Unterrichtsvorhaben: Mit allen Sinnen Volleyball spielen
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1 Martin Fritzenberg Unterrichtsvorhaben: Mit allen Sinnen Volleyball spielen Vorbemerkung Zwei Forderungen bestimmen die in den letzten Jahren erfolgte Revision der Rahmen(lehr)pläne in Deutschland. Vom Sportunterricht wird eine stärkere erzieherische Wirkung erwartet und die Realisierung dieses Auftrages soll unter verschiedensten pädagogischen Perspektiven erfolgen. Die Rahmen(lehr)pläne und -richtlinien der 1980er und 1990er Jahre waren geprägt vom Bemühen, den Schülern ein möglichst großes Maß an Handlungsfähigkeit im Sport zu vermitteln. Themen und Inhalte des Sportunterrichts waren weitgehend sportarten- und fertigkeitsorientiert. Die zu enge Bindung an den Sport, der sich außerhalb der schulischen Erfahrungswelt als „Wettkampf- und Leistungsport“ etabliert hatte, führte dazu, dass auch die Inhalte und Vermittlungsmethoden weitgehend diesem Sport entnommen wurden. Zunehmend veränderte sich in der sportdidaktischen Diskussion und in der Schule das Bild vom Schulsport. Vertreter des Sportartenprogramms stritten mit denen, die eine Entwicklung der sportlichen Handlungsfähigkeit oder alternative Körpererfahrungen in den Mittelpunkt des schulischen Sporttreibens stellen wollten. Für die Sportlehrer war und ist es in dieser Diskussion nicht einfach, den Überblick zu behalten. Ausgerüstet mit vielen Konzepten, Methoden und Ideen versuchen sie einen Standort zu finden, der sowohl einen rahmenplangerechten Unterricht ermöglicht, als auch Reaktionen auf die sich immer stärker verändernde Sport- und Bewegungslandschaft um sie herum zulässt. Sportunterricht findet sich wieder zwischen den Polen eines offenen, an sportlichen Trends orientierten Unterrichts und dem weitgehend sportartenzentrierten Unterricht. Mit der deutschlandweiten Revision der Pläne kommen auf Lehrer und Schüler neue Herausforderungen zu. Der Doppelauftrag des Schulsports betont die erzieherische Wirkung des Unterrichts. Die Entwicklung der Schüler durch Bewegung, Spiel und Sport wird gefördert und zugleich soll realisiert werden, dass sich die Kinder diese Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur auch erschließen und in ihr handeln können (Kurz, 2000). Die angesprochenen Erziehungs- und Bildungsmöglichkeiten im Sportunterricht zu verwirklichen, verlangt vom Sportlehrer sowohl Kompetenzen im Umgang mit dem Gegenstand Sport, als auch das Sporttreiben als einen sensiblen, sozial verträglichen Vorgang zu organisieren. Volleyball aus vielfältiger Sicht erfahren Sport treiben und Sport erleben ist eng an individuelle Sinngebungen gebunden, die die Schüler veranlassen, sich sportlich zu betätigen. Abgeleitet aus der Erfahrungswelt der Schüler führen diese Sinngebungen zu verschiedenen pädagogischen Perspektiven. Warum es gerade diese pädagogischen Perspektiven sind und ob sie nicht ganz anders beschrieben werden sollten, muss unkommentiert bleiben (vgl. Thiel, 2001). Wir haben uns vorgenommen, am Beispiel der Sportart Volleyball zu zeigen, wie eine dieser Perspektiven unterrichtet werden kann. Die unterschiedlichen pädagogischen Perspektiven stellen jede einen besonderen Akzent heraus, unter dem man einen sportlichen Gegenstand betrachten kann. Die Sportart Volleyball soll aus sehr verschiedenen Perspektiven betrachtet werden, um zu erfassen, welchen Beitrag sie leisten kann, den Erziehungs- und Bildungsauftrag zu realisieren. Einzelne Inhalte und Besonderheiten dieser Sportart eignen sich, um unter dem Blickwinkel einer pädagogischen Perspektive betrachtet zu werden. Den „Ball volley spielen“ (vgl. MSWF NRW 2001, 94), wie es im Rahmenplan der Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen heißt, erfordert von den Schülern, unter Zeitdruck zu handeln und nur im Ergebnis von Wahrnehmungs-, Denk- und Entscheidungsprozessen können sie situativ richtig agieren und erfolgreich spielen. Sonst ist man „… eigentlich immer zu spät…“, wie schon Gasse (1990) in einem Artikel zu mangelnder Bewegung im Schulvolleyball schreibt.
