Untersuchungsbericht Unfall mit dem Motorflugzeug Bombardier DHC-8-402, am 04.04.2019, um ca. 08:56 Uhr UTC am Flughafen Innsbruck (LOWI), A-6020 ...

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Untersuchungsbericht Unfall mit dem Motorflugzeug Bombardier DHC-8-402, am 04.04.2019, um ca. 08:56 Uhr UTC am Flughafen Innsbruck (LOWI), A-6020 ...
Untersuchungsbericht
Unfall mit dem Motorflugzeug Bombardier DHC-8-402,
am 04.04.2019, um ca. 08:56 Uhr UTC am Flughafen Innsbruck (LOWI),
A-6020, Innsbruck, Tirol
GZ.: 2021-0.432.817

Wien, 2021
Untersuchungsbericht Unfall mit dem Motorflugzeug Bombardier DHC-8-402, am 04.04.2019, um ca. 08:56 Uhr UTC am Flughafen Innsbruck (LOWI), A-6020 ...
Inhalt

Vorwort........................................................................................................................ 4

Hinweis ........................................................................................................................ 5

Einleitung ..................................................................................................................... 6

1     Tatsachenermittlung............................................................................................. 7
1.1 Ereignisse und Flugverlauf ..................................................................................... 7
    1.1.1 Flugvorbereitung ......................................................................................... 11
1.2 Personenschäden ................................................................................................ 11
1.3 Schaden am Luftfahrzeug .................................................................................... 11
1.4 Andere Schäden .................................................................................................. 12
1.5 Besatzung............................................................................................................ 12
    1.5.1 Fliegender Pilot (Pilot Flying, F/O) ............................................................... 12
    1.5.2 Unterstützender Pilot (Pilot Monitoring, Captain) ....................................... 13
1.6 Luftfahrzeug ........................................................................................................ 13
    1.6.1 Bord Dokumente ......................................................................................... 14
    1.6.2 Zertifizierung und Zulassung........................................................................ 14
    1.6.3 Luftfahrzeug Wartung und Lufttüchtigkeit................................................... 15
    1.6.4 Beladung und Schwerpunkt des Luftfahrzeuges .......................................... 15
    1.6.5 Fluggeschwindigkeit für den Anflug ............................................................. 16
    1.6.6 Kriterien des Betreibers für einen stabilen Anflug ....................................... 16
    1.6.7 Heck Kontakt mit der Piste .......................................................................... 18
1.7 Flugwetter ........................................................................................................... 20
    1.7.1 METAR, TAF und Wetterkarten ................................................................... 20
    1.7.2 Wetterberatung der Besatzung ................................................................... 27
    1.7.3 Natürliche Lichtverhältnisse ........................................................................ 27
1.8 Navigationshilfen ................................................................................................ 27
1.9 Flugfernmeldedienste ......................................................................................... 28
1.10 Flughafen Innsbruck ............................................................................................ 28
    1.10.1 Föhn Verfahren AIP ..................................................................................... 28
    1.10.2 Föhn Anflug entlang der Nordkette des Betreibers ...................................... 29
1.11 Flugschreiber ....................................................................................................... 31
1.12 Luftfahrzeug und Ausrüstung – Schäden.............................................................. 31
1.13 Organisation und deren Verfahren ...................................................................... 34
    1.13.1 Safety Culture ............................................................................................. 34
    1.13.2 Getätigte Maßnahmen des Betreibers......................................................... 34

Untersuchungsbericht                                                                                                          2 von 58
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2     Auswertung ........................................................................................................ 35
2.1 Flugwetter ........................................................................................................... 35
    2.1.1 Handhabung der Wettersituation in Innsbruck ............................................ 35
2.2 Flugverlauf .......................................................................................................... 36
2.3 Luftfahrzeug ........................................................................................................ 37
    2.3.1 Beladung und Schwerpunkt ......................................................................... 37
    2.3.2 Luftfahrzeugwartung ................................................................................... 37
2.4 Besatzung............................................................................................................ 38
    2.4.1 Humanfaktoren (Crew Resource Management) .......................................... 38
2.5 Getätigte Maßnahmen ........................................................................................ 39

3     Schlussfolgerungen ............................................................................................. 40
3.1 Befunde............................................................................................................... 40
3.2 Unfallart .............................................................................................................. 41
3.3 Wahrscheinliche Unfallursache ........................................................................... 41

4     Sicherheitsempfehlungen ................................................................................... 42

5     Konsultationsverfahren / Stellungnahmeverfahren ........................................... 43

Tabellenverzeichnis.................................................................................................... 44

Abbildungsverzeichnis ............................................................................................... 45

Verzeichnis der Regelwerke ....................................................................................... 46

Abkürzungen .............................................................................................................. 47

6     Anhänge.............................................................................................................. 50
6.1 Daten des Flight Data Recorders (FDR) ................................................................ 50

Impressum ................................................................................................................. 56

Untersuchungsbericht                                                                                                       3 von 58
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Vorwort

Die Sicherheitsuntersuchung erfolgt in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU) Nr.
996/2010 und dem Unfalluntersuchungsgesetz, BGBl. I Nr. 123/2005 idgF.

Das einzige Ziel der Sicherheitsuntersuchung ist die Verhütung künftiger Unfälle oder
Störungen, ohne eine Schuld oder Haftung festzustellen.

Wenn nicht anders angegeben sind Sicherheitsempfehlungen an jene Stellen gerichtet,
welche die Sicherheitsempfehlungen in geeignete Maßnahmen umsetzen können. Die
Entscheidung über die Umsetzung von Sicherheitsempfehlungen liegt bei diesen Stellen.

Zur Wahrung der Anonymität aller an dem Unfall, schweren Störung oder Störung
beteiligten natürlichen oder juristischen Personen unterliegt der Untersuchungsbericht
inhaltlichen Einschränkungen.

Alle in diesem Bericht angegebenen Zeiten sind in UTC angegeben (Lokalzeit = UTC + 2
Stunden).

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Hinweis

Der Umfang der Sicherheitsuntersuchung und das bei Durchführung der
Sicherheitsuntersuchung anzuwendende Verfahren werden von der
Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes nach Maßgabe der Erkenntnisse, die sie zur
Verbesserung der Flugsicherheit aus der Untersuchung gewinnen will, festgelegt.
Verordnung (EU) Nr. 996/2010 Art. 5

Die Ermittlung der Ursachen impliziert nicht die Feststellung einer Schuld oder einer
administrativen, zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Haftung. Verordnung (EU) Nr.
996/2010 Art. 2

Hinweis zu abgebildeten Personen:

Auf in diesem Bericht eingebundenen Darstellungen der Gegenstände und Örtlichkeiten
(Fotos) sind eventuell unbeteiligte, unfallerhebende oder organisatorisch tätige Personen
und Einsatzkräfte zu sehen und gegebenenfalls anonymisiert. Da die Farben der Kleidung
dieser Personen (z.B. Leuchtfarben von Warnwesten) möglicherweise von der Aussage der
Darstellungen ablenken können, wurden diese bei Bedarf digital retuschiert (z.B.
ausgegraut).

Untersuchungsbericht                                                                    5 von 58
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Einleitung
Luftfahrzeughalter:           Österreichische Fluglinie
Betriebsart:                  Linienflug unter Instrumentenflugregeln (IFR)
Luftfahrzeughersteller:       Bombardier Inc.
Musterbezeichnung:            DHC-8-402
Luftfahrzeugart:              Motorflugzeug
Staatszugehörigkeit:          Österreich

Unfallort:                    Flughafen Innsbruck (LOWI), Piste 08
Koordinaten (WGS84):          47° 15‘ 37“ N, 011° 20‘ 38“ E
Ortshöhe über dem Meer:       581 m / 1907 ft
Datum und Zeitpunkt:          04.04.2019 um ca. 08:56 Uhr UTC (10:56 Uhr Lokalzeit)

Am 04. April 2019 ereignete sich am Flughafen Innsbruck (LOWI) ein Unfall mit dem
Motorflugzeug Bombardier DHC-8. Der Flug wurde planmäßig vom Flughafen Wien
(LOWW) zum Flughafen Innsbruck (LOWI) durchgeführt. Im Zuge der Landung am
Zielflughafen Innsbruck kam es zu einem überhöhten Nickwinkel (Pitch). Dadurch streifte
das Luftfahrzeugheck die Landebahn (Tailstrike), was zu einer Beschädigung des Hecks
führte.

