Unterrichtspraxis - GEW Baden-Württemberg

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Unterrichtspraxis - GEW Baden-Württemberg
Heft Nr. 1 | 07.02.2020 | 53. Jahrgang | ISSN 0178-0786

unterrichtspraxis
Beilage zu „bildung und wissenschaft“
der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg

DEUT SCHUNTERRICHT/GRUNDSCHULE UND SEKUNDARSTUFE I

Schriftliches Erzählen in der Schule
Im Deutschunterricht werden sowohl in der Grundschule als auch in der Sekundarstufe I schriftliche Erzählungen
verfasst. Oft orientiert sich der Unterricht dabei an Textsortennormen und -merkmalen, die sich als didaktisches
Brauchtum entwickelt haben. In der Schreibdidaktik wurden einige Ideen entwickelt, wie das schriftliche Erzählen
in der Schule verändert werden könnte.

Schriftliches Erzählen – alles klar?
Für viele Lehrer*innen ist es völlig
zweifelsfrei, welche Anforderungen
beim Schreiben von Erzählungen in
der Schule zu stellen sind. Erzählungen
gibt es als Erlebnis- und als Fantasieer-
zählungen. Häufig finden sich Nacher-
zählungen von Bildergeschichten oder
Erzählungen zu so genannten Reiz-
wörtern. Kinder sollen aber oft auch
mündliche Erzählungen aufschreiben.
Die Geschichten bestehen dann typi-
scherweise aus einer kurzen Einleitung,
in der die „W-Fragen“ beantwortet wer-
den, sowie einem Hauptteil, der immer
spannender wird, und einen Höhe-
punkt hat. Der Text endet mit einem
kurzen Schluss. Wichtige sprachliche
Merkmale sind die Verwendung des
Präteritums, der Einsatz von wörtli-
                                                                                                                                     Foto: imago

cher Rede, von vielen Adjektiven, von
unterschiedlichen Verben sowie von
abwechslungsreichen Satzanfängen. Die         Schreiben bedeutet Nachdenken
Kinder sollen diese Merkmale anhand
der Erzählmaus, dem Erzählhampel-
mann, dem Erzählkamel etc. verstehen
und beim Schreiben berücksichtigen.           Lassen sich diese schulischen Traditio-    Leicht lässt sich feststellen, dass die
Erzählt wird vorwiegend in der Grund-         nen mit den Vorgaben der Bildungsplä-      Vorgaben der Bildungspläne weniger
schule und zu Beginn der Sekundar-            ne sowie fachdidaktischen Konzeptio-       eng sind. So ist der Bildungsplan für die
stufe I. Soweit der vorgestellte tradierte    nen vereinbaren? Welche Elemente des       Grundschule weitaus offener formu-
Normaufbau einer Erzählung.                   Schreibunterrichts, der das schriftliche   liert. Es sollen verschiedene Schreiban-
Die genannten Merkmale sind aller-            Erzählen als Lerngegenstand hat, könn-     lässe geschaffen und u. a. Geschichten
dings alles andere als selbstverständlich.    ten verändert und angepasst werden?        geschrieben werden. Diese sollen z. B.
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in einem Geschichtenbuch veröffent-
licht werden. Dabei sollen die Texte
so verfasst werden, dass sie an den
Adressat*innen orientiert sind und
dem Schreibanlass entsprechend ange-
messen erzählt werden. Erzählungen
sollen in einem Schreibprozess ent-
stehen. Eine Vorgabe, dass man in der
Grundschule z. B. „Bildergeschichten“
nacherzählen lassen müsste, gibt es
nicht (vgl. MKJS 2016a).
Auch im gemeinsamen Bildungs-
plan für die Sekundarstufe I wird
im Fach Deutsch vorgegeben, dass
Schüler*innen lernen sollen, Schreib-
prozesse zu gestalten. Bei den pro-
zessbezogenen Kompetenzen wird das
schriftliche Erzählen unter „kreativ
und produktiv gestalten“ verortet. Das
stellt einen systematischen Bruch dar,

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da die anderen Schreibhandlungen hin-
sichtlich ihrer kommunikativen Funk-
tion dargestellt werden und man auch       Schriftliches Erzählen kann vielfältig gestaltet werden.
informierende Texte „kreativ und pro-
duktiv“ gestalten kann. Man soll zudem
„anschaulich“ erzählen und nacher-
zählen können. Weshalb gerade beim         Fachdidaktische Kritik an der Praxis              entsteht die Erlebniserzählung (vgl.
Erzählen das Attribut „anschaulich“        In der Fachdidaktik Deutsch wird seit             Ludwig 1984, 29 f.). In den 1920er Jah-
verwendet wird, bleibt ebenfalls diffus.   längerer Zeit die schulische Schreibpra-          ren setzte sich dann der sprachgestalten-
Es wäre zunächst naheliegender, wenn       xis hinterfragt. Besonders beim Erzäh-            de Aufsatzunterricht durch (vgl. Ludwig
man dieses Attribut beim Beschreiben       len wird dort nicht selten an tradierten          1984, 30). Das Erzählen sollte als sub-
hinzufügen würde. Was mit „anschau-        Vorstellungen festgehalten und neuere             jektiver Text mit einer chronologischen
lich“ genau gemeint ist, bleibt unklar.    Erkenntnisse der fachdidaktischen For-            Ordnung beispielhaft gestaltet werden.
