Konkurrenz oder Kooperation? - Containergeschäft in unruhigem Fahrwasser - Arbeitnehmerkammer Bremen

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Konkurrenz oder Kooperation? - Containergeschäft in unruhigem Fahrwasser - Arbeitnehmerkammer Bremen
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Dr. Marion Salot, Jan Jathe

Konkurrenz oder
Kooperation?

Containergeschäft in unruhigem Fahrwasser

In aller Kürze:                                                        Der Wettbewerb zwischen den
                                                                       Nordrange-Häfen spitzt sich zu

Durch die Corona-Pandemie hat sich die ohnehin angespannte Wett-           Die Hafenwirtschaft ist nach wie vor ein zentra-
bewerbssituation im Containerumschlag weiter zugespitzt. Der Kos-      les wirtschaftliches Standbein im Land Bremen und
tendruck hat das bremische Umschlagunternehmen Eurogate dazu           insbesondere für Bremerhaven eine tragende Säule
veranlasst, ein umfangreiches Sparprogramm auf den Weg zu brin-        des Arbeitsmarktes. Während in Bremen-Stadt vor
gen, das auch einen Arbeitsplatzabbau nicht ausschließt. Außer-        allem konventionelle Stück- und Schwergüter sowie
dem fanden erste Sondierungsgespräche zwischen Eurogate und der        Massengüter umgeschlagen werden, ist Bremerha-
Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) statt, um die Möglichkeiten     ven einer der größten Automobilumschlagplätze in
einer Zusammenarbeit auszuloten. Auf politischer Ebene hingegen        Europa. Hier ist aber auch der Container­umschlag
stehen derzeit wichtige Investitionsentscheidungen an, um die Bre-     angesiedelt, auf den wir uns in diesem Artikel bezie-
merhavener Containerterminals zukunftsfähig aufzustellen. So sol-      hen. Der Containerhandel war lange Zeit von anhal-
len rund 170 Millionen Euro in die Ertüchtigung der Kajen investiert   tendem Wachstum geprägt. Größere Umschlag-
werden, damit hier auch die ganz großen Containerschiffe abgefer-      einbußen wurden nur während der Finanz- und
tigt werden können. Auch die Außenweser soll aus diesem Grund ver-     Wirtschaftskrise 2009 verzeichnet. Im Jahr 2012
tieft werden. Da der Containerumschlag für Bremerhaven eine wich-      erreichte der Containerumschlag ein Rekordhoch
tige Säule des Arbeitsmarktes ist, tragen diese Maßnahmen dazu         von rund 6,1 Millionen TEU1. Seither sind die
bei, die hier angesiedelten Arbeitsplätze zu sichern und den Stand-    Umschlagzahlen allerdings rückläufig. Im Jahr 2019
ort zu stärken. Angesichts der herausfordernden Wettbewerbssitua-      wurden an den Containerterminals in Bremerhaven
tion ist es dennoch zu begrüßen, dass die Investitionsentscheidun-     noch etwa 4,9 Millionen TEU verladen.2
gen im Rahmen eines Gutachtens sorgfältig geprüft werden. Sollte
                                                                       Bremerhaven steht im Containergeschäft im Wett-
eine Zusammenarbeit zwischen Eurogate und der HHLA konkreter
                                                                       bewerb mit den Nordrange-Häfen. Hierzu zählen
werden, muss diese unbedingt auf Augenhöhe stattfinden. Aus Sicht
                                                                       neben Hamburg auch Antwerpen und Rotterdam.
der Beschäftigten wären darüber hinaus Standortgarantien und das
                                                                       Während Antwerpen und Rotterdam seit 2012 deut-
Aufrechterhalten der Tarifverträge sowie der Mitbestimmung weitere
                                                                       liche Zuwächse verzeichnen konnten, ist der Con-
wichtige Voraussetzungen, die an eine Zusammenlegung der Aktivi-
                                                                       tainerumschlag in Bremerhaven um ein Fünftel
täten beider Unternehmen geknüpft sein müssten.
                                                                       gesunken (Abbildung 1). Bremerhavens Marktanteil
                                                                       am Containerhandel innerhalb der Nordrange sank
                                                                       von 17,7 Prozent im Jahr 2012 auf 12,1 Prozent

