Unser Bild vom Islam im Licht des "arabischen Frühlings"

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Unser Bild vom Islam im Licht des "arabischen Frühlings"
Titel-Thema

             Unser Bild vom Islam im Licht
              des „arabischen Frühlings“
       Ist der Dialog mit dem Islam angesichts zahlreicher Bedrohungen,                       Respektbezeugung. Wortlos ziehen alle
    die von Muslimen ausgehen, naiv? Oder ist das Feindbild ‚Islam’                           vier ihrer Wege und lassen bass erstaunte
                                                                                              Jugendliche zurück. Als von diesen Erleb-
    einfältig, gar von heimlichen Interessen genährt? Was ändert sich                         nissen nach einem Gottesdienst der katho-
    durch den „arabischen Frühling“? Und was kann die Kirche in die-                          lischen Gemeinde erzählt wird, wehren die
    sem brisanten Spannungsfeld zum Frieden in der Welt beitragen,                            Deutschen ab: „Nein, nein, die Muslime
    einem Frieden, der oft – so scheint es! – nur mit militärischen Mit-                      schotten sich ab. Das kann gar nicht sein,
    teln erzwungen werden kann?                                                               alles Ausnahmen!“

      Um einen ehrlichen und gut informierten Umgang mit dem Islam                               Die meisten Deutschen unter-
    aus christlicher Sicht ringt Dr. Andreas Fisch vom Sozialinstitut                            stellen Muslimen Sympathie
    Kommende Dortmund und erinnert dabei an die für den Zeitgeist                                für Terroristen
    durchaus provokante Lehre und Praxis der Katholischen Kirche.
                                                                                                  Eine solch unterschiedliche Wahrneh-
                                                                                              mung verblüfft und ist doch typisch für
    VON ANDREAS FISCH                            ner Familie fragt sie schüchtern, ob seine   Deutschland. Umfragen (REMID 2007)
                                                 Familie sie zum Essen einladen dürfe, sie    kommen zu dem Ergebnis, dass die gene-
                                                 würden gern von ihrem Gottesglauben          relle Ablehnung von Muslimen bei Deut-
             uisburg-Marxloh. Zahlreiche Ge-     hören. In einem türkischen Café sucht der    schen leicht gestiegen ist, der Islam kulturell

    D        schäfte für Brautmoden, musli-
             mische Frauen mit und ohne
    Kopftuch, manche der Bäckereien machen
                                                 Besitzer freundlich das Gespräch mit ihr
                                                 und bei der Verabschiedung lehnt er eine
                                                 Bezahlung vehement ab. Dann kommt
                                                                                              sogar bis zu 74 Prozent abgewertet wird. 64
                                                                                              Prozent der Deutschen unterstellen Musli-
                                                                                              men Sympathie für Terroristen. Auf einen
    sich gar nicht erst die Mühe, deutschspra-   eine direkte Konfrontation: Der Ordens-      Zeitungsartikel, der die undifferenzierte
    chige Schilder aufzustellen, so selbstver-   frau kommen drei junge geistliche Wür-       Sicht der Deutschen auf „den“ Islam kriti-
    ständlich ist Türkisch als Umgangssprache    denträger des Islam entgegen. Türkische      siert, reagierte eine Leserbriefschreiberin
    in diesem Viertel geworden. In diesem        Jugendliche beobachten die Szene feixend     empört, dass es ja nun eindeutig die Schuld
    Umfeld macht eine Ordensfrau im vollen       von einer Parkbank aus. Vor der Ordens-      der Muslime wäre, denn sie begingen Ter-
    Ornat erstaunliche Erfahrungen: Ein mus-     frau bleiben die drei Imame stehen und       rorakte und Ehrenmorde. Machtlos sind
    limischer Familienvater in Begleitung sei-   verneigen sich wortlos. Sie erwidert diese   alle Differenzierungen, wenn jemand das
4   KIRCHE heute 6/2011
Unser Bild vom Islam im Licht des "arabischen Frühlings"
Feindbild „Islam“ verinnerlicht hat und         ten „arabischen Frühling“ massiv erschüt-       vom Combating Terrorism Center sind die
glaubt, Muslime planten eine Weltver-           tert. In den Volksaufständen in Tunesien,       Opfer von 2004 bis 2008 gar zu 85 Prozent
schwörung und würden dafür ihre „Fein-          Ägypten, Syrien, Jemen, Libyen und an-          Muslime (Non-Westeners), obwohl die
de“ gezielt belügen und täuschen; darum         deren arabischen Ländern demonstrieren          Anschläge von Madrid 2004 und London
dürfe „man“ ihnen nicht trauen.                 Muslime unter Einsatz von Leib und Le-          2005 einbezogen sind. Die Reaktion von
    Was könnte ein Grund dafür sein, dass       ben wider korrupte Regime. Muslime set-         Muslimen auf den Tod Osama Bin Ladens
nicht nur die Deutschen beim Islam be-          zen nicht auf ein Kalifat im Sinne Osama        ist darum überwiegend Erleichterung.
