Konkurrenz oder Kooperation? - Containergeschäft in unruhigem Fahrwasser - Arbeitnehmerkammer Bremen
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— 68 Dr. Marion Salot, Jan Jathe Konkurrenz oder Kooperation? Containergeschäft in unruhigem Fahrwasser In aller Kürze: Der Wettbewerb zwischen den Nordrange-Häfen spitzt sich zu Durch die Corona-Pandemie hat sich die ohnehin angespannte Wett- Die Hafenwirtschaft ist nach wie vor ein zentra- bewerbssituation im Containerumschlag weiter zugespitzt. Der Kos- les wirtschaftliches Standbein im Land Bremen und tendruck hat das bremische Umschlagunternehmen Eurogate dazu insbesondere für Bremerhaven eine tragende Säule veranlasst, ein umfangreiches Sparprogramm auf den Weg zu brin- des Arbeitsmarktes. Während in Bremen-Stadt vor gen, das auch einen Arbeitsplatzabbau nicht ausschließt. Außer- allem konventionelle Stück- und Schwergüter sowie dem fanden erste Sondierungsgespräche zwischen Eurogate und der Massengüter umgeschlagen werden, ist Bremerha- Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) statt, um die Möglichkeiten ven einer der größten Automobilumschlagplätze in einer Zusammenarbeit auszuloten. Auf politischer Ebene hingegen Europa. Hier ist aber auch der Containerumschlag stehen derzeit wichtige Investitionsentscheidungen an, um die Bre- angesiedelt, auf den wir uns in diesem Artikel bezie- merhavener Containerterminals zukunftsfähig aufzustellen. So sol- hen. Der Containerhandel war lange Zeit von anhal- len rund 170 Millionen Euro in die Ertüchtigung der Kajen investiert tendem Wachstum geprägt. Größere Umschlag- werden, damit hier auch die ganz großen Containerschiffe abgefer- einbußen wurden nur während der Finanz- und tigt werden können. Auch die Außenweser soll aus diesem Grund ver- Wirtschaftskrise 2009 verzeichnet. Im Jahr 2012 tieft werden. Da der Containerumschlag für Bremerhaven eine wich- erreichte der Containerumschlag ein Rekordhoch tige Säule des Arbeitsmarktes ist, tragen diese Maßnahmen dazu von rund 6,1 Millionen TEU1. Seither sind die bei, die hier angesiedelten Arbeitsplätze zu sichern und den Stand- Umschlagzahlen allerdings rückläufig. Im Jahr 2019 ort zu stärken. Angesichts der herausfordernden Wettbewerbssitua- wurden an den Containerterminals in Bremerhaven tion ist es dennoch zu begrüßen, dass die Investitionsentscheidun- noch etwa 4,9 Millionen TEU verladen.2 gen im Rahmen eines Gutachtens sorgfältig geprüft werden. Sollte Bremerhaven steht im Containergeschäft im Wett- eine Zusammenarbeit zwischen Eurogate und der HHLA konkreter bewerb mit den Nordrange-Häfen. Hierzu zählen werden, muss diese unbedingt auf Augenhöhe stattfinden. Aus Sicht neben Hamburg auch Antwerpen und Rotterdam. der Beschäftigten wären darüber hinaus Standortgarantien und das Während Antwerpen und Rotterdam seit 2012 deut- Aufrechterhalten der Tarifverträge sowie der Mitbestimmung weitere liche Zuwächse verzeichnen konnten, ist der Con- wichtige Voraussetzungen, die an eine Zusammenlegung der Aktivi- tainerumschlag in Bremerhaven um ein Fünftel täten beider Unternehmen geknüpft sein müssten. gesunken (Abbildung 1). Bremerhavens Marktanteil am Containerhandel innerhalb der Nordrange sank von 17,7 Prozent im Jahr 2012 auf 12,1 Prozent 1 TEU steht für Twenty-foot Equivalent Unit und damit für die Maßeinheit eines 20-Fuß-Containers. 2 Jahreszahlen für 2020 lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.
