VENICE BAROQUE ORCHESTRA - 27.11.2013 MAURICE STEGER BLOCKFLÖTE

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VENICE BAROQUE ORCHESTRA - 27.11.2013 MAURICE STEGER BLOCKFLÖTE
27.11.2013
VENICE BAROQUE ORCHESTRA
MAURICE STEGER BLOCKFLÖTE

SAISON 2013/2014 ABONNEMENTKONZERT 3
Mittwoch, 27. November 2013, 20 Uhr                            LEONARDO LEO      Concerto G-Dur für Flöte, Streicher und
                                       Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal                                (1694 – 1744)   Basso continuo
                                                                                                                        Allegro
                                                                                                                        Siciliano. Largo
                                       VENICE BAROQUE ORCHESTRA                                                         Allegro
                                       MAURICE STEGER BLOCKFLÖTE
                                                                                                                        Pause

                  ANTONIO VIVALDI      Sinfonia A-Dur für Streicher und Basso continuo RV 158   FRANCESCO GEMINIANI     Concerto grosso d-Moll „La follia“ nach Arcangelo
                       (1678 – 1741)   Allegro molto                                                    (1687 – 1762)   Corelli op. 5 Nr. 12
                                       Andante molto                                                                    Adagio – Allegro – Adagio – Vivace – Allegro – Andante –
                                       Allegro                                                                          Allegro – Adagio – Adagio – Allegro – Adagio – Allegro

                 DOMENICO SARRI        Concerto Nr. 11 a-Moll für Blockflöte, zwei Violinen,         ANTONIO VIVALDI     Concerto g-Moll für Flöte und Streicher RV 439
                       (1679 – 1744)   Viola und Basso continuo                                                         „La notte“
                                       Largo – Staccato e dolce                                                         Largo – Presto „Fantasmi“ – Largo – Presto –
                                       Allegro                                                                          Largo „Il sonno“ – Allegro
                                       Larghetto
                                       Spiritoso                                                                        Concerto D-Dur für Flöte und Streicher RV 428
                                                                                                                        „Il gardellino“
                TOMASO ALBINONI        Concerto G-Dur für Streicher und Basso continuo                                  Allegro
                       (1671 – 1751)   op. 7 Nr. 4                                                                      Cantabile
                                       Allegro                                                                          Allegro molto
                                       Largo
                                       Allegro

                                                                                                                        Das Konzert wird am Sonntag, den 22. Dezember 2013, um 11 Uhr
                                                                                                                        auf NDR Kultur gesendet.

02 | PROGRAMMABFOLGE                                                                                                                                                  PROGRAMMABFOLGE | 03
VENICE BAROQUE ORCHESTRA                                               VENICE BAROQUE ORCHESTRA
BESETZUNG
                                                                       Im Jahr 1997 gründete Andrea Marcon das Venice       Umfangreiche Tourneen während der Saison
ERSTE VIOLINEN      VIOLA                    CEMBALO                   Baroque Orchestra, welches sich als eines der        2007/08 führten das Orchester mit Giuliano
Luca Mares          Alessandra Di Vincenzo   Massimiliano Raschietti   führenden Ensembles Europas auf Alte Musik und       Carmignola nach Südamerika. In 2013/2104
                                                                       das Musizieren auf authentischen Instrumenten        stehen Tourneen in Europa, USA und Asien mit
Gianpiero Zanocco   Meri Skejic                                        spezialisiert hat. Highlights der vergangenen        Andrea Marcon und Philippe Jaroussky an.
Michele Lot                                                            Saison waren eine USA Tournee in 28 Städte mit
Mauro Spinazzè      VIOLONCELLO                                        Robert McDuffie und der Aufführung des neuen         Ein erfolgreicher Teil der Arbeit des Orchesters ist
                                                                       Philip Glass Violinkonzerts „The American Four       es, in Vergessenheit geratene Werke des Barock
                    Daniele Bovo                                       Seasons“, eine Japan- und Koreatournee mit           neu vorzustellen. So führte es unter Andrea Marcon
ZWEITE VIOLINEN                                                        Giuliano Carmignola, eine Österreich- und Frank-     u. a. Francesco Cavallis Oper „L’Orione“ auf.
Giorgio Baldan      VIOLONE                                            reichtournee mit Patricia Petibon und Vivaldi’s      2004 wurde Händels „Siroe“ mit dem Orchester
                                                                       „Senna festeggiante“ im Concertgebouw Amster-        zum ersten Mal in den Vereinigten Staaten an der
Giacomo Catana      Alessandro Pivelli                                 dam. Des Weiteren standen Cellokonzerte von          Brooklyn Academy of Music aufgeführt. Für seine
Giuseppe Cabrio                                                        Tartini und Vivaldi mit Gautier Capuçon in Heidel-   Aufnahmen wurde das Orchester mit dem Dias-
                                                                       berg, Essen und Berlin, Pergolesis Stabat Mater      pason D’Or, dem Choc du Monde de la Musique,
                                                                       im Théatre des Champs-Elysées mit Veronica           dem Echo Klassik Preis und dem Edison Award
                                                                       Cangemi und Sara Mingardo, eine Monteverdi-          ausgezeichnet.
                                                                       Vesper beim Bachfest Leipzig sowie eine Europa-
                                                                       tournee mit Magdalena Kožená unter der Leitung       Das Venice Baroque Orchestra wird gefördert
                                                                       von Andrea Marcon an.                                von der Fondazione Cassamarca in Treviso.