                                                                       1   TEU steht für Twenty-foot Equivalent Unit und
                                                                       damit für die Maßeinheit eines 20-Fuß-Containers.
                                                                       2   Jahreszahlen für 2020 lagen bei Redaktionsschluss
                                                                       noch nicht vor.
— 01 Arbeit, Wirtschaft und Finanzen   — 69

„Die Verhandlungsmacht der Reedereien
­gegenüber den einzelnen Hafenstandorten
hat sich deutlich erhöht.“
— 70                         — Bericht zur Lage 2021

Abbildung 1:
Containerumschlag in den Nordrange-Häfen von 2005 bis 2019
in Tausend TEU

    16.000

    14.000

    12.000

    10.000

     8.000

     6.000

     4.000

     2.000

          0

                  2005      2006      2007      2008       2009      2010     2011    2012   2013   2014   2015   2016   2017   2018   2019

                        Rotterdam               Hamburg                   Antwerpen          Bremerhaven

Quelle: Eurostat 2020c; Zahlen für 2019 aus den jeweiligen Hafenstatistiken
©  Arbeitnehmerkammer Bremen

im Jahr 2019. Die Marktanteile von Rotterdam und                         ausgewirkt. An der Nordrange sind durch die Aus-
Antwerpen stiegen im Gegenzug deutlich an und                            bauprojekte der Häfen erhebliche Überkapazitä-
liegen nun bei 37 und 28 Prozent. Hamburgs Markt-                        ten entstanden. Hierdurch hat sich die Marktmacht
anteil beträgt 23 Prozent.                                               der Konsortien beziehungsweise Reedereien noch
                                                                         zusätzlich gesteigert.
Besonderen Einfluss auf die Umschlagentwicklung
an einem Hafenstandort haben vor allem die gro-
ßen Reedereien, die sich in den vergangenen Jahren
nach und nach zusammengeschlossen haben. Inzwi-
schen wird der Markt von den drei Konsortien 2M
Alliance, Ocean Alliance und THE Alliance domi-
niert, die zusammen rund 80 Prozent des weltwei-
                                                                        „An der Nordrange sind durch die Ausbau-
ten Containerhandels auf sich vereinen. Die Ver-                        projekte der Häfen erhebliche Überkapazi-
handlungsmacht der Reedereien gegenüber den
einzelnen Hafenstandorten hat sich hierdurch deut-
                                                                        täten entstanden.“
lich erhöht. Erschwerend kommt hinzu, dass nahezu
alle europäischen Häfen ihre Umschlagkapazitäten
erweitert haben. Hinter diesen Investitionen stand
die Annahme, dass sich die hohen Wachstumsraten
im Export, die seit den 1980er-Jahren zu verzeich-
nen waren, kontinuierlich fortsetzen würden. Aller-
dings haben sich diese Erwartungen nicht erfüllt:
Seit 2011 stagnieren die Exporte (Abbildung 2).
Dies hat sich auch bremsend auf den Seehandel
— 01 Arbeit, Wirtschaft und Finanzen                       — 71

Abbildung 2:
Entwicklung der weltweiten Exporte im Warenhandel von 1948 bis 2019
in Milliarden US-Dollar

  25.000

  20.000

  15.000

  10.000

   5.000

        0

               1948      1950    1960     1970     1980     1990    2000     2006   2008   2010   2012   2014   2016   2018

Quelle: UNCTAD Statistics - Merchandise: Total trade and share, annual, 1947–2019
©  Arbeitnehmerkammer Bremen

