Das Rentenniveau sichern - aber wie? - Eine kurze Analyse und ein systemadäquater Vorschlag
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FORSCHUNGSERGEBNISSE Eckart Bomsdorf* Das Rentenniveau sichern – aber wie? Eine kurze Analyse und ein systemadäquater Vorschlag In seinem Beitrag zeigt Eckart Bomsdorf, wie es möglich ist, allein durch eine Beseitigung bestehender Ungereimtheiten in der Rentenanpassungsformel – ohne grundsätzliche Ände- rung der Formel – Leistungsverbesserungen zu bewirken. Es gibt in den sozialen Sicherungssystemen kaum (Koalitionsvertrag 2018, S. 92). Dabei wird unter dem einen Bereich, in dem von der Politik in der Vergangen- Rentenniveau das Verhältnis der Höhe einer um den heit regelmäßig so viele Veränderungen vorgenommen Eigenbeitrag zur Kranken- und zur Pflegeversicherung wurden wie bei der Rentenanpassungsformel. Stän- verminderten Rente eines Standard- oder Eckrent- dig wurden Modifikationen vorgeschlagen und auch ners2 zur Höhe des um die Sozialabgaben einer sozial- umgesetzt, die den Veränderungen der Rahmenbedin- versicherungspflichtig beschäftigten Person reduzier- gungen Rechnung tragen sollten, zum Teil aber auch ten Durchschnittsentgelts verstanden. Diese als Net- einem gewissen Klienteldenken oder der Kassenlage torentenniveau (vor Steuern)3 bezeichnete Größe ist geschuldet und nicht immer zielführend waren. Aktu- offenbar im Koalitionsvertrag mit dem Begriff »Niveau« ell ist die Frage, wie kann das Rentenniveau bei nur gemeint und wird öffentlich vielfach diskutiert sowie im gering steigendem Beitragssatz oder besser noch mög- Folgenden betrachtet.4 lichst nahezu beitragssatzneutral stabil gehalten wer- Das Rentenniveau wird gerne als Sicherungs den. Laut Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und niveau, als Maß für die Qualität und auch die Quantität SPD vom 14. März 2018 wird kurzfristig schon wieder der staatlichen Rente verwendet, obwohl im Gegensatz eine Änderung der Rentenformel – genauer der Ren- zu Beamtenpensionen, wo aus einem erreichten Pen tenanpassungsformel – angestrebt.1 Dabei ist es, wie sionssatz von beispielsweise 70% unmittelbar die Höhe im Folgenden gezeigt wird, möglich, ohne grundsätz- der Pension errechnet werden kann, das Rentenniveau liche Änderung der Rentenanpassungsformel allein letztlich eine fiktive Größe darstellt, die für die versi- durch eine Feinjustierung im System dem angestreb- cherten Personen keine unmittelbare Aussage über die ten Ziel nahe zu kommen. Die hier vorgeschlagenen Höhe der Rente zulässt, da sie nicht in direkter Bezie- Adaptionen bestehen im Wesentlichen daraus, beste- hung zum individuellen Erwerbseinkommen steht. hende Ungereimtheiten in der Rentenanpassungs- Das Rentenniveau hängt u.a. von den Beitragssät- formel zu beseitigen und damit Leistungsverbesserun- zen zur Sozialversicherung ab. Dabei zeigen sich einige gen zu bewirken. auf den ersten Blick irritierende Konsequenzen. Fällt ceteris paribus der Beitrag zur Arbeitslosenversiche- DAS RENTENNIVEAU rung, so fällt unmittelbar – da dies nur die aktiv Versi- cherten direkt trifft – das Rentenniveau; entsprechend In der Betrachtung der vergangenen und der zukünf- steigt mit steigendem Beitragssatz das Rentenniveau, tigen Rentenentwicklung steht immer wieder das obwohl sich in beiden Fällen an der Rentenhöhe nichts Rentenniveau im Vordergrund. So findet sich auch im geändert hat. Kurzfristig gilt das bei einer Änderung Koalitionsvertrag der folgende Passus: »Deshalb wer- 2 Ein Standard- oder Eckrentner ist ein Beitragszahler, der 45 Jahre den wir die gesetzliche Rente auf heutigem Niveau von lang jedes Jahr einen Entgeltpunkt in der Rentenversicherung erwor- 48% bis zum Jahr 2025 absichern und bei Bedarf durch ben hat, also quasi jedes Jahr Entgelt in der Höhe des Durchschnitts entgelts aller Versicherten bezogen und daraus Beitragszahlungen Steuermittel sicherstellen, dass der Beitragssatz nicht geleistet hat. über 20% steigen wird. Für die Sicherung des Niveaus 3 Mit den langfristigen Kosten einer Einhaltung des Rentenniveaus von 48% bei gleichzeitiger Begrenzung des Beitragssatzzuwachses bei 48% werden wir in 2018 die Rentenformel ändern.