Diese Begriffe werden nicht erläutert.     schung werden kaum berücksichtigt                 Als Normen setzen sich die Höhepunk-
Zudem sollen Erzähltechniken ange-         (vgl. Becker/Stude 2017, 86ff.).                  terzählung sowie die Gliederung in
wandt und auf die Erzähllogik geachtet                                                       Einleitung, Hauptteil und Schluss end-
werden. Das Überarbeiten von Texten        Der Schulaufsatz „Die Erzählung“                  gültig durch (vgl. Ludwig 1984, 17).
wird ebenfalls als zentraler Bestandteil   Sprachwissenschaftlich lässt sich das             Die sprachliche Gestaltung von Erzäh-
der Schreibkompetenz festgelegt. In        Erzählen als narrativer Diskurs fassen,           lungen soll sich eher am literarischen
den Klassen 5/6 werden in den inhalts-     bei dem die chronologische Themen-                Erzählen orientieren (vgl. Ludwig 1984,
bezogenen Kompetenzen das Nacher-          entfaltung im Mittelpunkt steht. Histo-           31). Im Mittelpunkt stehen die Textform
zählen und das Erzählen anhand von         risch ist das Erzählen schrittweise mit           und ihre sprachliche Gestaltung, eine
Bildern genannt. Zudem sollen pro-         unterschiedlicher Schwerpunktsetzung              Ausrichtung des Textes an möglichen
duktive Schreibformen genutzt wer-         als schulische Aufgabe entstanden. Es             Leser*innen spielt keine Rolle. Dadurch
den. Interessanterweise taucht auch in     handelt sich zunächst um eine Adaption            wird das schulische Erzählen entfunk-
Klasse 10 das Erzählen als Teilkompe-      der antiken Rhetorik, um ein Gescheh-             tionalisiert (vgl. Ludwig 1984, 16). Es
tenz wieder auf (vgl. MKJS 2016b). Das     nis mitreißend und überzeugend dar-               geht nicht mehr darum, Leser*innen zu
entspricht vermutlich aber nicht der       zustellen (vgl. Ludwig 1984, 19ff.). Im           unterhalten, ihnen einen ästhetischen
gängigen schulischen Praxis. Becker/       19. Jahrhundert wurde die Einteilung              Reiz zu bieten oder sie mitzureißen und
Stude (2017, 80) bemängeln, dass sich      in eine Einleitung, einen Hauptteil und           für eine eigene Position zu gewinnen. Es
in deutschen Bildungsplänen generell       einen Schluss als Norm eingeführt. Aus            geht vor allem um die Einhaltung von
kein Konzept von Erzählen findet und       dieser Zeit stammt auch die Nacher-               Textsortenmerkmalen.
implizit vorausgesetzt wird, dass klar     zählung als schulische Schreibaufgabe
sei, was man unter Erzählen verstehe.      (vgl. Ludwig 1984, 28). Zu Beginn des             Erkenntnisse der Erzählforschung
Es bleibt aber festzuhalten: Die Vor-      20. Jahrhunderts spielte das Erzählen             In der Erzählforschung der letzten
gaben der Bildungspläne sind relativ       eine zentrale Rolle beim freien Schrei-           Jahrzehnte haben sich für das schrift-
offen, eine Engführung findet vor allem    ben, das vor allem den Selbstausdruck             liche Erzählen einige zentrale Erkennt-
in der schulischen Praxis statt.           der Lernenden unterstützen sollte. Hier           nisse ergeben. Es sind verschiedene
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Modelle entstanden, die sich in eini-        Ereignisse hindeuten, eine Vorweg-             Entwicklungsschritt werden Episoden
gen Aspekten unterscheiden, aber vie-        nahme der Pointe oder szenische Situ-          in einer chronologischen Reihenfolge
le Gemeinsamkeiten haben. Becker/            ationen, in der das Setting durch einen        erzählt. Häufig werden Äußerungen
Stude (2017, 10ff.) sehen für eine ide-      Dialog ausgestaltet wird. Die Lösungen         noch mit „und dann“ verbunden. Es
altypische Erzählung folgende Merk-          werden in dieser Studie als angemes-           finden sich schon Planbrüche, die aber
male als konstituierend an. Charakte-        sen angesehen, da sie funktional sind.         sprachlich noch nicht zwangsläufig
ristischerweise gibt es bei schriftlichen    Das Ende besteht typischerweise aus            angemessen ausgestaltet sind; Pointen
Erzählungen eine*n Autor*in. Diese*r         einer Rückkehr in die Normalwelt, einer        finden sich seltener. Es dominieren Ich-
erzählt von einem erzählwürdigen             abschließenden Bewertung des Erzähl-           und Er-Erzählungen (vgl. Augst 2010,
Ereignis, welches „[…] etwas Span-           ten bzw. formelhaften Ausdrücken bis           66). Die dritte Phase ist gekennzeichnet
nendes, Überraschendes, Ungewöhnli-          hin zu der abschließenden Markierung           von Geschichten, bei denen die zeitli-
ches […] (Becker/Stude 2017, 11) sein        „Ende“ (vgl. Augst 2010, 70). In den von       chen Abläufe klar strukturiert sind. Ein
kann. Erzählungen sind typischerwei-         der Forscher*innengruppe um Augst              Planbruch ist deutlich erkennbar; die
se von einer an der Schrift orientier-       untersuchten Texten kommen auch die            Pointe ist schwächer gestaltet. Teilwei-
ten Sprache geprägt. Diese zeigt sich an     Erzählung des Geschehens an andere,            se findet sich ein stimmiger Schluss.
der Verwendung von erzähltypischen           das Aufwachen aus einem Traum oder             Die zeitliche Verknüpfung ist varian-
Wendungen, an einem ausdifferen-             die Einbettung in eine Meta-Erzählung          tenreicher gestaltet. Er-Erzählungen
zierten Wortschatz, der geprägt ist z. B.    vor (vgl. Augst 2010, 72f.).                   dominieren in dieser Phase. Im vier-
durch ein bestimmtes Tempus sowie            Die Entwicklung der Erzählkompetenz            ten Entwicklungsschritt sind kohären-
durch eine komplexere Syntax, als dies       lässt sich nach den Erkenntnissen von          te Texte vorhanden, die alle Teile der
bei an der Mündlichkeit orientierten         Augst (2010, 65f.) in einem vierphasi-         Erzählstruktur enthalten und sprach-
Texten der Fall ist. In üblichen Erzäh-      gen Modell darstellen. Es handelt sich         lich ausgestaltet sind. Die Pointe ent-
lungen werden die Geschehnisse dann          dabei aber um kein normatives Kom-             hält oft originelle Auflösungen (vgl.