Die starke Verhandlungsposition der Reedereien                           umgeschlagen, waren es 2019 bereits rund 5,7 Mil-
ist deshalb besonders problematisch für die Hafen-                       lionen TEU. Der Hafen hat somit nicht nur seinen
standorte, weil die Verlagerung von Frachtlinien                         Containerumschlag in etwa verdreizehnfacht, son-
innerhalb einer Allianz oder die Veränderungen in                        dern auch Bremerhaven als viertgrößten Hafen
der Mitgliederstruktur gravierende Auswirkungen                          in Europa abgelöst. Dies war auch deshalb mög-
auf die Umschlagplätze haben kann. So führte 2019                        lich, weil sich COSCO einen Wettbewerbsvorteil auf
ein Abgang von vier Nordamerika-Frachtlinien der                         dem Rücken der Beschäftigten verschaffen konnte:
Reederei Hapag-Lloyd von Bremerhaven nach Ham-                           Die Gehälter der Hafenarbeiter würden gedrückt,
burg beispielsweise dazu, dass Bremerhaven rund                          um einen Kostenvorteil gegenüber den Konkur-
eine halbe Million TEU pro Jahr verlor.                                  renzhäfen zu erzielen. Piräus ist nach dem Suezka-
                                                                         nal, durch den die Schiffe aus China kommen, der
                                                                         erste natürliche Tiefwasserhafen. Die Waren wer-
Warenströme verändern sich                                               den dann von dort aus per Schienenverkehr nach
zugunsten der Südrange                                                   Zentral- und Osteuropa geliefert. Der Transport-
                                                                         weg nach Norddeutschland verkürzt sich damit um
Die Konkurrenz wird aber nicht nur unter den                             drei bis zhn Tage. Auch wenn dieser Transportweg
Nord­range-Häfen härter. Darüber hinaus wird der                         bisher noch teurer ist als der Seeweg nach Nord-
Wettbewerbsdruck auch durch das starke Wachstum                          deutschland, wird hierdurch insbesondere der Wett-
einiger Mittelmeer-Häfen erhöht. Insbesondere der                        bewerbsdruck in den Hinterlandregionen in Mittel-
griechische Hafen von Piräus, der von dem volks-                         und Westeuropa erhöht.
eigenen chinesischen Betrieb China Ocean Ship-
ping Company (COSCO) betrieben wird, verzeich-
net rasante Wachstumszahlen im Containerhandel.
Wurden dort im Jahr 2008 nur 437.000 TEU
— 72                       — Bericht zur Lage 2021

Zur angespannten Wettbewerbssituation im                        Steigender Kostendruck im
Umschlaggeschäft kamen 2020 die Folgen der                      Containergeschäft
Corona-Pandemie hinzu. Die weltweit schwerste
Rezession der Nachkriegsgeschichte ließ den glo-                Die angespannte Wettbewerbssituation im
balen Handel einbrechen. Insbesondere im Früh-                  Container­umschlag hat zur Folge, dass einzelne
jahr 2020 ging der Containerumschlag in den euro-               Hafenstandorte sowie Terminalbetreiber unter
päischen Häfen deutlich zurück. In Bremerhaven                  einem starken Kostendruck stehen. Diese Entwick-
fiel der Umschlag in den ersten drei Quartalen 2020             lung geht auch an dem bremischen Containerter-
um 6,9 Prozent, in Hamburg um 9,9 Prozent und in                minalbetreiber Eurogate nicht spurlos vorbei. Wäh-
Rotterdam um 4,7 Prozent. In Antwerpen wiederum                 rend die Umschlagzahlen am North Sea Terminal
nahm der Umschlag von Containern um 0,2 Pro-                    Bremerhaven (NTB) und am MSC Gate Bremer­
zent zu.                                                        haven seit 2013 tendenziell rückläufig sind, war
                                                                der Trend am Common-User-Terminal von Eurogate
                                                                positiv.3 Die Abwanderung von Hapag-Lloyd führte
                                                                jedoch dazu, dass der Umschlag hier 2019 gegen-
                                                                über dem Vorjahr um fast 60 Prozent zurückgegan-
                                                                gen ist (Abbildung 3).

Abbildung 3:
Umschlagentwicklung an den Containerterminals in Bremerhaven
in Tausend TEU

     4.000

     3.500

     3.000

     2.500

     2.000

     1.500

     1.000

       500

          0

                  2008      2009   2010      2011    2012   2013      2014   2015    2016    2017    2018    2019

                       Eurogate        NTB           MSC Gate

Quelle: Eurokai-Jahresberichte
©  Arbeitnehmerkammer Bremen

                                                                3   Informationen zur Aufstellung der Containertermi-
                                                                nals in Bremerhaven: siehe Info-Kasten.
— 01 Arbeit, Wirtschaft und Finanzen                 — 73