2 Die Pädagogische Perspektive Wahrnehmungsfähigkeit verbessern, Bewegungserfahrung erweitern, beschreibt eine Sicht, die in der Auseinandersetzung mit der Sportart Volleyball nicht neu ist. Bereits Voigt und Westphal (1995), Gasse (1995), Stuhlmann und Kottmann (1990) sowie Warm (2002) haben sich mit dem Thema Wahrnehmung im Volleyball befasst. Von den Autoren werden besonders die visuelle Wahrnehmung und die Abhängig der nachfolgenden Aktion von der Koordination des Handelnden näher betrachtet. Offensichtlich sind auch die Rahmenplanautoren von der Bedeutsamkeit der Handlungskette „Wahrnehmen-Entscheiden-Handeln“ überzeugt. Neben dem Kennen lernen von Wahrnehmungsübungen und dem Miteinander spielen wird dieser Schwerpunkt im Rahmenplan der Sekundarstufe I (2001) besonders thematisiert. Weniger wichtig scheint in den Veröffentlichungen bisher das „sinnliche“ und „körperliche“ Erleben zu sein. Kurz (2000, 29) hebt bei der Beschreibung der pädagogischen Perspektive aber gerade diesen Aspekt hervor. Er schreibt, dass die Sinne entscheidend an der Bewegungsausführung beteiligt sind und damit wesentlich auch die kognitive Entwicklung von Heranwachsenden beeinflussen. Durch sportliche Bewegungen werden sehr gezielt die körpernahen Sinne des taktilen, kinästhetischen und vestibulären Systems aktiviert und zusätzlich die körperfernen Sinne des auditiven und visuellen Systems. Während sich bei Erwachsenen die Wahrnehmung zunehmend auf die körperfernen Sinne Sehen und Hören konzentriert, ist es bei Heranwachsenden besonders wichtig, möglichst viele Sinne und insbesondere die fünf körpernahen zu aktivieren. Das integrative Zusammenwirken der „Nahsinne“ (Geschmacks- und Geruchssinn ausgenommen) bei der Bewegung führen dazu, dass sich die Wahrnehmung verbessert. Sinnliche Wahrnehmung ist immer mit Emotionen und Freude an der Bewegung verbunden. Bewegungserfahrungen sollen die Schüler durch den vielfältigen Gebrauch von Spiel- und Sportgeräten sammeln. Didaktisch-methodische Vorüberlegungen Die folgenden Vorschläge für Unterrichtsarrangements lassen sich mit den verschiedensten Lehr- und Lernmethoden verwirklichen. Sollen aber Wahrnehmungsübungen von den Schülern kreativ weiter entwickelt werden oder „Wenn-dann-Bezüge“ nicht nur formal nachvollzogen, sondern auch verstanden werden, sollten die Unterrichtssituationen möglichst offen gestaltet und induktive Methoden bevorzugt werden. Ganzheitlich bedeutet für uns den bewussten Einsatz vieler Sinne also „multisensorisch“ (vgl. Zitzelsperger, 1989) zu erlernen. In diesem Kontext schlagen wir Übungen vor, die typische „Volleyballsituationen“ aufgreifen, die technisch-taktischen Anforderungen aber vereinfachen, um Raum für sinnliche Wahrnehmungen zu schaffen. Nicht das Herausprägen von Bewegungsstereotypen des Volleyballspieles steht im Zentrum unserer Unterrichtsbausteine, sondern vielmehr das situative Finden von Bewegungsantworten. Dabei akzeptieren wir, dass beim Erspielen und Erleben mit allen Sinnen auch Zeit „verschwendet“ wird, die nicht unmittelbar zu einer