in eine zeitliche Ordnung gebracht, die      petenzmodell und nicht alle Kinder             Augst 2010, 66). Während in der zwei-
oft linear ist. Häufig werden die Ereig-     durchlaufen sämtliche Phasen. Auch             ten Klasse in der Studie von Augst u. a.
nisse und die Handlungen durch die           die Entwicklungsgeschwindigkeit kann           (2007) die Lernenden die vierte Stufe
erzählende Person bewertet.                  variieren. In der ersten Phase dominie-        noch nicht erreichen, befinden sich in
Für diesen Beitrag wird das Erzähl-          ren Texte, die v. a. aus einer mehr oder       der vierten Klasse etwa jeweils die Hälf-
Modell von Augst u. a. (2007) als Leit-      weniger zusammenhängenden Episo-               te auf den Stufen 3 und 4. In der 6. Klas-
linie gewählt, da es sich explizit auf das   de bestehen und oft noch keinen Plan-          se erreichen 75 % die Stufe 4 und 25 %
schriftliche Erzählen in schulischen         bruch oder eine Pointe enthalten. In           die Stufe 3 (vgl. Augst 2010, 68). Dies
Kontexten bezieht. Es ist die Grundla-       dieser Phase dominieren die Ich-Erzäh-         spricht dafür, dass sich die Erzählkom-
ge zweier Erhebungen zum schriftlichen       lungen (vgl. Augst 2010, 65). Im zweiten       petenz sukzessive entwickelt und die
Erzählen in der Grundschule (vgl. Augst
u.a. 2007) und in der Sekundarstufe I
(vgl. Augst 2010). Nach Augst (2010, 65)
haben schriftliche Erzählungen „[…]
eine Struktur: Einleitung – Planbruch –
Spannung – Pointe – Schluss“. Außer-
dem haben Erzählungen eine „emotio-
nale Qualifizierung“ (Augst 2010, 65),
d. h., die Leser*innen sollen am Gesche-
hen emotional beteiligt werden und
dies nicht nur nüchtern betrachten. Die
Einleitung wird in der Erzählforschung
häufig auch als „Setting“ bezeichnet. Es
wird oft eine normale Ausgangssituati-
on dargestellt, um den Leser*innen Ori-
entierung zu bieten; häufig werden auch
typische Formeln verwendet, die Hin-
weise auf die Art der Erzählung geben.
Wie umfangreich dieses Setting sein
sollte bzw. ob es im Einzelfall notwendig
ist, hängt vom Kontext ab (vgl. Becker/
Stude 2017, 22). In den Studien von
                                                                                                                                         Foto: imago

Augst u. a. (vgl. Augst 2010, 71f.) finden
sich in der Einleitung auch epische Vor-
ausdeutungen, die auf die kommenden          Reizwörter soll das Erzählen anregen und nicht einengen.
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Förderung an den unterschiedlichen           Gedanken und Gefühle werden je nach        Wenn hier nur temporale Mittel ste-
Entwicklungsständen ansetzen sollte.         Erzählperspektive beschrieben. Die         hen, wird die zeitliche Verknüpfung
Die Ergebnisse legen aber auch nahe,         Kommunikation zwischen den han-            deutlich überbetont.
dass die Erzählentwicklung am Ende           delnden Figuren ermöglicht es zudem,       Auch die Aufforderung, viel wörtliche Rede
der Grundschule noch nicht beendet           die emotionale Qualifizierung zu schaf-    zu verwenden, kann entwicklungshem-
ist. Besonders literarisch-ästhetische       fen wie auch die Handlung voranzu-         mend wirken. Die Kinder werden dazu ver-
Ansprüche an das Erzählen können             treiben. Das Geschehen kann dabei          leitet, eine Protagonist*innenperspektive
erst in der Mittel- und Oberstufe ent-       beständig von der erzählenden Person       einzunehmen. Dies kann dazu führen,
wickelt werden. Es ist bedauerlich, dass     bewertet bzw. kommentiert werden.          dass zwischen Erzähler*innen- und
den Schüler*innen diese Entwicklungs-        Die Intensität lässt sich durch sprach-    Protagonist*innenperspektive nicht aus-
möglichkeiten derzeit oft nicht ermög-       liche Mittel wie Wiederholungen, Ver-      reichend unterschieden werden kann.
licht werden (vgl. Augst 2010, 94).          gleiche, Phraseologismen, Interjektio-     Dadurch entstehen Texte, die eher aus
Von der Höhepunkterzählung, wobei            nen, rhetorischen Fragen etc. steigern     knappen Dialogen entstehen, wie sie
der „Höhepunkt“ aus der Trias Plan-          (vgl. Augst 2010, 82f.).                   z. B. in Comics vorkommen (vgl. Becker/
bruch-Spannung-Pointe besteht, wird          Zwar stellt das Präteritum das typische    Stude 2017, 88).
