bild 2 und Bild 3 ist gut ersichtlich, dass die NO- Österreich sogar ein noch strengerer Grenzwert und NOx-Jahresmittelwertkonzentrationen im Zeit- von 30 µg/m3 vorgesehen wird. Der Ein-Stunden- raum von 1995 bis 2007 im städtisch verkehrs Mittelwert von 200 µg/m3, d. h. die maximale, über geprägten Belastungsgebiet und im städtischen eine Stunde an einer Messstelle gemittelte Schad- Hintergrund abgenommen haben (im Deutschland- stoffkonzentration, darf an nicht mehr als 18 Tagen mittel!). im Kalenderjahr überschritten werden [BImSchV, Der Abwärtstrend der Gesamtstickstoffemissionen 2010]. spiegelt sich jedoch nicht in den aktuellen NO2 Zusätzlich wurde eine Alarmschwelle von 400 μg/m3 wider: Es ist zu erkennen, dass sich – abgese- (als Ein-Stunden-Mittelwert, gemessen in drei aufei- hen von witterungsbedingten zwischenjährlichen
11 Bild 2: Entwicklung der Jahresmittelwerte der NOx-Konzentra- Bild 4: Entwicklung der Jahresmittelwerte der NO2-Konzentra- tion im Mittel über die Belastungsgebiete ländlicher tion im Mittel über die Belastungsgebiete ländlicher Hintergrund, städtischer Hintergrund und städtisch Hintergrund, städtischer Hintergrund und städtisch verkehrsnah im Zeitraum 1995 bis 2007 (mit Standard- verkehrsnah im Zeitraum 1995 bis 2007 (mit Standard- abweichung) [UBA, 2009] abweichung) [UBA, 2009] Diese Entwicklung ist grundsätzlich auf die Emissi- on von NO2 und die Generierung aus NO zurückzu- führen. Die Emission beschreibt NO2, das direkt aus dem Auspuff des motorisierten Straßenverkehrs emittiert. In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der Diesel-Pkw aufgrund des günstigen Kraftstoff- verbrauchs bei den Neuzulassungen stark ange- stiegen. Da der NOx-Grenzwert für Diesel-Pkw nahezu dreimal so hoch ist wie der für Benziner, führt der hohe Anteil von Diesel-Pkw zu einer unmit- telbaren Erhöhung der NOx-Emissionen und somit auch der NO2-Emissionen [BAUM, 2010]. Mit einem Bild 3: Entwicklung der Jahresmittelwerte der NO-Konzentration Anteil von über 75 % sind die Diesel-Pkw die Haupt- im Mittel über die Belastungsgebiete ländlicher Hinter- grund, städtischer Hintergrund und städtisch verkehrs- verursacher der NO2-Belastung. Darüber hinaus nah im Zeitraum 1995 bis 2007 (mit Standardabwei- hat der Anteil von NO2 in den NOx-Emissionen von chung) [UBA, 2009] Diesel-Pkw durch den Einsatz von Oxidationskata- lysatoren mit Partikelfilter zur Minderung der Entste- Schwankungen – die NO2-Jahresmittelwerte in hung von Feinstaub (Particulate Matter, PM) stark städtisch verkehrsnahen Gebieten und im städ zugenommen. Hierbei werden die angesammelten tischen Hintergrund seit 2000 kaum verändert Partikel bei hohen Temperaturen verbrannt. Dies haben (siehe Bild 4) [DÜRING, 2010; KESSLER, hat jedoch eine erhöhte NO2-Emission zur Folge. 2007; UBA, 2009]. Im städtisch verkehrsnahen Die Generierung von NO2 erfolgt durch Oxidation Belastungsgebiet treten Jahresmittelwerte auf, die von NO mit O3 (siehe Bild 5) [BAUM, 2010; LAHL, deutlich über dem seit 2010 einzuhaltenden Grenz 2008; UBA, 2009]. Da die Konzentration von O3 wert von 40 μg/m3 liegen (siehe Bild 4). Die Unter- ebenfalls seit 1990 kontinuierlich ansteigt (siehe suchungen in Deutschland (siehe [KESSLER, 2007; Bild 5), führt dies zu einer zunehmenden Bildung GÖRGEN, 2008; LAHL, 2008]) zeigen jedoch, dass von NO2. Dabei ergibt sich eine starke Abhängigkeit das emittierte NO2 trotz moderner Abgasbehand- der NO2-Konzentrationen in der Außenluft von der lungstechniken bei Kraftfahrzeugen an vielen Ver- Höhe der NO und O3 Emissionen [BAUM, 2010; kehrsstationen kaum zurückgegangen ist, an eini- LAHL, 2008]. gen Stellen in den letzen Jahren sogar zugenom- men hat. Da die NO2-Konzentration im Betrach- Die NO- und NO2-Konzentration durch Abgas des tungszeitraum seit 1995 keine Abnahme zeigt, Straßenverkehrs weisen neben dem Einfluss durch muss der Rückgang der NOx-Konzentration auf meteorologische Parameter eine starke Abhängig- eine abnehmende NO-Konzentration zurückzufüh- keit von den Verkehrsmengen und der Fahrge- ren sein. schwindigkeit auf. Hohes Verkehrsaufkommen führt
12 Bild 5: Entwicklung der Ozon-Jahresmittelwerte (O3) im Mittel über die Belastungsgebiete ländlicher Hintergrund, städ- Bild 6: Entwicklung der EU-Abgasgrenzwerte für Pkw und leich- tischer Hintergrund und städtisch verkehrsnah im Zeit- te Nutzfahrzeuge [SCHOLZ, 2010] raum 1990 bis 2007 (mit Standardabweichung) [UBA, 2009] Zusammenfassend reflektiert die Minderung der NOx-Emissionen die Entwicklung der NO2-Konzent- im Allgemeinen zu höheren NO2-Konzentrationen rationen nicht. Die NO2-Konzentrationen sind seit [BAUM, 2010; SCHOLZ, 2010]. 