sonders kritisch sind? Ich erinnere mich        Bin Ladens und der Taliban, sondern hof-            Dr. Sherief Hany von der koptischen
an eine vergleichbare Erfahrung während         fen auf Demokratie und Freiheit, Frieden        Kirche erläutert, dass interreligiöse Kon-
eines Aufenthalts als Missionar auf Zeit        und Wohlstand. Während des Freitags-            flikte in Ägypten politisch provoziert wer-
im tropischen Nordosten Brasiliens. Von         gebets auf dem Tahrirplatz in Ägypten           den: „Während des Mubarak-Regimes wur-
den mehrheitlich dunkelhäutigen Bewoh-          schützten Christen Muslime vor bezahl-          den Minderheiten angegriffen, nur weil
nern wurde ich darauf angesprochen, wa-         ten Schlägern und umgekehrt Muslime             Mubarak an der Macht bleiben wollte. Er
rum „die Deutschen“ „immer“ Menschen            Christen während der Sonntagsmesse. Bei         hat ein schmutziges Spiel gespielt. Denn
mit dunkler Haut umbringen würden? Ich          den Revolutionen in arabischen Ländern          Kopten haben Muslime angegriffen, Mus-
entgegnete, dass dies eine kleine Gruppe        sind die Islamisten der al-Qaida fern. Ein      lime haben Kopten angegriffen und nie-
gewaltbereiter Rechtsextremer sei, keines-                                                      mand hat ihn angegriffen oder seinen
wegs „die Deutschen“. Mir wurde wohl-                                                           Rücktritt erzwungen“ (zitiert aus: http://
wollend versichert, dass ich eine Ausnah-                                                       www.tagesschau.de/ausland/aegypten816.
me sei, aber wenn sie von Deutschland in                                                        html). Auch in den gewalttätigen Ausei-
der Zeitung läsen, dann wäre wieder ein                                                         nandersetzungen zwischen Kopten und
Mensch wegen seiner Hautfarbe von Deut-                                                         Salafisten (eine muslimische Minderheit
schen angegriffen worden; die Zeitungen                                                         in der mehrheitlich sunnitisch-muslimi-
sind seriös, die Berichte trafen (leider) zu.                                                   schen Bevölkerung Ägyptens) im Mai 2011
Es war mir nicht möglich, diese Vorurteile                                                      könnte der politische Hintergrund das be-
zu zerstreuen, zumal mein Status als Aus-                                                       wusste Schüren von religiösen Konflikten
nahme unangezweifelt blieb. In ähnlicher                                                        durch das frühere Regime sein. In ande-
Weise scheint die Wahrnehmung „des Is-                                                          ren arabischen Ländern erhalten sich kor-
lams“ und „der Muslime“ in Deutschland                                                          rupte und unterdrückerische Regime die
geprägt und nicht anfechtbar zu sein. Zahl-                                                     Unterstützung der Westmächte, indem sie
reiche Unterstellungen und ausgewählte                                                          die extremistische Bedrohung eines Teils
Zeitungsberichte prägen Stereotype, wäh-                                                        ihrer Bevölkerung übertreiben, wenn nicht
rend schlichtweg Unwissenheit und der                                                           gar inoffiziell unterstützen, um dieses „Ar-
eklatante Mangel an Erfahrungen im Um-                                                          gument“ zu behalten.