                                                                  Parallel hierzu werden erste Sondierungsgesprä-
                                                                  che zwischen Eurogate und dem hamburgischen
                                                                  Containerterminalbetreiber HHLA geführt, um
„Aus bremischer Sicht ist es zentral, dass                        die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auszu-
                                                                  loten. Hierdurch könnten die Unternehmen ihre
eine – wie auch immer geartete – Koope-                           Kräfte bündeln und so die Verhandlungsposition
ration zwischen HHLA und Eurogate auf                             gegenüber den Reederei-Allianzen stärken. Ob eine
                                                                  Zusammenarbeit überhaupt realisierbar ist und wie
Augen­höhe stattfindet.“                                          diese aussehen könnte, ist derzeit allerdings unklar.
                                                                  Da 50 Prozent von Eurogate in der Hand des in
                                                                  Hamburg ansässigen Unternehmens Eurokai liegen,
                                                                  sieht es zumindest „auf dem Papier“ so aus, dass
             Darüber hinaus haben sich die Auswirkungen der       Hamburger Akteure dominieren. Aus bremischer
             Corona-Pandemie negativ auf die Lage des Kon-        Sicht ist es aber zentral, dass eine – wie auch immer
             zerns ausgewirkt. Im ersten Halbjahr 2020 führte     geartete – Kooperation auf Augenhöhe stattfindet.
             der Umschlagrückgang von 11,8 Prozent dazu, dass     Aus Sicht der Beschäftigten wären zudem Stand-
             Eurogate erstmals ein negatives Betriebsergebnis     ortgarantien und das Aufrechterhalten der Tarif-
             erwirtschaftete. Angesichts dieser Entwicklung hat   verträge sowie der Mitbestimmung weitere wich-
             der Vorstand des Unternehmens angekündigt, bis       tige Voraussetzungen, die an eine Zusammenlegung
             2024 rund 84 Millionen Euro einsparen zu wollen,     der Aktivitäten beider Unternehmen geknüpft sein
             um die Wettbewerbsfähigkeit der Eurogate-Termi-      müssten.
             nals garantieren zu können. Betriebsbedingte Kün-
             digung werden auch in Bremerhaven nicht ausge-
             schlossen.

             Die Containerterminals in Bremerhaven – ein Überblick

             Das Umschlaggeschäft im Containerbereich             Common-User-Terminal von allen Reedereien
             wird in Bremerhaven von den Terminalbetrei-          angelaufen werden. Darüber hinaus verfügt Bre-
             bern Eurogate, MSC Gate und North Sea Termi-         merhaven über zwei „Dedicated Terminals“. Dies
             nal Bremerhaven (NTB) abgewickelt. Eurogate ist      sind Umschlagplätze, an denen sich Reedereien
             1999 durch die Zusammenführung der Containe-         durch direkte Vertragsverhandlungen oder durch
             raktivitäten von Eurokai (Hamburg) und der BLG       den Eigenbetrieb von Terminals sowie durch die
             Logis­tics Group entstanden. Der Eurogate-Kon-       eigenständige Abwicklung des Containerum-
             zern, an dem die Stadt Bremen über die BLG           schlags eine bevorzugte Abfertigung ihrer Con­
             beteiligt ist, betreibt neben den Containertermi-    tainerschiffe sichern. Bereits 1998 wurde von der
             nals in Bremerhaven Terminals an acht weiteren       BLG Container GmbH und der Maersk Deutsch-
             Hafenstandorten in Europa und Nordafrika. Mit        land GmbH das Unternehmen North Sea Termi-
             rund 4,9 Millionen TEU im Jahr 2019 fand jedoch      nal Bremerhaven (NTB) gegründet, das inzwi-
             fast die Hälfte des Containerumschlags des Kon-      schen auf dem CT IV im Norden Bremerhavens
             zerns in Bremerhaven statt. Am Eurogate-Termi-       angesiedelt ist. Mit MSC hat sich 2004 auch die
             nal in Hamburg wurden weitere rund 2,1 Millio-       zweitgrößte Reederei über ein Joint Venture mit
             nen TEU umgeschlagen. Das entspricht ungefähr        Eurogate an den Standort Bremerhaven gebun-
             einem Fünftel des Konzernumschlags. Der Euro-        den. Das Unternehmen MSC Gate Bremerhaven
             gate-Konzern beschäftigt rund 4.000 Mitarbei-        hat seinen Sitz auf dem CT I, der im Süden des
             terinnen und Mitarbeiter in Bremerhaven und          Containerhafens liegt. Insgesamt ist die Strom-
             Hamburg. Am Standort Bremerhaven betreibt            kaje in Bremerhaven 4.680 Meter lang. Sie ver-
             das Unternehmen drei Terminals. Der Eurogate         fügt über 43 Containerbrücken und eine maxi-
             Container Terminal Bremerhaven (CTB) kann als        male Umschlagkapazität von 7 Millionen TEU.
— 74                 — Bericht zur Lage 2021