die Geflechterzählung unterschieden.         Tempus für schriftliche Erzählungen
Bei dieser Form des Erzählens werden         dar, aber beschreibende oder allge-        Das schulische Erzählen
verschiedene Ereignisse nacheinander         meingültige Aussagen können auch im        als Sonderform
erzählt. Sie ist eher dialogisch angelegt,   Präsens formuliert werden. Die Figu-       Das schulische Erzählen lässt sich
ohne dass eine Spannungssteigerung           renrede kann alle Tempora enthalten.       damit als eine Sonderform darstellen,
notwendig ist (vgl. Knapp 1997, 60)          Aussagen über zukünftiges Handeln          die zwischen dem literarischen Erzäh-
und stellt eine Alternative zur Höhe-        können im Futur oder im Präsens gestal-    len und der Alltagserzählung chan-
punkterzählung dar.                          tet werden. Zur Steigerung der Span-       giert. Während eigene Erlebnisse oder
                                             nung kann auch das „szenische Präsens“     erfundene Geschehnisse in der Alltags-
Probleme der Erzählmaus                      verwendet werden. Dadurch werden die       erzählung möglichst informativ oder
Die häufig verwendete Erzählmaus             Leser*innen zu Beobachter*innen in         unterhaltsam erzählt werden, steht
erfasst den Planbruch, der das erzähl-       Echtzeit gemacht. Es können aber auch      beim literarischen Erzählen eine ästhe-
würdige Ereignis markiert, in der            ganze Erzähltexte im Präsens produziert    tische Gestaltung einer in der Regel fik-
Regel nicht. Dadurch wird der Kern           werden (vgl. Becker/Stude 2017, 25ff.).    tiven Welt, die sich einer eigenen poe-
des Erzählerischen, nämlich ein beson-       Ein stures Beharren auf die durchgän-      tischen Sprache bedient, im Zentrum
deres Ereignis, das sich von einer nor-      gige Verwendung des Präteritums ist        (vgl. Knapp 1997, 62).
malen Ausgangssituation abhebt, nicht        dysfunktional.                             Nach Knapp (1997, 2) lassen sich fol-
visualisiert und oftmals auch nicht the-     Daneben sehen Becker/Stude (2017, 35)      gende Merkmale schulischen Erzäh-
matisiert. Es ist auch üblich, dass der      auch expressive Verben, also Verben mit    lungen zuschreiben: Gegenstand sind
Höhepunkt zumeist als die spannendste        einer differenzierten Bedeutung, Adver-    zurückliegende      Ereignisse. Diese
Stelle bezeichnet wird. Der Höhepunkt        bien, evaluierende Adjektive und laut-     können selbst erlebt, vom Hörensa-
markiert aber, wenn man die Erzähl-          malerische Äußerungen als hilfreiche       gen bekannt oder erfunden sein. Die
maus verwendet, die Pointe – also die        sprachliche Mittel für Erzählungen an.     Geschehnisse werden in einer zeit-
originelle Auflösung einer Herausfor-        Abwechslungsreiche Satzanfänge sind        lichen Abfolge von Episoden struk-
derung, eines Problems, das es zu lösen      hingegen kein hilfreiches Mittel. Zwar     turiert. Die innere Beteiligung wird
gilt. Es wird dadurch den Kindern keine      ist es sinnvoll, wenn die syntakti-        ausgedrückt, um die Leser*innen ein-
Orientierung für die zentralen Aspekte       sche Struktur von Sätzen variiert, um      zubeziehen. Die schulische Erzählung
des Erzählens gegeben. Deshalb ist die       sprachliche Kompetenz zu belegen.          kann die Struktur einer Höhepunkt-
Erzählmaus, obwohl sie strukturelle Ele-     Wenn aber die immer gleichen Satz-         oder einer Geflechterzählung besitzen.
mente einer typischen Erzählung ent-         strukturen verwendet werden und nur        Mit steigendem Schreibalter werden
hält, zu formalisiert und hebt zu wenig      unterschiedliche Adjektive, Adver-         vermehrt literarische Mittel zur Gestal-
auf das Erzählerische der Erzählung ab.      bien, Pronominaladverbien etc. rela-       tung des Textes eingesetzt. Erzählende
                                             tiv beliebig eingesetzt werden, macht      Texte können unterschiedliche Funk-
Sprachliche Mittel                           das die Syntax nicht abwechslungsrei-      tionen für Lernende haben: Unterhal-
beim schriftlichen Erzählen                  cher. Stattdessen sollten Sätze umge-      tung, Mitteilung, psychische Entlas-
Neben der Erzählstruktur sind auch           stellt werden, verschiedene Mittel der     tung, Lerngegenstand oder Gegenstand
sprachliche Merkmale typisch für             temporalen Verknüpfung genutzt und         der Leistungsbewertung sind nach
Erzählungen, die Augst (2010, 80) als        Adjektive wie „plötzlich“ nur zielge-      Knapp (1997, 2) denkbar. In der Schu-
Erzählton bezeichnet. Dazu muss eine         richtet, z. B. zur Markierung des Plan-    le hat sich stillschweigend die Erwar-
fiktionale Welt beschrieben werden,          bruchs, eingesetzt werden. Die erste       tung entwickelt, dass beim Erzählen
in und an der sich die Leser*innen           Stelle des Satzes, das so genannte Vor-    eine eher literarische Sprache verwen-
orientieren können. In dieser Welt           feld, sollte mit der Information besetzt   det wird, auch wenn Erlebnisse erzählt
agieren die handelnden Figuren. Ihre         sein, die besonders betonenswert ist.      werden.
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                                                                                                                                      Fotos: imago
Schüler*innen benötigen Rückmeldung zum Schreiben.

                                                                                         Erlebnis- oder Fantasieerzählungen?