2000 nahezu unverändert und weisen lediglich zwi- Aber auch außergewöhnliche Ereignisse wie Stra- schenjährliche Schwankungen auf, sodass sich die ßenteil- oder -vollsperrungen, Staus sowie Arbeits- Luftqualität in Bezug auf NO2 nicht in dem Maße stellen wirken sich auf die NO2-Konzentrationen verbessert hat, wie dies die NOx-Emissionsent aus [BAUM, 2010]. Im Rahmen einer Untersuchung wicklung erwarten ließ [UBA, 2009; UBA, 2012]. der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) zu den Zu Überschreitungen der NO2-Stundenmittelwerte Stickoxidbelastungen an der A 4 und A 61 in über 200 μg/m³ an mehr als 18 Tagen kam es im Deutschland wurde festgestellt, dass die NOx-Kon- Jahr 2011 an ca. 5 % aller verkehrsnahen Stationen zentration durch Stau bzw. Stop&Go-Situationen [UBA, 2012]. Zusätzlich überschritten im Jahr 2011 oder durch die Annäherung des Verkehrsstroms an ca. 57 % der verkehrsnahen Messstationen den ab 2010 einzuhaltenden Grenzwert von 40 μg/m3 Messstellen bedingt durch Umleitungen aufgrund [UBA, 2012]. Dies trägt dazu bei, dass trotz des von Arbeitsstellen zunimmt [BAUM, 2010]. Darüber weiteren Rückgangs der Gesamtstickstoffemissio- hinaus können sich an einigen Messstellen, wie bei- nen des Straßenverkehrs in Deutschland die Ein- spielsweise in Tiefgaragen oder Parkhäusern, die haltung des NO2-Grenzwertes in vielen Kommunen Schadstoffe CO, NO2, Benzol und Ruß in der Innen- (insbesondere in Ballungsräumen und im verkehrs- raumluft, begünstigt durch die Emissionen der ein- nahen Belastungsgebieten sowie in einigen kriti- und ausfahrenden Fahrzeuge, stark anreichern schen Bereichen) nur mit erheblichen Anstrengun- [ZENGER, 2010]. gen sowie durch Maßnahmen auf allen Ebenen In China [WANG, 2010] wurden die Konzentra möglich sein wird [DIEGMANN, 2006; GÖRGEN tionen von NO2 in Tunneln langfristig erfasst. Die 2008]. Ergebnisse zeigen, dass durch lange Stausitua Erst mit der Einführung der Abgasgrenzwertstufe tionen eine rapide Erhöhung des NO2 zu verzeich- Euro 5 ab 2009 und der kommenden Einführung nen ist. In Abhängigkeit von der Verkehrsstärke von Euro 6 (ab 2014) bei Pkw werden die NOx-Emis- und der Außenluft, welche wiederum durch die Wit- sionsgrenzwerte weiter verschärft (siehe Bild 6), terung, den Lkw-Anteil, die Fahrgeschwindigkeit, sodass eine deutliche Reduktion der NO2-Emissio- sowie die Lage und Länge des Tunnels beeinflusst nen erwartet werden kann (siehe Bild 7). wird, war der jahresdurchschnittliche NO2 in der Luft 3,1- bis 47-fach so hoch wie der erlaubte Gren- Ab der Abgasgrenzwertstufe Euro 6 wird die zwert für die NO2-Emission gemäß chinesischen SCR-Technik (Selektive katalytische Reduktion, Regelwerken (50 µg/m3), obwohl Be- und Entlüf- engl. selective catalytic reduction) standardmäßig tungsanlagen in ausreichender Anzahl installiert in Nutzfahrzeugen eingesetzt. Bei Temperaturen wurden und deren Funktionsfähigkeit jederzeit ge- ab 250 °C wird dem Abgas Ammoniak zur währleistet war. NOx-Abscheidung im SCR-Katalysator zugemischt
13 [STEIN, 2005]. Die Endprodukte sind im idealen 2.2 Einsatz von Titandioxid zum Fall harmloser Stickstoff sowie Wasserdampf Stickoxidabbau [KRUTZSCH, 2006; WALZ, 2000; WEISWEILER, 2002]. Allerdings ist auch die Bildung von N2O, Eine Möglichkeit zur Stickoxidreduktion bietet der einem sehr gefährlichen Treibhausgas, möglich. Einsatz von Titandioxid (TiO2). Titandioxid in der Durch die Einführung von Euro V (ab 2008) und Rutil-Modifikation besitzt ein großes Färbe- und Euro VI (ab 2013) bei Lkw können die NOx-Emissi- Deckvermögen und wird seit Jahrzehnten in ver- onen ab 2014 weiter reduziert werden. schiedenen Anwendungsgebieten eingesetzt. Zu den bekanntesten zählt die Verwendung als Allerdings sind die Grenzwertstufen Euro 6 bei Pkw Weißpigment in Lacken, Farben und Anstrichstof- erst ab 2014 und die Euro VI bei Lkw erst ab 2013 fen, aber auch in Kunststoffen, Papier und in Kos- verpflichtend und haben erst große Auswirkungen metika. Titandioxid ist chemisch sowie thermisch auf die Emissionen, wenn der Großteil der Fahrzeu- stabil und nicht toxisch. Durch Titandioxid können ge erneuert wurde [BAUM, 2010; LAHL, 2008]. Das Schadstoffe wie NOx durch Oxidation zersetzt und bedeutet, dass die NO2-Luftqualitätsgrenzwerte wasseranhaftender Schmutz wie z. B. Staub von mindestens bis zum Jahr 2015 in vielen Kommunen den vertikalen Oberflächen abgelöst und weg nicht eingehalten werden können [LAHL, 2008]. geschwemmt werden [de BUHR, 2005]. Eine Erreichung der NO2-Luftqualitätsgrenzwerte ist nur möglich, wenn neben der weiteren Verschär- fung der Emissionsgrenzwerte bei Kraftfahrzeugen 2.2.1 Funktionsweise von Titandioxid zur wirksame Maßnahmen zur Reduktion der NO2- Entstickung Belastung ergriffen werden [LAHL, 2008]. Titandioxid kommt in der Natur in drei unterschied Als Maßnahmen zur Verringerung der primären lichen Kristallstrukturen vor [de BUHR, 2005] (siehe Emissionen sind z. B. die Nachrüstung bestehender Bild 8): Fahrzeuge mit einem NOx-Minderungssystem • Tetragonales Rutil (Dichte: 4,21 g/cm3; Härte: sowie die lokale Einführung von emissionsfreien 6 – 6,5), oder emissionsarmen Fahrzeugen (Elektro, Hybrid etc.) zu nennen [UBA, 2009; LAHL, 2008]. Die ver- kehrlichen Maßnahmen sind z. B. Verkehrsverste tigung, Geschwindigkeitsbegrenzung, Förderung des ÖPNV und eine City-Maut. Des Weiteren wird über eine Einfahrt in die Umweltzonen nur für Fahr- zeuge mit geringen NOx-/NO2-Emissionen etc. diskutiert [UBA, 2009; RICHARD, 2011]. Bild 8: Vorkommende Kristallstrukturen von Titandioxid [GROSS, 2006] Bild 7: Zeitliche Entwicklung der NOx- und NO2-Emissionen für eine mittlere Innerortssituation in Deutschland (HBEFA 2.1) [IFEU, 2007]