Die Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes Verkehrsbereich Zivilluftfahrt wurde am
04. April 2019 um ca. 11:20 Uhr vom Betreiber des Luftfahrzeuges über den Vorfall in
Kenntnis gesetzt. Gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 wurde eine
Sicherheitsuntersuchung des Unfalls eingeleitet.

Gemäß Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 wurden folgende beteiligten
Staaten über den Unfall unterrichtet:

Entwurfsstaat, Herstellerstaat:            Kanada
Nationalität eines Besatzungsmitglieds:    Deutschland

Untersuchungsbericht                                                                6 von 58
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1          Tatsachenermittlung

1.1        Ereignisse und Flugverlauf

Der Flugverlauf und der Hergang des Unfalls wurden aufgrund der Aussagen bzw. von
Meldungen der Besatzung und der Flugverkehrskontrolldienste, den Aufzeichnungen der
Flugdatenschreiber in Verbindung mit den Erhebungen der Sicherheitsuntersuchungsstelle
des Bundes wie folgt rekonstruiert:

Für den 04. April 2019 war der Linienflug vom Flughafen Wien (LOWW) in Richtung
Flughafen Innsbruck (LOWI) geplant. Für Start, Flugdurchführung und Landung war der
erste Offizier (F/O) eingeteilt.

Der F/O wurde um 03:15 Uhr in Innsbruck (LOWI) abgeholt und flog als Pilot Monitoring
mit demselben Kapitän den dem Unfallflug vorausgehenden Linienflug nach Wien
(LOWW). Die Check-In Zeit wurde dabei vom F/O zur Flugvorbereitung genutzt. Dabei
wurde festgestellt, dass in Innsbruck bereits leichte Föhnbedingungen herrschten. Das
gewählte Abflugverfahren war bei diesem Flug bereits ein Verfahren für Föhnbedingungen
(Föhn Departure) entlang der Nordkette. Der restliche Flug fand ohne besondere
Ereignisse statt. In Wien wurde von der Besatzung planmäßig das Luftfahrzeug
gewechselt. Bei der Flugvorbereitung in Wien für den bevorstehenden (Unfall-)Flug waren
gemäß Aussagen der Besatzung schon eindeutige Föhnbedingungen absehbar,
Windscherungen waren aber nicht prognostiziert, weshalb an der Entscheidung
festgehalten wurde, dass der F/O den anstehenden Flug durchführen soll. Dazu wurden
vom F/O die jeweiligen Wegpunkte für den Sichtanflugteil des Föhn-Anflugverfahrens im
FMS hinterlegt, um diese Tätigkeit nicht während des Fluges durchführen zu müssen. Die
weiteren Ereignisse waren wie folgt:

08:03              Start vom Flughafen Wien (LOWW).
08:17              Erreichen der Reiseflughöhe von etwa 20 000 ft (FL200) auf Höhe des
                   Ötschers. Vor Einleitung des Sinkfluges wurden vom Kapitän die ATIS
                   Informationen abgehört. Anhand dieser Informationen wurde die weitere
                   Rollenverteilung besprochen und entschieden, dass der F/O weiterhin der
                   fliegende Pilot (Pilot Flying) bleibt.

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08:32              Einleitung des Sinkfluges auf Höhe des Tennengebirges. Anmeldung des
                   Fluges bei LOWI APP.
08:41              Kurze Wetterinformation von LOWI APP an die Flugzeugbesatzung und
                   Freigabe für das Visual Föhn Arrival Verfahren.
08:36              Erreichen einer Höhe von 16 000 ft (FL160) etwa 10 km nördlich von
                   Saalfelden. Level-Off und halten der Höhe.
08:41:20           Einleitung des weiteren Sinkfluges.
08:45              Verlassen der Funkfrequenz von LOWI APP und Anmeldung bei LOWI TWR.
                   Die Flugzeugbesatzung erhält die Windinformation „090 deg 22 kt“.
08:46:21           Überflug des Wegpunktes INNF5 und Einflug in die Kontrollzone des
                   Flughafens Innsbruck (CTR LOWI).
08:47:30           Überflug des Wegpunktes INNF4.
08:48:59           Überflug des Wegpunktes INNF3 in einer Höhe von etwa 9 000 ft.
08:50:07           Deaktivierung des Autopiloten durch Turbulenzen.
08:50:25           Die Flugzeugbesatzung erhält die Landefreigabe und Windinformation
                   „020 deg 11 kt“ mit dem Zusatz „Kematen 070 deg 17, gusting 32, expect
                   wind checks on final“.
08:50:48           Ausfahren des Fahrwerks.
08:51:19           Ausfahren der Klappen auf 15°.
08:51:53           Vorbeiflug an Wegpunkt INNF1, Crosstrack Distance ca. 400 m. Der
                   Downwind Leg und geringfügig auch das Base Leg sollten bewusst
                   verlängert werden (bis etwa über Oberperfuss), um Höhe abbauen zu
                   können und nicht Gefahr zu laufen, Terrain Warnungen zu erhalten.
08:53:23           Aufzeichnung eines „EGPWS Alert/Warning“ Signals für fünf Sekunden.
08:53:25           Einleitung der Rechtskurve für den Endanflug. Überflug des Wegpunktes
                   AXAKI (Kirche in Axams) in etwa 4 700 ft barometrischer Höhe.
08:54:11           Überschießen der Pistenmittellinie. Dies wurde von der Besatzung aufgrund
                   der Windbedingungen und der Klappenstellung erwartet.
08:55:01           Erreichen der Pistenmittellinie etwa 700 ft AGL (ca. 3 150 ft barometrische
                   Höhe) und 1,5 nm (ca. 2,8 km) von der Pistenschwelle. Die Sinkrate liegt in
                   den letzten 30 Sekunden bis zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich bei etwa
                   1100(1) ft/min. Sekunden danach erhöht sich die Sinkrate für wenige
                   Sekunden auf ca. 1800 ft/min, wodurch die folgende „EGPWS“ Warnung
                   ausgelöst wurde.

1
 Alle Steig-/Sinkraten errechnet aus dem Verlauf von Altitude Baro L, Altitude Baro R und Radio Altitude (siehe
auch Anhang 6.1)

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08:55:07           Aufzeichnung eines „EGPWS Alert/Warning“ Signals für zwei Sekunden.
                   Während des Alarms hatte der F/O die Sinkrate schon korrigiert, sodass um
                   08:55:11 die Sinkrate bei 300 ft/min lag.
08:55:30           Neun Sekunden bevor und während das Luftfahrzeug den Inn überflog, kam
                   es zu kurzfristigen Auftriebserhöhungen. Unter anderem auch dadurch
                   schwankte die Sinkrate in den letzten 15 Sekunden vor der Landung
                   zwischen 500 und 1000 ft/min.
08:55:42           Aufzeichnung eines „EGPWS Alert/Warning“ Signals für eine Sekunde.
08:55:44           Zu diesem Zeitpunkt lag die Geschwindigkeit bei etwa 141 kt, die Sinkrate
                   bei ca. 700 ft/min und die Höhe betrug ca. 30 ft AGL. Der Nickwinkel (Pitch)
                   betrug etwa 1,4°, Torque lag bei 5,5% (L) bzw. 6% (R). Die von der
                   Besatzung errechnete Final Target Speed betrug für den Anflug 134 kt
                   (siehe Abschnitt 1.6.5). Der F/O schätzte im Nachhinein die
                   Fluggeschwindigkeit während des gesamten Anflugs auf durchschnittlich
                   etwa 140 kt bis teilweise 150 kt.
                   In den folgenden zwei Sekunden verliert das Luftfahrzeug schnell an Höhe
                   und Geschwindigkeit. Der F/O bemerkte, dass das Luftfahrzeug „nach unten
                   gedrückt wurde“, die Sinkrate betrug dem F/O zufolge etwa 500-700 ft/min.
                   Er setzte mehr Leistung, zu diesem Zeitpunkt setzte das Luftfahrzeug aber
                   auch schon auf der Piste auf.
08:55:47.125 Erstes Aufsetzen des Hauptfahrwerkes. Zu diesem Zeitpunkt beträgt die
                   Geschwindigkeit etwa 123 kt. Der F/O zog die Nase des Luftfahrzeuges
                   hoch, wodurch der Nickwinkel des Luftfahrzeuges bis auf 7,65° beim
                   Aufsetzen stieg. Die Sinkrate verringerte sich bis zum Aufsetzen auf etwa
                   200-500 ft/min. Die maximale Vertikalbeschleunigung (entlang der
                   Luftfahrzeughochachse) beim Aufsetzen beträgt 2,1 g. Die Torque Werte
                   befanden sich zum Aufsetzzeitpunkt bei 11% (L) und 14,5% (R).
08:55:47.500 Aufzeichnung des „Touched Runway“ Signals in Verbindung mit „Master
                   Caution“. Weder die Cockpitbesatzung noch die Kabinenbesatzung (laut
                   Aussage der Cockpitbesatzung) haben die Berührung des Hecks mit der
                   Piste unmittelbar wahrgenommen.
08:55:49.125 Zweites und endgültiges Aufsetzen des Hauptfahrwerkes.
08:55:50.625 Aufsetzen des Bugfahrwerkes.
08:56              Rückfrage von LOWI TWR, ob Unterstützung benötigt wird („any
                   assistance?“). Flugzeugbesatzung verneint. Das Rollen zur Parkposition
                   sowie das Aussteigen der Passagiere verlief normal und ohne weitere
                   besondere Vorkommnisse.