— 01 Arbeit, Wirtschaft und Finanzen — 69 „Die Verhandlungsmacht der Reedereien gegenüber den einzelnen Hafenstandorten hat sich deutlich erhöht.“
— 70 — Bericht zur Lage 2021 Abbildung 1: Containerumschlag in den Nordrange-Häfen von 2005 bis 2019 in Tausend TEU 16.000 14.000 12.000 10.000 8.000 6.000 4.000 2.000 0 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Rotterdam Hamburg Antwerpen Bremerhaven Quelle: Eurostat 2020c; Zahlen für 2019 aus den jeweiligen Hafenstatistiken © Arbeitnehmerkammer Bremen im Jahr 2019. Die Marktanteile von Rotterdam und ausgewirkt. An der Nordrange sind durch die Aus- Antwerpen stiegen im Gegenzug deutlich an und bauprojekte der Häfen erhebliche Überkapazitä- liegen nun bei 37 und 28 Prozent. Hamburgs Markt- ten entstanden. Hierdurch hat sich die Marktmacht anteil beträgt 23 Prozent. der Konsortien beziehungsweise Reedereien noch zusätzlich gesteigert. Besonderen Einfluss auf die Umschlagentwicklung an einem Hafenstandort haben vor allem die gro- ßen Reedereien, die sich in den vergangenen Jahren nach und nach zusammengeschlossen haben. Inzwi- schen wird der Markt von den drei Konsortien 2M Alliance, Ocean Alliance und THE Alliance domi- niert, die zusammen rund 80 Prozent des weltwei- „An der Nordrange sind durch die Ausbau- ten Containerhandels auf sich vereinen. Die Ver- projekte der Häfen erhebliche Überkapazi- handlungsmacht der Reedereien gegenüber den einzelnen Hafenstandorten hat sich hierdurch deut- täten entstanden.“ lich erhöht. Erschwerend kommt hinzu, dass nahezu alle europäischen Häfen ihre Umschlagkapazitäten erweitert haben. Hinter diesen Investitionen stand die Annahme, dass sich die hohen Wachstumsraten im Export, die seit den 1980er-Jahren zu verzeich- nen waren, kontinuierlich fortsetzen würden. Aller- dings haben sich diese Erwartungen nicht erfüllt: Seit 2011 stagnieren die Exporte (Abbildung 2). Dies hat sich auch bremsend auf den Seehandel
— 01 Arbeit, Wirtschaft und Finanzen — 71 Abbildung 2: Entwicklung der weltweiten Exporte im Warenhandel von 1948 bis 2019 in Milliarden US-Dollar 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 1948 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 Quelle: UNCTAD Statistics - Merchandise: Total trade and share, annual, 1947–2019 © Arbeitnehmerkammer Bremen Die starke Verhandlungsposition der Reedereien umgeschlagen, waren es 2019 bereits rund 5,7 Mil- ist deshalb besonders problematisch für die Hafen- lionen TEU. Der Hafen hat somit nicht nur seinen standorte, weil die Verlagerung von Frachtlinien Containerumschlag in etwa verdreizehnfacht, son- innerhalb einer Allianz oder die Veränderungen in dern auch Bremerhaven als viertgrößten Hafen der Mitgliederstruktur gravierende Auswirkungen in Europa abgelöst. Dies war auch deshalb mög- auf die Umschlagplätze haben kann. So führte 2019 lich, weil sich COSCO einen Wettbewerbsvorteil auf ein Abgang von vier Nordamerika-Frachtlinien der dem Rücken der Beschäftigten verschaffen konnte: Reederei Hapag-Lloyd von Bremerhaven nach Ham- Die Gehälter der Hafenarbeiter würden gedrückt, burg beispielsweise dazu, dass Bremerhaven rund um einen Kostenvorteil gegenüber den Konkur- eine halbe Million TEU pro Jahr verlor. renzhäfen zu erzielen. Piräus ist nach dem Suezka- nal, durch den die Schiffe aus China kommen, der erste natürliche Tiefwasserhafen. Die Waren wer- Warenströme verändern sich den dann von dort aus per Schienenverkehr nach zugunsten der Südrange Zentral- und Osteuropa geliefert. Der Transport- weg nach Norddeutschland verkürzt