14 • Tetragonales Anatas (Dichte: 4,06 g/cm3; Härte: Stickoxiden (NOx), aber auch organischen Verbin- 5,5 – 6) und dungen fördert [BREDEMEYER, 2001; de BUHR, 2005; GROSS, 2006; MITORAJ, 2008]. • Orthorhombischer Brookit (Dichte: 4,13 g/cm3; Härte: 5,5 – 6). Bei vollständiger Reaktion bilden sich aus Stickoxi- den wasserlösliche Nitrate und aus organischen Alle drei Varianten bzw. Modifikationen zeigen eine Schadstoffen Kohlendioxid und Wasser [JUSCH- sog. photokatalytische Aktivität. Der Unterschied KUS, 2008] (siehe Bild 10). Der Photokatalysator liegt nur darin, dass Rutil und Brookit wegen einer selbst wird während der Reaktion nicht verbraucht geringeren Photoaktivität in der Regel nicht als und bleibt somit in unveränderter Menge enthalten, Photokatalysator industriell eingesetzt werden [de sodass die Oxidationsprozesse beliebig oft wieder- BUHR, 2005]. holbar sind. Der photokatalytische Effekt ist von der Durch Lichteinwirkung (UV-A) kann das Titandioxid Korngröße des Titandioxids abhängig und verstärkt aktiviert werden. Hierbei wird ein Elektron (e-) vom sich insbesondere durch nanoskaliges TiO2 (Durch- Valenzband in das Leitungsband angeregt. wobei messer ≤ 100 nm) [JUSCHKUS, 2008; RKW, 2010]. gleichzeitig eine Elektronenlücke (oder Elektronen- Da die Aktivierung des Anatas mittels Licht wegen loch h+) entsteht (siehe Bild 9). Das Elektronenloch seiner großen Bandlücke nur im UV-Bereich der h+ ist ein starkes Oxidationsmittel und wirkt sich als Wellenlänge von 320 bis 400 nm erfolgt, hat dies hochreaktiver Aktivsauerstoff aus, welcher den den Nachteil, dass nur der kleine UV-Anteil des chemischen Oxidationsprozess beschleunigt und Sonnenlichts (etwa 3 – 4 %) genutzt werden kann die schnellere Zersetzung von Schadstoffen, wie [WILHELM, 2005]. Das bedeutet, dass ca. 96 bis 97 % der gesamten Sonnenstrahlung beim photo- katalytischen Vorgang nicht ausgenutzt werden können. In [YE, 2009; ZHAO, 2003; SUN, 2009; ZHOU, 2004] wurde die photokatalytische Wirkung von TiO2-Nanopartikeln unter Einwirkung von sicht- barem Licht und von reiner UV-Strahlung mit glei- cher Stärke untersucht und verglichen. Anhand der Ergebnisse konnte festgestellt werden, dass die NO2-Eliminierungsrate unter sichtbarem Licht wesentlich geringer als unter UV-Strahlung ist. Um die photokatalytische Aktivität in das sichtbare Spektralgebiet zu verschieben, muss der Band- abstand durch Variationen der Synthesebedingun- Bild 9: Prinzip der Photokatalyse [GROSS, 2006] gen und/oder durch die kontrollierte Störung des Bild 10: Funktionsweise TiO2-haltiger Oberflächen. Mithilfe von Sonnenlicht werden schädliche Stickoxide zu wasserlöslichen Nitra- ten umgewandelt und vom Regenwasser abgespült. Der Photokatalysator TiO2 wird dabei nicht verbraucht [JUSCHKUS, 2010; EUROVIA, 2005]
15 Kristallgitters mittels Modifizierungen verkleinert landen wurde im Jahre 2009 ein Teil des Castor- werden [WILHELM, 2005]. In [BEISTER, 2004; wegs mit TiO2-haltigen Steinen gepflastert [JUSCH- SUN, 2006; SUN, 2009; MITORAJ, 2008; WIL- KUS, 2010]. Auch in Deutschland wurden erste HELM, 2005; YE, 2009; ZHAO, 2003; ZHOU, 2004] Produkte aus TiO2-haltigem Zement kommerziell wurden die TiO2-Nanopartikel unter Zugabe von angeboten und für den Einbau im Rahmen von Stickstoff, dreiwertigem Titan (TiO3+), V3+, Fe oder Pilotprojekten (u. a. Bietigheim-Bissingen) vorgese- Cr3+ hinsichtlich ihrer photokatalytischen Eigen- hen [JUSCHKUS, 2010; EUROVIA, 2005; TioCem®, schaften modifiziert. Daraus ergaben sich modifi- 2010; F. C. Nüdling Betonelemente GmbH, 2010]. zierte TiO2-Nanopartikel und die NO2-Eliminie- Im Vergleich zur Laboruntersuchung wird die rungsrate konnte deutlich gesteigert werden. NOx-Eliminierung von TiO2-haltigen Pflastersteinen in situ in sehr starkem Maße von den herrschenden 2.2.2 Anwendung von Titandioxid im Witterungsbedingungen (UV-Strahlungsintensität, Straßenbau (Ergebnisse aus Literatur) Feuchtigkeit, Windstärke etc.) und der Oberflächen- rauheit beeinflusst [EUROVIA, 2005; TISCHER, Seit japanische Wissenschaftler Anfang der 70er 2008] (siehe Bild 11 und Bild 12). Jahre die photokatalytische Wirkungsweise von Titandioxid unter Einfluss