« haben sich Börsch-Supan und Rausch (2018) in einer Studie beschäf- tigt, die u.a. zeigt, welche Mehrwertsteuererhöhungen erforderlich * Prof. Dr. Eckart Bomsdorf, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftli- wären, wenn diese zur Finanzierung der beiden sogenannten Hal- che Fakultät der Universität zu Köln. telinien notwendig wären. Allerdings gehen sie in ihren restriktiven 1 Mit der langfristigen Sicherung der Qualität der Alterssicherung Annahmen deutlich über die bisher nur bis 2025 vorgesehenen Ziele soll sich die jetzt eingesetzte Rentenkommission »Verlässlicher hinaus. Darauf weist auch Geyer (2018) hin. 4 Generationenvertrag« der Bundesregierung beschäftigen (vgl. Koali- Das Nettorentenniveau nach Steuern liegt natürlich deutlich hö- tionsvertrag 2018, S. 92). her als das hier betrachtete Rentenniveau. 30 ifo Schnelldienst 11 / 2018 71. Jahrgang 14. Juni 2018
FORSCHUNGSERGEBNISSE des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversiche- RQt–1 Rentnerquotient im vergangenen Kalender- rung ähnlich. jahr, Das Umlageverfahren der Sozialversicherung RQt–2 Rentnerquotient im vergangenen Kalender- und damit auch der gesetzlichen Rentenversicherung jahr, strebt an, dass sich Einnahmen und Ausgaben einer α = 0,25. Periode ausgleichen. Während bei der gesetzlichen Rentenversicherung auf der Ausgabenseite im Wesent- Nach der hier nur kurz dargelegten aktuellen lichen die ausgezahlten Renten und weitere Ausgaben Rentenanpassungsformel ergibt sich der ab 1. Juli der Rentenversicherung (z.B. für Reha-Kosten, Verwal- eines Jahres geltende Rentenwert aus dem Renten- tungskosten) auftauchen, stehen auf der Einnahmen- wert des Vorjahres multipliziert mit einem die Lohn- seite die Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber und Gehaltsentwicklung wiedergebenden Lohnfak- und die aus Steuergeldern gezahlten Zuschüsse.5 Sol- tor, einem die Änderung der Altersvorsorgeaufwen- len Leistungen erhöht werden, so ergeben sich immer dungen wiedergebenden Faktor (früher Riester-Faktor zwei Finanzierungsmöglichkeiten. Die Beitragszahlun- genannt, hier als Altersvorsorgefaktor bezeichnet) gen oder die staatlichen Zuschüsse müssen steigen, sowie dem die Entwicklung des Verhältnisses von Ren- sofern nicht an anderer Stelle Einsparungen vorgenom- tenbeziehern und Beitragszahlern berücksichtigenden men werden. Nachhaltigkeitsfaktor. Die in ihrer mathematischen Darstellung vielfach DIE RENTENANPASSUNGSFORMEL als sehr komplex empfundene Rentenanpassungs formel besteht im Wesentlichen also aus drei Kom- Die Konstruktion der gesetzlichen Rentenversicherung ponenten: Bei der Berechnung des aktuellen Ren- sieht vor, dass automatisch bei steigenden Einkommen tenwertes wird – vereinfacht gesagt – der bisherige nicht nur die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversiche- Rentenwert durch die Änderung der durchschnittli- rung in ihrer absoluten Höhe, sondern gleichzeitig auch chen Bruttoentgelte, die Änderung des Beitragssatzes die Renten steigen. Erfasst wird dieser Anpassungspro- zur gesetzlichen Rentenversicherung und die Ände- zess in der Rentenanpassungsformel, mit