sich damit um Die Konkurrenz wird aber nicht nur unter den drei bis zhn Tage. Auch wenn dieser Transportweg Nordrange-Häfen härter. Darüber hinaus wird der bisher noch teurer ist als der Seeweg nach Nord- Wettbewerbsdruck auch durch das starke Wachstum deutschland, wird hierdurch insbesondere der Wett- einiger Mittelmeer-Häfen erhöht. Insbesondere der bewerbsdruck in den Hinterlandregionen in Mittel- griechische Hafen von Piräus, der von dem volks- und Westeuropa erhöht. eigenen chinesischen Betrieb China Ocean Ship- ping Company (COSCO) betrieben wird, verzeich- net rasante Wachstumszahlen im Containerhandel. Wurden dort im Jahr 2008 nur 437.000 TEU
— 72 — Bericht zur Lage 2021 Zur angespannten Wettbewerbssituation im Steigender Kostendruck im Umschlaggeschäft kamen 2020 die Folgen der Containergeschäft Corona-Pandemie hinzu. Die weltweit schwerste Rezession der Nachkriegsgeschichte ließ den glo- Die angespannte Wettbewerbssituation im balen Handel einbrechen. Insbesondere im Früh- Containerumschlag hat zur Folge, dass einzelne jahr 2020 ging der Containerumschlag in den euro- Hafenstandorte sowie Terminalbetreiber unter päischen Häfen deutlich zurück. In Bremerhaven einem starken Kostendruck stehen. Diese Entwick- fiel der Umschlag in den ersten drei Quartalen 2020 lung geht auch an dem bremischen Containerter- um 6,9 Prozent, in Hamburg um 9,9 Prozent und in minalbetreiber Eurogate nicht spurlos vorbei. Wäh- Rotterdam um 4,7 Prozent. In Antwerpen wiederum rend die Umschlagzahlen am North Sea Terminal nahm der Umschlag von Containern um 0,2 Pro- Bremerhaven (NTB) und am MSC Gate Bremer zent zu. haven seit 2013 tendenziell rückläufig sind, war der Trend am Common-User-Terminal von Eurogate positiv.3 Die Abwanderung von Hapag-Lloyd führte jedoch dazu, dass der Umschlag hier 2019 gegen- über dem Vorjahr um fast 60 Prozent zurückgegan- gen ist (Abbildung 3). Abbildung 3: Umschlagentwicklung an den Containerterminals in Bremerhaven in Tausend TEU 4.000 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Eurogate NTB MSC Gate Quelle: Eurokai-Jahresberichte © Arbeitnehmerkammer Bremen 3 Informationen zur Aufstellung der Containertermi- nals in Bremerhaven: siehe Info-Kasten.
— 01 Arbeit, Wirtschaft und Finanzen — 73 Parallel hierzu werden erste Sondierungsgesprä- che zwischen Eurogate und dem hamburgischen Containerterminalbetreiber HHLA geführt, um „Aus bremischer Sicht ist es zentral, dass die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit auszu- loten. Hierdurch könnten die Unternehmen ihre eine – wie auch immer geartete – Koope- Kräfte bündeln und so die Verhandlungsposition ration zwischen HHLA und Eurogate auf gegenüber den Reederei-Allianzen stärken. Ob eine Zusammenarbeit überhaupt realisierbar ist und wie Augenhöhe stattfindet.“ diese aussehen könnte, ist derzeit allerdings unklar. Da 50 Prozent von Eurogate in der Hand des in Hamburg ansässigen Unternehmens Eurokai liegen, sieht es zumindest „auf dem Papier“ so aus, dass Darüber hinaus haben sich die Auswirkungen der Hamburger Akteure dominieren. Aus bremischer Corona-Pandemie negativ auf die Lage des Kon- Sicht ist es aber zentral, dass eine – wie auch immer zerns ausgewirkt. Im ersten Halbjahr 2020 führte geartete – Kooperation auf Augenhöhe stattfindet. der Umschlagrückgang von 11,8 Prozent dazu, dass Aus Sicht der Beschäftigten wären zudem Stand- Eurogate erstmals ein negatives Betriebsergebnis ortgarantien und das Aufrechterhalten der Tarif- erwirtschaftete. Angesichts dieser Entwicklung hat verträge sowie der