von UV-Strahlung ent- Der Einsatz eines solchen innovativen und umwelt- deckten, wurden auf internationaler Ebene zahl freundlichen Baustoffes im Straßenbau ist jedoch reiche Untersuchungen zur Eignung von TiO2 zur bislang nicht sehr effektiv, was damit zusammen- photokatalytischen Reinigung von Kraftfahrzeug hängt, dass immer ausreichend viel TiO2 an der abgasen durchgeführt [BRUSE, 2011; JUENGSU- Oberfläche anstehen muss, um den photokatalyti- WATTANANON, 2008; SAKAMAKI, 2006; SUN, schen Effekt schnell und dauerhaft sicherzustellen 2006; SUN, 2009; TioCem®, 2010; YE, 2009; ZHAO, [SUN, 2009]. Ursache hierfür ist einerseits die Tat- 2003; ZHOU, 2004]. Demnach bietet sich der Ein- sache, dass TiO2 ein sehr kostenintensiver Rohstoff satz von TiO2 für die Fertigung von Straßenbelä- gen, von Schallschutzwänden oder auch Gebäu- deoberflächen mit TiO2-haltigen Baustoffen an. Ins- besondere die Tauglichkeit von TiO2 für den Einsatz im Straßenbau wurde intensiv erforscht. Beispiels- weise wurde TiO2 in Zement stabil eingebunden und bei der Herstellung von Betonfahrbahnen oder Betonschutzplanken verwendet [JUSCHKUS, 2008; TioCem®, 2010]. Je höher der Titandioxidgehalt im Zement ist, desto stärker können NO und NO2 abgebaut werden [HÜSKEN, 2008; HÜSKEN, 2009]. Die Gebrauchseigenschaften des Zements und des hiermit hergestellten Betons wie Druck- und Zugfestigkeit werden durch die Zugabe von Bild 11: NOx-Eliminierungsgrad von titandioxidhaltigen Pflaster- steinen in Abhängigkeit von Windgeschwindigkeit und Titandioxid nicht negativ beeinflusst [BOLTE, 2009]. UV-Strahlungsintensität [TISCHER, 2008] In den Niederlanden, Japan, Italien und China wur- de bereits in situ nachgewiesen, dass durch Einsatz von nanoskaligem TiO2 in Betonsteinen und -ober- flächen die Konzentration an Stickoxiden in Auto abgasen um 30 bis 45 % reduziert werden kann [JUSCHKUS, 2010; ZHAO, 2003]. In Bergamo (Italien) wurden im Jahre 2006 zwei 500 m lange Teststrecken jeweils mit und ohne photokatalytisch aktiven Pflastersteinen angelegt. Vergleichende Messungen in beiden Abschnitten ergaben, dass die Stickoxid-Belastung in Bodennähe vom TiO2- Bild 12: NOx-Eliminierungsgrad von TiO2-haltigen Betonelemen- haltigen Pflaster im Schnitt um 45 % geringer war ten in Abhängigkeit von der relativen Luftfeuchtigkeit als ohne TiO2 [JUSCHKUS, 2010]. In den Nieder- [EUROVIA, 2005]
16 ist [JUSCHKUS, 2010; TioCem®, 2010] und nicht in de auf 50 – 60 % relativer Feuchte eingestellt, beliebiger Menge eingesetzt werden kann. Anderer- indem das Gasgemisch durch eine gesättigte Mag- seits wird das TiO2 durch die kontinuierliche Polier- nesiumchlorid-Lösung geleitet wurde. Zur Kontrolle beanspruchung der Reifen relativ schnell vom wurde hinter das Befeuchtungsgefäß eine weitere jeweiligen Trägermedium (Zement oder Gestein) Gaswaschflasche angeschlossen in der ein USB- abgetragen [TITAN-SHIELD, 2010]. Datalogger der Firma Lascar untergebracht war, mit dem der Verlauf der Luftfeuchtigkeit aufgezeichnet Im Gegensatz zum Einsatz im Zement und in Pflas- wurde. Eine exemplarische Messung über 5 h wird tersteinen wird TiO2 bis dato noch nicht in Asphalt- in Bild 13 gezeigt. befestigungen verwendet. Dies ist darauf zurückzu- führen, dass TiO2-Partikel infolge des photokatalyti- Die Messzelle bestand aus einem Aluminium- schen Zersetzungsprozesses die Alterung des Bitu- rahmen und besaß einen Gaseinlass und einen mens beschleunigen und somit die Dauerhaftigkeit Gas auslass (siehe Bild 14). Innerhalb der Zelle des Asphalts negativ beeinflussen [WANG, 2010]. konnte ein Prüfgegenstand mit den Ausmaßen Hier besteht noch erheblicher Forschungsbedarf, 10 cm × 5 cm × 1 cm arretiert werden. Die Zelle wur- um TiO2 in Zukunft auch auf einer Asphaltdeck- de gasdicht verschlossen, wobei die Abdeckung schicht ohne substanzgefährdende Wirkung einset- aus Borsilikatglas bestand, damit auch die UV-An- zen zu können. teile des Lichtes im Bereich von 300 – 400 nm trans- mittiert wurden. Während der Messung wurde das NO-haltige Gasgemisch gleichmäßig über den Prüf gegenstand in die Messzelle geleitet, an dessen 3 Untersuchungsmethoden Oberfläche die Photokatalyse stattfinden konnte. Ein Messzyklus dauerte normallerweise 60 min. In diesem Kapitel werden die im Rahmen dieses Forschungsprojekts angewendeten Prüfverfahren vorgestellt. Die Auswertung der Ergebnisse der durchgeführten Prüfungen und deren Bedeutung sind in Kapitel 6 aufgeführt. 3.1 Messung der NOx-Eliminierung nach ISO 22197-1 3.1.1 Messprinzip Zur Messung der NOx-Eliminierung wurde eine in Anlehnung an die Richtlinie ISO 22197-1 [ISO 22197-1, 2008] aufgebaute Testapparatur ein Bild 13: Einstellung der Feuchtigkeit des Prüfgases gesetzt. Ein Gemisch aus synthetischer Luft und NO wurde durch eine Messzelle mit dem Prüf gegenstand geleitet. Die Messzelle wurde bestrahlt und die NO-Gehalte im austretenden Gasgemisch bestimmt. Zu einem Strom aus synthetischer Luft wurde über eine Restriktionskapillare NO (in N2 der Prüfgas klasse 1 mit einer NO-Konzentration von 121 mg/m3 ppm von der Firma Linde) zugemischt und das Gas- gemisch anschließend befeuchtet. Die Menge an zugesetztem NO wurde analysiert und so geregelt, dass ein konstanter Gehalt von 1 ppm NO in dem Gasgemisch vorhanden war. Der Volumenstrom wurde auf 1 L/min eingestellt und kontinuierlich durch ein Fisher+Porter Präzisions-Messrohr kont- rolliert. Die Luftfeuchtigkeit des Gasgemisches wur- Bild 14: Messzelle nach ISO 22197-1