verbesserten speziellen Volleyballspielfähigkeit führt. Bei der Unterrichtsorganisation schlagen wir Paar- und Gruppenarbeit vor, um Kommunikation und Kooperation zu entwickeln. Die Gruppen sollten wahlweise leistungshomogen oder –heterogen zusammengesetzt sein. Bei unserem ersten Übungsvorschlag „Schwarze Löcher“ können Schüler mit sehr unterschiedlichen Volleyballvorkenntnissen die Aufgaben gemeinsam bewältigen. Bei der Lösung von „Wenn- dann-Aufgabenstellungen“ dagegen können sich Gruppen mit vergleichbaren technisch- taktischen Vorleistungen besser herausfordern. Um dem Lehrer eine Möglichkeit zu geben, unsere Vorschläge zu erproben und in seinem Unterricht zu verwirklichen, halten wir uns eng an die Rahmenrichtlinie. Aus dem Inhaltsbereich „Spielen in und mit Regelstrukturen-Sportspiele“ wählen wir das Unterrichtvorhaben „Den Ball volley spielen“(2001, S.94) Wir greifen die Gliederung des
3 Unterrichtvorhabens auf und werden zu folgenden Schwerpunkten der Rahmenrichtlinie praktische Vorschläge für den Sportunterricht unterbreiten: Wahrnehmungsübungen kennen lernen und gemeinsam weiterentwickeln Miteinander spielen lernen mit einem oder mehreren Partnern Wahrnehmen-Entscheiden-Handeln Auf Kleinfeldern miteinander spielen und gegeneinander Wettkämpfen. Wahrnehmung ist immer ein komplexer und integrativer Prozess, bei dem viele Sinnessysteme zusammenwirken. Durch körperliche Aktivitäten und das gezielte Reizen/Herausfordern besonderer Sinne versprechen wir uns einerseits eine verbesserte allgemeine sinnliche Anpassung, als auch eine sportartbezogene Verbesserung der Wahrnehmung. Mit folgenden unterrichtspraktischen Aktivierungen wollen wir die Sinnessysteme ansprechen: Das taktil-kinästhetische System – Tast- bzw. Bewegungs-, Kraft- und Stellungssinn Da ein enger Zusammenhang zwischen Oberflächensensibilität (Tastsinn) und der Tiefensensibilität (Bewegungssinn) besteht, werden die praktischen Beispiele für das taktil-kinästhetische System zusammengefasst. Verwenden von Bällen aus unterschiedlichem Material und unterschiedlicher Größe Dosieren des Krafteinsatzes beim Spielen der Bälle Einnehmen wechselnder Körperpositionen Kombination von Arm- und Beinbewegungen Wechsel von muskulärer Anspannung und Entspannung Benutzen unterschiedlicher Bodenbeläge Ausführung von Übungen mit eingeschränkter visueller Wahrnehmung Das vestibuläre System – den Gleichgewichtssinn Gleichgewichts- und Balancierübungen, bei denen der Körper oder die Spielgeräte im Gleichgewicht zu halten sind Das visuelle und auditive System – den Seh- und Hörsinn Einschätzung von Ballflugkurven und von Positionen der Mit- und Gegenspieler Reaktionen auf akustische Signale Unserem wahrnehmungsorientierten Ansatz folgend, verspricht das gemeinsame Aktivieren von vestibulärem und kinasthetischem System in Verbindung mit visuellen und auditiven Anforderungen bei sportlichen Bewegungen eine verbesserte Wahrnehmungsleistung. Zimmer (1995,156) bezeichnet das Zusammenwirken aller Sinne als sensorische Integration, bei der alle Sinne mit dem Ziel der