Und nach der Schlacht ins Kino? - Hermann Mückler

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Und nach der Schlacht ins Kino? - Hermann Mückler
„Das Objekt des Monats“: Februar 2022

... und nach der Schlacht ins Kino?
Ein Filmprogrammheft eines Südseefilms mit einem denkwürdigen Datum...

Als sich am 4. November 1942 in Ägypten die Gäste für die Premiere des Südseefilms
„Aloma of the South Seas“ abends vor dem „Rialto“-Kino in Alexandria versammelten,
konnten sie vermutlich keinen Schlachtenlärm mehr aus der Ferne vernehmen. Und doch
wurde weniger als hundert Kilometer weiter westlich an jenem besagten Tag gekämpft,
gestorben und wurden Soldaten in die Gefangenschaft geführt.
         Es war der letzte Tag der entscheidenden Wendeschlacht am nordafrikanischen
Kriegsschauplatz. Nach wochenlangem Ringen war es den britischen Truppen der 8. Armee
unter dem Kommando von Lieutenant General Bernard Montgomery aus ihren
Verteidigungsstellungen heraus bei El Alamein gelungen, die angreifenden Verbände der
deutsch-italienischen Panzerarmee Afrika unter dem Befehl von Generalfeldmarschall Erwin
Rommel zu stoppen und erfolgreich zurückzuschlagen. Tausende Tote und Verwundete
sowie große Materialverluste auf beiden Seiten waren die Bilanz des kräfteraubenden Ringens
der Kriegsgegner. Mit diesem Erfolg der alliierten Truppen, zu denen neben britischen auch
australische, neuseeländische, südafrikanische, indische, griechische und polnische Einheiten
zählten, war nicht nur ein drohender Durchbruch der Achsenmächte zum strategisch
wichtigen Suezkanal gebannt, sondern auch die deutschen Panzerverbände des sogenannten
„Afrikakorps“ soweit geschwächt, dass weitere Angriffe auf ägyptischem Boden nicht mehr
möglich waren. Diese Schlacht, die als zweite Schlacht um El Alamein in die
Geschichtsbücher einging, stellte am nordafrikanischen Kriegsschauplatz eine ähnliche Zäsur
dar, wie die sich zeitgleich für die deutschen Angreifer zum Desaster entwickelnde Schlacht
um Stalingrad am europäisch-kontinentalen östlichen Kriegsschauplatz.

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Und nach der Schlacht ins Kino? - Hermann Mückler
Vermutlich findet sich in den Geschichtsbüchern kein Eintrag darüber, dass am selben Tag
im damals größten und bekanntesten Kino der ägyptischen Mittelmeerstadt Alexandria ein
1941 gedrehter US-amerikanischer Spielfilm anlief, dessen Handlung in der Südsee spielt, in
dem die damaligen Superstars Dorothy Lamour und Jon Hall die Hauptrollen spielten und
der sich trotz Zensur für die damalige Zeit durch eine gewisse Freizügigkeit der darstellenden
Personen auszeichnete. Dass sich ein solcher Film vor allem an ein weißes, europäisch-
amerikanisches Publikum, insbesondere männliche Militärangehörige richtete und
einheimische Ägypter als Kinobesucher zu jenem Zeitpunkt wohl eine Minderheit darstellten,
darf angenommen werden.
         Das hier vorgestellte Filmprogrammheft gelangte an jenem Abend vermutlich
erstmals zum Verkauf an die Kinobesucher. Es ist ein historisches populärmediales Objekt,
welches durch die besonderen zeit- und ereignisbezogenen Umstände eine Besonderheit
darstellt. Im Folgenden werden filminhaltliche und -historische Aspekte skizziert sowie die
Erwerbsgeschichte des Objekts dargestellt.

Das Remake eines erfolgreichen Stummfilms

                                                          Der 1941 in den USA unter der
                                                          Regie von Alfred Santell gedrehte
                                                          78-minütige Abenteuer-Spielfilm
                                                          „Aloma of the South Seas“ (dt:
                                                          „Aloma, die Tochter der Südsee“)
                                                          basiert auf einer Erzählung des
                                                          deutsch-amerikanischen
                                                          Drehbuchautors                 und
                                                          Filmregisseurs Curt Siodmak, der
                                                          als Verfasser zahlreicher Romane
                                                          (insbesondere      Science-Fiction-
                                                          Romane) und Drehbücher in den
                                                          USA Berühmtheit erlangte, sowie
                                                          auf einem Bühnenstück von LeRoy
                                                          Clemens und John B. Hymer,
                                                          welches sowohl in den USA als
                                                          auch in Großbritannien im Jahr
                                                          1925 erfolgreich war.
                                                                 Eine erste Verfilmung der
                                                          Erzählung hatte bereits im Jahr
                                                          1926 – damals als Stummfilm – den
                                                          Weg in die amerikanischen und
                                                          europäischen Kinos gefunden.
                                                          Unter der Regie von Maurice
                                                          Tourneur und einem Drehbuch
                                                          von James Ashmore Creelman
                                                          wurden die Hauptpersonen des 90-
                                                          minütigen     Films    von      den
                                                          Schauspielern Gilda Gray, Percy
                                                          Marmont und Warner Baxter
                                                          verkörpert.