gang mit Muslimen diese festigen. Gerade                                                            Die Schweizer Volksabstimmung für
bei den aufgeregten Debatten über den Is-                                                       ein Minarett-Verbot im November 2009
lam wäre deutlich zu differenzieren. Nach                                                       wurde ironischerweise auch durch den da-
obiger Studie können dies 81 Prozent der                                                        maligen Konflikt mit dem Libyen-Regime
Deutschen beim Islam schlichtweg nicht,         Dr. Andreas Fisch, geb. 1971 in Mün-            emotionalisiert. Der libysche Staatschef
wie sie selber zugeben. Fast immer wird         chen, machte nach dem Abitur zunächst           Muammar al-Gaddafi hatte im Juli 2009
Religion als Ursache herangezogen, wo die       eine Tischlerlehre, studierte anschlie-         vorgeschlagen, die Schweiz aufzulösen
soziale Lage, die Tradition oder die Her-       ßend Kath. Theologie und nach einem             und an die Nachbarländer zu verteilen
kunft aussagekräftiger wäre. Oder der Is-       Auslandsaufenthalt als „Missionar auf           und im September 2009 bei der UNO ei-
lam als Religion wird gleichgesetzt mit         Zeit“ bei den Pallottinern in Brasilien         nen entsprechenden Antrag gestellt (An-
Fundamentalismus und Gewaltbereit-              Volkswirtschaftslehre für das „Diplom           lass Gaddafis war die rechtmäßige Fest-
schaft. Dabei gibt es in allen Religionen       in Christlichen Sozialwissenschaften“.          nahme seines Sohnes Hannibal und von
harmlose Fundamentalisten und Gewalt-           2006 promovierte er zum Thema „Men-             dessen Frau durch die Schweiz). Mit ihrer
bereitschaft, die ein ideologisches, auch re-   schen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität     Wut über das Regime der Familie Gad-
ligiöses Deckmäntelchen nur zum Schein          in Deutschland“ und arbeitet seit 2007          dafi finden sich die Schweizer Bürger nun
übergeworfen hat. Diese fehlenden Unter-        als Referent für Wirtschaftsethik am            im Geiste an der Seite der Demonstranten
scheidungen verdrehen die Wahrnehmung           Sozialinstitut Kommende Dortmund.               in Bengasi wieder.
und beschwören zum Teil Phantom-Kon-                                                                Aber hat nicht derjenige Recht, der da-
flikte herauf statt die wahren Konflikte        solch gewaltiger Wandel ist nach dem welt-      rauf hinweist, dass die Muslime in Deutsch-
aufzuarbeiten und einem wahren Frieden          erfahrenen CDU-Politiker Hans-Gert Pöt-         land sich nicht oder keineswegs deutlich
den Weg zu ebnen, wie es das Anliegen           tering von „historischer Bedeutung“, und        genug vom weltweiten Terror durch mi-
von Johannes Paul II. und Benedikt XVI.         zwar auch für Europa (FAZ vom 29.04.            litante Muslime distanzieren? Eine sozial-
war und ist.                                    2011, S.20).                                    ethische Orientierung fordert hier, nicht
                                                   Statistiken zeigten schon früher, dass die   mit unterschiedlichem Maß zu bewerten.