angemessenen und sinnvollen Auseinandersetzung mit der Umwelt zusammenarbeiten. Ein isoliertes Ansprechen eines Sinnessystems ist in der Praxis des Sportunterrichts weder gewollt noch möglich. Vorschläge für die Praxis Wahrnehmungsübungen kennen lernen und gemeinsam weiterentwickeln Wahrnehmen ist für Kinder ein aktives Geschehen, bei dem sie mit allen Sinnen ihre Umgebung erfahren und erschließen. Diese sinnliche Wahrnehmung muss ständig trainiert und weiterentwickelt werden, um nicht zu verkümmern. Dabei wollen die Kinder ihre Welt nicht nur ansehen, sondern tätig sein, erleben, ausprobieren, suchen und verwerfen (vgl. Zimmer, 1995). In einer immer weiter voranschreitenden technisierten und von körperlichen Erfahrungen befreiten Welt ist das Erleben von sinnlichen Erfahrungen sehr wichtig; es muss regelmäßig geübt und gefördert werden. Bei den folgenden Spiel- und Übungsvorschlägen kann es nicht darum gehen, einzelne Sinne zu trainieren, um eine Verbesserung der ganzheitlichen sensiblen Wahrnehmung zu erreichen. Die entsprechenden Sinnesorgane
4 lassen sich nicht beliebig manipulieren, sondern nur gemeinsam ansprechen. Insbesondere die Verarbeitung sinnlicher Reize soll gefördert und zahlreiche Anpassungsreaktionen provoziert werden. Die Einbindung der Wahrnehmungsübungen in Spielsituationen soll ihre Wirksamkeit erhöhen (Zimmer, 1995). Schwarze Löcher Die visuellen Fähigkeiten der Schüler werden gefordert. Sie müssen die Ballflugkurve einschätzen und antizipieren, wann und wo der Ball zu Boden fällt. Die Aufgabe wird schrittweise erschwert, in dem einzelne Sinne verstärkt bzw. teilweise eingeschränkt werden. Wichtig ist, die Kinder aufzufordern neue und interessante Variationen selbst zu finden. Zwei Schülerpaare sind durch ein Netz oder ein Baustellenband getrennt. In jedem Paar trägt ein Spieler einen Reifen und einer einen Ball. Abb. 1 Die Grundidee des Spiels besteht darin, dass der ballbesitzende Spieler seinen Ball über das Netz wirft und der Spieler mit dem Reifen in der anderen Spielfeldhälfte seinen Reifen rechtzeitig dort ablegen muss, wo der Ball auf den Boden prallt. Der dann aus dem Reifen hochspringende Ball muss von dem zweiten Spieler in dem Spielfeld gefangen werden. Abb. 1 Variationen mit veränderten Wahrnehmungsanforderungen: o Der Spieler mit Reifen steht mit dem Rücken zum Spielfeld und darf sich erst nach einem akustischen Signal des Werfers umdrehen und den Reifen ablegen. (Foto1) Foto 1 o Der Volleyball wird durch andere Bälle (Tennisball, Wasserball o.ä.) ersetzt, die veränderte Flugeigenschaften haben und die der Spieler mit dem Reifen erst spät zu sehen bekommt. o Der Spieler mit dem Reifen muss erst eine ganze Körperdrehung ausführen, bevor der Werfer den Ball über das Netz wirft. o Das Netz wird durch Tücher oder ein hochgestellte Weichbodenmatte verdeckt, so dass der Spieler mit dem Reifen den Ball mit Verzögerung sieht. o Dem Spieler mit dem Reifen wird Watte in die Ohren gesteckt und das Gesichtsfeld durch unterschiedliche Brillen (Sonnen- oder Skibrille) verkleinert.