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Und nach der Schlacht ins Kino? - Hermann Mückler
Dieser Film gilt heute als verschollen. Da die spätere zweite Tonfilmverfolgung sich inhaltlich
am ersten Film orientierte, kann man die Handlung dieses ersten „Aloma“-Südseefilms
weitgehend nachvollziehen. Dieser erste Film galt als der erfolgreichste des Jahres 1926 sowie
als viert-erfolgreichster Film der 1920er Jahre in den USA. Der Film stellte für die aus Polen
stammende Schauspielerin Gilda Gray ihr erfolgreichstes Engagement dar. In nur drei
Monaten spielte er in den USA die damals sagenhafte Summe von drei Millionen US-Dollar
ein. Dies mag den Ausschlag gegeben haben, die Thematik fünfzehn Jahre später ein weiteres
Mal zu verfilmen.
         Der Film aus dem Jahr 1941 zeichnete sich dadurch aus, dass er als Farbfilm gedreht
wurde, sowie durch seine Spezialeffekte, mit denen ein Vulkanausbruch simuliert wurde.
Beides waren Aspekte, die dazu führten, dass der Film für den Oscar 1942 nominiert wurde.
Die Südseemusik, die im engeren Sinn mehrheitlich als Hawaii-Musik (inklusive Steelguitar) in
Erscheinung tritt, stammte mehrheitlich von dem aus Makiki bei Honolulu, Oahu,
stammenden Daniel Stewart Kalauawa, der zusammen mit Victor Young für die musikalische
Untermalung des Films verantwortlich zeichnete.
         Inhaltlich handelt es sich um ein Melodram, in dessen Mittelpunkt eine
Südseeschönheit steht, die sich zwischen zwei Männern entscheiden muss. Diese
Hauptperson wurde mit der Schauspielerin Dorothy Lamour besetzt, eine der beiden
männlichen Hauptrollen mit Jon Hall. Lamour und Hall hatten bereits vier Jahre zuvor, 1937,
in dem Film „The Hurricane“ (dt.: „...und dann kam der Orkan“) – ebenfalls ein Film, dessen
Handlung in der Südsee angesiedelt ist – miteinander vor der Kamera gestanden. Weiters
hatte Lamour 1940 in dem Film „Typhoon“ (dt.: „Die Hölle der Südsee“) ebenfalls eine
Hauptrolle in einem in der Südsee angesiedelten Film gespielt.
         Lamour verkörpert in „Aloma of the South Seas“ eine Insulanerin namens Aloma
einer nicht näher bezeichneten fiktiven Insel, welche in jungen Jahren für den Thronfolger
des Inselvolkes namens Tanoa als Verlobte auserkoren wurde. Während dessen
ausbildungsbedingter Abwesenheit verliebt sich Aloma in Tanoas Freund Revo. Nach der
Rückkehr Tanoas entdeckt Aloma jedoch ihre Gefühle für Tanoa und muss auch der
festgelegten Bestimmung folgen, obwohl dies von Revo gewaltsam bekämpft wird. Bei der
Hochzeitszeremonie von Aloma und Tanoa eskaliert die Situation derart, dass Revo den
Hohepriester tötet und mit einem Maschinengewehr die Hochzeitsgäste töten will. Das
Feuergefecht zwischen dem Angreifer und der Hochzeitsgesellschaft wird durch den
plötzlichen Ausbruch des Inselvulkans unterbrochen, bei dem Revo durch Steinschlag getötet
wird, was von den Insulanern als Gottes Wille interpretiert wird. Als sich der Vulkan
beruhigt, steht einem Happy-End nichts mehr im Wege...
         Die aus heutiger Perspektive schlichte, unbekümmerte Handlung findet sich in
abgewandelter Form bei mehreren Südseefilmen jener Jahre und darüber hinaus bei solchen
aus anderen Weltgegenden. Dreiecksbeziehungen, die in einer Tragödie zu enden drohen und
in denen eine Naturkatastrophe das Momentum eines unerwarteten Bruchs in der Handlung
erlaubt, finden sich in zahlreichen Abenteuerfilmen jener Epoche. Insbesondere Vulkane –
ausbrechende oder nur in der Ferne rauchende – gehören neben Sandstränden, Palmen,
Bambusgebäuden und -möbeln zu den exotischen und bedrohlichen Standardbeigaben der
Südseefilme dieser Epoche.
         Hervorhebenswert ist, dass in den Filmen jener Jahre und bis Anfang der 1960er Jahre
alle einheimischen Insulaner, die in Hauptrollen von Spielfilmen vorkommen, egal ob
männlich oder weiblich, von weißen, einem kaukasischen Typus entsprechenden Personen
verkörpert werden. Dies betraf nicht nur Südseefilme. Lediglich als Statisten und manchmal
in unbedeutenden Nebenrollen finden sich Darsteller, die sich durch eine dunklere Hautfarbe
auszeichnen (dann häufig von Mexikanern gespielt) und in sehr seltenen Fällen von indigenen
Pazifikbewohnern verkörpert werden. Diese aus heutiger Sicht durchaus als rassistisch zu