                                                                                         Becker/Stude (2017,87) weisen darauf
                                                                                         hin, dass schriftliche Erlebniserzäh-
                                                                                         lungen trotz ihrer Nähe zur Lebens-
                                                                                         welt für viele Kinder eine komplexe
                                                                                         Herausforderung darstellen. Da All-
                                                                                         tagserzählungen in der Regel kon-
                                                                                         zeptionell mündlich sind, ist die Kluft
                                                                                         zu konzeptionell schriftlichen Tex-
                                                                                         ten hier besonders groß. Die beim
                                                                                         mündlichen, dialogischen Erzählen
                                                                                         vorhandenen Stützstrukturen durch
                                                                                         Kommunikationspartner*innen müs-
                                                                                         sen kompensiert werden. Deshalb eig-
                                                                                         net sich der Einstieg in das schriftliche
Erzählungen sollten im Schreibprozess entstehen.                                         Erzählen eher über fantastische, mono-
                                                                                         logische Texte. Bei diesen können sich
                                                                                         die Kinder an literalen Vorbildern aus
                                                                                         Büchern, Filmen, Hörspielen, Video-
Mündliches und                                 schriftliche Erzählungen schreiben kön-   spielen etc. orientieren. Sie stellen eine
schriftliches Erzählen                         nen, dass aber auch Kinder mit geringen   Einstiegshilfe in das konzeptionell
In den Studien zur Erzählentwicklung           mündlichen Erzählfähigkeiten trotzdem     schriftliche Erzählen dar (vgl. Ohlhus
(vgl. Ohlhus 2014, 217) wird deut-             gute schriftliche Erzählungen verfassen   2014, 217). Deshalb handelt es sich um
lich, dass die konzeptionell mündliche         können. Das schriftliche Erzählen baut    Texte, die häufig mit literarischen Vor-
Erzählung dialogisch angelegt ist und          also eher auf den literalen Erfahrungen   bildungen korrespondieren und Ideen,
andere sprachliche Strukturen aufweist,        denn auf den mündlichen Erzählungen       Figuren etc. aufgreifen und weiterent-
als dies bei der konzeptionell schrift-        auf. Das Verschriften von mündlichen      wickeln. Es ist dagegen eher untypisch,
lichen, eher monologischen Erzäh-              Erzählungen stellt eine komplexe Aufga-   dass völlig neue Erzählungen geschaf-
lung der Fall ist. Es wird auch deutlich,      be dar, da gelungene mündliche Erzäh-     fen werden (vgl. Knapp 1997, 87ff.).
dass Kinder trotz guter mündlicher             lungen keine gelungenen schriftlichen
Erzählfähigkeiten nicht zwingend gute          Erzählungen sein müssen.
6 | Unterrichtspraxis

      Bildergeschichten – ein                    Vorschläge für eine Neufassung
      sinnvoller Schreibanlass?                  Der folgende Abschnitt enthält einige konzeptionelle Überlegungen, wie der
      Häufig verbreitet sind immer noch Bil-     Schreibunterricht für das schriftliche Erzählen weiterentwickelt werden könnte,
      dergeschichten als Schreibanlässe für
                                                 um den Kompetenzerwerb zu fördern.
      das schriftliche Erzählen. Diese wer-
      den in der Fachdidaktik in der Regel
      als ungeeignet angesehen. Die Ver-         Schreiben planen                              abweichen; die einzelnen Fragen müs-
      wendung von Bildergeschichten als          Es spricht viel dafür, die Blickrichtung      sen gegebenenfalls auf die jeweilige
      Schreibanlass besaß die Funktion, Kin-     beim Schreiben zu ändern. Nicht for-          Schreibaufgabe angepasst werden.
      dern, die Schwierigkeit hatten, eine       male Textmerkmale sollten im Fokus            In allen Phasen kann eine Rückmel-
      Erzählstruktur einzuhalten, eine solche    des Unterrichts stehen, sondern die           dung durch die Lehrkraft oder durch
      anhand der Bilder rekonstruieren zu        Lernprozesse der Schüler*innen. Beim          Mitschüler*innen in Planungs- oder
      lassen. Als eigener Aufsatztyp hat sie     Schreiben von Texten gibt es viele Hin-       Schreibkonferenzen sinnvoll sein, um
      keine kommunikative Funktion: Wer          weise, die darauf hindeuten, dass Ler-        das eigene Handeln zu reflektieren und
      erzählt denn anderen schon eine Bil-       nende Schreibstrategien benötigen, um         anzupassen.
      dergeschichte nach? Motive der Kinder,     gelungene Texte verfassen zu können.
      durch das Schreiben selbstwirksam zu       Die Strategien umfassen idealerweise          Erzählstrukturen erwerben
      werden, sind dadurch nur sehr bedingt      aber nicht nur Handlungspläne, son-           Becker/Stude (2017, 89) schlagen vor,
      möglich. In der Regel dominiert die        dern beinhalten auch metakognitive            dass die Erzählstruktur durch gemein-
      instrumentelle Motivation, den Vorga-      Kompetenzen. Sie sollen Schreibende           same Textanalysen erarbeitet wird.
      ben der Lehrkraft gerecht zu werden,       in die Lage versetzen, den Handlungs-         Welche Gemeinsamkeiten finden sich
      um eine gute Note zu erhalten. Zudem       plan auf den jeweiligen Kontext hin zu        in erzählenden Texten? Wie sind sie
      ist die Aufgabe komplex. Es muss keine     adaptieren (vgl. Sturm/Weder 2018,            aufgebaut? Welche Elemente tauchen
      eigene Erzählung geschaffen, sondern       68). Diese können bereits ab Klasse 2,        häufig auf? Das fünfteilige Schema aus
      eine vorhandene Erzählung nacherzählt      vor allem aber ab Klasse 3, wirksam           „Setting-Planbruch-Spannung-Pointe-
      werden. Erschwerend kommt hinzu,           eingeführt werden (vgl. Sturm/Weder           Auflösung“ kann dafür Leitlinie sein
      dass aus den Bilderfolgen die Ereignis-    2018, 68). In der amerikanischen For-         (vgl. Augst 2010, 93). Es können aber
      se rekonstruiert werden müssen, da nur     schung hat sich ein textsortenunab-           auch andere Erzählstrukturen sicht-
      die Handlungsergebnisse und nicht die      hängiges Modell als besonders geeig-          bar gemacht werden. Zudem sollen die
      eigentlichen Handlungen auf den Bil-       net erwiesen. Sturm/Weder (2018, 81f.)        Unterschiede zwischen mündlichen
      dern zu sehen sind. Der Zusammen-          bezeichnen die deutschsprachige Versi-        und schriftlichen Erzählungen erarbei-
      hang muss also erst erzeugt werden         on als „PIRSCH+“. Das Modell besteht          tet und reflektiert werden.