Hamburg und Bremen investieren                         Neben den landseitigen Anpassungen sind auch
in die Wettbewerbsfähigkeit ihrer                      wasserseitige Veränderungen notwendig, um auf die
Containerhäfen                                         wachsenden Schiffsgrößen zu reagieren. In der Ver-
                                                       gangenheit wurde die Weser bereits mehrfach ver-
Um den Containerhafen zukunftsfähig aufzustellen,      tieft. Zuletzt war dies Ende der 1990er-Jahre der
ist auch die Politik gefragt. So plant Bremen der-     Fall. Bremerhaven kann seitdem tideunabhängig
zeit sowohl die Anpassung der Fahrrinne als auch       von Schiffen mit einem Tiefgang von 12,80 Metern
umfangreiche Investitionen in die Kajenertüchti-       erreicht werden. Auch die Fahrrinne der Elbe wurde
gung. Hintergrund dieser beiden Projekte ist die       angepasst. In Hamburg können ebenfalls Schiffe mit
Größenentwicklung der neuen Containerschiffe.          einem Tiefgang von bis zu 12,80 Metern tideunab-
Stets werden neue Dimensionen erreicht, die vor        hängig anlegen. Bremerhaven und Hamburg hat-
wenigen Jahren nicht denkbar gewesen wären.            ten somit bisher gleiche Voraussetzungen. Schon
Hatten die größten Containerschiffe Ende der           seit 2012 ist eine weitere Vertiefung der Fahrrinne
1990er-Jahre noch eine Kapazität von 6.600 TEU,        der Außenweser auf 13,50 Meter geplant. Die Ver-
wurden 2006 bereits Schiffe mit einer Kapazität von    tiefung wurde jedoch vom Bundesverwaltungsge-
rund 15.000 TEU gebaut. Heute beträgt das Fas-         richt und Europäischen Gerichtshof aus Umwelt-
sungsvermögen der größten Containerschiffe rund        schutzgründen (vorerst) gestoppt. In Hamburg wird
24.000 TEU. Diese Entwicklung stellt die Umschlag-     hingegen eine weitere Vertiefung der Elbe durchge-
plätze vor neue Herausforderungen. Immer weni-         führt. 2021 können dann voraussichtlich Schiffe mit
ger Hafenstandorte verfügen über die notwendige        einem Tiefgang von bis zu 13,50 Metern den Ham-
Fahrrinnentiefe und über ausreichend große Con­        burger Hafen tideunabhängig erreichen. Auf der
tainerbrücken, damit auch voll beladene Schiffe die-   Flutwelle ist dies sogar für Schiffe mit einem Tief-
ser Größenordnung den Liegeplatz tideunabhängig        gang von bis zu 14,50 möglich. Diese Unterschiede
anlaufen können. Zudem sind für die Abfertigung        in der wasserseitigen Erreichbarkeit der beiden
der großen Containerschiffe auch entsprechende         Hafenstandorte führen wiederum zu Wettbewerbs-
Containerbrücken erforderlich. Diese Voraussetzun-     nachteilen für Bremerhaven. Vor diesem Hinter-
gen sind auch in Bremerhaven und Hamburg nicht         grund wird auch hier die Außenweservertiefung
vollständig gegeben.                                   weiter vorangetrieben. Weder die Elb- noch die
                                                       Weservertiefung werden aber dazu führen, dass die
Aus diesem Grund soll die Kajeninfrastruktur an        größten Containerschiffe Hamburg beziehungsweise
den Containerterminals I bis IIIa angepasst wer-       Bremerhaven anlaufen können, denn sie haben voll-
den, damit hier große Containerbrücken mit lan-        beladen einen Tiefgang von rund 16,50 Metern.
gen Auslegern aufgestellt werden können. Diese
Containerbrücken sind für die Kaje in ihrer der-
zeitigen Verfassung zu schwer. Sie werden aber         Der JadeWeserPort als dritter Player
gebraucht, um die großen 24.000-TEU-Schiffe
abfertigen zu können. Die Erneuerung des Kajenbe-      Während die Investitionen in die Umschlagplätze in
reichs erstreckt sich hierbei über eine Gesamtlänge    Bremerhaven und Hamburg dazu beitragen sollen,
von 2.400 Metern. Die Kosten für das Projekt bezif-    sie für die Abfertigung der großen Containerschiffe
fern sich auf voraussichtlich rund 170 Millionen       vorzubereiten, gibt es mit dem JadeWeserPort in
Euro. In Hamburg ist zuletzt am Burchardkai ein        Wilhelmshaven bereits einen Tiefwasserhafen, der
weiterer Großschiffsliegeplatz geschaffen worden,      über die notwendige Wassertiefe verfügt. Schiffe
der mit den neusten Containerbrücken ausgestattet      mit einem Tiefgang von bis zu 18 Metern kön-
ist. Seither verfügt allein dieser Terminal über 18    nen hier tideunabhängig anlegen. Auch wenn der
der modernen sogenannten Megaship-Brücken, die         JadeWeserPort die erwarteten Umschlagmengen
zum Entladen der neuen Großcontainerschiffe benö-      noch verfehlt, ist er bisher das einzige norddeut-
tigt werden.                                           sche Hafen-Kooperationsprojekt. Nachdem Ham-
                                                       burg recht früh aus den Planungen ausgestiegen ist,
                                                       da die Hansestadt befürchtete, seinen eigenen Kon-
                                                       kurrenzhafen zu finanzieren, wurde das Hafenpro-
                                                       jekt gemeinsam von Niedersachsen und Bremen
                                                       umgesetzt. Bremen ist an dem JadeWeserPort mit
                                                       49,9 Prozent beteiligt. Der Terminalbetrieb wurde
                                                       von Eurogate übernommen. Folglich besteht in der
                                                       Nähe von Bremerhaven bereits ein Seehafen mit
                                                       ausreichend tiefem Fahrwasser, den das Land Bre-
                                                       men mitfinanziert hat. Hinter der Entscheidung,
— 01 Arbeit, Wirtschaft und Finanzen                — 75