Mitbestimmung weitere wich- der Vorstand des Unternehmens angekündigt, bis tige Voraussetzungen, die an eine Zusammenlegung 2024 rund 84 Millionen Euro einsparen zu wollen, der Aktivitäten beider Unternehmen geknüpft sein um die Wettbewerbsfähigkeit der Eurogate-Termi- müssten. nals garantieren zu können. Betriebsbedingte Kün- digung werden auch in Bremerhaven nicht ausge- schlossen. Die Containerterminals in Bremerhaven – ein Überblick Das Umschlaggeschäft im Containerbereich Common-User-Terminal von allen Reedereien wird in Bremerhaven von den Terminalbetrei- angelaufen werden. Darüber hinaus verfügt Bre- bern Eurogate, MSC Gate und North Sea Termi- merhaven über zwei „Dedicated Terminals“. Dies nal Bremerhaven (NTB) abgewickelt. Eurogate ist sind Umschlagplätze, an denen sich Reedereien 1999 durch die Zusammenführung der Containe- durch direkte Vertragsverhandlungen oder durch raktivitäten von Eurokai (Hamburg) und der BLG den Eigenbetrieb von Terminals sowie durch die Logistics Group entstanden. Der Eurogate-Kon- eigenständige Abwicklung des Containerum- zern, an dem die Stadt Bremen über die BLG schlags eine bevorzugte Abfertigung ihrer Con beteiligt ist, betreibt neben den Containertermi- tainerschiffe sichern. Bereits 1998 wurde von der nals in Bremerhaven Terminals an acht weiteren BLG Container GmbH und der Maersk Deutsch- Hafenstandorten in Europa und Nordafrika. Mit land GmbH das Unternehmen North Sea Termi- rund 4,9 Millionen TEU im Jahr 2019 fand jedoch nal Bremerhaven (NTB) gegründet, das inzwi- fast die Hälfte des Containerumschlags des Kon- schen auf dem CT IV im Norden Bremerhavens zerns in Bremerhaven statt. Am Eurogate-Termi- angesiedelt ist. Mit MSC hat sich 2004 auch die nal in Hamburg wurden weitere rund 2,1 Millio- zweitgrößte Reederei über ein Joint Venture mit nen TEU umgeschlagen. Das entspricht ungefähr Eurogate an den Standort Bremerhaven gebun- einem Fünftel des Konzernumschlags. Der Euro- den. Das Unternehmen MSC Gate Bremerhaven gate-Konzern beschäftigt rund 4.000 Mitarbei- hat seinen Sitz auf dem CT I, der im Süden des terinnen und Mitarbeiter in Bremerhaven und Containerhafens liegt. Insgesamt ist die Strom- Hamburg. Am Standort Bremerhaven betreibt kaje in Bremerhaven 4.680 Meter lang. Sie ver- das Unternehmen drei Terminals. Der Eurogate fügt über 43 Containerbrücken und eine maxi- Container Terminal Bremerhaven (CTB) kann als male Umschlagkapazität von 7 Millionen TEU.
— 74 — Bericht zur Lage 2021 Hamburg und Bremen investieren Neben den landseitigen Anpassungen sind auch in die Wettbewerbsfähigkeit ihrer wasserseitige Veränderungen notwendig, um auf die Containerhäfen wachsenden Schiffsgrößen zu reagieren. In der Ver- gangenheit wurde die Weser bereits mehrfach ver- Um den Containerhafen zukunftsfähig aufzustellen, tieft. Zuletzt war dies Ende der 1990er-Jahre der ist auch die Politik gefragt. So plant Bremen der- Fall. Bremerhaven kann seitdem tideunabhängig zeit sowohl die Anpassung der Fahrrinne als auch von Schiffen mit einem Tiefgang von 12,80 Metern umfangreiche Investitionen in die Kajenertüchti- erreicht werden. Auch die Fahrrinne der Elbe wurde gung. Hintergrund dieser beiden Projekte ist die angepasst. In Hamburg können ebenfalls Schiffe mit Größenentwicklung der neuen Containerschiffe. einem Tiefgang von bis zu 12,80 Metern tideunab- Stets werden neue Dimensionen erreicht, die vor hängig anlegen. Bremerhaven und Hamburg hat- wenigen Jahren nicht denkbar gewesen wären. ten somit bisher gleiche Voraussetzungen. Schon Hatten die größten