   Erschütterungen durch die Auf-               Opfer der Terrorakte von al-Qaida mehr-         Jemand würde sich lächerlich machen,
   stände in arabischen Ländern                 heitlich Muslime und nicht etwa Chris-          würde er behaupten wollen, Kardinal Meis-
                                                ten sind. In der US-amerikanischen Studie       ner unterstütze die militanten Terrorakte
   Die meisten dieser Vorurteile werden         „Deadly Vanguards: A Study of al-Qa’ida’s       von Protestanten und Katholiken in Nord-
in diesen Wochen durch den so genann-           Violence Against Muslims“ (Dez. 2009)           irland, da er sich noch nie von ihnen
                                                                                                                         KIRCHE heute 6/2011   5
Unser Bild vom Islam im Licht des "arabischen Frühlings"
Titel-Thema

       distanziert habe. Warum sollte Kardinal   2004 entführte eine islamistisch-militante Liebe öffnen kann. Diese Würde spricht
    Meisner für ein anderes Land und gar für     Gruppe „Islamische Armee im Irak“ im       dem Menschen zu, ein „Zweck an sich“
    eine andere Konfession die Verantwortung     kriegsgebeutelten Irak die französischen   mit der Fähigkeit zur Selbstgesetzgebung
    tragen? Das Ausbleiben einer öffentlichen    Journalisten Georges Malbrunot und Chri-   zu sein (Immanuel Kant). Diese Würde
    Verurteilung Meisners als heimliche Un-      stian Chesnot und drohte beide hinzurich-  beinhaltet eine prinzipielle Gleichheit und
    terstützung zu deuten, bliebe eine infame    ten. Die Irakische Gruppe ernannte sich    den gleichen Anspruch auf Anerkennung;
    Unterstellung. Muslimen gegenüber wird       eigenmächtig zum vermeintlichen Voll-      Nicht-Anerkennung ist dagegen eine Form
    diese bösartige Unterstellung regelmäßig     strecker des Willens der französischen     der Unterdrückung (Charles Taylor). Kon-
    erhoben und – das ist das Erschreckende      Muslime: Die Forderung der Militanten      kret wird die Menschenwürde in den Men-
    daran! – sie bleibt unwidersprochen, oh-     war es, dass der französische Staat das    schenrechten, unter anderem in der Reli-
    ne danach zu fragen, welche Verbindung       Kopftuchverbot für Schülerinnen rück-      gionsfreiheit, wie sie die Erklärung Digni-
    Muslime in Deutschland zu einem Ent-         gängig machen sollte. In diesem Fall sahen tatis Humanae über die Religionsfreiheit
    wicklungsland, zu einem Kriegsgebiet oder    sich die französischen Muslime direkt ver- (1965) im Zweiten Vatikanischen Konzil
    zu einem politisch instabilen Staat wie      einnahmt. Deshalb stellten sich muslimi-   als „tiefe Wertschätzung für den Menschen,
    Somalia haben könnten, und ohne zu fra-      sche Schüler(innen), deren Eltern, Geist-  für seinen Verstand, seinen Willen, sein
                                                                                              Gewissen und seine Freiheit“ (Johannes
                                                                                              Paul II., Redemptor hominis, 12) begrün-
                                                                                              det. Die Konzilsväter halten in der Er-
                                                                                              klärung Nostra aetate über das Verhält-
                                                                                              nis der Kirche zu den nichtchristlichen
                                                                                              Religionen an der Wahrheit der Offen-
                                                                                              barung in Jesu Christi eisern fest, räu-
                                                                                              men jedoch ein, dass der Heilige Geist
                                                                                              um der Menschen willen auch in ande-
                                                                                              ren Religionen wirkt, die „nicht selten
                                                                                              einen Strahl jener Wahrheit erkennen
                                                                                              lassen, die alle Menschen erleuchtet“
                                                                                              (Nr. 2,2).