deren Hilfe rung des Verhältnisses von Rentnern zu Beitragszah- jährlich der Rentenwert6 und damit letztlich die Ren- lern7 an die wirtschaftliche und die demographische tenhöhe festgesetzt werden. Entwicklung angepasst. Während eine Zunahme der Aktuell hat die Rentenanpassungsformel nach § 68 Bruttoentgelte zu einer Erhöhung des Rentenwerts SGB VI(5) folgendes Aussehen: führt, kommt es bei der Steigerung des Beitragssat- zes zur gesetzlichen Rentenversicherung bzw. einer BEt-1 100 – AV2012 – RVBt-1 RQt-1 Verschlechterung des Verhältnisses von Rentnern zu ARt � ARt-1· · � ( �1 – � ·α + 1) Beitragszahlern (genauer des Rentnerquotienten) zu BEt-2 100 – AV2012 – RVBt-2 RQt-2 einer Dämpfung der Rentenanpassung. Eine Siche- mit rungsklausel bewirkt, dass es in keinem Fall zu einer ARt zu bestimmender aktueller Rentenwert ab Senkung des Rentenwertes kommt, selbst wenn dies dem 1. Juli, aus der Rentenanpassungsformel folgen würde. Bei ARt–1 bisheriger aktueller Rentenwert, der Verschlechterung des Verhältnisses von Rentnern BEt–1 Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im zu Beitragszahlern bzw. der Erhöhung des Beitragssat- vergangenen Kalenderjahr, zes zur Rentenversicherung bleibt die Rentenanpas- BEt–2 Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitneh- sung hinter Lohnsteigerungen zurück, mit der Folge, mer im vorvergangenen Kalenderjahr, unter dass auch das sogenannte Rentenniveau im Regelfall Berücksichtigung der Veränderung der bei- leicht sinkt.8 In der jüngeren Vergangenheit hat der tragspflichtigen Bruttolöhne und -gehälter je Nachhaltigkeitsfaktor jedoch eine positive Wirkung Arbeitnehmer ohne Beamte einschließlich der auf die Rentenanpassung gehabt, da hat dieser Fak- Bezieher von Arbeitslosengeld, tor die Rentner und die Arbeitnehmervertreter nicht AV 2012 Altersvorsorgeanteil für das Jahr 2012 in Höhe gestört – im Gegenteil. von 4 von Hundert, RVBt–1 durchschnittlicher Beitragssatz in der allge- … UND DER ALTERSVORSORGEFAKTOR meinen Rentenversicherung im vergangenen Kalenderjahr, Um das Rentenniveau nahezu stabil zu halten, wäre RVBt–2 durchschnittlicher Beitragssatz in der allge- es scheinbar am einfachsten, den Altersvorsorgefak- meinen Rentenversicherung im vorvergange- tor und den Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenan- nen Kalenderjahr, 7 Es wird hier darauf verzichtet, von Rentnern und Rentnerinnen bzw. Beitragszahlern und Beitragszahlerinnen zu sprechen; gemeint sind mit den Begriffen Rentner bzw. Beitragszahler immer alle Ge- 5 Von der Rücklage der gesetzlichen Rentenversicherung wird hier schlechter. 8 abstrahiert. Allerdings wird wegen der das Rentenniveau erhöhenden Wirkung 6 Also des Rentenanspruchs, der für ein Jahr Beitragszahlung bei einer Beitragssatzsteigerung die Rentenniveausenkung nicht in vol- Durchschnittseinkommen erworben wird, d.h. einem Entgeltpunkt lem Umfang der Wirkung des Faktors für die Altersvorsorgeaufwen- entspricht. dungen entsprechen. ifo Schnelldienst 11 / 2018 71. Jahrgang 14. Juni 2018 31
FORSCHUNGSERGEBNISSE passungsformel zu vernachlässigen und die Rentenan- Diese Steigerung könnte zum großen Teil aus den passung direkt im Gleichklang mit den – evtl. um eine Steuermitteln finanziert werden, die frei zur Verfü- Veränderung der Beitragssätze zur Sozialversiche- gung stehen, da die Riester-Rente nicht im ursprüng- rung bereinigten – Löhnen und Gehältern anzupassen. lich vorgesehenen Maße angenommen wird. Das Ren- Dies würde allerdings zu einer dem Umlageverfahren tenniveau würde ebenfalls um 2,5%, d.h. um mehr als nicht entsprechenden Anpassung und im Regelfall zu einen Punkt, steigen. einer deutlichen