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Abbildung 1: Anflug Visual Approach LOWI 08

Quelle: Google Earth, ACG, SUB, Betreiber

Untersuchungsbericht                          10 von 58
Am Tag vor dem Unfallflug flog der F/O bereits einen Linienflug von Wien nach Innsbruck,
die Landezeit war 12:25 Uhr. Der Anflug bzw. die Landung erfolgte dabei auch vom F/O
mit demselben Anflugverfahren (Visual Föhn Arrival auf Piste 08) unter ähnlichen
Wetterbedingungen. Der Kapitän (Captain) hatte die beiden Tage vor dem Unfallflug
dienstfrei.

Abbildung 1 zeigt den Anflug des Luftfahrzeuges auf Piste 08 des Flughafens Innsbruck.
Rot eingezeichnet ist die Positionsaufzeichnung des Flugdatenschreibers (FDR), gelb ist die
Radaraufzeichnung der ACG. Orange eingezeichnet ist die Kontrollzone des Flughafens
Innsbruck (CTR LOWI). Das Anflugverfahren „Föhn Approach along Nordkette“ führt
entlang der Nordkette über die Punkte INNF5, INNF4, INNF3, INNF2, INNF1, AXAKI, WI005
zur Pistenschwelle 08 und ist wie in Abschnitt 1.10.2 ersichtlich definiert.

1.1.1 Flugvorbereitung
Die gemäß Verordnung (EU) Nr. 923/2012 Anhang SERA.2010/b idgF. erforderliche
Flugvorbereitung wurde durchgeführt. Ein entsprechender Operational Flightplan
bestehend aus Flugstrecken- und Treibstoffplanung, Technical Aircraft Log und
Wetterinformationen sowie ein Loadsheet wurde der Sicherheitsuntersuchungsstelle zur
Verfügung gestellt.

1.2         Personenschäden

Tabelle 1: Personenschäden

 Verletzungen            Besatzung               Passagiere              Andere

 Tödliche                0                       0                       0

 Schwere                 0                       0                       0

 Keine                   2 Cockpit + 2 Kabine    74                       –

1.3         Schaden am Luftfahrzeug

Am Luftfahrzeug entstand Schaden an der äußeren Beplankung, einer Antenne sowie an
Holmen und Spanten am Heck. Der Schaden war auf einen Teil des Hecks begrenzt und

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hatte keine weiteren Auswirkungen auf die strukturelle Integrität des Luftfahrzeuges oder
auf dessen Systeme.

1.4        Andere Schäden

Es entstanden keine weiteren Schäden.

1.5        Besatzung

1.5.1 Fliegender Pilot (Pilot Flying, F/O)
Alter:                            26 Jahre
Art des Zivilluftfahrerscheines:  MPL(A)
Berechtigungen:                   Flächenflug
Muster/Typenberechtigung:         DHC8 (COP, IR)
Gültigkeit:                       Am Unfalltag gültig

Überprüfungen (Checks):

Medical check:                      Medical Class 1/2/LAPL ausgestellt am 17.08.2018,
                                    am Unfalltag gültig
Gesamtflugerfahrung
(inkl. Unfallflug):                 ca. 1146 Stunden
davon in den letzten 90 Tagen:      ca. 116 Stunden
davon in den letzten 30 Tage:       ca.   43 Stunden
davon in den letzten 24 Stunden:    ca.    1 Stunden
Letzte 3 Landungen in LOWI:         Vor 4, 3 und 1 Tag(en)

Die angegebenen Flugstunden wurden ausschließlich auf der Unfalltype durchgeführt
(abgesehen von evtl. einzelnen Flügen z.B. im Zuge der Ausbildung).

Untersuchungsbericht                                                               12 von 58
1.5.2 Unterstützender Pilot (Pilot Monitoring, Captain)
Alter:                           62 Jahre
Art des Zivilluftfahrerscheines: ATPL(A)
Berechtigungen:                  Flächenflug
Muster/Typenberechtigung:        DHC8
Gültigkeit:                      Am Unfalltag gültig

Überprüfungen (Checks):

Medical check:                     Medical Class 1/2/LAPL, ausgestellt am 02.04.2019,
                                   am Unfalltag gültig
Gesamtflugerfahrung
(inkl. Unfallflug) ab 26.3.1997:   ca. 13162 Stunden
davon in den letzten 90 Tagen:     ca.    139 Stunden
davon in den letzten 30 Tage:      ca.     55 Stunden
davon in den letzten 24 Stunden:            0 Stunden
Letzte 3 Landungen in LOWI:        Vor 9, 3 und 3 Tagen

Die Flugstunden wurden ausschließlich auf der Unfalltype durchgeführt (abgesehen von
evtl. einzelnen Flügen z.B. im Zuge der Ausbildung). Die Flugstundenaufzeichnung für den
unterstützenden Piloten reichen bis März 1997 zurück. Der Dienstantritt war jedoch 1992,
sodass tatsächlich eine größere Gesamtflugerfahrung vorliegt (laut Captain etwa 17 500
Stunden).

1.6        Luftfahrzeug

Die Bombardier DHC-8 ist ein freitragender Hochdecker. Das Luftfahrzeug verfügt in der
Version DHC-8-402 über bis zu 80 Sitzplätze gem. TCDS und zwei Propeller-
Wellenleistungstriebwerke mit je 3781 kW Dauerleistung (maximum continuous shaft
horse power, SHP).

Luftfahrzeugart:                   Motorflugzeug
Hersteller:                        Bombardier Inc.
Herstellerbezeichnung:             DHC-8-402
Baujahr:                           2010
Luftfahrzeughalter:                Österreichische Fluglinie

Untersuchungsbericht                                                              13 von 58
Gesamtflugstunden:                  ca. 17192 Stunden und 47 Minuten
Gesamtzyklen (Start-Landung):       ca. 19703
Max. Abflugmasse (MTOM):            28 998 kg (63 930 lb)

Triebwerke
Typ:                                Zwei Propeller-Wellenleistungstriebwerke
Hersteller:                         Pratt and Whitney Canada
Herstellerbezeichnung:              PW150A
Propeller                           Zwei Dowty Aerospace Propellers, Model R408/6-123-
                                    F/17

1.6.1 Bord Dokumente
Eintragungsschein:                 ausgestellt am 01.04.2015 von ACG, am Unfalltag gültig
Lufttüchtigkeitszeugnis:           ausgestellt am 15.07.2010 von ACG, am Unfalltag gültig
Nachprüfbescheinigung (ARC):       ausgestellt am 13.06.2018, am Unfalltag gültig
Lärmzulässigkeitszeugnis:          ausgestellt am 15.07.2010 von ACG, am Unfalltag gültig
Versicherung:                      versichert von 15.11.2018 bis 15.11.2019, am Unfalltag
                                   gültig
Bewilligung für eine
Luftfahrzeugfunkstelle:            ausgestellt am 12.03.2015 vom Fernmeldebüro für
                                   Wien, Niederösterreich und Burgenland, am Vorfallstag
                                   gültig

1.6.2 Zertifizierung und Zulassung
Die erstmalige Musterzulassung erfolgte am 28. September 1984 von Transport Canada
Civil Aviation (TCCA) für die Version DHC-8-101 mit TCDS A-142. Weiters erfolgten die
Erstzulassungen für die Versionen DHC-8-301 am 14. Februar 1989, DHC-8-201 am 24.
August 1995 und DHC-8-400 am 30. Juli 1999.