17 Die Messzelle wurde in einer Bestrahlungsappara- COOL-Kühlaggregat gehalten. Die spektrale Ener- tur positioniert (siehe Bild 15, links). Bis auf wenige gieverteilung der verwendeten Xenon-Lampe wur- Ausnahmen wurde für die Bestrahlung eine Sun- de mit einem Spektralphotometer bestimmt und ist test-Bestrahlungskammer der Firma Heraeus ver- in Bild 16 dargestellt. wendet (siehe Bild 15, links). Die Lichtquelle bildete eine Xenon-Lampe, die ein sonnenähnliches Strah- Die Strahlungsenergie der Xenon-Lampe in dem lungsspektrum besitzt. Das Spektrum wurde durch Wellenlängenbereich 290 – 800 nm betrug 300 Cut-Off-Filter auf einen Spektralbereich von 290 – W/m2. In dem für die Photokatalyse relevanten Wel- 800 nm begrenzt. Während der Bestrahlung wurde lenlängenbereich von 300 – 400 nm betrug die ein die Bestrahlungskammer gekühlt und die Tempera- gestrahlte Energie 46 W/m2. Das ist vergleichbar tur im Bereich von 25 – 30 °C durch ein SUN- mit der Strahlungsstärke der Sonne in den mittleren Breiten. Diese beträgt beim Höchststand der Sonne im Juni im Wellenlängenbereich von 300 – 400 nm etwa 60 W/m2. In Bezug auf die eingesetzte Bestrahlungsenergie weichen die durchgeführten Messungen von der ISO 22197 Richtlinie ab, die in diesem Wellenlängenbereich eine maximale Energie von 10 W/m2 vorschreibt. Die Abweichung von der Richtlinie hatte allerdings keine Auswirkung auf die Vergleichbarkeit der Messwerte untereinan- der, was der eigentliche Zweck der Messungen war. Vielmehr hatte die höhere Strahlungsintensität den Vergleich aller Proben untereinander erst ermög- licht, da bei einer Strahlungsenergie von 10 W/m2 für die schwächer aktiven Proben keine messba- ren Photokatalyseaktivitäten zu ermitteln gewesen Bild 15: SUNTEST-Bestrahlungsapparatur (links) und HORIBA- wären. Diese Einschätzung beruht auf Erfahrungs- NOx-Analyzer (rechts) werten, es wurden also nicht für alle Proben verglei- Bild 16: Strahlungsintensität der verwendeten Lichtquelle
18 chende Messungen bei Strahlungsenergien von 3.1.3 Versuchsdurchführung 46 W/m2 und 10 W/m2 durchgeführt Die Oberfläche der zu vermessenden Proben Einzelne Messungen der photokatalytischen Akti- wurde mit einer Bürste und Wasser gesäubert. vitäten wurden in einer anderen Bestrahlungs Anschließend wurde die Probe 1 h lang bei 700 W/ kammer durchgeführt. Diese war mit UV-A Leucht- m2 bestrahlt und 1 h in UHQ Wasser langsam stoffröhren als Lichtquelle ausgestattet. Die UV-A geschüttelt. Nach einer Trocknungszeit von 1 h Leuchtstoffröhren strahlen nur in dem für die bei 60 °C wurde die Probe bis zur Messung im Photokatalyse relevanten Wellenlängenbereich Exsikkator gelagert. Durch die Vorbehandlung soll- 300 – 400 nm. Die Strahlungsenergie betrug bei ten sowohl mikroskopische als auch makroskopi- den Messungen 10 W/m2. Durch Messungen mit sche Oberflächenanhaftungen beseitigt werden geringeren Strahlungsenergien, die mit der und die Oberfläche in einen definierten Ausgangs- Xenon-Lampe nicht realisierbar waren, konnten zustand überführt werden. Um maximale Wirkung Unterschiede in photokatalyrischen Aktivitäten zu erzielen wurde dabei die Xenon-Lampe mit der unterschiedlicher Proben etwas besser bestimmt maximalen Strahlungsenergie betrieben. werden. Als erstes wurden das benötigte Gasgemisch und der Volumenstrom eingestellt. Der Gasstrom wurde 3.1.2 Analytische Methoden mittels eines Fisher-Porter-Rohres gemessen und auf eine Flussrate von 1 L/min eingestellt. Die Das aus der Messzelle austretende Gasgemisch Zudosierung des NO erfolgte über eine Restrik wurde in ein NOx-Analysegerät geleitet und die tionskapillare und wurde anhand der durch den Gehalte an NO und NO2 kontinuierlich bestimmt. Es Stickoxid-Analyser ermittelten Werte auf 1 ppm handelte sich um den APNA-370 Stickoxid Analy eingestellt. Die Stabilität des Gasflusses wurde sator der Firma HORIBA (siehe Bild 15, rechts). Das überprüft, indem 1 h eine Bestrahlung ohne Probe Gerät wurde mittels der Software Horiba AP-370 durchgeführt wurde. remote (v. 5.0) gesteuert. Die Messung erfolgte nach dem Prinzip der Chemilumineszenz. Anschließend wurde die Probe in der Messzelle positioniert, die Lichtquelle eingeschaltet und es Die Intensität des eingestrahlten Lichtes wird erfolgte die Messung der photokatalytischen Aktivi- bereits durch die SUNTEST-Bestrahlungsappara- tät. Es wurde 1 h lang bei einem Volumenstrom von tur mittels eines internen Sensors bestimmt. 