Finanzierungslücke führen; das Ver- fahren wäre allenfalls vertretbar bei einer strukturell … SOWIE BEITRAGSSATZ IN DER RENTEN gleichbleibenden Anzahl von Rentenbeziehern und ANPASSUNGSFORMEL SYSTEMADÄQUAT Beitragszahlern.9 VERWENDEN … Wird der Altersvorsorgefaktor der Rentenanpas- sungsformel dagegen in seine Bestandteile zerlegt, Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung11 ist ersichtlich, dass an zwei Stellen unmittelbar Ein- wird beim Altersvorsorgefaktor einbezogen, da sozial- flussmöglichkeiten bestehen könnten: beim Alters- versicherungspflichtige Arbeitnehmer im Gegensatz zu vorsorgeanteil und beim Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenempfängern Beiträge zur gesetzlichen Renten- Rentenversicherung. versicherung zahlen. Steigt der Beitragssatz zur Ren- Zwei sinnvolle Änderungen dieser Größen, die tenversicherung, so fällt die Rentenanpassung gerin- ohne eine grundsätzliche Änderung der Rentenanpas- ger aus als bei Beitragssatzkonstanz. Ein bisher in die- sungsformel umgesetzt werden können, werden im sem Zusammenhang kaum zur Kenntnis genommener Folgenden diskutiert. Die beiden Ansätze bauen auf Fakt ist die Tatsache, dass beim Altersvorsorgefaktor einer Anpassung des Altersvorsorgefaktors an die Rea- der volle Beitragssatz zur Rentenversicherung ein- litäten auf und führen zu einer Erhöhung des Renten geht, obwohl die Arbeitnehmer – um die es hier geht – niveaus gegenüber der dem Status quo nach zu erwar- nur den halben Satz zahlen, die andere Hälfte wird im tenden Entwicklung. Ausgangspunkt ist dabei die Frage, Regelfall vom Arbeitgeber übernommen. Hier bietet ob der Altersvorsorgeanteil bzw. der Beitragssatz in sich eine kleine, aber durchaus nicht folgenlose Kor- adäquater Weise in die Formel eingeht. Sie vermeiden rektur der Rentenanpassungsformel an. Statt des vol- also willkürliche Eingriffe in die Rentenanpassungsfor- len, sollte logisch konsequent und richtig nur der halbe mel, wie sie wiederholt vorgenommen wurden. Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung in die Formel einbezogen werden. Dies führt dazu, dass RIESTER-RENTE IN RENTENFORMEL REALITÄTS- sich Änderungen des Beitragssatzes nicht so stark auf NAH EINBAUEN … die Rentenanpassung auswirken. Um die positive Wirkung der Verwendung des hal- Die freiwillige Riester-Rente sollte einerseits ein staat- ben Beitragssatzes im Altersvorsorgefaktor bei stei- lich geförderter Einstieg in die kapitalgedeckte Alters- gendem Beitragssatz zu verdeutlichen, empfiehlt es vorsorge sein, andererseits sollte sie – ohne dass dies sich, zunächst den Altersvorsorgefaktor für beide Fälle öffentlich deutlich gesagt wurde – letztlich nur das in Abhängigkeit vom »neuen« Beitragssatz darzustel- Loch stopfen, das sich durch ihre Einführung in den len und daran folgend die unterschiedlichen prozentu- Altersvorsorgefaktor bei der Renten-(wert-)anpas- alen Dämpfungen zu erfassen. sung auftrat. Beides ist nicht in dem Maße gelun- Konkret12: Bei Beitragssatzsteigerungen sind die gen, wie es sich die Politik vorgestellt hat. Nicht ein- aus dem Altersvorsorgefaktor (vgl. Abb. 1) folgenden mal die Hälfte der Berechtigten hat offenbar im ange- Rentenwertdämpfungen prozentual weniger als halb strebten Maße vom Angebot Gebrauch gemacht. Und so groß wie bei der aktuellen geltenden Formel (vgl. eine Steigerung ist – allemal vor dem Hintergrund Abb. 2). So führt ausgehend von 18,6% Beitragssatz wenig attraktiver Angebote – nicht auszumachen. aktuell eine – schrittweise – Steigerung des Beitrags- Daraus könnte gefolgert werden, dass der Altersvor- satzes um einen Punkt auf 19,6%, statt aktuell zu einer sorgeanteil