Die Musterzulassung in Europa wurde erstmals am 27. Jänner 1988 mit TCDS
EASA.IM.A.191 für die Version DHC-8-102 von der österreichischen Zivilluftfahrtbehörde
ACG durchgeführt. Die weiteren europäischen Zulassungen erfolgten für DHC-8-301 am
23. Februar 1995, DHC-8-201 am 17. Februar 1998 und DHC-8-402 am 1. Dezember 1999.
Als Zulassungsbasis diente JAR Part 25.

Untersuchungsbericht                                                                14 von 58
Die Rumpflänge wurde im Laufe der Zulassung der verschiedenen Versionen mehrmals
gestreckt, sodass die Versionen DHC-8-1XX und DHC-8-2XX eine Länge von 22,25 m (73 ft),
Version DHC-8-3XX eine Länge von 25,68 m (84 ft 3 in) und Version DHC-8-4XX eine Länge
von 32,8 m (107 ft 9 in) aufweisen (Abbildung 4). Daraus, und aus der Höhe der Fahrwerke
der jeweiligen Versionen ergeben sich für jede Version unterschiedliche maximal mögliche
Nickwinkel, bei dem das Heck Kontakt mit dem Boden hat (Abschnitt 1.6.7).

1.6.3 Luftfahrzeug Wartung und Lufttüchtigkeit
Die letzte Jahresnachprüfung (ARC) wurde am 13.6.2018 bei einer
Gesamtflugstundenanzahl der Zelle (Airframe Flight Hours) von 15539 Stunden und 59
Minuten ausgestellt.

1.6.4 Beladung und Schwerpunkt des Luftfahrzeuges
Eine Berechnung von Masse und Schwerpunkt wurde vom Betreiber (Loadsheet)
durchgeführt und vom Piloten kontrolliert, die Werte lagen während des gesamten Fluges
im zulässigen Bereich. Die entsprechenden Daten sind in Tabelle 2 und Tabelle 3
dargestellt. Das MAC Limit von 17,3 – 36 gilt für die maximale Abflugmasse (MTOM) von
28 998 kg und wurde dem Flughandbuch (AFM) entnommen.

Tabelle 2: Luftfahrzeugmassen

                          Masse               Limit / Maximum

 Leermasse (ZFW)          25 061 kg
                          55 250 lb

 Treibstoff bei Abflug    3 230 kg
 (TOF)                    7 121 lb

 Abfluggewicht (TOW)      28 291 kg           28 998 kg
                          62 371 lb           63 930 lb

 Treibstoff für Strecke   952 kg
 (TIF)                    2 099 lb

 Landegewicht (LAW)       27 339 kg           28 009 kg
                          60 272 lb           61 749 lb

Quelle: Betreiber, TCDS

Untersuchungsbericht                                                              15 von 58
Tabelle 3: Schwerpunkt des Luftfahrzeuges

                       Schwerpunkt   MAC Limits   Loaded Index (LI)   Limit LI FWD   Limit LI AFT
                       [% MAC]

 TOW (Start)           25,9                       58,97 (LITOW)       15,74          105,52
                                     17,3 – 36
 LAW (Landung)         25,7                       58,97 (LOLAW)       15,66          106,30

Quelle: Betreiber, AFM

1.6.5 Fluggeschwindigkeit für den Anflug
Die Approach Speed VA (entspricht VREF) beträgt gem. Tabelle im OM-B für ein
Landegewicht von 27 216 kg (kommt dem tatsächlichen Landegewicht am nächsten)
124 kt. Bei einer Klappenstellung von 15° und deaktiviertem Anti-Ice System ist noch ein
Aufschlag (VREF Increment) von 10 kt zu addieren. Somit ergibt sich eine Final Target Speed
für den Anflug von 134 kt (124 kt + 10 kt).

1.6.6 Kriterien des Betreibers für einen stabilen Anflug
Das Betriebshandbuch OM-A beschreibt allgemein die Kriterien für einen stabilen Anflug
(Stabilized Approach):

Untersuchungsbericht                                                                          16 von 58
Abbildung 2: OM-A, Stabilized Approach

Quelle: Betreiber

Abbildung 3: OM-A, Stabilized Approach - Ausnahmen

Quelle: Betreiber

Das Betriebshandbuch OM-B legt für das konkrete Luftfahrzeug Dash 8 die Kriterien für
einen stabilen Anflug wie folgt fest:

Untersuchungsbericht                                                              17 von 58
•    Die Geschwindigkeit (IAS) darf maximal um ±5 kt von der Final Target Speed in einer
     Höhe von 1000 ft ARTE abweichen. Unter bestimmten Umständen (z.B. spezielle
     Anflugverfahren) kann diese Höhe auf 500 ft ARTE reduziert werden.
•    Leistungseinstellungen (Power Setting) von unter 8% Torque sollten vermieden
     werden.
•    Das Luftfahrzeug muss lateral und vertikal stabil sein, d.h. sich am vorgegebenen
     Flugweg mit der vorgeschriebenen Sinkrate befinden. Im Falle eines Sichtanfluges
     bedeutet das, dass der Anflugwinkel (Approach Slope) spätestens bei 1000 ft ARTE so
     gewählt werden muss, dass keine EGPWS Warnungen ausgelöst werden. Der
     Anflugwinkel wird üblicherweise visuell (z.B. mittels PAPI) oder elektronisch angezeigt.
     Lateral muss das Luftfahrzeug in 1000 ft ARTE mit der Pistenmittellinie ausgerichtet
     sein. Für spezielle Anflugverfahren kann dieses Limit auf 500 ft ARTE reduziert
     werden.

1.6.7 Heck Kontakt mit der Piste
Das vom Betreiber zur Verfügung gestellte Flughandbuch (AFM) PSM 1-84-1A, letzte
Änderung zum Unfallzeitpunkt vom 9. Jänner 2019, gibt für die Landung einen maximalen
Nickwinkel (Pitch) von +6° an.

Gemäß Endbericht HCL 25/00 der dänischen Flugunfall-Untersuchungsstelle (Danish
Aircraft Accident Investigation Board) zu einem Unfall vom 27. Mai 2000 (bzw. HCL 62/00,
Unfall vom 22.10.2000) ist nach Auskunft des Luftfahrzeugherstellers bei voller
Kompression der Federbeine des Fahrwerks ein Nickwinkel (Pitch) von +7,6° beim
Aufsetzen notwendig, damit es bei der Type DHC-8-400 zu einem Kontakt des Rumpfhecks
mit der Piste kommt. Die Differenz zwischen den 6° aus dem AFM und den 7,6° wurde
vom Hersteller als Sicherheitsfaktor berücksichtigt.

Untersuchungsbericht                                                                   18 von 58
Abbildung 4: Dimensionen DHC-8-402 inkl. Kontaktstelle mit Piste

Quelle: AFM de Havilland Inc., SUB

Untersuchungsbericht                                               19 von 58
1.7        Flugwetter

Der Flughafen Innsbruck (LOWI) ist bekannt dafür, dass Windscherungen bzw. Fallböen
häufig beim Anflug auf Piste 08 über oder in der Nähe des Inn auftreten. Außerdem sind
häufig Föhnlagen (genauer: Alpenföhn) gegeben. Kommt der Wind, wie bei der
Wetterlage zum Unfallzeitpunkt gegeben, aus südlicher Richtung, handelt es sich um
einen Südföhn. Föhn ist charakterisiert durch einen warmen, starken, meist trockenen
Wind. Üblicherweise ist Südföhn auch mit einem Temperaturanstieg nördlich des
Alpenkammes und einer entsprechend geringeren Luftfeuchtigkeit und besseren
Sichtweite verbunden, da luvseitig Luftfeuchtigkeit durch Wolkenbildung und
Niederschlag entzogen wird. Da bei Südföhn Wind von Süden nach Norden über den
Alpenkamm streicht, kann es entlang des Südkamms im Inntal zu böigen Windlagen
kommen, weshalb Anflüge auf Innsbruck zur Erhöhung des Passagierkomforts
üblicherweise entlang des Nordkamms durchgeführt werden.