04 | BESETZUNG                                                                                                                                     VENICE BAROQUE ORCHESTRA | 05
MAURICE STEGER                                                                                                VON DISTELFINKEN UND NACHTGESPENSTERN
BLOCKFLÖTEN                                                                                                   ITALIENISCHE KONZERTE MIT UND OHNE SOLO-BLOCKFLÖTE
Maurice Steger wurde 1971 in Winterthur geboren,                                                              Hilfsmittel zur musikalischen Früherziehung,           Werke Antonio Vivaldis ebenso wie die der beiden
er lebt in Zürich, wo er auch seine erste musika-                                                             Eltern-Folterinstrument, Inbegriff harmloser Haus-     Neapolitaner Domenico Sarri und Leonardo Leo.
lische Ausbildung erhielt. Es folgten ein Studium                                                             musik – die bekannten Blockflöten-Klischees sind
der Aufführungspraxis Alter Musik sowie die                                                                   nicht gerade schmeichelhaft für ernsthafte Spieler     Antonio Vivaldi komponierte Solokonzerte sowohl
Ausbildung zum Dirigenten, wobei er besondere                                                                 des Instruments, geben allerdings eine völlig          für die Block- als auch die Traversflöte. Seine um
Impulse von Marcus Creed und Reinhard Goebel                                                                  falsche Vorstellung von seinen klanglichen und         1729 erschienene Sammlung op. 10 ist zwar aus-
erhielt. Spätestens seit ihn „The Independent“                                                                musikalischen Möglichkeiten. Die Ursachen des          drücklich für „flauto traverso“ bestimmt, doch wenn
als „the world’s leading recorder virtuoso“ feierte,                                                          Image-Problems liegen in der Historie wie auch         Maurice Steger zwei Stücke daraus – die Konzerte
gehört Steger mit seiner weltweiten Konzerttätig-                                                             in der Bauart der Blockflöte: Sie erreichte den        Nr. 2 RV 439 und Nr. 3 RV 428 – auf der Blockflöte
keit als Blockflötist wie auch als Dirigent zu den                                                            Gipfelpunkt ihrer Popularität und Spielkultur in der   spielt, begeht er keineswegs ein Sakrileg. Schließ-
führenden Interpreten auf dem Gebiet der Alten                                                                Barockzeit, wurde aber im Lauf des 18. Jahrhun-        lich bediente sich Vivaldi selbst, als er die sechs-
Musik. Konzerttourneen führten ihn mit den                                                                    derts zunehmend durch die Traversflöte (Querflöte)     teilige Reihe zusammenstellte, bei älteren Eigen-
Violons du Roy durch die USA und Kanada; eine                                                                 verdrängt, und war um 1800, außer unter Amateur-       kompositionen für andere Besetzungen, oft mit
ausgedehnte Zusammenarbeit verbindet ihn mit                                                                  musikern, nicht mehr in Gebrauch. Immer größere        Beteiligung der Blockflöte. Warum er diese Stücke
The English Concert. Regelmäßig arbeitet Maurice                                                              Orchester und Konzerthallen verlangten nun einmal      umarrangierte, ist zwar nicht eindeutig belegt,
Steger mit den Barocchisti, der Akademie für                                                                  einen entsprechend stärkeren Klang, und dieser         aber eine Erklärung bietet sich an: Sein Verleger
Alte Musik Berlin, dem Barockorchester Europa                                                                 Entwicklung konnte die Blockflöte nicht folgen.        dürfte bei ihm Solokonzerte für Traversflöte bestellt
Galante und dem Venice Baroque Orchestra.                                                                     Dass man auf ihr dennoch ungemein ausdrucksvoll,       haben. Offenbar hatte Vivaldi aber weder Zeit für
Hinzu kommen zahlreiche Auftritte als Dirigent                                                                dramatisch und virtuos spielen kann, zeigen die        Neukompositionen noch Originalwerke auf Lager.
und als Solist moderner Orchester wie dem               Naoki Kitaya, Sergio Ciomei oder Mauro Valli, aber
Zürcher Kammerorchester und dem Musikkollegi-           auch mit seinem eigenen Ensemble erarbeitet
um Winterthur, dem Brandenburgischen Staats-            Maurice Steger immer wieder ein neues, über
orchester Frankfurt, dem Staatsorchester                Jahrhunderte quasi ungehört gebliebenes Reper-
Braunschweig und den Berliner Barock Solisten,          toire aus vergangenen Zeiten. Konzerte führten
der NDR Radiophilharmonie, dem Taipei Sym-              ihn u. a. in den Herkulessaal München, in die Phil-
phony Orchestra sowie dem Malaysia Symphony             harmonie Berlin, Laeiszhalle Hamburg, Victoria
Orchestra. Dabei arbeitete er wiederholt mit            Hall Genève, Wigmore Hall London, ins KKL Luzern,
renommierten Künstlern wie Cecilia Bartoli,             in den Musikverein Wien sowie in die Suntory Hall
Hilary Hahn, Andreas Scholl, Bernard Labadie,           Tokyo und ins National Theatre Taipei.
Fabio Biondi, Sandrine Piau, Diego Fasolis,
Sol Gabetta, Thomas Quasthoff oder Nuria Rial.