      (vgl. Knapp 2001, 29). Schließlich wer-    aus folgenden Phasen:                         Auch die Erarbeitung so genannter lite-
      den die Kinder dazu verleitet, vor allem   Diese Vorgehensweise kann eine ide-           raler Prozeduren kann hilfreich sein,
      das zu beschreiben, was auf den Bildern    altypische Vorgehensweise darstellen.         um den Schüler*innen Orientierung
      zu sehen ist (vgl. Weinhold 2014, 154).    Schüler*innen können davon aber auch          zu bieten. Welche sprachlichen und
      Das ist aber nicht das Ziel, da dadurch
      mehrere Sequenzen erzeugt werden, die
      nicht oder kaum aufeinander bezogen
      werden (vgl. Knapp 2001, 29).                   P      Planen: Welchen Text möchtest du schreiben und was willst du mit ihm
                                                             erreichen? Wie willst du dein Ziel erreichen?
      Dieser kurze Überblick zeigt, dass es
      andere Möglichkeiten gibt, das schrift-
      liche Erzählen in der Schule zu unter-                  Ideen notieren und auswählen: Sammle Ideen zu deinem Text.
      richten, und dass die tradierten Formen         I       Schreib keine ganzen Sätze, sondern nur Stichwörter auf. Wähle die
      durchaus problematisch für das Lernen                   Ideen so aus, dass diese zu deinem Ziel in P passen.
      der Kinder sein können.
                                                              Reihenfolge festlegen: Lege die Reihenfolge der Ideen fest.
                                                      R       Achte dabei auf den Aufbau, wie er für deinen Text typisch ist. Überlege,
                                                              ob die Reihenfolge stimmt: Ändere und ergänze, wenn dies nötig ist.
kurze            langer Hauptteil   kurzes
Einleitung       mit Höhepunkt      Ende
                                                              Schreiben: Schreib die ausgewählten Ideen in der festgelegten Reihen-
                                                    Sch       folge auf. Sage dabei mehr: Baue die Stichwörter zu Sätzen aus. Manch-
                                                              mal lohnt es sich, ein Stichwort in mehrere Sätze auszuformulieren.

                                                              Prüfe, ob der Aufbau deines Textes stimmt. Prüfe, ob du alle ausgewählten
                                                      +
                                                              Ideen verwendet hast. Ergänze oder ändere deinen Text, wenn nötig.

                  Erzählmaus                     Strategie PIRSCH+ aus: Sturm/Weder 2018, 82
Unterrichtspraxis | 7

inhaltlichen Möglichkeiten gibt es, das    Weinhold 2014, 154). Diese Wörter die-        Spannungselemente können anhand
Setting zu gestalten? Welche der Mög-      nen v. a. dazu, Ideen zu generieren. Es ist   literarischer Texte erarbeitet werden
lichkeiten möchten Schüler*innen bei       nicht zwingend notwendig, dass sie tat-       (vgl. Menzel 2014, 540).
der Planung aber auch bei der Über-        sächlich wortwörtlich im Text vorkom-
arbeitung des Textes wählen? Welche        men müssen. Das Ziel des Unterrichts          Konkrete Unterrichtsideen
sprachlichen Möglichkeiten gibt es, den    ist es, eine interessante Erzählung zu        Abschließend sollen einige weitere
Planbruch einer Erzählung zu markie-       schreiben und nicht, bestimmte Wör-           konkrete Unterrichtsideen genannt
ren? Welche werden ausgewählt? Dazu        ter zu verwenden. Auch Bilder können          werden, die geeignet erscheinen, im
können z. B. auch Varianten des Plan-      dazu dienen, Ideen zu entwickeln. Gute        Unterricht das schriftliche Erzählen zu
bruchs verfasst werden (vgl. Becker/       Erfahrungen gibt es mit Bildern, die          unterstützen.
Stude 2017, 87).                           ein erzählwürdiges Ereignis darstellen,
                                           z. B. ein Kind, das vor einem Höhlen-         Text-Hand nach Beate Leßmann
Sinnvolle Schreibanlässe/                  eingang steht. Dieser Ankerpunkt kann         Die von Beate Leßmann (o. J.) entworfe-
Schreibaufgaben konstruieren               die Kinder entlasten und ermöglicht           ne Text-Hand, die verschiedene Aspekte
Bachmann/Becker-Mrotzek (2010, 195)        ihnen, eine Vorgeschichte und eine            eines Textes enthält und das sprachliche
nennen vier Merkmale für profilier-        Auflösung zu entwickeln, die aber von         Bild vom roten Faden haptisch aufgreift,
te und situierte Schreibaufgaben, die      Kind zu Kind sehr unterschiedlich sein        kann die Schüler*innen in den Planungs-
sich in einer Studie positiv auf die       kann. Entsprechende Bilder finden sich        phasen des Unterrichts unterstützen.
Schüler*innentexte auswirken:              z. B. in Gehring/Jeuk/Schäfer 2013 für        Sie kann aber auch beim Überarbeiten
• Kommunikative         Funktion     der   die Grundschule oder in Schäfer 2015          helfen, Rückmeldung zu geben und zu
   Schreibaufgabe: Die Schüler*innen       für die Sekundarstufe I.                      kontrollieren, ob man wichtige Aspekte
   müssen wissen, an wen sich der Text                                                   beim Schreiben beachtet hat. Nach Leß-
   richtet und welche kommunikative        Spannendes Erzählen                           mann (o. J.) eignet sie sich besonders gut
   Funktion er erfüllen soll.              Hier schließen auch die Überlegun-            in den Autor*innenrunden zur Reflexi-
• Recherchemöglichkeit: Die Schüler*-      gen Menzels (2014, 539) an, der sich          on des Textes.
   innen können sich das notwendige        der Frage widmet, wie man spannend
   inhaltliche und sprachliche Wissen      erzählen kann. Die Vorschläge in              Die fünfteilige Erzählmaus
   besorgen, um den Text schreiben zu      Unterrichtsmaterialien sind hier meis-        oder die Erzähllandkarte
   können. Es stehen Nachschlagewerke      tens unbefriedigend. Menzel schlägt           Wer sich von der Erzählmaus nicht
   und ggf. Hilfsmittel zur Verfügung.     Elemente spannenden Erzählens auf             lösen möchte, sollte sie modifizieren.