1.7.1      METAR, TAF und Wetterkarten

Tabelle 4: Wetterbeobachtung Flughafen Innsbruck (METAR LOWI)

 METAR LOWI

 LOWI 040650Z 04018KT 020V090 9999 FEW050 SCT080 14/01 Q0993 WS ALL RWY NOSIG

 LOWI 040720Z 07015KT 030V120 9999 FEW060 SCT080 15/01 Q0993 WS ALL RWY NOSIG

 LOWI 040750Z 08012G23KT 340V140 9999 FEW060 SCT080 15/02 Q0994 NOSIG

 LOWI 040820Z 08013G24KT 040V130 9999 FEW060 SCT080 16/02 Q0993 NOSIG

 LOWI 040850Z 06013KT 010V130 9999 FEW060 SCT080 16/02 Q0993 NOSIG

 LOWI 040920Z 04014G24KT 360V070 9999 FEW060 SCT080 16/02 Q0993 NOSIG

 LOWI 040950Z VRB09G29KT 9999 FEW060 SCT150 17/02 Q0994 NOSIG

 LOWI 041020Z VRB09G27KT 9999 FEW060 SCT150 17/02 Q0994 NOSIG

 LOWI 041050Z 06014G24KT 360V110 9999 FEW060 SCT150 17/03 Q0993 WS ALL RWY NOSIG

Den Daten aus Tabelle 4 zufolge herrschte am Flughafen Innsbruck zum Unfallzeitpunkt
(die Wetterbeobachtung von 08:50 Uhr kommt dem Unfallzeitpunkt am nächsten, fett
geschrieben) ein Wind von 13 kt etwa aus Osten bis Nord-Osten, wobei eine Variabilität
etwa von Norden bis Süd-Osten angegeben war. Die Sichtweite betrug über 10 km.

Untersuchungsbericht                                                               20 von 58
Geringe Bewölkung (FEW) befand sich in etwa 6000 ft (1829 m), mäßige Bewölkung (SCT)
befand sich in etwa 8000 ft (2438 m) über dem Flughafen.

Die Wetterbeobachtung vor dem Unfall (08:20 Uhr) und nach dem Unfall (09:20 Uhr) gab
auch Böen von bis zu 24 kt an. Warnungen zu Windscherung auf bzw. in der Nähe der
Landebahnen wurden vor dem Unfall um 07:20 Uhr und nach dem Unfall um 10:50 Uhr
ausgegeben, zwischen diesen Zeiten jedoch nicht.

Tabelle 5: Wetterbeobachtung Vergleich München (EDDM), Innsbruck (LOWI), Bozen
(LIPB)

 METAR EDDM, LOWI, LIPB

 EDDM 040850Z 09009KT 050V120 CAVOK 10/03 Q0994 NOSIG=

 LOWI 040850Z 06013KT 010V130 9999 FEW060 SCT080 16/02 Q0993 NOSIG

 LIPB 040850Z VRB02KT 7000 RA FEW010 SCT025 BKN040 10/09 Q1000=

Aus dem Vergleich der Wetterbeobachtung vor allem zwischen Bozen und Innsbruck sind
die charakteristischen Eigenschaften einer Südföhnlage erkennbar: Luftdruckdifferenz von
1000 zu 993 hPa, Temperatur/Taupunkt von 10°C/9°C (Taupunktdifferenz/Spread: 1°C) zu
16°C/2°C (Taupunktdifferenz/Spread: 14°C) und deutlich günstigere Bewölkung und
Sichtweite in Innsbruck. Die Südföhnlage ist auch in der QNH Chart / Föhn Karte in
Abbildung 5 ersichtlich.

Tabelle 6: Flugwetterprognose Flughafen Innsbruck (TAF LOWI)

 TAF LOWI

 TAF LOWI 040515Z 0406/0506 09012G25KT 9999 FEW060 SCT080 BKN120
        TX16/0412Z TN02/0506Z
        TEMPO 0406/0410 12015G35KT
        TEMPO 0410/0418 12020G40KT
        BECMG 0416/0418 27012KT -RA SCT020 BKN040
        TEMPO 0418/0422 29015G25KT SHRA
        BECMG 0422/0424 08005KT -RASN
        TEMPO 0500/0504 08008KT 3000 RASN SCT008
        BKN012=

 TAF AMD LOWI 040602Z 0406/0506 09012G25KT 9999 FEW060 SCT080 BKN120
        TX16/0412Z TN02/0506Z
        TEMPO 0406/0418 12020G40KT

Untersuchungsbericht                                                                 21 von 58
TAF LOWI

           PROB40 TEMPO 0406/0409 03015G30KT
           BECMG 0416/0418 27012KT -RA SCT020 BKN040
           TEMPO 0418/0422 29015G25KT SHRA
           BECMG 0422/0424 08005KT -RASN
           TEMPO 0500/0504 08008KT 3000 RASN SCT008
           BKN012=

 TAF AMD LOWI 040931Z 0409/0506 06012G25KT 9999 FEW060 SCT080 BKN120
        TX16/0412Z TN02/0506Z
        TEMPO 0409/0418 12020G35KT
        BECMG 0416/0418 27012KT -RA SCT020 BKN040
        TEMPO 0418/0422 29015G25KT SHRA
        BECMG 0422/0424 08005KT -RASN
        TEMPO 0500/0504 08008KT 3000 RASN SCT008
        BKN012=

Tabelle 7: Warnungen für Flughafen Innsbruck (WARNINGS AD)

 Aerodrome Warnings und Windshear Warnings

 WOOS54 LOWI 040900
 LOWI AD WRNG 3 VALID 041000/041600
 SFC WIND SE 20KT MAX 35 FCST NC=

 WOOS44 LOWI 040519
 LOWI WS WRNG 1 040519 VALID 040520/040700
 MOD WS ON FNA FCST=

 WOOS44 LOWI 041057
 LOWI WS WRNG 3 041057 VALID 041100/041200
 MOD WS ON FNA ALL RWY FCST=

Um 10:57 Uhr (nach dem Unfallzeitpunkt) wurde eine Warnung für den Flughafen
ausgegeben, wonach zwischen 11:00 und 12:00 Uhr mit moderaten Scherwinden auf allen
Landebahnen zu rechnen ist. Außerdem wurde um 09:00 (ebenfalls nach dem
Unfallzeitpunkt) die Warnung ausgegeben, wonach zwischen 10:00 und 16:00 Uhr mit
einem Bodenwind von 20 kt bis maximal 35 kt aus Süd-Ost zu rechnen ist.

Abbildung 5 zeigt die prognostizierte Südföhnlage mit einer Druckdifferenz von +9 hPa
zwischen Bozen (LIPB) und Innsbruck (LOWW) (Berechnungszeitpunkt: 00:00 für
Gültigkeitszeitpunkt 06:00). Die prognostizierte Windrichtung betrug 40 kt etwa aus
Richtung Süden (170°).

Untersuchungsbericht                                                                  22 von 58
Tabelle 8: Routinemäßige Wetterberichte, ATIS

 MET REPORT / ATIS

 SXOS54 LOWI 040620
 MET REPORT LOWI 040620Z
 WIND RWY 08 TDZ 030/22KT MAX 33 MNM 13
     RWY 26 TDZ VRB BTN 010/ AND 110/13KT MAX 28 MNM 4
 VIS RWY 08 TDZ 50KM
     RWY 26 TDZ 50KM
 CLD RWY 08 FEW 5000FT SCT 8000FT
     RWY 26 FEW 5000FT SCT 8000FT
 T 13 DP MS0
 QNH 994HPA 2935INS QFE 927HPA
 QFE RWY 26 927HPA
 WS WRNG MOD WS ON FNA EXP
 MOD/SEV TURB ON APCH SFC/12000FT AMSL EXP STNR NC
 EST WIND LOWI AREA 10000FT AMSL 180/35KT
 AD TREND NOSIG=

 SXOS54 LOWI 040650
 MET REPORT LOWI 040650Z
 WIND RWY 08 TDZ VRB BTN 350/ AND 080/27KT
     RWY 26 TDZ VRB BTN 020/ AND 090/17KT
 VIS RWY 08 TDZ 50KM
     RWY 26 TDZ 50KM
 CLD RWY 08 FEW 5000FT SCT 8000FT
     RWY 26 FEW 5000FT SCT 8000FT
 T 14 DP 1
 QNH 993HPA 2934INS QFE 927HPA
 QFE RWY 26 927HPA
 WS WRNG MOD WS ON FNA EXP
 MOD/SEV TURB ON APCH SFC/12000FT AMSL EXP STNR NC
 EST WIND LOWI AREA 10000FT AMSL 180/45KT
 AD TREND NOSIG=