            sich am JadeWeserPort zu beteiligen, stand von        Containerterminals zunehmend zum Problem – vor
            Anfang an die Idee, die norddeutschen Hafenstand-     allem für die ganz großen Containerschiffe. Zum
            orte so aufzustellen, dass sie gegenüber dem wich-    einen ist hier die Manövrierfahrt länger und schwie-
            tigsten Konkurrenten Rotterdam gestärkt in den        riger als in Bremerhaven. Zum anderen erschwert
            Wettbewerb gehen. Trotz der Beteiligung am Tief-      auch die Höhe der Köhlbrandbrücke die Erreichbar-
            wasserhafen hat das Land Bremen allerdings seine      keit des (teilautomatisierten) Containerterminals
            Investitionen in den eigenen Standort weiter-         „Altenwerder“ der HHLA. Die ganz großen Con­
            hin massiv fortgesetzt, um nicht Gefahr zu laufen,    tainerschiffe können bereits jetzt nur noch an den
            Marktanteile an Hamburg zu verlieren, weil dies       anderen Containerterminals abgefertigt werden.
            die für Bremerhaven so wichtigen Arbeitsplätze        Hamburg ringt darüber hinaus als stark wachsende
            gefährden würde. Eine Kooperation oder Arbeits-       Stadt auch mit dem Problem, dass die Hafenflächen
            teilung zwischen den norddeutschen Hafenstandor-      attraktiv und lukrativ für die Wohnbebauung sind.
            ten würde ihnen im Wettbewerb mit Rotterdam und       Der Hafen hat auch innerhalb der Hamburger Poli-
            Antwerpen zwar mehr Gewicht verleihen, ist aber       tik deshalb nicht immer einen leichten und unum-
            bei Weitem kein Selbstläufer.                         strittenen Stand.