• Interaktionsmöglichkeit: Die Schü-       drei Ebenen vor:                              Der Kopf und der Schwanz können
   ler*innen sollen in allen Phasen des    Diese Übersicht, die nicht abschlie-          beibehalten werden. Am Hals könnte
   Schreibprozesses die Möglichkeit        ßend ist, zeigt, dass die sprachlichen        durch einen Blitz signalisiert werden,
   haben, mit anderen zu kooperieren       Mittel abhängig vom Kontext und den           dass an dieser Stelle etwas Besonderes
   und sich Rückmeldungen einzuholen.      Adressat*innen ausgewählt werden              passieren muss. Am höchsten Punkt
• Möglichkeit, die Textwirkung zu          müssen und nicht als immer gleich ver-        des Rückens könnte man z. B. eine
   überprüfen: Die Schüler*innen erhal-    wendbare Liste eingesetzt werden kön-         Glühbirne setzen und diesen Punkt
   ten eine Rückmeldung, wie der Text      nen (vgl. Menzel 2014, 540). Auch diese       als Auflösung markieren. Der Weg
   auf Leser*innen wirkt und wo mög-
   licher Überarbeitungsbedarf besteht.
                                            Spannendes Erzählens auf drei Ebenen
Entsprechend sollten, wie es z. B. im
Bildungsplan der Grundschule vor-           EBENE                               SPRACHLICHE MITTEL
geschlagen wird, Geschichtenbücher,
Homepages etc. als Ziel stehen, um die                               Wörter, v. a. Attribute, die auf etwas verweisen,
Texte zu publizieren. Anlässe können        Wörter                           was spannend sein könnte, z. B.
Bücher und andere Medien, Erzählun-                                    „Ich hörte ein merkwürdiges Geräusch.“
gen, Gattungen, Geräusche etc. sein,
die es Kindern erleichtern sollen, Ideen                Rhetorische Fragen, Ausrufe der erzählenden Person, Gedankenreden,
zu generieren. So genannte Reizwör-          Sätze      rückblendende Elemente und Einschübe, die die Handlung verzögern,
ter sind dann sinnvoll, wenn sie keine                   Wechsel von kurzen und langen Sätzen, Satzstellung in Hypotaxen
erwartbare Erzählung anstreben und
nur konvergentes Denken erfordern                        Adverbien/Adjektive, die den Planbruch oder die Pointe ankündigen,
(z. B. Junge – Bananenschale – Bein-                     pronominale Vorausverweise, szenisches Präsens, verzögernde oder
bruch), sondern Wörter, die originell         Text
                                                          vorausdeutende Dialoge, emotional qualifizierende Ausführungen
verknüpft werden müssen und eher                                 der erzählenden Person, erinnernde Rückblenden
divergentes Denken fördern, wie z. B.
Schulhof – Alien – Nähmaschine (vgl.       Tipps zum spannenden Erzählen nach Menzel 2014, 539
vom Planbruch zur Auflösung sollte           Fazit                                                   • Ministerium für Kultus, Jugend und Sport
mit „Spannung“ überschrieben wer-            Wenn man sich vom tradierten didak-                       Baden-Württemberg (MKJS) (Hg.) (2016b):
den. Alternativ könnte eine Erzählkarte      tischen Brauchtum, insbesondere von                       Gemeinsamer Bildungsplan für die Sekundar-
verwendet werden. Sie startet in einer       der Fixierung auf die starren Textsor-                    stufe I. Deutsch, http://www.bildungsplaene-
normalen Welt, der gerade Weg wird           tenmerkmale löst, eröffnen sich zahl-                     bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/SEK1/D (Abruf-
aber durch ein Hindernis versperrt und       reiche Möglichkeiten, das schriftliche                    datum: 11.12.2019)
man muss einen steigenden Weg neh-           Erzählen in der Schule lernförderlich                   • Ohlhus, Sören (2014): Schriftliches Erzählen. In:
men, der durch allerhand Gefahren            und vielfältig zu gestalten. Man muss es                  Feilke, Helmuth/Pohl, Thorsten (Hg.): Schriftlicher
führen kann. Schließlich findet sich ein     nur wagen.                                                Sprachgebrauch – Texte verfassen, Baltmanns-
Platz, der hell erleuchtet wird. Danach                                                                weiler: Schneider Hohengehren, 216 – 232.
beginnt der Abstieg zurück in die nor-       Literatur                                               • Schäfer, Joachim (2015): Werkzeug 6: Schrift-
male Welt, ein Aufwachen aus einem           • Augst, Gerhard (2010): Zur Ontogenese der Er-           liches Erzählen und Schreibgespräch. In: Junk-
Traum etc.                                     zählungskompetenz in der Primar- und Sekun-             Deppenmeier, Alexandra/Jeuk, Stefan (Hg.):
                                               darstufe. In: Pohl, Thorsten/Steinhoff, Torsten         Praxismaterial Förderdiagnostik. Werkzeuge
Spannendes Erzählen üben                       (Hg.): Textformen als Lernformen. Kölner Bei-           für den Sprachunterricht in der Sekundarstufe I,
nach Menzel (2014, 543)                        träge zur Sprachdidaktik (KöBeS), H. 7, 63 – 95.        Stuttgart: Fillibach bei Klett, 107 – 158.