 SXOS54 LOWI 040720
 MET REPORT LOWI 040720Z
 WIND RWY 08 TDZ 050/24KT
     RWY 26 TDZ VRB BTN 030/ AND 120/13KT MAX 23 MNM 6
 VIS RWY 08 TDZ 50KM
     RWY 26 TDZ 50KM
 CLD RWY 08 FEW 6000FT SCT 8000FT
     RWY 26 FEW 6000FT SCT 8000FT
 T 15 DP 1
 QNH 993HPA 2933INS QFE 926HPA
 QFE RWY 26 927HPA
 WS WRNG MOD WS ON FNA EXP
 MOD/SEV TURB ON APCH SFC/12000FT AMSL EXP STNR NC
 EST WIND LOWI AREA 10000FT AMSL 180/45KT
 AD TREND NOSIG=

Untersuchungsbericht                                     23 von 58
MET REPORT / ATIS

 SXOS54 LOWI 040750
 MET REPORT LOWI 040750Z
 WIND RWY 08 TDZ VRB BTN 020/ AND 120/17KT MAX 35 MNM 5
     RWY 26 TDZ VRB BTN 340/ AND 140/15KT
 VIS RWY 08 TDZ 50KM
     RWY 26 TDZ 50KM
 CLD RWY 08 FEW 6000FT SCT 8000FT
     RWY 26 FEW 6000FT SCT 8000FT
 T 15 DP 2
 QNH 994HPA 2935INS QFE 927HPA
 QFE RWY 26 927HPA
 MOD TURB ON APCH SFC/12000FT AMSL EXP STNR NC
 EST WIND LOWI AREA 10000FT AMSL 180/45KT
 AD TREND NOSIG=

 SXOS54 LOWI 040820
 MET REPORT LOWI 040820Z
 WIND RWY 08 TDZ VRB BTN 020/ AND 090/24KT MAX 36 MNM 13
     RWY 26 TDZ VRB BTN 040/ AND 130/13KT MAX 24 MNM 4
 VIS RWY 08 TDZ 60KM
     RWY 26 TDZ 60KM
 CLD RWY 08 FEW 6000FT SCT 8000FT
     RWY 26 FEW 6000FT SCT 8000FT
 T 16 DP 2
 QNH 993HPA 2934INS QFE 927HPA
 QFE RWY 26 927HPA
 MOD TURB ON APCH SFC/12000FT AMSL EXP STNR NC
 EST WIND LOWI AREA 10000FT AMSL 180/40KT
 AD TREND NOSIG=

 SXOS54 LOWI 040850
 MET REPORT LOWI 040850Z
 WIND RWY 08 TDZ VRB BTN 360/ AND 060/16KT MAX 26 MNM 7
     RWY 26 TDZ VRB BTN 010/ AND 130/15KT
 VIS RWY 08 TDZ 60KM
     RWY 26 TDZ 60KM
 CLD RWY 08 FEW 6000FT SCT 8000FT
     RWY 26 FEW 6000FT SCT 8000FT
 T 16 DP 2
 QNH 993HPA 2934INS QFE 927HPA
 QFE RWY 26 927HPA
 MOD TURB ON APCH SFC/12000FT AMSL EXP STNR NC
 EST WIND LOWI AREA 10000FT AMSL 180/40KT
 AD TREND NOSIG=

Demzufolge wurde ab 07:50 Uhr die Schwere der Turbulenzen von MOD/SEV
(moderate/severe, mittlere bis starke Turbulenzen) auf MOD herabgestuft und der
Hinweis auf Windscherungen entfernt (WS WRNG).

Untersuchungsbericht                                                              24 von 58
Abbildung 5: QNH Chart / Föhn Karte

Quelle: ACG

Die in Abbildung 6 und Abbildung 7 abgebildeten Karten für signifikante
Wettererscheinungen (SWC Charts) zeigten ebenfalls für den Zeitraum zwischen 06:00
und 10:00 Uhr einen südlich der Alpen liegenden Südstau (S-STAU) in Verbindung mit
einem Südföhn (S-FOEHN). Wind mit 25 kt war aus südlicher Richtung mit Böen bis 40 kt
und lokalen, starken Turbulenzen prognostiziert.

Untersuchungsbericht                                                             25 von 58
Abbildung 6: Low-Level Significant Weather Chart Alpen (SWC ALPS) vom 4.4.2010, 00:00

Quelle: ACG

Abbildung 7: Low-Level Significant Weather Chart Alpen (SWC ALPS) vom 4.4.2010, 04:00

Quelle: ACG

Untersuchungsbericht                                                            26 von 58
1.7.2 Wetterberatung der Besatzung
Vor der Flugdurchführung wurde von der Besatzung ein Wetterbriefing durchgeführt. Den
Aussagen der Besatzung zufolge waren die Föhnbedingungen bekannt. Windscherungen
waren für die Zeit rund um die Landung nicht prognostiziert. Diese wurden lediglich für die
Zeit vor dem Flug prognostiziert.

Während des Fluges wurden über verschiedene Flugfernmeldedienste
Wetterinformationen bezogen (Tabelle 9). Die ATIS Informationen wurden vom Captain
etwa in der Mitte des Fluges abgehört und notiert, der genaue Zeitpunkt ist jedoch nicht
bekannt. Die Übertragung der ATIS Informationen über ACARS ist nicht gegeben.

Tabelle 9: Wetterinformationen während des Fluges (APP, TWR, ATIS)

 Zeitpunkt       Quelle           Wetterinformationen

 08:33           APP              Wind 25 kt aus Richtung 030

 08:45           TWR              Wind 22 kt aus Richtung 090

 08:50           TWR              Wind 11 kt aus Richtung 020, Wind bei Kematen 17 kt aus Richtung 070,
                                  Böen bis 32 kt

 Etwa um         ATIS –           INN – Information L – Report Time 0820 – Runway 08 – Transition Level? –
 08:30           (Notizen des     Wind V020-090/24-36-13 (Böen im Mittel 24, Minimum 13, Maximum
                 Piloten fett     36 kt) – Visibility 60 km – MOD TB ~ SFC + 12000 exp – FEW060 SCT080 –
                 gedruckt)        Temperatur 16/2 – QNH 993 – 180/40 – NS (=NOSIG)

Quelle: ACG, Betreiber, Piloten

1.7.3 Natürliche Lichtverhältnisse
Der Vorfall ereignete sich um ca. 08:56 Uhr UTC bzw. 10:56 Uhr Lokalzeit. Zu diesem
Zeitpunkt herrschten natürliche Tageslichtverhältnisse.

1.8        Navigationshilfen

Während des Fluges herrschten Sichtflugwetterbedingungen (VMC), siehe auch Abschnitt
1.7. Der Anflug wurde nach Instrumentenflugregeln (IFR) mit Hilfe von Satellitennavigation
(GPS) durchgeführt. Der letzte Teil des Anfluges bis zur Landung auf Piste 08 wurde als
Visual Approach durchgeführt.

Untersuchungsbericht                                                                               27 von 58
1.9        Flugfernmeldedienste

Die Besatzung des Luftfahrzeuges war während des Anfluges auf Innsbruck mit Innsbruck
Radar (APP – 119,275 MHz) und Innsbruck Turm (TWR – 120,100 MHz) in Kontakt.
Aktuelle Informationen zu Wetter und zum Flugplatz wurden über Innsbruck Information
(ATIS – 126,030 MHz) bezogen.

1.10       Flughafen Innsbruck

Lage:                                 am westlichen Stadtrand von Innsbruck
ICAO / IATA Kennung:                  LOWI / INN
ARP (Aerodrome Reference Point): 47° 15‘ 37“ N, 011° 20‘ 38“ E
Flughafenhöhe über Meeresspiegel: 581 m / 1907 ft

Eine topographische Besonderheit des Flughafens Innsbruck sind die massiven
Gebirgszüge nördlich und südlich des Flughafens und die daraus resultierenden etwas
steileren Anflugwinkel (3.5° PAPI für Piste 08 und 26 sowie 3,77° GP für 26 ILS) im
Vergleich zu vielen anderen Flughäfen (üblicherweise 3° PAPI und GP).

1.10.1 Föhn Verfahren AIP
Abbildung 8 und Abbildung 9 beschreiben spezielle Flugverfahren bei Föhnlagen wie sie in
der AIP Austria publiziert sind. Unter 2.9 und 3.1.2.6 wird darauf hingewiesen, dass es im
Bereich über dem Inn und der Stadt Innsbruck während des Endanfluges zu Fallböen bzw.
Abwinden kommen kann.