1 L/min und 1 ppm NO sowie einer Bestrahlungs- Zusätzlich wurde diese extern durch das Glas stärke von 300 W/m2 gemessen. faser-Spektralphotometer EPP-2000-50 von der Firma Stellar Net vermessen. Die Messung mit Nach der Messung wurde die Probe 1 h lang mit dem Spektral photometer lieferte eine nach den 50 mL UHQ Wasser langsam geschüttelt. Wellenlängen aufgelöste Energieverteilung des eingestrahlten Lichtes. Das ermöglichte die Von jedem Muster standen jeweils vier Proben zur Bestimmung der Lichtenergie innerhalb bestimm- Verfügung. Aus diesen wurden jeweils zwei zufällig ter Wellenlängenbereiche. Für die photokataly ausgewählt. Diese zwei Proben wurden jeweils in tische Aktivität von Titandioxid-Nanopartikeln ist Doppelbestimmung vermessen. Vor der zweiten der Wellenlängenbereich von 300 – 400 nm Messung wurden die Proben zwischenkonditioniert. besonders wichtig. Dazu wurden diese zunächst bei 60 °C im Trocken- schrank getrocknet. Anschließend wurde die Probe Wassermoleküle beteiligen sich an der katalyti- 1 h lang bei 700 W/m2 bestrahlt und 1 h in destillier- schen Oxidation von NOx an Titandioxidpartikeln. tem Wasser langsam geschüttelt. Nach einer Trock- Daher war für eine reproduzierbare Messung die nungszeit von 1 h bei 60 °C wurde die Probe bis zur Einstellung einer konstanten Luftfeuchtigkeit not- Messung im Exikkator gelagert. wendig. Die Kontrolle der Feuchtigkeit in dem ver- wendeten Gasgemisch erfolgte durch einen USB- Datalogger. Dazu wurde das Prüfgasgemisch nach der Befeuchtung durch ein weiteres Glasgefäß (Gaswaschflasche) geleitet, in dem der Datalogger positioniert war.
19 3.2 Bestimmung der Stickstoffbilanz matografie, unter Verwendung einer Anionentau- aus den Messungen der photo schersäule bestimmt. Unter Berücksichtigung des katalytischen Aktivität Volumens an Spülwasser wurden die enthaltenen Massen an Nitrat und Nitrit bestimmt und daraus Messungen der photokatalytischen Aktivität, die wiederum der in diesen Spezies anteilig enthaltene nach ISO 22197-1 durchgeführt werden erlauben Stickstoff berechnet. die Aufstellung einer Stickstoffbilanz. Der Bezugs- wert für die Stickstoffbilanz ergibt sich aus dem Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Stickstoff während der Messdauer eingeleitetem NO. Unter bilanzierung war allerdings, dass das eingeleitete Berücksichtigung der NO-Konzentration von 1 ppm, NO die einzige Stickstoffquelle darstellt. Eine häufi- des Volumenflusses von 1 l/min und der Messdauer ge Fehlerquelle bei dieser Messung bildet das Pro- von 60 min ergab sich eine Gesamtmenge an ein- benmaterial, aus dem sich beim Spülvorgang Nitrat geleitetem NO von 80,4 µg, was anteilig an der und Nitrit herauslösen. Masse des Stickstoffs in NO einer Stickstoffmenge von 37,5 µg entsprach. Die dafür notwendige Umrechnung von ppm auf µg/L erfolgte mit der 3.3 Prüfverfahren zur Beschreibung Formel: der mechanischen und thermi- schen Eigenschaften der (Gl. 1) Probekörper Neben dem Nachweis der photokatalytischen Wirk- mit samkeit der verschiedenen Muster sind auch deren straßenbautechnisch relevanten Eigenschaften c Konzentration der Komponente µg/L anhand geeigneter Prüfverfahren zu testen. M molare Masse der Komponente in g/mol Zur Beurteilung der mechanisch-physikalischen P Druck in mbar (1013 mbar) Eigenschaften kommen der Micro-Deval-Versuch, der Schlagzertrümmerungsversuch und der Ver- R Universelle Gaskonstante (8.31447 J/mol×K) such zur Bestimmung des Polierwiderstands zum Einsatz. Zur Ermittlung der Frostempfindlichkeit T Temperatur in K (298,15 K = 25 °C) werden die Gesteine zyklischen Frost-Tau-Wech- X Konzentration der Komponente in ppm seln (FTW) nach DIN EN 1367-1 unterzogen. Gegenüber der in die Messzelle eingeleiteten Die Anforderungen an die zuvor genannten mecha- NO-Gesamtmenge standen einerseits die aus nisch-physikalischen sowie thermischen Eigen- tretenden Gase NO und NO2, deren Konzentratio- schaften des Gesteins sind den TL Gestein-StB 04 nen in ppm während der Messung kontinuierlich zu entnehmen. Für den Einsatz in Asphaltdeck- aufgenommen wurde, andererseits die minerali- schichten werden außerdem in den TL Asphalt-StB schen NO-Abbauprodukte Nitrit (NO2¯) und Nitrat 07 mischgutsortenabhängige Anforderungen an (NO3¯). den Schlagzertrümmerungswert sowie den PSV- Wert vorgegeben. Unabhängig von der Deck- Die gemessenen NO und NO2 Konzentrationen in schichtart und der Bauklasse muss der Widerstand ppm wurden entsprechend der obigen Formel in gegen Frostbeanspruchung mindestens der Kate- µg/L umgerechnet und daraus die Massen an NO gorie F1 (d. h. Massenverlust nach Frostbeanspru- und NO2 und die darin jeweils enthaltene Stickstoff- chung nicht mehr als 1 M.-%) entsprechen. An den menge bestimmt. Nitrat und Nitrit sind hingegen Widerstand gegen Verschleiß wird derzeit noch beide nicht gasförmig und verbleiben nach ihrer keine Anforderung gestellt. Bildung auf der Probenoberfläche. Sie sind norma- lerweise gut wasserlöslich und werden daher nach der Messung der photokatalytischen Aktivität beim 3.3.1 Kornformkennzahl Schütteln der Probe mit Wasser gelöst. Die Kornformkennzahl gibt Auskunft über die geo- Die Konzentrationen an Nitrit und Nitrat in diesem metrischen Eigenschaften von Gesteinskörnungen. Spülwasser wurde anschließend mittels Ionenchro- Für das Prüfverfahren zur Bestimmung der Korn-