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bezeichnende Praxis hängt auch damit zusammen, dass fast alle dieser Abenteuer-Südseefilme
nicht auf Südseeinseln gedreht wurden, sondern im US-Bundesstaat Kalifornien, welcher sich
ebenfalls vielerorts durch eine tropische bzw. subtropische Vegetation auszeichnet.
         Die aus New Orleans, Louisiana, stammende Dorothy Lamour war im Jahr 1941,
zumindest aus angloamerikanischer Perspektive, ein Superstar. Spätestens ab dem Jahr 1936,
wo sie im Film „The Jungle Princess“ die Hauptrolle gespielt hatte, war sie auf die
Darstellung exotischer Schönheiten in Abenteuerfilmen gebucht. In fast allen Filmen jener
Jahre musste die Regie Gratwanderungen gehen, um eine maximale Freizügigkeit bei der
Bekleidung der Schauspielerin zu ermöglichen, ohne dass die Zensoren den Film verbieten
würden. Ein dabei mehrmals zum Einsatz gekommener knapp geschnittener Sarong, der
Lamours Figur dennoch gut zur Geltung kommen ließ, brachte ihr den Namen „Sarong-Girl“
ein. Neben Betty Grable, Rita Hayworth, Lana Turner und Jane Russell galt Dorothy Lamour
als zeitgenössisches Idol für die US-amerikanischen Soldaten und avancierte so während des
Zweiten Weltkrieges zu einem der beliebtesten Pin-up-Girls der GI‘s. Geschickt nutzte sie
auch ihre Popularität, um im nationalen Interesse Werbung für den Verkauf von
Kriegsanleihen zu machen.

Das Filmprogrammheft

Das dünne, einmal gefaltete Blatt des den Film begleitenden Programmhefts umfasst vier
Seiten, von denen nur die erste, also die vordere Umschlagseite (U1) durch die Verwendung
eines Zweifarbendrucks (Duplex; rot und blau) farbig erscheint. Die Rückseite (U4) ist
gänzlich farblos und zeigt nur schwarzen Text auf hellem Hintergrund, während die
aufgeschlagene Innen-Doppelseite (U2+U3) in blauem Druck gehalten ist. Auf der

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„Coverseite“ beherrscht das Liebespaar Aloma und Tanoa die Bildmitte, der ein bedrohlich
rauchender Vulkan im Hintergrund als dramatisierendes Element beigestellt ist. Die
Anordnung und Position der beiden Hauptdarsteller folgt dem damaligen
geschlechtsspezifischen Rollenverständnis des aktiven, zupackenden Mannes und der
passiveren Frau, was sich sowohl in der dynamischeren Körperhaltung des Mannes, als auch
in der höheren Position des männlichen Kopfes gegenüber dem weiblichen manifestiert.
Collagenartig sind weitere Protagonisten des Films stark verkleinert im unteren Bildbereich
angesiedelt. Markant ist der Titel in grellem Rot platziert, ebenso der Hinweis, dass die beiden
Stars der Hauptrollen dieses Films bereits in „The Hurricane“ miteinander vor der Kamera
gestanden hatten. Ebenso in Rot und damit Aufmerksamkeit heischend ist der Hinweis, dass
dieser Film in Technicolor als Farbfilm hergestellt wurde. Ebenfalls auffällig – aufgrund der
verwendeten großen Schrifttype – ist der Hinweis auf das den Film ausstrahlende Kino
„Rialto“ sowie der Tag der Erstausstrahlung und die Adresse des Kinos, inklusive
Telefonnummer und einer „C.R.“(Company Registry)-Nummer.
        Die aufgeklappte Blattinnenseite ist flächendeckend mittels einer Bild-Collage
gestaltet, in deren Zentrum sich eine auf einer Chaiselongue ausgestreckte Dorothy Lamour
präsentiert, ergänzt durch vier deutlich kleinere Vignettenbilder, welche als Filmstills Szenen
des Films aufgreifen, sowie eine Fast-Kussszene als dramatischen Höhepunkt im oberen
Bildbereich. Das sehr textlastige Bild versucht die Besonderheiten dieses Films
herauszustreichen. Hervorhebenswert ist dabei das Inset auf der linken unteren Seite, wo auf
niemals zuvor von Weißen gesehene Hochzeitsrituale, auf pulsbeschleunigende
Musikrhythmen sowie auf den ausbrechenden und ein ganzes Dorf unter seiner Lava
begrabenden Vulkan verwiesen wird.