in der Rentenanpassungsformel nicht mit Rentendämpfung von 1,29% bei der vorgeschlagenen dem Wert 4, sondern nur mit dem Wert 2 anzuset- Modifikation nur zu einer von 0,57%, bei einer Steige- zen wäre, da statistisch gesehen allenfalls die Hälfte rung auf 20,6% lauten die entsprechenden Werte 2,58% des mit 4% des Einkommens angesetzten Teils für sowie 1,15%. Die Rentenwerte fallen somit im zwei- die Riester-Rente eingesetzt wird. Eine Art Rückbau ten Fall nach der Modifikation der Rentenanpassungs- eines Teils der Dämpfung der Rentenanpassung durch formel um rund 1,5% höher aus als ohne diese (vgl. die Riester-Rente wäre folgerichtig zu prüfen. Diese somit ähnlich wie beim Beitragssatz zur Rentenversicherung noch könnte in einem oder mehreren Schritten erfolgen, realitätsnäher vorzugehen. Die Wirkung des Rückbaus hängt in ihrer genauen Höhe auch davon ab, ob die im nächsten Abschnitt vorge- der Endeffekt wäre derselbe. Die Renten würden dau- schlagene Maßnahme realisiert wird. erhaft rund 2,5% höher sein als ohne diesen Rüc kbau.10 11 Genauer zur allgemeinen Rentenversicherung. 12 Die Abbildungen bzw. Beispiele dokumentieren die Folgen der 9 Oder einer gleichmäßigen Steigerung auf beiden Seiten bei Modifikationen für die Höhe der Rentenwertanpassungen ausgehend gleichzeitig konstantem Beitragssatz. vom aktuellen Beitragssatz von 18,6%. In welchem Zeitraum die 10 Es wäre auch denkbar, statt des Wertes 2 für den Altersvorsorge- Beitragssatzsteigerungen stattfinden, spielt bei der quantitativen anteil einen mit der jeweils aktuellen Entwicklung des Verbreitungs- Betrachtung der Effekte keine Rolle. Alle Kurven lassen sich formel- grades der Riester-Rente korrespondierenden Wert einzusetzen und mäßig relativ einfach wiedergeben. 32 ifo Schnelldienst 11 / 2018 71. Jahrgang 14. Juni 2018
FORSCHUNGSERGEBNISSE Abb. 1 tragssatzes und unter gleich- Altersvorsorgefaktor bei Steigerung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung zeitiger Einbeziehung des ver- Ausgangsbeitragssatz 18,6% änderten Altersvorsorgeteils Bei vollem Beitragssatz in der Rentenanpassungsformel Bei halbem Beitragssatz in der Rentenanpassungsformel für die Riester-Rente, sind um Altersvorsorgefaktor 5% höhere Rentenwerte und 1,00 damit Renten zu erwarten – 0,99 gerade in den Jahren, in denen 0,98 ein starker Rückgang des Ren- 0,97 tenniveaus befürchtet wird. Die 0,96 Modifikation macht sich ent- sprechend beim Rentenniveau 0,95 bemerkbar, wobei allerdings 0,94 nicht verhehlt werden darf, 0,93 dass diese höheren Renten 0,92 auch finanziert werden müs- 18,5 19,0 19,5 20,0 20,5 21,0 21,5 22,0 22,5 23,0 23,5 24,0 sen, sei es aus Steuermitteln, Beitragssatz in % durch nicht verbrauchte Ries- Quelle: Berechnungen des Autors. © ifo Institut ter-Fördermittel bzw. durch Beiträge. Abb. 2 Dämpfungswert bei Steigerung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung … UND STANDARDRENTE Ausgangsbeitragssatz 18,6% BZW. RENTENNIVEAU Bei vollem Beitragssatz in der Rentenanpassungsformel Bei halbem Beitragssatz inder Rentenanpassungsformel DYNAMISCH DEFINIEREN Dämpfungswert in % 8 Als Standardrente wird bisher 7 die Rente bezeichnet, die nach 6 45 Jahren durchschnittlicher 5 Beitragszahlung gezahlt wird, 4 d.h. nichts anderes, als dass es sich um eine Rente mit 45 Ent- 3 geltpunkten handelt. Im Rah- 2 men der Erhöhung des gesetzli- 1 chen Renteneintrittsalters von 0 65 auf 67 Jahre bietet es sich 18,5 19,0 19,5 20,0 20,5 21,0 21,5 22,0 22,5 23,0 23,5 24,0 an, bei der Definition der Stan- Beitragssatz in % dardrente nicht 45 Jahre, son- Quelle: Berechnungen des Autors. © ifo Institut dern je nachdem bei welchem Alter das gesetzliche Renten- Abb. 3 eintrittsalter liegt, einen Wert Rentengewinn durch halben gegenüber vollem Beitragssatz in der Renten- von bis zu 47 Jahren – evtl. mit anpassungsformel bei Steigerung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung Ausgangsbeitragssatz 18,6% zeitlicher Verzögerung gegen- über der Anhebung der Regel Rentengewinn in % altersgrenze in der Renten- 5 versicherung – anzunehmen. 