Containerschiffe Ende der seit 2012 ist eine weitere Vertiefung der Fahrrinne 1990er-Jahre noch eine Kapazität von 6.600 TEU, der Außenweser auf 13,50 Meter geplant. Die Ver- wurden 2006 bereits Schiffe mit einer Kapazität von tiefung wurde jedoch vom Bundesverwaltungsge- rund 15.000 TEU gebaut. Heute beträgt das Fas- richt und Europäischen Gerichtshof aus Umwelt- sungsvermögen der größten Containerschiffe rund schutzgründen (vorerst) gestoppt. In Hamburg wird 24.000 TEU. Diese Entwicklung stellt die Umschlag- hingegen eine weitere Vertiefung der Elbe durchge- plätze vor neue Herausforderungen. Immer weni- führt. 2021 können dann voraussichtlich Schiffe mit ger Hafenstandorte verfügen über die notwendige einem Tiefgang von bis zu 13,50 Metern den Ham- Fahrrinnentiefe und über ausreichend große Con burger Hafen tideunabhängig erreichen. Auf der tainerbrücken, damit auch voll beladene Schiffe die- Flutwelle ist dies sogar für Schiffe mit einem Tief- ser Größenordnung den Liegeplatz tideunabhängig gang von bis zu 14,50 möglich. Diese Unterschiede anlaufen können. Zudem sind für die Abfertigung in der wasserseitigen Erreichbarkeit der beiden der großen Containerschiffe auch entsprechende Hafenstandorte führen wiederum zu Wettbewerbs- Containerbrücken erforderlich. Diese Voraussetzun- nachteilen für Bremerhaven. Vor diesem Hinter- gen sind auch in Bremerhaven und Hamburg nicht grund wird auch hier die Außenweservertiefung vollständig gegeben. weiter vorangetrieben. Weder die Elb- noch die Weservertiefung werden aber dazu führen, dass die Aus diesem Grund soll die Kajeninfrastruktur an größten Containerschiffe Hamburg beziehungsweise den Containerterminals I bis IIIa angepasst wer- Bremerhaven anlaufen können, denn sie haben voll- den, damit hier große Containerbrücken mit lan- beladen einen Tiefgang von rund 16,50 Metern. gen Auslegern aufgestellt werden können. Diese Containerbrücken sind für die Kaje in ihrer der- zeitigen Verfassung zu schwer. Sie werden aber Der JadeWeserPort als dritter Player gebraucht, um die großen 24.000-TEU-Schiffe abfertigen zu können. Die Erneuerung des Kajenbe- Während die Investitionen in die Umschlagplätze in reichs erstreckt sich hierbei über eine Gesamtlänge Bremerhaven und Hamburg dazu beitragen sollen, von 2.400 Metern. Die Kosten für das Projekt bezif- sie für die Abfertigung der großen Containerschiffe fern sich auf voraussichtlich rund 170 Millionen vorzubereiten, gibt es mit dem JadeWeserPort in Euro. In Hamburg ist zuletzt am Burchardkai ein Wilhelmshaven bereits einen Tiefwasserhafen, der weiterer Großschiffsliegeplatz geschaffen worden, über die notwendige Wassertiefe verfügt. Schiffe der mit den neusten Containerbrücken ausgestattet mit einem Tiefgang von bis zu 18 Metern kön- ist. Seither verfügt allein dieser Terminal über 18 nen hier tideunabhängig anlegen. Auch wenn der der modernen sogenannten Megaship-Brücken, die JadeWeserPort die erwarteten Umschlagmengen zum Entladen der neuen Großcontainerschiffe benö- noch verfehlt, ist er bisher das einzige norddeut- tigt werden. sche Hafen-Kooperationsprojekt. Nachdem Ham- burg recht früh aus den Planungen ausgestiegen ist, da die Hansestadt befürchtete, seinen eigenen Kon- kurrenzhafen zu finanzieren, wurde das Hafenpro- jekt gemeinsam von Niedersachsen und Bremen umgesetzt. Bremen ist an dem JadeWeserPort mit 49,9 Prozent beteiligt. Der Terminalbetrieb wurde von Eurogate übernommen. Folglich besteht in der Nähe von Bremerhaven bereits ein Seehafen mit ausreichend tiefem Fahrwasser, den das Land Bre- men mitfinanziert hat. Hinter der Entscheidung,