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Die Umschlagrückseite ist insofern bemerkenswert, da hier die Filmankündigung auch
in französischer und arabischer Sprache ihre Verlautbarung findet. Dies hängt vermutlich
einerseits mit der kosmopolitischen Geschichte der Stadt Alexandria mit ihrem hohen
Ausländeranteil zusammen, andererseits zu jenem Zeitpunkt auch mit der hohen Zahl von
Soldaten aus den verschiedensten Ländern, die auf Seiten der Alliierten gegen die
angreifenden Achsenmächte das von den Briten kontrollierte Ägypten verteidigten. Der
französische (und vermutlich auch der arabische) Text unterscheidet sich vom
englischsprachigen deutlich durch die Hinzufügung des Hinweises auf einen vermutlich vor
dem Film gezeigten Nachrichtenfilm, der als „War Pictorial News No. 78“ die aktuellsten
Ereignisse des Krieges und insbesondere des Kriegsschauplatzes in der Wüste thematisiert.
Die Aktualität wird noch dadurch unterstrichen, dass darauf verwiesen wird, dass die
Nachrichtenfilmrollen per Flugzeug angeliefert werden. Weiters wird neben der Angabe der
Zeiten, zu denen der Nachrichtenfilm (und wohl auch der Spielfilm) gezeigt wurde, auch auf
eine spezielle Sonntags-Matinée-Ausstrahlung verwiesen.

Provenienz und das Kino
Das Programmheft fand sich in Ägypten in einem Antiquariat in Kairo, dessen Verkäufer es
im Jahr 2019 ohne weitere Details zum Objekt bzw. dessen Herkunft online zum Kauf anbot.
Recherchen zum Medium erbrachten bislang kein Vergleichsexemplar. Vermutlich haben nur
wenige Exemplare dieses damals speziell für die Ausstrahlung des Spielfilms aufwendig
zweifarbig produzierten Programms seinerzeit den Weg außerhalb Ägyptens gefunden, wenn
man von jenen Soldaten absieht, die dieses leicht transportierbare Stück bedrucktes Papier als
Erinnerung an einen Kriegseinsatz und Fronturlaubstage im Hinterland aufhoben.
        Die Herstellung von Filmprogrammheften war vor allem im deutschsprachigen Raum,
also in Österreich und Deutschland, verbreitet und kannte im angloamerikanischen Raum
bezüglich zahlenmäßigen Umfangs und Regelmäßigkeit keine Entsprechungen. Selbst in
Kontinentaleuropa fand sich die Praxis, jedem Film ein Begleitheft – heute würde man sagen,
einen Flyer – zu widmen, nur punktuell und insgesamt in deutlich geringerem Umfang in
Frankreich und Italien. Außerhalb Europas fand sich diese Praxis insbesondere in Japan. Das
Filmprogrammheft, welches als ein gedrucktes Begleitheft zu jeweils einem konkreten
Kinofilm Angaben zu Rollenbesetzung, Stab sowie inhaltliche Angaben zur Filmhandlung
bietet, unterscheidet sich deutlich von Filmzeitschriften, die darüber hinausgehende
Nachrichten aus der Welt des Films präsentieren. Die Tatsache, dass dieses
Filmprogrammheft produziert wurde, ist daher bemerkenswert, sowohl was den Zeitpunkt,
als auch den kulturellen britisch-französisch-ägyptischen Background betrifft und kann als
Ausnahmefall betrachtet werden, über dessen Anlass man nur spekulieren kann. Einerseits
war der Film „Aloma of the South Seas“ damals tatsächlich ein „blockbuster“, andererseits
herrschte Krieg und die Notwendigkeit, für Fronturlauber Ablenkungen vom Kriegsalltag zu
bieten, könnte von den alliierten Propagandaabteilungen als kriegswichtige psychologische
Maßnahme gesehen worden sein, für die man auch bereit war, Geld für die Bewerbung dieses
Films in die Hand zu nehmen.
        Das Rialto-Kino war zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in der am Mittelmeer gelegenen
Stadt Alexandria eines der modernsten. Es war Ende der 1920er Jahre erbaut worden (das
genaue Baudatum lässt sich nicht eruieren) und bereits vor dem Zweiten Weltkrieg erstmals
erweitert und umgebaut worden, was sich nach dem Krieg mehrmals wiederholen sollte. Eine
Zeit lang Anfang der 1930er Jahre trug das Kino den Namen „Cinema Eden“. Das Kino lag
an einer zentralen, stark frequentierten Straße, die vom Mittelmeer mit direkter Blickachse zur
Quait Bay Zitadelle, direkt ins Stadtzentrum und zum Bahnhof führt. Die Inneneinrichtung