4 Damit würde bei der Berech- 3 nung der Standardrente den 2 gesetzlich vorgegebenen geän- derten Rahmenbedingungen 1 Rechnung getragen.14 Durch 0 diese folgerichtig auch für das 18,5 19,0 19,5 20,0 20,5 21,0 21,5 22,0 22,5 23,0 23,5 24,0 Rentenniveau vorgesehene, Beitragssatz in % Quelle: Berechnungen des Autors. © ifo Institut kostenneutrale Maßnahme würde dieses längerfristig um Abb. 3).13 Das mag zunächst wenig erscheinen, aber bei über 4%, d.h. um rund 2 Punkte gegenüber dem Sta- Berücksichtigung des langfristig zu erwartenden Bei- tus quo, steigen. Im Übrigen wäre, wenn die Politik die Riester-Rente 13 Die in Abbildung 3 dargelegten Werte geben nicht unmittelbar wirklich so ernst nimmt, wie es durch die Verwendung die Differenz zwischen den beiden Kurven in Abbildung 2 wieder, 14 sondern haben als Basis den Rentenwert nach geltendem Recht und Dies ist im Übrigen in ähnlichem Maße aktuell bei der Änderung liegen daher etwas höher als diese Differenz. der Berechnung der Erwerbsminderungsrente vorgesehen. ifo Schnelldienst 11 / 2018 71. Jahrgang 14. Juni 2018 33
FORSCHUNGSERGEBNISSE im Altersvorsorgefaktor der Rentenanpassungsfor- den als die restlichen (vgl. Bomsdorf 1998; 1999) oder mel dokumentiert wird, die Riester-Rente auch bei der die langfristig weitere Anhebung des gesetzlichen Ren- Berechnung des Rentenniveaus zu berücksichtigen. teneintrittsalters (vgl. Bomsdorf 2015) bei gleichzeiti- Dies würde automatisch zu einer weiteren Steigerung ger Flexibilisierung des Renteneintritts bzw. die Erwei- des Rentenniveaus führen, ebenfalls ohne Kosten zu terung des Kreises der Beitragszahler sollen hier nicht verursachen. diskutiert werden.16 Sie wären teilweise natürlich auch dazu geeignet, das Rentenniveau nicht stärker sin- AUSBLICK ken zu lassen bzw. den demographischen Wandel in die Rentenberechnung einzubeziehen, wie es auch Das Festhalten an der Höhe des Rentenniveaus als Qua- jetzt schon im Nachhaltigkeitsfaktor geschieht. Viel- litätssiegel übersieht nicht nur, dass dies eine fiktive leicht wäre es aber eine noch bessere Lösung, sich bei Größe ist, die keineswegs aussagt, dass Beitragszahler der Bewertung der Qualität einer Rente vom Renten- zur gesetzlichen Rentenversicherung diesen Prozent- niveau zu lösen und andere Kriterien einzusetzen.17 satz ihres letzten Einkommens als Rente beziehen wer- Dies bedürfte allerdings einer grundsätzlichen Diskus- den, sondern auch dass die Finanzierbarkeit ein kons sion, die über den Rahmen der im Koalitionsvertrag titutives Element des Umlageverfahrens der gesetzli- gesetzten Ziele hinausgeht. chen Rentenversicherung ist und somit im System auch immer ein gewisses Gleichgewicht zwischen Einzahlun- LITERATUR gen und Auszahlungen angestrebt werden muss, was Börsch-Supan, A. und J. Rausch (2018), »Die Kosten der doppelten Halte Auswirkungen auf die Rentenhöhe bzw. das Renten linie«, ifo Schnelldienst 71(9), 23–30. niveau hat. Bomsdorf, E. (1998), »Die degressiv dynamische Rente – ein Beitrag zur Selbst wenn die Ausgaben der gesetzlichen Ren- Lösung des Rentendilemmas«, Wirtschaftsdienst 78, 723–727. tenversicherung teilweise nicht innerhalb des Systems, Bomsdorf, E. (1999), »Zweigeteilte Rentenanpassung oder ein neuer Net- tofaktor. Die Rentenformel