5 o Beide Spieler können veranlasst werden, einbeinig zu hüpfen oder sich in „Zeitlupe“ zu bewegen. Vierfelder-Volleyball; Gitternetz-Volleyball ? 1 2 Ein halbiertes Volleyballfeld ist durch Kreide- striche, Klebeband oder andere Hilfsmittel zusätzlich in vier Felder unterteilt, die nummeriert sind. Abb. 2 4 3 Vier Schüler spielen zunächst abwechselnd und später gemeinsam auf diesem Spielfeld. 3 4 Das obere und untere Zuspiel sind die eingesetzten Volleyballtechniken. 2 Rundlauf 1 Abb. 2 Die Spieler üben paarweise, in jedem Spielfeld steht ein Spieler: o Ein Spieler beginnt im Feld 1. Er spielt den Ball über das Netz und besetzt danach ein anderes freies Feld. Der Spieler im gegenüberliegenden Spielfeld muss erkennen, wohin der Ball fliegt. Er läuft in dieses Feld und spielt gezielt zurück, dann wechselt er in ein anderes Feld usw. o Ein Spieler steht zentral im Spielfeld. Er ruft seinem Mitspieler zu, in welches Feld dieser laufen soll und spielt dorthin die Bälle, die gefangen oder zu einem Helfer am Netz gespielt werden. o Diese Spielform kann weiter erschwert werden, wenn der übende Spieler mit dem Rücken zum Spielfeld stehend beginnt, das Netz verhängt ist oder andere visuelle Einschränkungen vorgenommen werden. o Die Schüler spielen den Ball über das Netz und versuchen dabei nacheinander alle Felder zu besetzen. Bei diesem „Rundlauf“ können die Felder streng nacheinander oder in beliebiger Reihenfolge angespielt werden. (vgl. Abb. 2) Die Schüler spielen in Vierergruppen: o Beim Spiel 4 gegen 4 ist jedes Spielfeld von einem Spieler besetzt, der für „sein“ Feld verantwortlich ist. Ziel ist es, abgewehrte Aufschläge zum diagonalen Netzspieler zu spielen. Nimmt z.B. der Spieler im Feld 2 einen Aufschlag an, spielt er ihn zum Netzspieler im Feld 4. Dieser kann zusätzlich ein Pass zum Mitspieler im Feld 3 spielen, der dann mit der dritten Ballberührung der Ball über das Netz spielt. o Eine weitere Schwierigkeitssteigerung ist dann das Spiel 2 gegen 2. Auch jetzt bemühen sich die Schüler, den Ball in der oben beschriebenen Reihenfolge in die Vierecke zu spielen. Zusätzlich müssen sie aber die Felder wechseln. Die Zweierteams spielen im Wechsel.
6 Erdbebenvolleyball Die folgenden Übungen stellen hohe Anforderungen an das vestibuläre System. Im Sinne einer Anforderungsdifferenzierung sollten die Bälle zunächst geworfen und gefangen werden, dann angeworfen und im oberen/unteren Zuspiel gespielt und für die guten Spieler können die Übungsbeispiele auch mit den Volleyballtechniken ausgeführt werden. Das Ziel könnten so schwierige Übungen wie im nebenstehenden Bild sein, wo unter schwierigsten Gleichgewichtsbedingungen Bälle gespielt werden sollen. Foto 2 o Ein oder zwei Schüler stehen auf einer umgedrehten Turnbank und spielen oder werfen Bälle. Zusätzlich kann die Bank auf Rollbrettern oder Medizinbällen noch bewegt werden (vgl. Foto 2). o Die Schüler spielen den Ball sitzend oder auf einem Bein stehend. Ein Luftdribbling, d.h. den Ball selbst nochmals vor der Stirn spielen, ist das Ziel für alle Schüler (Foto 3). Foto 3 o Rücken an Rücken stehend halten die Schüler einen Ball zwischen sich eingeklemmt. Zusätzlich versuchen sie einen weiteren Ball im „Luftdribbling“ zu spielen (Foto4).