Einen ebenso wichtigen Teil in Maurice Stegers
künstlerischer Tätigkeit bilden Programme in
kleiner, kammermusikalischer Besetzung sowie
Solorezitale. Im Teamwork mit ausgesuchten
Spezialisten Alter Musik wie Hille Perl, Lee Santana,                                                         Jean-Baptiste Oudry: „Stillleben mit Violine und Blockflöte“, Gemälde von 1741

06 | SOLIST                                                                                                                                                                                                PROGRAMM | 07
Er konnte zwar am Ospedale della Pietà, dem           Verlage verkauften nur im eigenen Laden; Le Cène       NEAPOLITANISCHE OPERISTEN AUF ABWEGEN
venezianischen Waisenhaus und Mädchen-Musik-          dagegen verfügte über ein modernes Vertriebsnetz       Aus der wohl wichtigsten Sammelhandschrift der
konservatorium, das ihn jahrzehntelang als Lehrer,    mit Agenten in jedem größeren Handelszentrum.          Blockflöten-Literatur, den auf das Jahr 1725 datier-
Orchesterleiter, Komponist und Instrumenten-                                                                 ten „Ventiquattro concerti di Flauto, Violini, Violetta
einkäufer beschäftigte, mit allen nur erdenklichen    Im Fall der Reihe op. 10 lag ein besonderes Ver-       e Basso, di Diversi Autori“, stammt das Concerto
Instrumenten experimentieren – selbst so exoti-       kaufsargument wohl in den fantasieanregenden           a-Moll von Domenico Sarri. Das Manuskript vereint
sche wie Mandoline, Dudelsack, Chalumeau, Viola       Titeln der ersten drei Konzerte: „La tempesta di       die wichtigsten neapolitanischen Komponisten der
all’inghlese oder Psalterium wurden von ihm           mare“ (Der Seesturm), „La notte“ (Die Nacht) und       Zeit: Francesco Mancini steuerte zwölf Werke bei,
bedacht. Doch die Traversflöte war in Italien noch    „Il gardellino“ (Der Distelfink, im modernen Italie-   Alessandro Scarlatti sieben, und von fünf weiteren
nicht weit verbreitet; an der Pietà wurde sie erst    nisch „cardellino“ geschrieben). Tonmalerei und        Musikern, unter ihnen Sarri, ist jeweils ein Stück
1728 eingeführt.                                      außermusikalische Programme waren damals               enthalten. Merkwürdigerweise haben sich aus dem
                                                      durchaus nicht ungewöhnlich: Schon im 16. Jahr-        frühen 18. Jahrhundert keine süd-, sondern nur
So kam es, dass Vivaldi nur eines der Konzerte        hundert hatten italienische Madrigalkomponisten        norditalienische Blockflöten erhalten. Es muss aber
aus op. 10 (Nr. 4, RV 435) eigens für die aktuelle    bestimmte Rhythmen und Melodietypen für die            im Umfeld des vizeköniglichen Hofs von Neapel
Veröffentlichung schrieb; bei den übrigen behalf      Darstellung von Schlachten, Vogelkonzerten oder        bedeutende Virtuosen des Instruments gegeben
er sich mit Adaptionen. Die beiden Werke des          Jagdszenen entwickelt, und auch in der Oper des        haben – anders wäre die Existenz der Handschrift
heutigen Programms waren ursprünglich Kammer-         17. und 18. Jahrhunderts waren solche Schilde-         nicht zu erklären.
konzerte mit einfach besetzten Stimmen: Flöte,        rungen weit verbreitet. Vivaldi, der übrigens auch
zwei Violinen, Fagott und Generalbass verlangte das   ein sehr fruchtbarer Opernkomponist war, hinter-       Domenico Sarri, der in anderen Quellen auch
Konzert RV 104, das Vivaldis op. 10 Nr. 2 (RV 439,    ließ mehr als 20 Konzerte mit besonderen Titeln.       „Sarro“ oder „Sarra“ geschrieben wird, ist heute
„La notte“) zugrunde lag; Flöte, Oboe, Violine,       Manche dieser Bezeichnungen, wie etwa „Grosso          nur noch Spezialisten ein Begriff, zählte in seiner       Leonardo Leo