Untersuchungsbericht                                                                  28 von 58
Abbildung 8: Flugverfahren bei Föhn, AIP Austria

Quelle: ACG

Abbildung 9: Instrument Procedures, Flugverfahren bei Föhn, AIP Austria

Quelle: ACG

1.10.2 Föhn Anflug entlang der Nordkette des Betreibers
Entsprechend der vorherrschenden Südföhnlage entschied sich die Besatzung für das
Verfahren „Föhn Approach along Nordkette“ zur Landung in Innsbruck, welches vom
Betreiber entsprechend dem Bulletin „Airport Procedures Innsbruck“ für die Type Dash 8
als Zusatz zum OM-B festgelegt wurde (Abbildung 10 ,siehe auch Abschnitt 1.13).

Untersuchungsbericht                                                             29 von 58
Abbildung 10: Anflugverfahren „Föhn Approach along Nordkette“

Quelle: Betreiber

Außerdem weist das Bulletin „Airport Procedures Innsbruck“ darauf hin, dass im Inntal
leicht EGPWS Warnungen ausgelöst werden können (Abbildung 11).

Abbildung 11: Hinweis zu EGPWS Warnungen

Quelle: Betreiber

Untersuchungsbericht                                                              30 von 58
1.11       Flugschreiber

Für den Betrieb der DHC-8 waren ein Flugschreiber (FDR, Flight Data Recorder) und ein
Stimmrekorder (CVR, Cockpit Voice Recorder) vorgeschrieben und eingebaut. Weiters ist
für Wartungsaufgaben und zum Zweck der Flugparameterauswertung ein Quick Access
Recorder (QAR) mit an Bord, welcher die gleichen Parameter und Daten wie der FDR
bereitstellt. Der CVR wurde am 11.4.2019 vom Betreiber unter Aufsicht eines Organs der
Sicherheitsuntersuchungsstelle ausgelesen und die Daten gemeinsam mit den Daten des
QAR der Sicherheitsuntersuchungsstelle übergeben.

FDR/QAR

FDR/QAR Daten liegen vom Zeitpunkt des Rollens am Flughafen Wien (07:57:53 Uhr) bis
zum Zeitpunkt des Rollens am Flughafen Innsbruck nach der Landung (08:58:28 Uhr) vor.
Die Daten wurden als Rohdaten (d.h. ohne jedwede Konvertierung oder Anpassung) der
Sicherheitsuntersuchungsstelle zur Verfügung gestellt und von dieser ausgewertet. Ein
Auszug relevanter Parameter des Fluges und der Landung ist im Anhang ersichtlich.

CVR

Die Aufzeichnung des Stimmrekorders wurde vom Betreiber ausgelesen und der Rekorder
nach dem Auslesen gelöscht. Der Sicherheitsuntersuchungsstelle wurden Aufzeichnungen
mit einer Gesamtdauer von 2 Stunden, 5 Minuten und 20 Sekunden übergeben.

Radardaten

Die seitens ACG verfügbaren Radardaten für den Anflug und die Landung wurden
angefordert, der Sicherheitsuntersuchungsstelle zur Verfügung gestellt und ausgewertet.
Es liegen Daten von 08:50:00 Uhr bis 08:57:13 Uhr bestehend unter anderem aus Zeit,
Koordinaten und den Transpondercodes S, A und C vor.

1.12       Luftfahrzeug und Ausrüstung – Schäden

Am Luftfahrzeug entstand Schaden durch Abschürfungen an der äußeren Beplankung mit
teilweise Rissen und herausgezogener Niete (Abbildung 12). Eine Antenne wurde komplett
abgerissen. An der Innenseite des Rumpfhecks waren vereinzelt Holme und Spante

Untersuchungsbericht                                                                31 von 58
gebrochen und verbogen sowie Niete herausgezogen (Abbildung 13 und Abbildung 14).
Der Schaden war beschränkt auf das Heck und hatte keine weiteren Auswirkungen auf die
strukturelle Integrität des Luftfahrzeuges oder auf dessen Systeme.

Abbildung 12: Schaden am Luftfahrzeug-Heck

Quelle: Betreiber

Untersuchungsbericht                                                           32 von 58
Abbildung 13: Beschädigungen bei X747.602, STR31P bis 31S

Quelle: Betreiber

Abbildung 14: Beschädigungen bei X763.602, STR31P bis 31S

Quelle: Betreiber

Untersuchungsbericht                                        33 von 58
1.13       Organisation und deren Verfahren

Der Betreiber des Luftfahrzeuges hat als Zusatz zum DASH 8 Operations Manual Teil B
(OM-B) das Bulletin „Airport Procedures Innsbruck“ zur Verfügung gestellt. Darin
enthalten sind Hinweise zu den speziellen geographischen, meteorologischen und
operationellen Gegebenheiten am und um den Flughafen Innsbruck. Dazu gehören unter
anderem Verfahren für Sichtanflüge (Visual Approach) unter Föhnbedingungen.

Die im Operations Manual Teil C (OM-C) verwendeten Karten und Verfahren für den
Flughafen Innsbruck entsprechen den zum Unfallzeitpunkt von der ACG in der AIP
veröffentlichten Karten und Verfahren.

1.13.1 Safety Culture
Vom Betreiber wird als ein Teil der Safety Culture ein System zum Flight Data Monitoring
(FDM) betrieben und umfangreich durchgeführt. Es werden interne Untersuchungen bei
Überschreitung bestimmter Parameter (Triggerlevel) bei Start, Landung und während des
Fluges sowie bei Unfällen und Störungen durchgeführt. Wenn erforderlich werden
Parameterüberschreitungen oder Vorfälle mit den jeweiligen Besatzungen auf freiwilliger
Basis im Sinne einer Nachbereitung bzw. Aufbereitung des Vorfalls diskutiert. Außerdem
werden im Sinne der Safety Promotion ausgewählte Vorfälle und deren Analysen
herangezogen, um innerhalb der jeweiligen Flotten auf aktuelle sicherheitsrelevante
Themen aufmerksam zu machen.

1.13.2 Getätigte Maßnahmen des Betreibers
Der Betreiber hat seit dem Vorfall folgende Maßnahmen durchgeführt bzw. umgesetzt:

•    Durchführung einer internen Untersuchung durch die Flight Safety Abteilung gemäß
     Betreiber-internem Safety Management System (SMS).
•    Visualisierung der FDM Daten als Video zu Trainings- und Schulungszwecken.
•    Erstellung eines Flight Crew Briefing Guides „Landetechnik Q400“.
•    Schwerpunktsetzung „Landetechnik Q400“ des Simulatortrainings der Crews.
•    FDM: Implementierung eines eigenen FDM Profils, welches speziell bereits stabile
     Anflüge auf nachfolgende mögliche Abweichungen der Parameter überwacht.

Untersuchungsbericht                                                               34 von 58
2          Auswertung

2.1        Flugwetter

Zum Zeitpunkt des Vorfalls herrschte am Flughafen Innsbruck gute Sicht bei moderater
Bewölkung. Die gerade aufbauende Südföhnlage deutete zwar auf mögliche
Windscherungen und Turbulenzen hin. Warnungen für eine Windscherung für den
Flughafen waren aber nur bis 07:00 Uhr aktiv und somit zum Zeitpunkt der Landung und in
der Stunde davor nicht ausgegeben. Im MET REPORT wurde die Windscherwarnung ab
07:50 Uhr entfernt. Zur gleichen Zeit wurden Turbulenzwarnungen von MOD/SEV (mittel
bis stark) auf MOD (mittel) herabgestuft. Der Besatzung war die Information über
"Moderate Turbulences" bekannt. Ein Wechsel des Pilot Flying fand nach Besprechung der
Situation nicht statt. Der Anflug wurde als turbulent beschrieben. Trotzdem war der etwa
drei Sekunden vor der Landung durchflogene Scherwind anhand der zur Verfügung
gestandenen Informationen in dieser Form nicht vorhersehbar. Dieser Scherwind bzw.
diese Fallböe kurz vor der Landung kann als unfallkausal und ausschlaggebend für den
weiteren Lauf der Ereignisse inklusive dem Aufsetzen des Luftfahrzeughecks betrachtet
werden.