muss geändert werden«, Deutsche Rentenver- sondern über Steuermittel finanziert werden, sind hier- sicherung, 537–550. bei natürlich auch – nicht nur – die Beitragszahler zur Bomsdorf, E. (2015), »Lebenserwartung über 90 Jahre heute, Rente ab gesetzlichen Rentenversicherung, zum Beispiel als Ein- 70 morgen? Eine visionäre vorausschauende Kurzanalyse«, ifo Schnell- kommensteuerzahler, gefordert. Wer mehr Rente will, dienst 68(23), 15–23. muss auch sagen, wie das finanziert werden soll und Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2016), Gesamtkonzept zur Alterssicherung, Berlin. kann. Dabei ist der Versuch eines Ausgleichs zwischen Geyer, J. (2018), »Stabile Rentenverunsicherung«, DIW-Wochenbe- den Generationen sicher wichtiger als ein klientelge- richte (18), 402. steuertes Vorgehen. Koalitionsvertrag (2018), Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dyna- Durch die angesprochenen Maßnahmen lässt sich mik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land, Koalitions- vertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode; Berlin. ein um mehrere Punkte höheres Rentenniveau errei- chen als ohne diese. Summarisch gesehen, könnte für 2030 damit ein um über 3 Punkte höher liegendes Ren- tenniveau erreicht werden als heute angenommen, bis zu diesem Jahr könnte sogar ein Rentenniveau von 48% gehalten werden.15 Zwar kann ein Rückgang des Niveaus sehr langfristig nicht vermieden werden, aber er könnte sich mehr als halbieren und das zu vertretba- ren Kosten, die unterhalb derer für die Mütterrente lie- gen. Mit diesem Vergleich sollen keineswegs verschie- dene Änderungen in der Rentenversicherung gegen- einander ausgespielt werden, sondern nur demons- triert werden, dass die angedeuteten Maßnahmen bezahlbar sind. Die vorgeschlagenen Modifikationen führen nicht zu gravierenden Änderungen an der Rentenanpas- sungsformel, und sie wirken zum Teil erst bei steigen- 16 Dies sind weitgehend außerhalb der Rentenanpassungsformel angelegte Maßnahmen, die im Rahmen der Rentenkommission der den Beitragssätzen, d.h. punktgenau in dem Moment, Bundesregierung diskutiert werden könnten. in dem das Rentenniveau demographieinduziert stär- 17 Hierzu hat sich bereits 2016 die Bundesarbeitsministerin Nahles in ihrem Gesamtkonzept zur Alterssicherung geäußert und dabei ker zu sinken droht. Weitere – außerhalb der Rentenfor- u.a. festgestellt, „Bei guter Lohnentwicklung und sehr guter Be- mel liegende – Maßnahmen, wie etwa die Einführung schäftigungslage kann ein niedrigeres Niveau einen absolut höheren Rentenzahlbetrag ergeben als ein hohes Niveau bei schlechter Lohn einer degressiv dynamischen Rente, bei der beispiels- entwicklung und schlechter Beschäftigungslage. Die Renten können weise die ersten 30 Entgeltpunkte höher bewertet wer- also nicht losgelöst von einem funktionierenden Arbeitsmarkt ge- trennt betrachtet werden.“ (Bundesministerium für Arbeit und So- 15 Eine detaillierte Betrachtung zeigt, dass die bis 2025 vorgese- ziales 2016, S. 18). Zugleich hat sie interessanterweise ausdrücklich henen Haltelinien eingehalten werden könnten und auch darüber betont, »Die Höhe des Sicherungsniveaus ist zudem kein Indikator hinaus ein Kompromiss zwischen Stabilisierung des Beitragssatzes für Altersarmut.« (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2016, auf der einen Seite und Stabilisierung des Rentenniveaus auf der S. 19). Mit anderen Worten, das Rentenniveau gehört in seiner Funk- anderen Seite möglich ist. tion als Qualitätsmerkmal der Rente auf den Prüfstand. 34 ifo Schnelldienst 11 / 2018 71. Jahrgang 14. Juni 2018
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