Fagott und Generalbass waren es in RV 90, dem         mogul“ (Violinkonzert RV 208), sind nur scherzhafte    Zeit jedoch zu den meistbeschäftigten Opernkom-
späteren op. 10 Nr. 3 (RV 428, „Il gardellino“).      Beinamen, doch dem Flötenkonzert „La notte“            ponisten. Aus Apulien stammend, kam er bereits            Ebenfalls vor allem als Opernkomponist, aber auch
Gerade beim letztgenannten Stück erklärt sich         liegt, ebenso wie ja auch den berühmten „Vier          mit sechs oder sieben Jahren in die Opern-Metro-          durch seine Kirchenmusik wurde Leonardo Leo
die ungewöhnlich intensive Beteiligung der            Jahreszeiten“, ein echtes Programm zugrunde.           pole am Vesuv, erhielt eine gründliche Ausbildung         bekannt; außerdem war er Direktor des Konserva-
Streicher an der Solobegleitung aus der ganz          Es beschreibt die Seelenzustände eines Menschen        am Conservatorio Sant’ Onofrio (einem der vier            toriums Sant’ Onofrio. Sein Konzert G-Dur entstand
anders angelegten Erstfassung.                        in der Nacht: Das einleitende Largo erzeugt eine       Musikkonservatorien Neapels) und errang schon             einige Jahre nach den Blockflötenkonzerten Sarris
                                                      unheimlichen Ruhe, bevor im anschließenden             1704, mit 25 Jahren, die Position des Vizehof-            und seiner Kollegen, von denen es sich durch sei-
TONMALEREI UND PROGRAMME                              Presto die „Fantasmi“, also die Gespenster, den        kapellmeisters. 1728 wurde er Kapellmeister der           nen fast schon galanten, spielerisch-leichten Stil
Gedruckt wurde Vivaldis Sammlung op. 10 nicht         Schlaflosen heimsuchen. Der erlösende Schlaf           Stadt Neapel und 1737 erster Kapellmeister am             unterscheidet. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war es
etwa in seiner Heimatstadt Venedig, sondern in        („Il sonno“) wird in einem weiteren Largo durch        Hof. Sarri schrieb neben seinen rund 60 Opern auch        für die Traversflöte bestimmt, und vielleicht ließ
Amsterdam bei Michel-Charles Le Cène. Wie bereits     lange Haltetöne im Piano dargestellt; dieser Satz      Oratorien, Intermezzi und Serenaten, aber offen-          sich Leo ja durch den berühmten Traversflötisten
sein Vorgänger Estienne Roger konnte Le Cène          ist mit Dämpfern und ohne Cembalo zu spielen.          bar nur wenige Instrumentalstücke: Außer dem              Johann Joachim Quantz, den späteren Lehrer des
eine hervorragende Druckqualität bieten, da er mit    Nicht ganz so deutlich ist der außermusikalische       Blockflötenkonzert sind nur noch einige Sonaten           Preußenkönigs Friedrich II., zu dem Werk anregen.
dem Notenstich arbeitete, während venezianische       Bezug im Konzert „Il gardellino“, doch immerhin        bekannt. Vor allem die beiden langsamen Sätze             Quantz verbrachte 1725 einige Monate in Neapel.
Verlage noch das veraltete System mit beweglichen     imitiert der Solist unmittelbar nach dem Ein-          des Konzerts erinnern durch ihre gesanglichen
Typen nutzten. Außerdem ermöglichte der Amster-       leitungsritornell den Gesang des Vogels. Danach        Melodien und die (vom Interpreten einzufügenden)          SOLISTENLOSE KONZERTE
damer Geschäftsmann seinen Komponisten (unter         rufen gelegentliche Triller in der Solostimme          Verzierungen an Opernarien.                               Neben originalen und adaptierten Blockflötenkon-
ihnen auch Geminiani, Locatelli, Händel, Quantz       immer wieder den programmatischen Vorwurf                                                                        zerten enthält das heutige Programm auch einige
und Telemann) eine weite Verbreitung: Italienische    in Erinnerung.                                                                                                   recht unterschiedlich konzipierte Werke ohne