                                                                                                  Für die Praxis der Katholischen Kir-
                                                                                              che möchte ich vor allem, aber nicht nur
                                                                                              an den soeben selig gesprochenen Johan-
                                                                                              nes Paul II. erinnern. Seine Gesten im
                                                                                              Dialog mit den Religionen sind geradezu
                                                                                              prophetische Zeichenhandlungen. Da-
                                                                                              zu zählt zweifelsfrei die Einladung Jo-
                                                                                              hannes Pauls II. zu den interreligiösen
                                                                                              Weltgebetstreffen für den Frieden in Assisi
                                                                                              1986 und 2002. Der geschuldete Respekt
                                                                                              vor den eigenständigen Gottesvorstel-
                                                                                              lungen ließ in der Praxis kein gemein-
    Papst Benedikt XVI. nimmt am 18. April 2008 auf seiner USA-Reise eine Schmuck-            sames Gebet zu, sehr wohl aber nach-
    ausgabe des Korans entgegen. Das Geschenk wurde ihm bei einem interreligiösen             einander abfolgende Gebete im gemein-
    Treffen im „Kulturzentrum Johannes Pauls II.“ in Washington überreicht.                   samen Anliegen des Friedens. Ferner sei
                                                                                              daran erinnert, wie Johannes Paul II. am
    gen, welcher Rechtsschule des Islams die liche und der französische Zentralrat der 14. Mai 1999 nach einer Audienz von iraki-
    Attentäter angehören: Hanafiten, Maliki- Muslime mit einer eindeutigen Erklärung schen Christen und Muslimen die Heilige
    ten, Hanbaliten, Schafiiten, Imamiten, Is- hinter den laizistischen Staat und auch hin- Schrift der Muslime, den Koran, küsste. Als
    mailiten, Zaiditen, Ibaditen, Sufisten und ter das besagte Gesetz. Damit entzogen eine „Geste des Respekts“ begrüßte der da-
    einige andere mehr.                          die muslimischen Verbände in Frankreich malige Patriarch der Chaldäisch-Katholi-
       Gegen den plakativen Vorwurf an Mus- der islamistisch-militanten Gruppe ihre schen Kirche in Bagdad, Raphael I. Bidawid,
    lime, sich nicht (genügend) vom Terror vermeintliche Legitimation und erreich- dies. Wie alle prophetischen Zeichen, die
    zu distanzieren, möchte ich zwei unmiss- ten durch eine Delegation im Irak die Frei- dem Zeitgeist – auch in der Kirche! – wider-
    verständliche Distanzierungen in Erinne- lassung der beiden Journalisten.               sprechen, erregten sich die Gemüter von
    rung rufen: einmal allgemein bei der gro-        Wie handelt die katholische Kirche in Christen an diesem prophetischen Zeichen;
    ßen Demonstration am 21. November diesem brisanten Spannungsfeld?                       wie schon bei seinem Kampf gegen den An-
    2004 in Köln mit Günter Beckstein (CSU)                                                 tisemitismus in Polen stieß der Papst hier
    als Redner und mit 25.000 vorwiegend             Prophetische Zeichen                   bei bestimmten Katholiken an die Grenzen
    muslimischen Teilnehmer(inne)n, die öf-          im Handeln der Päpste                  seiner Überzeugungskraft. Die frühzeitige
    fentlich erklärten, dass Dschihad nicht Ter-                                            Seligsprechung Johannes Pauls II. gibt die-
    ror und nicht den Tod unschuldiger Men-          Nach der Katholischen Soziallehre be- sem eine späte Bestätigung für sein Han-
    schen bedeute.                               sitzt jeder Mensch Würde. Diese Würde deln. Tatsächlich ist eine solche Zeichen-
       Zum anderen erfolgte die Distanzierung äußert sich unter anderem darin, dass je- handlung und die in interreligiöser Zusam-
    von Terror landesspezifisch: Im September der Mensch sich freiheitlich für Gottes menarbeit gelebte Caritas oft wirkungs-
6   KIRCHE heute 6/2011
Unser Bild vom Islam im Licht des "arabischen Frühlings"
voller in ihrer Botschaft als gelehrte Debat-   lime: Die Zeitung „Milliyet“ schrieb mit       xis von Gemeinden und Päpsten ist die
ten. Das dabei über Jahrzehnte gewachsene       ehrlicher Anerkennung, der Papst habe          Ankündigung einer öffentlichen Verbren-
Vertrauen ist das notwendige Fundament,         „wie ein Muslim“ gebetet. Auch auf seiner      nung des Korans in Gainesville/Florida
um sich gemeinsam gegen alle religiös ver-      Jordanienreise im Mai 2009 spricht Bene-       2010 durch den „christlichen“ Pastor Terry
einnahmte Gewaltbereitschaft zu stellen.        dikt XVI. von seinem „tiefen Respekt für       Jones, die zu Verbrennungen des Korans
Eine Frucht dieser christlich-islamischen       die muslimische Gemeinde“.                     durch einige freie und freikirchliche Chris-
Verständigung ist die Erklärung gegen den           Ein Zeichen solidarischer Nachbarschaft    tengemeinden in den USA geführt hat.