7 Foto 4 Foto 5 Auf einer umgedrehten Bank sitzend oder stehend spielen sich die Schüler einen Ball zu (Foto 5). Miteinander spielen lernen mit einem oder mehreren Partnern Aus der Vielzahl möglicher Übungen wählen wir exemplarisch ein Beispiel aus. Ziel ist es, Ball- und Laufwege zu erlernen und variabel zu gestalten. In Dreiergruppen spielend werden folgende Übungen nacheinander durchgeführt: Der Ballbesitzer zeigt durch seine Körperstellung, welchen Spieler er anspielt und dieser muss „ich“ rufen. Der zweite Spieler hockt sich zusätzlich hin. „Ich“ Abb. 3 Der Ballbesitzer spielt den Ball zu einem der Annahmespieler, der frühzeitig „Ich“ ruft, der zweite, freie Annahmespieler läuft in Richtung Werfer und muss jetzt vom Annahmespieler angespielt werden. Abb. 3 Zwei Ballbesitzer stehen durch ein Netz getrennt von einem Annahmespieler. Sie werfen ihre Bälle Richtung Annahmespieler und besetzen unter dem Netz durchlaufend eine Zuspielerposition. Der Annahmespieler muss diese Position schnell wahrnehmen und dort den Ball hinspielen. Der Zuspieler fängt den Ball. Abb. 4 Abb. 4
8 Für den Annahmespieler war der Schwerpunkt gleichzeitig wahrzunehmen und zu entscheiden, dass er den Ball spielen muss und zu antizipieren, wo sich der Zuspieler befindet, um den Ball dorthin zu spielen. Jetzt kann eine Anwendung im Spiel unter vereinfachten Bedingungen erfolgen. Bei der Spielform „Der ruhende Pol“ (Stuhlmann und Kottmann,1990) spielen Dreiergruppen gegeneinander. Ein Spieler steht als fester Zuspieler am Netz, er ist der „ruhende Pol“. Die Hinterspieler nehmen an und der Zuspieler fängt die Bälle, um Ruhe und Sicherheit ins Spiel zu bringen. Dann spielt er einen Pass für den Hinterspieler, der den Ball über das Netz spielt. Die Dreiergruppen sollten dazu angehalten werden, zunächst miteinander zu spielen. Rotationen „unter dem Netz hindurch“ können das Spielen miteinander fördern. Wahrnehmen-Entscheiden-Handeln Die Vorgaben in den Rahmenrichtlinien beschreiben „Wenn-dann“-Aufgaben, die zur Förderung des taktisch-kognitiven Spielverständnisses beitragen sollen. In den Klassenstufen 7 und 8 liegt der Schwerpunkt zunächst auf der Herausbildung eines ersten Verständnisses für diese komplexen Beziehungen. Schon Voigt und Westphal (1995, 59) charakterisieren das „Lesen von Diagnosemerkmalen“ als eine Voraussetzung, um „Wenn-dann-Bezüge“ herstellen zu können. Unter dem Aspekt der Entwicklung technisch-taktischer Fähigkeiten im Volleyball ist die Anbahnung der diagnostischen Wahrnehmung und des speziellen Sehens von Bedeutung. Für die Volleyballausbildung in der Schule ist diese spezielle Ausbildung des körperfernen Sehsinnes aber nicht von so herausragender Bedeutung. Um dennoch erste Erfahrungen bei den Schülern herauszubilden, können Übungen auf dem viergeteilten Spielfeld eingesetzt werden. Schwerpunkt der Übungsbeispiele ist die Handlungskette Aufschlag-Annahme-Zuspiel. 1 2 Zentral im Spielfeld, später auch hinter der Grundlinie, steht ein Spieler, der Bälle ins gegenüberliegende Spielfeld wirft, spielt oder schlägt. 4 3 Hinter der Grundlinie des anderen Spielfeldes stehen Spieler und beginnen mit folgenden 3 4 Übungen. Abb. 5 2 1 Abb.5 Wenn der Ball beidhändig über das Netz geworfen wird, dann landet er in den netznahen Feldern. Wenn der Ball einhändig geworfen, dann landet er in den netzfernen Feldern. o Die Spieler müssen das Feld laut benennen, in dem der Ball landet. o Sie müssen in das Feld laufen und den Ball fangen, in dem er zu Boden fallen würde. Wenn der Spieler seine Körperachse in eine bestimmte Richtung dreht und den Ball spielt oder schlägt, dann landet der Ball diagonal in einem der Spielfelder.