                                                                  In Bremerhaven hingegen steht die herausragende
                                                                  wirtschaftsstrukturelle Bedeutung des Container-
                                                                  umschlags und die politische Unterstützung außer
                                                                  Frage. Hier muss vermieden werden, dass weitere
„Es muss dringend verhindert werden, dass                         Marktanteile und damit Arbeitsplätze im Container-
                                                                  umschlag verloren gehen, denn der Arbeitsmarkt in
die Gehaltsstrukturen und Arbeitsbedingun-                        der Seestadt ist dringend auf diese Stellen angewie-
gen im Hafen zum Spielball des Standort-                          sen. Da Bremerhaven bei wichtigen Wettbewerbs-
                                                                  faktoren wie beispielsweise der Anbindung an das
wettbewerbs werden.“                                              Straßen- und Schienennetz besonders gut dasteht,
                                                                  sind die Ausgangsbedingungen in dieser herausfor-
                                                                  dernden Situation durchaus beachtlich.

                                                                  Angesichts der ungewissen Perspektiven im Con-
            Hafenstandorte zwischen Konkurrenz                    tainerumschlag ist es dennoch zu begrüßen, dass
            und Kooperation                                       Bremen die anstehenden Investitionen in die
                                                                  Kajenertüchtigung sorgfältig prüft und in die-
            Je mehr sich die Konkurrenz zwischen den Nordran-     sem Zusammenhang ein entsprechendes Gutach-
            ge-Häfen zuspitzt, desto drängender stellt sich die   ten in Auftrag gibt, in dem die Rahmenbedingungen
            Frage, wie es den norddeutschen Standorten gelin-     und die Entwicklungsperspektiven des Container-
            gen kann, sich hier zu behaupten. Derzeit werden      geschäfts beleuchtet werden. Dass außerdem in
            sowohl im Land Bremen als auch in Hamburg alle        Betracht gezogen wird, die Kaje schrittweise zu
            Register gezogen, um hier nicht an Boden zu ver-      ertüchtigen, ist ebenfalls sinnvoll.
            lieren. Einen echten Vorteil kann aber bislang kei-
            ner der Standorte für sich verbuchen. Während die     Bei allen anstehenden politischen Entscheidungen
            Container wie in einem Nullsummenspiel zwischen       sollten aber vor allem die Beschäftigten im Blick
            den norddeutschen Häfen hin- und hergescho-           behalten werden. Ihre Arbeitsplätze sind nicht nur
            ben werden, gelingt es nicht, gegenüber Rotterdam     durch die sinkenden Umschlagzahlen, sondern auch
            und Antwerpen Boden gutzumachen. Ein Unter-           durch die künftigen Automatisierungs- und Digitali-
            lassen oder Abschmelzen der Investitionen würde       sierungsvorhaben gefährdet. Dabei ist der Hafen als
            aber immer die Gefahr bergen, ein falsches Sig-       Arbeitgeber gerade für den angespannten Bremer-
            nal an die Reeder zu senden oder dem Konkurren-       havener Arbeitsmarkt nach wie vor eine wichtige
            ten zu dem entscheidenden Vorteil zu verhelfen –      Säule – insbesondere deshalb, weil hier bislang gut
            eine klassische Dilemma-Situation. Dabei haben die    bezahlte und tariflich abgesicherte Beschäftigungs-
            Containerterminals in Hamburg und Bremerhaven         verhältnisse vorherrschen. Deshalb muss dringend
            durchaus unterschiedliche Stärken und unterschied-    verhindert werden, dass die Gehaltsstrukturen und
            liche Herausforderungen zu bewältigen. So profi-      Arbeitsbedingungen zum Spielball des Standort-
            tiert Hamburg davon, dass der Anteil der Waren,       wettbewerbs werden.
            die hier nicht nur umgeschlagen, sondern auch wei-
            terverarbeitet werden, höher ist als in Bremerha-
            ven. Dafür wird in Hamburg die Erreichbarkeit der
— 76                    — Bericht zur Lage 2021

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