08 | PROGRAMM                                                                                                                                                                                              PROGRAMM | 09
Solisten. Das Eröffnungsstück zählt zu den rund                                                              Europa nach Venedig strömten. Von Zeit zu Zeit          op. 5 Nr. 12) schließt, wurde 1729 veröffentlicht.
60 Kompositionen, die Antonio Vivaldi mal als                                                                fasste er sie zu Zwölferpacks zusammen, die er          Bereits in der Originalfassung stellt das Stück
„Concerto a quattro“, mal als „Sinfonia“, am tref-                                                           veröffentlichte – anfangs in Venedig, später dann,      einen Sonderfall dar: Es folgt weder der mehrsät-
fendsten aber als „Concerto ripieno“ bezeichnete.                                                            (wie Vivaldi) in Amsterdam. Albinonis op. 7 er-         zigen Form der Kirchensonate noch jener der
Das Ripieno ist der in jeder Stimme mehrfach                                                                 schien 1715 bei Estienne Roger. Die Sammlung            (tanzbetonteren) Kammersonate, sondern besteht
besetzte Streicherkörper, und das Ripienkonzert                                                              enthält vier Konzer te mit einer und vier mit zwei      nur aus einem einzigen, langen Variationssatz.
demnach ein Konzert für Streichorchester. Bekannt                                                            Solo-Oboen, dazu vier reine Streicher-Concerti,         Sein Thema ist die „Folia“ – wenn man denn von
wurde Vivaldi ja vor allem durch seine Solokon-                                                              zu denen auch das G-Dur-Werk op. 7 Nr. 4 zählt.         einem Thema sprechen mag. Denn variiert wird hier
zerte, deren schnelle Sätze er nach einem immer                                                              Eine Spezialität Albinonis war der fünfstimmige Satz    keine Melodie, sondern ein Bass-Harmonie-Muster.
gleichen, allerdings fantasievoll abgewandelten                                                              mit einer zweiten Bratschenstimme. Auch die             Im 17. und 18. Jahrhundert gab es eine ganze
Schema gestaltete, der sogenannten „Ritornellform“.                                                          Kompositionen aus op. 7 sind „Concerti a cinque“.       Reihe solcher allgemein bekannter Modelle, die
Sie setzt sich aus vier oder fünf Tutti-Abschnitten                                                                                                                  als Grundlage gemeinsamen Improvisierens, aber
(Ritornellen) und drei oder vier eingeschobenen                                                              Francesco Geminiani als Autor des Schlussstücks         auch komponierter Variationen genutzt wurden.
Solopassagen (Couplets) zusammen. Die Ritornelle                                                             anzugeben, ist im Grunde nicht ganz korrekt.            Charakteristisch für die Folia ist außer den stan-
stehen auf den harmonischen Hauptstufen; die                                                                 „La Folia“ ist Teil einer Reihe, in der Geminiani die   dardisierten Harmonien (d, A, d, C, F, C, d, A) das
Soli modulieren dagegen durch die Tonarten, sie                                                              zwölf Violinsonaten op. 5 seines Lehrers Arcangelo      Metrum: ein Dreiertakt ähnlich der Sarabanda oder
werden aus den Ritornellen durch freie Fortspin-                                                             Corelli zu Concerti grossi umarbeitete. Die durch-      Ciaconna. Auf einen Tanz geht sie auch ursprüng-
nung gewonnen und bieten Raum für Virtuosität.                                                               aus eigenständigen, um zusätzliche Stimmen für          lich zurück. Er stammte aus Portugal und wurde
Vivaldis Ripienkonzerte gleichen in ihrer dreisätzi-                                                         zweite Violine und Viola ergänzten Arrangements         dort rasend schnell ausgeführt – daher der Name,
gen Grundform (schnell-langsam-schnell) den                                                                  erschienen in zwei Bänden in London, wo Geminiani       der sich mit „Tollheit“ übersetzen lässt. Während
Solokonzerten, doch für die einzelnen Sätze musste     Francesco Geminiani, Crayonstich von                  den größten Teil seines Lebens verbrachte. Band 2,      sich die Folia über ganz Europa verbreitete, wurde
er andere Lösungen finden, weil der Wechsel von        Jean-Baptiste Lucien                                  der mit dem Konzert „La Folia“ (Corellis Sonate         zwar das Grundtempo immer langsamer, doch die
Solo und Tutti als Formprinzip ausfiel. Die meisten                                                                                                                  „Tollheit“ blieb: Über den ruhig wechselnden Bass-
schnellen Sätze gestaltete er sehr knapp und           ten-Fabrikant, und er selbst nannte sich „Musico                                                              tönen ließen sich umso wildere Oberstimmen-
motivisch einheitlich; langsame Mittelsätze ver-       di violino dilettante veneto“ (auf dem Titelblatt                                                             Variationen anbringen.
kürzte er oft zu bloßen Überleitungen. Im Kopfsatz     seines Opus 1 aus dem Jahr 1694). Er verstand
der Sinfonia A-Dur RV 158 verfuhr Vivaldi jedoch       sich also als vornehmer Musikliebhaber, der vom                                                               Jürgen Ostmann
anders, indem er die Gruppen der ersten und            Ertrag seiner Arbeit nicht leben musste – zunächst
zweiten Violinen in einen lebhaften Dialog treten      jedenfalls, denn später ging das Familienunter-
ließ. Das zentrale, ungewöhnlich umfangreiche          nehmen bankrott. Doch obwohl Albinoni nun fak-
Andante molto überrascht gegen Ende mit einer          tisch Berufsmusiker war, wurde er nie Mitglied der
bizarren Unisono-Passage. Und das Finale des           offiziellen venezianischen Musikervereinigungen
gleichen, wohl relativ spät entstandenen Werks         und ließ sich auch nur selten in der Öffentlichkeit
nimmt einige Züge der klassischen Sonaten-             auf seinem Instrument, der Violine, hören. Statt-
satzform vorweg.                                       dessen komponierte er unermüdlich – Serenaten,
                                                       Kantaten und Opern, die ihn in Venedig und in
VIVALDIS KONKURRENTEN                                  anderen italienischen Städten bekannt machten,
Tomaso Albinoni galt unter den venezianischen          aber auch Sonaten, Concerti und Sinfonien.
Musikern seiner Zeit als Außenseiter. Sein Vater       Abschriften dieser Instrumentalwerke verkaufte
war ein wohlhabender Papierwaren- und Spielkar-        er an adelige Touristen, die im Winter aus ganz       Francesco Geminiani: Titelblatt der Concerti grossi