9 o Die Spieler laufen in das Spielfeld und bemühen sich, den Ball in das diagonale netznahe Feld zu spielen. Wenn der Spieler z.B. im Feld zwei den Ball annimmt, dann muss der freie Spieler ins diagonale Feld 4 laufen, um einen Pass parallel zum Netz spielen zu können. o Jetzt stehen zwei Spieler in den hinteren Feldern und erwarten den Ball. Der Annahmespieler bemüht sich, den Ball diagonal ans Netz zu spielen. Auf Kleinfeldern miteinander spielen und gegeneinander wettkämpfen In diesem Praxisteil soll eine Sinnesschulung erfolgen, die weitgehend durch die Schüler initiiert wird und wiederholt neue Spielsituationen schafft. Die technischen Herausforderungen oder der Schwierigkeitsgrad der Wahrnehmungsanforderungen verändern sich ständig und können sehr variabel gestaltet werden. Die Schüler müssen aber Gestaltungswillen und auch ein Mindestmaß an organisatorischer Kompetenz besitzen. Das Volley-Puzzle Die Schüler werden in Gruppen eingeteilt und ziehen Puzzel-Teile. Diese Teile ergeben zusammengelegt das in Abbildung 6 gezeichnete Quadrat. Zu folgenden vier Themenbereichen sind auf den Puzzleteilen Inhalte aufgeschrieben: Spieleranzahl Spielfeld Spielgeräte Handlungsregeln Abb. 6 Folgende Vorgaben können auf den Puzzleteilen zu den einzelnen Kategorien vermerkt und miteinander kombiniert werden: Spielerzahl Spielgeräte Handlungsregeln Spielfeld Breite x Länge 1 gegen 1 Indiaca Punktespiel 3m x 9m 2 gegen 2 Indiaca mit Schläger Überspiel 9m x 3m 3 gegen 3 Softball Jeder spielt 4,5m x 4,5m 4 gegen 4 Wasserball Erlösen 4,5mx 9m 5 gegen 5 Beachvolleyball Jokerball 4,5mx9m diagonal 6 gegen 6 Volleyball VIP-Ball 4,5mx6m (Angriffsraum ist ein Graben)
10 Die Handlungsregeln führen zu folgenden Spielaktionen: Punktespiel Die Mannschaften bemühen sich miteinander zu spielen, um möglichst viele Punkte zu erreichen. Überspiel Der Ball muss von dem ersten annehmenden Spieler sofort wieder über das Netz gespielt werden. Jeder spielt Jeder Spieler der Gruppe muss den Ball berühren, bevor er über das Netz gespielt werden darf. Erlösen Der Spieler, der den Ball über das Netz gespielt hat, muss das Feld verlassen und eine Zusatzaufgabe lösen: z.B. einen Ball in den Basketballkorb spielen, bevor er wieder am Spiel teilnehmen darf. Jokerball Ein Spieler wird als Joker gekennzeichnet. Alle Jokerpunkte zählen doppelt. VIP-Ball Nur als VIP (very important person) gekennzeichnete Spieler dürfen den Ball über das Netz spielen. Methodische Hinweise: o Bevor das Spiel nach den vollständigen Regeln gespielt wird, sollte der Lehrer die Schüler schrittweise einzelne Spielelemente ausprobieren lassen. Schon die veränderten Spielgeräte oder Spielfeldgrößen sind eine Herausforderung. Auch die Handlungsregeln können gesondert erprobt werden. o Dann können Kleingruppen gebildet werden und die Schüler ziehen ein