— 01 Arbeit, Wirtschaft und Finanzen — 75 sich am JadeWeserPort zu beteiligen, stand von Containerterminals zunehmend zum Problem – vor Anfang an die Idee, die norddeutschen Hafenstand- allem für die ganz großen Containerschiffe. Zum orte so aufzustellen, dass sie gegenüber dem wich- einen ist hier die Manövrierfahrt länger und schwie- tigsten Konkurrenten Rotterdam gestärkt in den riger als in Bremerhaven. Zum anderen erschwert Wettbewerb gehen. Trotz der Beteiligung am Tief- auch die Höhe der Köhlbrandbrücke die Erreichbar- wasserhafen hat das Land Bremen allerdings seine keit des (teilautomatisierten) Containerterminals Investitionen in den eigenen Standort weiter- „Altenwerder“ der HHLA. Die ganz großen Con hin massiv fortgesetzt, um nicht Gefahr zu laufen, tainerschiffe können bereits jetzt nur noch an den Marktanteile an Hamburg zu verlieren, weil dies anderen Containerterminals abgefertigt werden. die für Bremerhaven so wichtigen Arbeitsplätze Hamburg ringt darüber hinaus als stark wachsende gefährden würde. Eine Kooperation oder Arbeits- Stadt auch mit dem Problem, dass die Hafenflächen teilung zwischen den norddeutschen Hafenstandor- attraktiv und lukrativ für die Wohnbebauung sind. ten würde ihnen im Wettbewerb mit Rotterdam und Der Hafen hat auch innerhalb der Hamburger Poli- Antwerpen zwar mehr Gewicht verleihen, ist aber tik deshalb nicht immer einen leichten und unum- bei Weitem kein Selbstläufer. strittenen Stand. In Bremerhaven hingegen steht die herausragende wirtschaftsstrukturelle Bedeutung des Container- umschlags und die politische Unterstützung außer Frage. Hier muss vermieden werden, dass weitere „Es muss dringend verhindert werden, dass Marktanteile und damit Arbeitsplätze im Container- umschlag verloren gehen, denn der Arbeitsmarkt in die Gehaltsstrukturen und Arbeitsbedingun- der Seestadt ist dringend auf diese Stellen angewie- gen im Hafen zum Spielball des Standort- sen. Da Bremerhaven bei wichtigen Wettbewerbs- faktoren wie beispielsweise der Anbindung an das wettbewerbs werden.“ Straßen- und Schienennetz besonders gut dasteht, sind die Ausgangsbedingungen in dieser herausfor- dernden Situation durchaus beachtlich. Angesichts der ungewissen Perspektiven im Con- Hafenstandorte zwischen Konkurrenz tainerumschlag ist es dennoch zu begrüßen, dass und Kooperation Bremen die anstehenden Investitionen in die Kajenertüchtigung sorgfältig prüft und in die- Je mehr sich die Konkurrenz zwischen den Nordran- sem Zusammenhang ein entsprechendes Gutach- ge-Häfen zuspitzt, desto drängender stellt sich die ten in Auftrag gibt, in dem die Rahmenbedingungen Frage, wie es den norddeutschen Standorten gelin- und die Entwicklungsperspektiven des Container- gen kann, sich hier zu behaupten. Derzeit werden geschäfts beleuchtet werden. Dass außerdem in sowohl im Land Bremen als auch in Hamburg alle Betracht gezogen wird, die Kaje schrittweise zu Register gezogen, um hier nicht an Boden zu ver- ertüchtigen, ist ebenfalls sinnvoll. lieren. Einen echten Vorteil kann aber bislang kei- ner der Standorte für sich verbuchen. Während die Bei allen anstehenden politischen Entscheidungen Container wie in einem Nullsummenspiel zwischen sollten aber vor allem die Beschäftigten im Blick den norddeutschen Häfen hin- und hergescho- behalten werden. Ihre Arbeitsplätze sind nicht nur ben werden, gelingt es nicht, gegenüber Rotterdam durch die sinkenden Umschlagzahlen, sondern auch und Antwerpen Boden gutzumachen. Ein Unter- durch die künftigen