2.1.1 Handhabung der Wettersituation in Innsbruck
Im Zuge der Unfalluntersuchung wurden, auch aufgrund der speziellen Lage des
Flughafens Innsbruck, die meteorologischen Besonderheiten in Innsbruck und deren
Handhabung mit der Flugwetterdienststelle Innsbruck diskutiert. Die bisherige Praxis in
einer klassischen Föhnsituation sah vor, dass Windscherungswarnungen (Bulletin, METAR,
MET REPORT) nur bis zum Föhndurchbruch ausgegeben wurden, solange der föhnige
Südwind im Anflug- oder Platzbereich auf den Westwind aus dem Oberinntal trifft. Setzte
sich der Südwind bzw. Südostwind auch Richtung Oberinntal durch, entfiel die
Windscherungswarnung, es blieb nur mehr die Turbulenzwarnung für den Anflug.

Obwohl diese Vorgehensweise aus meteorologischer Sicht korrekt ist, bestand die
Möglichkeit, dass Pilotinnen und Piloten manchmal diese Informationen scheinbar anders
interpretieren konnten. Es ist denkbar und nicht unüblich, dass Windscherungen als
gefährlicher angesehen werden als Turbulenzen. Das dürfte unter anderem daran liegen,
dass Windscherungen eher als Gefahr in Kombination mit dem immanenten Risiko bei

Untersuchungsbericht                                                                 35 von 58
Starts und Landungen wahrgenommen werden, wohingegen Turbulenzen tendenziell in
Verbindung mit dem Reiseflug im Gedächtnis verankert sind. Diese unbewusste
Priorisierung der Windscherung über die Turbulenz bezüglich der Gefährlichkeit führt
letztendlich zu dem Trugschluss, dass die Aufhebung einer Warnung über eine
Windscherung als Entspannung der Windsituation betrachtet wird. Das gilt auch, wenn die
Turbulenzwarnung bestehen bleibt. Die korrekte Vorgehensweise der
Flugwetterdienststelle Innsbruck könnte daher möglicherweise unbeabsichtigt vermitteln,
dass sich die Situation entspannt oder weniger riskant sei, sobald sich der Föhn etabliert
hat, da ja keine Windscherungswarnung mehr ausgegeben wird. Das ist aber ein
Trugschluss, Anflüge werden keineswegs einfacher, da der föhnige Süd- bzw. Südostwind
im Platzbereich wesentlich böiger und turbulenter ist als der Westwind.

Aufgrund dieser Überlegungen ist die Flugwetterdienststelle Innsbruck zu dem Schluss
gekommen, auch nach Föhndurchbruch die Windscherungswarnungen aufrecht zu
erhalten. Begründet wird das unter anderem auch dadurch, dass nach Föhndurchbruch
zwar keine zwei Luftmassen mehr existieren würden, die an einer Scherungsfläche
aneinander treffen. Windscherungen in Form von Turbulenzen und Rotoren treten aber
genauso auf, wenn nicht sogar noch intensiver.

2.2        Flugverlauf

Beim Anflug und zum Zeitpunkt des Unfalls um 08:56 Uhr herrschten gute Sichtverhältnisse.
Die Besatzung wurde sowohl vor, als auch während des Fluges umfassend bezüglich der
Wetterlage informiert, bzw. holte diese Informationen selbst ein. Eine Warnung betreffend
Windscherung war zum Unfallzeitpunkt nicht mehr gültig. Dass der Anflug zeitnah zu einer
gerade im Aufbau befindlichen Südföhnlage begonnen wurde, war der Besatzung
zumindest seit dem Briefing vor dem Abflug bekannt.

Für die in diesem Briefing angesprochene Möglichkeit, dass der erfahrene und mit dieser
Wetterlage vertraute Kapitän als Pilot Flying bei einer Verschlechterung der Bedingungen
den Anflug und die Landung durchführen wird, bestand aufgrund der verfügbaren
Informationen keine Veranlassung.

Die Flugvorbereitung und auch die Wetteranalysen während des Fluges wurden gemäß
den Standards und entsprechend den geltenden Vorschriften durchgeführt. Der Anflug
wurde vom Copiloten gemäß dem veröffentlichten Föhn-Anflugverfahren durchgeführt. Es
traten im Endanflug zwar kurzfristige Überschreitungen der Kriterien für einen

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stabilisierten Anflug auf, diese wurden jedoch unmittelbar erkannt und zielführend
korrigiert. Der Anflug ist daher gemäß OM-A 8.4.5.15 als Stabilized Approach zu
bezeichnen.

Die Überschreitung des Nose-Up Limits während des Aufsetzens war minimal (7,65° beim
Aufsetzen vs. 7,6° Limit bei voller Kompression der Federbeine, siehe Abschnitt 1.6.7). Es
ist durchaus möglich, dass die betrieblich notwendige Bombierung der Runway per
Dachprofil zum Unfallgeschehen beigetragen hat.

In der allerletzten Phase des Anflugs kam es zu einer plötzlichen Abnahme der
Windgeschwindigkeit. Die Steigerung der Triebwerksleistung als Reaktion darauf war zwar
richtig, sie kam jedoch zu spät. Die Abnahme der Windgeschwindigkeit trat allerdings erst
etwa 3 Sekunden vor dem Aufsetzen auf, was dem Piloten an sich schon sehr wenig Zeit
zum Reagieren einräumt. Wäre mehr Leistung gesetzt worden, hätte dies das Nose-Up
Nickmoment weiter erhöht. Wenn überhaupt hätte der Kontakt des Hecks mit der Piste
unter den gegebenen Umständen und unter Berücksichtigung der Reaktionszeit des
Piloten sowie der (Massen-) Trägheit des Luftfahrzeuges nur bei Inkaufnahme einer
höheren Vertikalbeschleunigung (G-Load) bei der Landung verhindert werden können.

Windscherungen und Turbulenzen sind typisch für Föhnlagen. Fluktuationen der
Windgeschwindigkeit wie im gegenständlichen Fall können jedoch nicht nur in
Kombination mit Föhnlagen sondern generell jederzeit auftreten. Ob ein sofort
eingeleitetes Durchstartmanöver den Kontakt des Flugzeughecks mit der Piste verhindert
hätte, lässt sich aus den vorliegenden Parametern nicht eindeutig ableiten.

2.3        Luftfahrzeug

2.3.1 Beladung und Schwerpunkt
Sowohl die Masse des Flugzeugs als auch die Lage des Schwerpunkts lagen während des
gesamten Fluges im zulässigen Bereich.

2.3.2 Luftfahrzeugwartung
In den zur Verfügung gestellten Wartungsaufzeichnungen wurde kein Hinweis auf
fehlende, noch offene bzw. nicht durchgeführte Wartungen oder Überprüfungen
gefunden.

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2.4        Besatzung

2.4.1 Humanfaktoren (Crew Resource Management)
Das Führungsverhalten des Kapitäns, die Kooperation zwischen den beiden Piloten, die
gemeinsame Entscheidungsfindung vor dem Anflug, sowie die dazu gehörende
Kommunikation können nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Unterlagen
durch die Sicherheitsuntersuchungsstelle als optimal bezeichnet werden.

Die Entscheidung des Kapitäns, dem Copiloten die Aufgaben des Pilot Flying zu
übertragen, war durch die Vorgaben aus dem OM-A gedeckt. Das OM-A räumt dem
Kapitän dieses Delegieren der Aufgaben ein. Als Grund dafür wird die Möglichkeit zur
Verbesserung der fliegerischen Fähigkeiten (Skills, Fachkönnen) angegeben. Es kann aber
daraus auch die Wichtigkeit und auch die Verantwortung ersehen werden, im alltäglichen
Betrieb die Copiloten auf eine spätere Umschulung und auch auf die Aufgaben eines
Kapitäns rechtzeitig vorzubereiten.

Alle Copiloten, welche noch nicht die erforderliche Flugerfahrung für eine Umschulung
zum Kapitän mitbringen, müssen praxisnah diese Erfahrungen sammeln. Die Wetterlage
am Unfalltag war zwar keinesfalls ideal, sie eignete sich aber sehr gut dazu, um auch als
Copilot in der Funktion des Pilot Flying Situationen wie diesen Anflug am Beginn einer
Föhnlage zu erleben.

Allerdings räumt das OM-A einem Kapitän auch die Möglichkeit ein, jeden Flug selbst als
Pilot Flying durchzuführen und den Copiloten ausschließlich mit den Aufgaben des Pilot
Monitoring zu betrauen. Ein Hinweis, dass dies im Hinblick auf ein zielführendes CRM
nicht ideal ist, wäre sinnvoll.

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