Puzzelteil aus der Kategorie Spielgeräte. Sie legen sich zu ihrem Spielgerät selbst Spielregeln fest und probieren diese aus. o In einem nächsten Schritt können sie zusätzlich ein Puzzleteil aus dem Bereich Spielfeld ziehen. Schwieriger wird es dann, wenn zusätzlich auch noch eine Handlungsregel dazu kommt. o Das Puzzle wäre komplett, wenn aus allen vier Bereichen eine Regelvorschrift gezogen wird, die dann miteinander kombiniert werden muss. Wie viel bleibt von der Sportart Volleyball, wenn sinnliche Erfahrungen im Mittelpunkt der Sportstunde stehen? Rückt das Sportspiel in den Hintergrund? Diese Fragen und auch die nach vielleicht verschwendeter Zeit haben uns bei dem Unterrichtsvorhaben beschäftigten. Die Schüler haben bei ersten Schulversuchen gezeigt, dass unsere Befürchtungen unbegründet waren. Sinnliches Erleben und Ausprobieren sind für sie ebenso bedeutsam wie die technischen oder taktischen Besonderheiten des Volleyballspiels. Die etwas einfachere Struktur unserer Wahrnehmungsübungen haben sogar mehr Freude und Aktivität bei den Schülern provoziert als die Spielformen, die aufgrund ihrer technisch-taktischen Anforderungen sehr differenziert bewältigt wurden. Volleyball und die Verbesserung der Wahrnehmungsfähigkeit sowie die Erweiterung der Bewegungserfahrung lassen sich im Sportunterricht gut miteinander verbinden und interessant gestalten. Literatur Kurz, D. (2000). Die pädagogische Grundlegung des Schulsports in Nordrhein-Westfalen. In LSW NRW (Hrsg.) Erziehender Schulsport. Soest: Verlag Kettler Thiel,J. (2001). Von „Erziehendem Sportunterricht“ und „Pädagogischen Perspektiven“. sportunterricht 50, 43-49 Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2001). Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe I – Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Sport. Düsseldorf: Ritterbach Verlag Gasse, M. (1990). „Warum bin ich eigentlich immer zu spät?“. In: sportpädagogik 14, 71-75.
11 Voigt, H.-F. & Westphal, G. (1995). Wahrnehmungsschulung im Volleyball. In Dannemann, F. (Hrsg) Neue Aspekte des Volleyballspiels. Hamburg. Czwalina, 154-168. Voigt, H.-F. & Westphal, G. (1995). Zur Ausbildung von Wahrnehmung und Koordination. In: Volleyball training 19, 58–63. Gasse, M. (1995). Wahrnehmungs- und Entscheidungsfähigkeit unter physischer Belastung im Volleyball am Beispiel der Situation Mittelblock. In: Dannemann, F. (Hrsg). Neue Aspekte des Volleyballspiels. Hamburg: Czwalina, 154-168. Stuhlmann, K.-M. & Kottmann, L. (1990). Wahrnehmen-entscheiden-handeln.In: sportpädagogik 14. 31-54 Warm, M. (2002). Wahrnehmung muss man lernen. In: sportpädagogik 26, 22-24. Zimmer, R. (1995). Handbuch der Sinneswahrnehmungen. Freiburg: Herder. Zitzelsperger, H. (1989). Ganzheitliches Lernen. Weinheim und Basel: Beltz.
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