Automatisierungs- und Digitali- lassen oder Abschmelzen der Investitionen würde sierungsvorhaben gefährdet. Dabei ist der Hafen als aber immer die Gefahr bergen, ein falsches Sig- Arbeitgeber gerade für den angespannten Bremer- nal an die Reeder zu senden oder dem Konkurren- havener Arbeitsmarkt nach wie vor eine wichtige ten zu dem entscheidenden Vorteil zu verhelfen – Säule – insbesondere deshalb, weil hier bislang gut eine klassische Dilemma-Situation. Dabei haben die bezahlte und tariflich abgesicherte Beschäftigungs- Containerterminals in Hamburg und Bremerhaven verhältnisse vorherrschen. Deshalb muss dringend durchaus unterschiedliche Stärken und unterschied- verhindert werden, dass die Gehaltsstrukturen und liche Herausforderungen zu bewältigen. So profi- Arbeitsbedingungen zum Spielball des Standort- tiert Hamburg davon, dass der Anteil der Waren, wettbewerbs werden. die hier nicht nur umgeschlagen, sondern auch wei- terverarbeitet werden, höher ist als in Bremerha- ven. Dafür wird in Hamburg die Erreichbarkeit der
— 76 — Bericht zur Lage 2021 Literatur Buss, Klaus-Peter (2018): Branchenanalyse Hafenwirt- Port of Hamburg (2020): Corona-Pandemie führt im schaft. Entwicklungslinien des Hafenwettbewerbs Hamburger Hafen zu einem Rückgang beim Seegü- und Herausforderungen der öffentlichen Akteure. terumschlag. https://www.hafen-hamburg.de/de/ Study Nr. 402 der Hans-Böckler-Stiftung. Düsseldorf. news/corona-pandemie-fuehrt-im-hamburger- hafen-zu-einem-rueckgang-beim-seegueterum Eurokai (2020): Eurokai-Jahresbericht 2020. April 2020. schlag---36908. Zugriff am 20.10.2020. http://www.eurokai.de/content/download/9374/ 104811/version/2/file/Jahresbericht+2019.pdf. Zugriff Port of Rotterdam (2020): Fakten und Zahlen. https:// am 02.12.2020. www.portofrotterdam.com/sites/default/files/ fakten-und-zahlen-rotterdamer-hafen_0.pdf. Zugriff Eurostat (2020): 20 wichtigste Häfen – Volumen der am 24.11.2020. umgeschlagenen Container (in TEUs) je Hafen, nach Ladungsstatus (Haupthäfen) [mar_mg_am_pvh]. Port of Rotterdam (2020): Port of Rotterdam fully ope- Abrufbar in der Eurostat-Datenbank rational in first half of 2020, COVID-19 pandemic https://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database. depresses cargo throughput. https://www.portof Zugriff am 02.12.2020. rotterdam.com/en/news-and-press-releases/ port-of-rotterdam-fully-operational-in-first-half- Hafenspiegel (2014): Hafenspiegel. Für die Bremischen of-2020. Zugriff am 20.10.2020. Häfen. Hrsg.: Senatorin für Wissenschaft und Häfen, bremenports. Bremen. Senatorin für Wissenschaft und Häfen (2020): Monatli- che Schnellstatistiken. Bremische Häfen. Juni 2020. Hafenspiegel (2019): Hafenspiegel. Bremische Häfen https://bremenports.de/statistiken/, Zugriff am 2019. Hrsg.: Senatorin für Wissenschaft und Häfen, 20.10.2020. bremenports. Bremen. UNCTAD (2019): Review of Maritime Transport. Hrsg.: Liu, Qing/Ke, Luqi (2018): One-Belt-One-Road policy United Nations. New York, Genf. implication on logistics route competition: Case study of China-Germany trade. https://www.bwl. uni-hamburg.de/merc/research/current-projects/ project-report—obor-and-case-study.pdf. Zugriff am 03.06.2020. Port of Antwerp (2019): Yearbook of Statistic 2019. https://www.portofantwerp.com/en/publications/ statistics/yearbook-statistics-2019. Zugriff am 19.10.2020. Port of Hamburg (2020): Containerumschlag von 1990 bis 2019. https://www.hafen-hamburg.de/de/ statistiken/containerumschlag. Zugriff am 24.11.2020.
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