Menzel macht Vorschläge, wie Schüler*-         http://sprachdidaktik.phil-fak.uni-koeln.de/si-       • Sturm, Afra/Weder, Mirjam (2018): Schreibkom-
innen das spannende Erzählen lernen            tes/koebes/user_upload/koebes_07_2010.pdf               petenz, Schreibförderung, Schreibmotivation.
können:                                        (Abrufdatum: 11.12.2019).                               Grundlagen und Modelle zum Schreiben als sozi-
• Spannendes Vorlesen                        • Augst, Gerhard/Disselhoff, Katrin/Henrich, Ale-         ale Praxis. 2. Auflage, Seelze: Kallmeyer bei Klett.
  Indem das spannende Vorlesen geübt           xandra/Pohl, Thorsten/Völzing, Paul-Ludwig
  wird, erfahren die Schüler*innen die         (2007): Text-Sorten-Kompetenz. Eine echte Longi-
  Wirkung der spannenden Elemente              tudinalstudie zur Entwicklung der Textkompetenz                                Joachim Schäfer
  und können diese durch Textunter-            im Grundschulalter, Frankfurt a. M.: Peter Lang.                               ist akademischer Mitarbeiter
  suchungen herausarbeiten. Es kann          • Bachmann, Thomas/Becker-Mrotzek, Michael                                       in der Abteilung Deutsch der
                                                                                                                              PH Ludwigsburg. Er ist auch
  reflektiert werden, welche sprach-           (2010): Schreibaufgaben situieren und profilie-
                                                                                                                              verantwortlicher Redakteur
  lichen Mittel den Text besonders             ren. In: Pohl, Thorsten/Steinhoff, Torsten (Hg.):                              der „unterrichtspraxis“.
  spannend machen. Diese können als            Textformen als Lernformen. Kölner Beiträge zur
  Tipps für das eigene Schreiben fest-         Sprachdidaktik (KöBeS), H. 7, 191 – 210. http://        Kontakt: schaefer@ph-ludwigsburg.de
  gehalten werden.                             sprachdidaktik.phil-fak.uni-koeln.de/sites/
• Spannungselemente im Text einfügen           koebes/user_upload/koebes_07_2010.pdf (Ab-
  Eine Geschichte, die spannend sein           rufdatum: 11.12.2019).
  könnte, aber sehr nüchtern erzählt         • Becker, Tabea/Studie, Juliane (2017): Erzäh-
  ist, wird den Kindern vorgelegt.             len, Heidelberg: Universitätsverlag Winter.
  Sie erhalten die Aufgabe, durch das        • Gehring, Carsten/Jeuk, Stefan/Schäfer, Joachim
  Einfügen von sprachlichen Mitteln            (2013): der – die – das: Sprache und Lesen 3/4.
  zur Spannungssteigerung den Text             Sprachstandsbeobachtung. Berlin: Cornelsen.
  spannender zu gestalten. Zunächst          • Knapp, Werner (2001): Erzähltheorie und Er-
  sollten dazu fingierte Texte verwen-         zählerwerb. Zur Diskussion neuerer Forschungs-
  det werden. Mit der Zeit können              ergebnisse. In: Didaktik Deutsch, 6, 10, 26 – 48.
  diese sprachlichen Mittel dann auch        • Knapp, Werner (1997): Schriftliches Erzählen in
  als Textlupe „spannend erzählen“ in          der Zweitsprache. Tübingen: Narr.
  Schreibkonferenzen genutzt werden.         • Leßmann, Beate (o.J.): Text-Hand. https://www.
• Inhaltsangaben in                            beate-lessmann.de/schreiben/text-hand.html (Ab-
  spannende Texte umformen                     rufdatum: 23.12.19).
  Vor allem in der Sekundarstufe I kön-      • Ludwig, Otto (1984): Wie aus der Erzählung ein        Impressum
  nen die Schüler*innen aus Inhaltsan-         Schulaufsatz wurde. Zur Geschichte einer Auf-         Unterrichtspraxis – Beilage zu „bildung und wissenschaft“,
  gaben von literarischen Texten span-         satzform. In: Ehlich, Konrad (Hg.): Erzählen in der   Zeitschrift der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
                                                                                                     Baden-Württemberg, erscheint unter eigener Redaktion
  nende Erzählungen gestalten. Die             Schule, Tübingen: Narr, 14 – 35.                      achtmal jährlich.
  Texte sollen reformuliert werden.          • Menzel, Wolfgang (2014): Spannend erzählen.
                                                                                                     Redaktion: Joachim Schäfer (verantwortlicher Redakteur),
  Dazu kann die Orientierung an der            In: Feilke, Helmuth/Pohl, Thorsten (Hg.): Schrift-    Karl-Heinz Aschenbrenner, Helmut Däuble, Nicole Neumeister
  Erzählstruktur und den sprachlichen          licher Sprachgebrauch – Texte verfassen, Balt-        Anschrift der Redaktion: Joachim Schäfer, Meisenweg 10,
                                                                                                     71634 Ludwigsburg, E-Mail: unterrichtspraxis@gmx.de
  Mitteln zur Spannungssteigerung              mannsweiler: Schneider Hohengehren, 535 – 546.        Dieses Heft kann auch online abgerufen werden:
  erfolgen. Es ist denkbar, dass abschlie-   • Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-       www.gew-bw.de/unterrichtspraxis
  ßend die eigenen Texte mit dem lite-         Württemberg (MKJS) (Hg.) (2016a): Bildungsplan        Gestaltung: Evi Maziol
  rarischen Originaltext verglichen            der Grundschule. Deutsch, http://www.bildungs-
                                                                                                     Zur Mitarbeit sind alle Kolleginnen und Kollegen
  werden und die eigenen und fremden           plaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/GS/D               herzlich eingeladen. Manuskripte sollten direkt an die
  Erzählmittel verglichen werden.              (Abrufdatum: 11.12.2019).                             Redaktion der Unterrichtspraxis adressiert werden.
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