Terroranschlag auf das World Trade Center       mit einer muslimischen Gemeinde kann               Mit ihren Zeichenhandlungen bekun-
am 11.9.2001 des Vatikans zusammen mit          auch im Kleinen erfolgen und gleichwohl        den Päpste und Gemeindemitglieder da-
der Al-Azhar-Universität in Kairo/Ägyp-         einen großen Sturm entfachen: So geschah       gegen ihren Respekt für eine abrahami-
ten, eine der angesehensten Lehrinstanzen       es, als die katholischen Kirchengemeinden      tische, monotheistische Religion und be-
der islamischen Welt. Veröffentlicht wurde      St. Theodor und St. Elisabeth im Erzbistum     fürworten einen unvoreingenommenen
die gemeinsame Erklärung nur einen Tag          Köln 2007 eine Kollekte zum Bau der be-        Dialog gegen alle populistischen Klischees
nach dem schrecklichen 9/11, nämlich am         nachbarten Moschee als Geste der Aner-         über „die Muslime“ und „den Islam“. Da-
12. September 2001. Gleichwohl ist dies ein     kennung und des Respekts sammelte. Als         mit stellen sie sich aktiv gegen jegliche ideo-
langsam gewachsenes Vertrauen, das auch         Gemeindemitglieder dieses Geld freiwillig      logische Instrumentalisierung von Religio-
wieder verloren gehen kann.                     und privat für diesen Zweck spendeten,         nen für einen „Kampf der Kulturen‘: sei
   Der amtierende Papst Benedikt XVI.           brach ein Sturm der Entrüstung auf die klei-   es die Instrumentalisierung durch Terror-
hat mit einem aus dem Kontext seiner Re-        ne Gemeinde nieder, dass Christen Musli-       gruppen wie al-Qaida, die ihre politisch
de gerissenen Zitat in der Regensburger         me unterstützten, obendrein, nachdem im        motivierte Gewalt religiös verbrämt, sei es
Universität 2006 einen weltweiten Eklat         Erzbistum gerade Sparmaßnahmen ver-            durch Regime in muslimischen Ländern
ausgelöst. Anschließend unternahm Be-           abschiedet worden waren. Auch diese klei-      oder andere politische Kreise und Partei-
nedikt XVI. jedoch eine überzeugende            ne freundschaftliche Geste wird in einem       en auch in europäischen Ländern, die aus
Verständigungspolitik mit muslimischen          insgesamt feindlich gesonnen Umfeld zum        dem Feindbild „Islam“ politischen Gewinn
Würdenträgern und klärte die Missver-           prophetischen Zeichen wider den gesell-        ziehen. Der selig gesprochene Johannes
ständnisse auf. Einen Höhepunkt im sel-         schaftlichen Zeitgeist. Die Gemeindemit-       Paul II. hat in diesem ehrlichen Dialog als
ben Jahr stellte sein Besuch der Blauen         glieder sahen dies offenbar so und spende-     Kampf gegen den Missbrauch von Reli-
Moschee (Istanbul) auf Socken dar. Sein         ten für diese einmalige Aktion ein Vielfa-     gionen einen wichtigen und eigenständi-
meditatives Innehalten und Gebet machte         ches der üblichen Sonntagskollekte.            gen Beitrag der Katholischen Kirche zum
einen tiefen Eindruck auf türkische Mus-            Das Gegenteil zur Verständigungspra-       Weltfrieden erkannt.

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Unser Bild vom Islam im Licht des "arabischen Frühlings"
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     -                      Aufbruch der Kirche in eine neue Zeit
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                            IRCHE te                                    18. Jahrgang
                                                                            Juni 2011
                                                                    Einzelpreis € 2,70

                                                  h e u
                                                      Arabischer
                                                      Frühling?
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