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KONZERTVORSCHAU
NDR DAS ALTE WERK                                                  Abo-Konzert 5                                                      NDR PODIUM DER JUNGEN                       NDR SINFONIEORCHESTER
                                                                   Mittwoch, 26. Februar 2014, 20 Uhr
ABONNEMENTKONZERTE                                                 Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal                                  Samstag, 8. Februar 2014, 20 Uhr            KA1a | Freitag, 29. November 2013, 20 Uhr
                                                                   LYRIARTE & VALER SABADUS                                           Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio             KA1b | Samstag, 30. November 2013, 20 Uhr
Abo-Konzert 4                                                      Ensemble Lyriarte                                                  BELCANTO                                    Hamburg, Kampnagel
Mittwoch, 29. Januar 2014, 20 Uhr                                  Valer Sabadus Countertenor                                         NDR Radiophilharmonie                       BEN HUR
Hamburg, Laeiszhalle, Großer Saal                                  Werke von                                                          Vassilis Christopoulos Leitung              NDR Sinfonieorchester
Accademia Bizantina                                                GEORG FRIEDRICH HÄNDEL und                                         Olena Tokar Sopran                          Stefan Geiger Dirigent
NDR Chor                                                           NICOLA ANTONIO PORPORA                                             Petter Moen Tenor                           „Ben Hur“ – Stummfilm von FRED NIBLO mit der
Ottavio Dantone Cembalo und Leitung                                19 Uhr: Einführungsveranstaltung im Kleinen Saal der Laeiszhalle
                                                                                                                                      Jan Štáva Bass                              Musik für großes Orchester von CARL DAVIS
Karina Gauvin Sopran                                                                                                                  Arien und Opernauszüge von
Yetzabel Arias Fernandez Sopran                                                                                                       WOLFGANG AMADEUS MOZART, GIACOMO PUCCINI,
Sonia Prina Alt                                                                                                                       GIACHINO ROSSINI, IGOR STRAWINKSY,
Delphine Galou Alt                                                                                                                    ERICH KORNGOLD, PETER TSCHAIKOWSKY u. a.    NDR CHOR
Milena Storti Alt
ANTONIO VIVALDI                                                                                                                                                                   Donnerstag, 5. Dezember 2013, 20 Uhr
„Juditha Triumphans“ Oratorium in zwei Teilen                                                                                                                                     Freitag, 6. Dezember 2013, 20 Uhr
für Soli, Chor und Orchester RV 645                                                                                                                                               Hamburg, Rolf-Liebermann-Studio
19 Uhr: Einführungsveranstaltung im Kleinen Saal der Laeiszhalle
                                                                                                                                                                                  HYMNE À LA NUIT
                                                                                                                                                                                  NDR Chor
                                                                                                                                                                                  Jean-Christophe Cholet Leitung und Komposition
                                                                   Valer Sabadus                                                                                                  Cholet-Känzig-Papaux-Trio
                                                                                                                                                                                  Elise Caron Vocals
                                                                                                                                                                                  In Kooperation mit NDR jazz.