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des Kinos hatte stilistisch Anklänge an Art Deco und war opulent ausgestattet, mit
ursprünglich 666 Sitzen, 439 Balkonsitzen und 20 Logen.

Das Kino war vom Krieg nicht betroffen, obwohl Alexandria 1941 und 1942 unter deutsch-
italienischen Bombenangriffen zu leiden und Zerstörungen an Häusern und Bewohnern zu
beklagen hatte. Nach dem Krieg erhielt das Kino im Zuge einer Renovierung im Jahr 1955
eine breitere Cinemascope-Leinwand. Das Kino galt anfangs als auf internationale (heißt
mehrheitlich europäisch-westliche) Filme spezialisiert und änderte erst im Laufe der Zeit sein
Filmportfolio. Das Rialto-Kino wurde 2012/2013 – trotz Protesten seitens
Denkmalschützern – abgerissen, nachdem es von seinem langjährigen griechischen Besitzer
an einen neuen Betreiber verkauft worden war, der ursprünglich vor hatte, das Kino weiter zu
betreiben, es aber letztlich an Investoren verkaufte, die es demolieren und ein
Einkaufszentrum errichten ließen. In derselben Straße in unmittelbarer Nähe befindet sich
schräg gegenüber das Metro-Kino und etwas weiter entfernt in Richtung Zentrum das
Cinema Amir. Der Name „Rialto“ für Kinos findet sich mehrmals im nordafrikanischen
Mittelmeerraum, so z.B. gleich für zwei marokkanische Kinos in Agadir und Casablanca. Es
fällt auf, dass in Berichten zur Geschichte und Zerstörung des Kinos die Adresse 36 Safiya
Zaghloul Street angegeben wird, während auf dem Filmprogrammheft die Nummer 43
vermerkt ist. Internetrecherchen ergaben auch noch die Nummern 46 (Cinema Treasures)
und 37 (Amicale Alexandrie Hier et Aujourd’hui). Die plausibelste Erklärung dafür könnten
katasterbezogene Neu- bzw. Umnummerierungen im Laufe der Zeit sein.

Das hier besprochene historisch-populärmediale Objekt ist eine Besonderheit, welche
insbesondere in diesem Jahr, wo sich zum runden 80. Mal der Jahrestag der beiden Schlachten
um El Alamein jährt, verdient, hervorgehoben zu werden. Gerade solche Objekte erinnern
uns daran, dass es neben den großen historisch bedeutsamen Ereignissen immer daneben und
zeitgleich auch ein Alltagsleben gegeben hat und die Menschen neben den

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Herausforderungen des täglichen Lebens bzw. in diesem Fall des freiwilligen oder
erzwungenen Kriegsdienstes auch Zerstreuung und Unterhaltung gesucht haben. Während
des Zweiten Weltkriegs gab es auch Regionen, wie das kalifornische Hollywood in Los
Angeles, die vom Krieg weitgehend unbetroffen, ungestört für die Unterhaltungsindustrie
produzieren konnten. Dieses Filmprogrammheft erinnert uns an diese Parallelitäten,
Berührungspunkte und Schnittstellen, und unterstreicht den Sinn populärkultureller
Bildforschung.

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                                                                        im Februar 2022

Website: www.hermann-mueckler.com                 Email: hermann.mueckler@univie.ac.at

                               Text: © H. Mückler 2022
                    Fotos: Abb. 1, 2: Wikimedia; Abb. 6: © mapio.net

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