20 formkennzahl gelten die Anforderungen der DIN EN von (12.000 ± 10) Umdrehungen bei einer 933-4. Geschwindigkeit von 100 Umdrehungen pro Minute beansprucht. Der Trommelinhalt wird im Anschluss Anhand der Kornformkennzahl wird der Anteil an durch ein 8-mm-Schutzsieb auf einem 1,6-mm-Sieb nicht-kubischen Körnern einer Kornklasse darge- nass abgesiebt und anschließend im Trocken- stellt. Das Prüfverfahren nach DIN EN 933-4 ist für schrank bis zur Massenkonstanz bei (110 ± 5) °C Kornklassen mit einer unteren Siebgröße di > 4 mm getrocknet. Der Siebrückstand auf dem 1,6-mm- und einer oberen Siebgröße di ≤ 63 mm anwendbar. Sieb inkl. Inhalt des Schutzsiebes wird bei erreich- Um eine vollständige Abtrennung der Körner über ter Massenkonstanz gewogen. Der Micro-Deval- 4 mm Korngröße sicherzustellen, ist die Probe mit Koeffizient MDE wird als Quotient ermittelt, in geeigneten Analysensieben zu sieben. Der welchem sich der Dividend als Differenz aus 500 Rückstand auf dem 63-mm-Sieb sowie der Durch- und dem Siebrückstand auf dem 1,6-mm-Sieb ein- gang durch das 4-mm-Sieb sind zu vernachlässi- schließlich des Siebrückstandes auf dem 8-mm- gen. Proben mit einem Größtkorn, welches mehr Sieb berechnet. Der Divisor wird gleich 5 gesetzt. als doppelt so groß wie das Kleinstkorn ist, müssen Zusätzlich zum MDE kann auch ein Micro- in weitere Kornklassen unterteilt werden. Für die Deval-Koeffizient bei trockener Beanspruchung Ermittlung der Kornformkennzahl werden die Kör- bestimmt werden. Hierbei ist der Versuchsablauf ner einer Kornklasse nun nach dem Verhältnis ihrer fast identisch, nur auf die Wasserzugabe wird Kornlänge L zu ihrer Korndicke E eingestuft. Körner verzichtet und der Micro-Deval-Koeffizient wird mit mit einem Verhältnis von L/E > 3 werden aussortiert MDS bezeichnet. und als nicht-kubisch eingestuft. Das Verhältnis ist gegebenenfalls mit einem Kornform-Messschieber zu ermitteln. Die Kornformkennzahl ergibt sich aus 3.3.3 Schlagzertrümmerungsversuch der Masse der nicht-kubischen Körner dividiert durch die Masse der gesamten Messprobe multipli- Um die dynamische Beanspruchung bei der Ver- ziert mit 100. dichtung durch die Walzen und unter Verkehr auf- nehmen zu können, ist eine Mindestfestigkeit der Weitere Besonderheiten, die sich z. B. durch die Gesteine erforderlich. Diese wird über den Schlag- Einteilung in mehrere Kornklassen ergeben kön- zertrümmerungswert (SZ-Wert) angegeben und mit nen, werden gemäß DIN EN 933-4 beachtet. der Schlagzertrümmerungsprüfung bestimmt. Der Schlagzertrümmerungsversuch stellt somit ein 3.3.2 Micro-Deval-Versuch Verfahren zur Beschreibung der Härte und den damit verbundenen Verschleißeigenschaften der Der Micro-Deval-Versuch gemäß DIN EN 1097-1 Gesteinskörnungen dar [DIN EN 1097-2, 2006]. dient der Bestimmung des Widerstandes gegen Dazu werden die Gesteinskörnungen durch 10 Verschleiß von groben Gesteinskörnungen. Dieses Schläge aus einer Höhe von 370 mm mittels eines Verfahren beruht auf der Ermittlung des durch Fallgewichts von 50 kg beansprucht. Die Durch Reibung zwischen den Gesteinskörnungen und führung erfolgt im Allgemeinen an der Kornklasse einer Reibmittelladung in einer rotierenden Trom- 8/12 mm (SZ8/12). Beim Schlagversuch wird die mel unter festgelegten Bedingungen hervorgeru Messprobe volumetrisch über die Rohdichte ein fenen Abriebs. gewogen. Hierdurch ergibt sich ein, von den Roh- dichten der Gesteinsproben unabhängiger, nahezu Das Micro-Deval-Gerät ist mit vier staub- und was- gleicher Füllstand des Prüfraumes (Mörser). Nach serdicht verschließbaren Trommeln ausgestattet, der Beanspruchung wird die Probe erneut gewogen die während des Versuches in Rotation versetzt und über fünf Sieben (0,2 mm, 0,63 mm, 2 mm, werden. Die Prüfung erfolgt an der Prüfkörnung 5 mm, 8 mm) abgesiebt. Der Schlagzertrümme- 10/14 mm mit einer Probemenge von mindestens rungswert ergibt sich aus der Summe der Sieb- 2 kg. Die Prüfkörnung muss dabei so zusammen durchgänge in Massenprozent dividiert durch fünf. gesetzt werden, dass der Durchgang durch das 11,2-mm-Sieb 30 bis 40 % oder der Durchgang durch das 12,5-mm-Sieb 60 bis 70 % beträgt. Jede 3.3.4 Polierwiderstand (Polished Stone Value) Messprobe (500 g) wird mit einer Reibmittelladung von (5.000 ± 5) g und (2,5 ± 0,05) l Wasser geson- Der Polierwert PSV ist eine Maßzahl für die Wider- dert in eine Trommel gegeben und für die Dauer standsfähigkeit von groben Gesteinskörnungen