                                                                                                                                      Olena Tokar

Ottavio Dantone

                                                                                                                                                                                  Karten im NDR Ticketshop im Levantehaus,
                                                                                                                                                                                  Tel. (040) 44 192 192, online unter ndrticketshop.de

12 | KONZERTVORSCHAU                                                                                                                                                                                                     KONZERTVORSCHAU | 13
In Hamburg auf 99,2

                                                                                                                                        Foto: © [M] Stockbyte, Stefano Stefani | Photodisc, ccvision
IMPRESSUM                                                                             Weitere Frequenzen unter
                                                                                      ndr.de/ndrkultur
Herausgegeben vom                            Fotos:
NORDDEUTSCHEN RUNDFUNK                       [M] plainpicture (Titel)
PROGRAMMDIREKTION HÖRFUNK                    Harald Hoffmann (S. 5)
BEREICH ORCHESTER UND CHOR                   Marco Borggreve (S. 6)
Rothenbaumchaussee 132 | 20149 Hamburg       akg-images (S. 7, S. 9, S. 10, S. 11)
dasaltewerk@ndr.de                           Ribalta Luce (S. 12 links)
                                             Arne Schultz (S. 12 rechts)
NDR Das Alte Werk im Internet:               Dorothee Falke (S. 13)
www.ndr.de/dasaltewerk
                                             NDR | Markendesign
Leitung: Andrea Zietzschmann                 Gestaltung: Klasse 3b, Hamburg
                                             Litho: Otterbach Medien KG GmbH & Co.
Redaktion NDR Das Alte Werk: Angela Piront   Druck: Nehr & Co. GmbH
Redaktionsassistenz: Janina Hannig
                                             Nachdruck, auch auszugsweise,
Redaktion des Programmheftes:                nur mit Genehmigung des NDR gestattet.
Dr. Ilja Stephan

Der Text von Jürgen Ostmann
ist ein Originalbeitrag für den NDR.

                                                                                             Die Konzerte der Reihe NDR Das Alte Werk
                                                                                             hören Sie auf NDR Kultur

14 | IMPRESSUM
                                                                                                                 Hören und genießen
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