21 gegen die polierende Wirkung von Fahrzeugreifen 3.3.5 Frost-Tau-Wechsel unter vergleichbaren Rahmenbedingungen, wie man sie auf einer Straßenoberfläche vorfindet. Gesteinskörnungen unterliegen neben der mecha- Die Bestimmung des PSV erfolgt auf Basis des nischen Beanspruchung durch schlagende und europäisch genormten Verfahrens gemäß DIN EN reibende Kräfte in besonders hohem Maße der 1097-8. Witterungsbeanspruchung. Die Einwirkung von Frost hat auf das Gestein selbst grundsätzlich Die Prüfung besteht aus zwei Teilen: Der erste Prüf- keine Auswirkung. Erst durch die Anwesenheit teil besteht darin, die entsprechenden Einzelmess- von Wasser im Porensystem des Gesteins kann proben herzustellen und diese anschließend in es aufgrund der Ausdehnung des gefrierenden einer Schnellpoliermaschine einer Polierwirkung Wassers zu Gefügesprengungen und lockerungen auszusetzen. Der zweite Teil umfasst die Durch kommen. führung einer Griffigkeitsmessung. Anhand dieser Laut TL Gestein-StB sind zwei Verfahren zur Messung wird der erreichte Polierzustand jeder Ein- Prüfung der Widerstandsfähigkeit von Gesteins zelmessprobe ermittelt. körnungen gegen Frosteinwirkung geeignet: Zum Für die Probekörper werden Gesteinskörner ver- einen die Bestimmung der Wasseraufnahme sowie wendet, die durch ein 10-mm-Analysensieb hin- des Sättigungswertes (siehe DIN EN 1097-6) und durchgehen und von einem 7,2-mm-Schlitzsieb zum anderen der Widerstand gegen Frost-Tau- zurückgehalten werden. Es werden sowohl vier Wechsel (FTW). Hier kommt das letztgenannte Probekörper vom Prüfgestein als auch vier Refe- Verfahren zur Anwendung. Die Bestimmung des renzkörper vom Kontrollgestein (Quarzdolerit im Widerstandes gegen Frost-Tau-Wechsel erfolgt Transport Research Laboratory in Großbritannien) nach DIN EN 1367-1. Dieses Prüfverfahren ist auf hergestellt. Das Kontrollgestein unterliegt einer Gesteinskörnungen mit einer Korngröße zwischen genauen Überwachung und gewährleistet gleich- 4 mm und 63 mm ausgerichtet. Als Proben dienen bleibende Polierkennwerte. Je Probekörper werden in der Regel Körnungen im Bereich 8/16 mm (Ein- 41 ± 5 Gesteinskörner manuell, möglichst dicht und waage 2.000 g bzw. 1.000 g bei porigem Gefüge). mit der ebensten Fläche des Korns auf der Prüf Das Prüfverfahren besteht aus dem Tränken der fläche des Probekörpers angeordnet und anschlie- Prüfkörnungen bei Atmosphärendruck, der Lage- ßend mit einem definierten Verfahren fixiert. rung unter Wasser zur Wasseraufnahme sowie Die Probekörper werden in einer bestimmten Rei- der Frostbeanspruchung unter Wasser. Als erstes henfolge gemäß DIN EN 1097-8 in einer Einspann- werden die Proben in Dosen gefüllt und 24 Stunden vorrichtung unter einem Reifen eingespannt und in destilliertem Wasser bei atmosphärischem Druck einer Polierbeanspruchung unterzogen. Der Polier- gelagert, wobei der Wasserstand noch mindestens vorgang erfolgt unter Zugabe eines Poliermittels. 10 mm über der Einzelmessprobe liegt. Anschlie- Es wird je nach verwendeter Poliermittelart (grobes ßend wird der Wasserstand kontrolliert und die oder feines Poliermittel) zwischen Grob- und Fein- Dosen werden verschlossen. Die Dosen werden polierung unterschieden. Die Zufuhrrate des groben nun in den Kälteschrank gestellt und 10 Frost-Tau- Poliermittels beträgt (27 ± 7) g/min, bei etwa Wechseln unterzogen. Hierbei erfolgt ein definiertes gleicher Wassermenge. Die Zufuhrrate des feinen Abkühlen auf -17,5 °C und ein Auftauen bei +20 °C Poliermittels wird in den DIN EN 1097-8 auf im Wasserbad. Sind die Frost-Tau-Wechsel abge- (3 ± 1) g/min und eine Wassermenge, deren Zufluss schlossen, werden die Gesteinskörnungen in ein rate etwa dem Doppelten der Zufuhrrate des feinen Analyse-Sieb mit halber Lochweite der unteren Naturkorundes entspricht, festgelegt. Prüfkorngröße geschüttet und von Hand gewa- schen und abgesiebt. Der Siebrückstand ist direkt Die Griffigkeitsprüfung erfolgt bei der Bestimmung nach dem Trocknen zu wiegen. Das Ergebnis der des Polierwiderstandes mittels Pendelgerät. Der Frost-Tau-Wechsel-Prüfung ist als der prozentuale PSV wird ganzzahlig gerundet angegeben und Massenverlust der drei Einzelmessproben nach berechnet sich aus einem Mittelwert, welcher aus den Frost-Tau-Wechseln bezogen auf die Aus- den vier Probekörpern der Gesteinskörnung resul- gangsmasse der drei Einzelmessproben anzu tiert, zu welchem man die Differenz aus 52,5 und geben. dem Mittelwert der vier PSV-Kontrollgesteinsprobe- körper addiert.
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