Veränderungen in der Reifeentwicklung der Trauben im Südtiroler Weinbau laut den Daten der jährlichen Reifetests von 1985 bis heute
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Veränderung in der Reifeentwicklung 03/2021 Laimburg Journal Full Paper Veränderungen in der Reifeentwicklung der Trauben im Südtiroler Weinbau laut den Daten der jährlichen Reifetests von 1985 bis heute Changes in the ripening development of grapes in South Tyrolean viticulture according to the data of the annual ripeningtests from 1985 up to now Cambiamenti nello sviluppo della maturazione dell’uva in Alto Adige secondo i dati dei test di matura- zione annuali dal 1985 ad oggi Barbara Raifer1, Andreas Sölva1, Eva Überegger1, Christoph Sanoll1, Josef Terleth1, Florian Haas1 1 Versuchszentrum Laimburg, Pfatten, Italien ABSTRACT KEYWORDS grapevine, ripening development, Since 1985, the Laimburg Research Centre has been carrying out, on on a weekly (a few climate change, sugar, acidity weeks before full ripening), a test on the most important South Tyrolean grape for the pur- pose of monitoring the ripening status and help winegrowers to plan their harvest. The re- CITE ARTICLE AS sulting data represent at the same time an interesting documentation of the changes which Raifer Barbara, Sölva Andreas, Überegger Eva et.al. (2021). occurred during this period. In addition to climate changes, with increasing average tempe- Changes in the ripening ratures, the last three and a half decades in South Tyrol have been characterized by major development of grapes in South changes in viticulture and, in particular, by the pursuit of higher grape and wine quality. Tyrolean viticulture according to Today we register the same grape ripeness stage 19 to 50 days earlier than in 1985; the the data of the annual ripeningtests from 1985 up to now. majority of cases has in average an about 3-weeks earlier ripening. It is not possible to de- Laimburg Journal 03/2021 termine from the available data to what extent these changes are due to the changing cli- DOI: 10.23796/LJ/2021.003 matic conditions or changes in cultivation. However, the latter might also play a role, espe- cially in cases with an above-average early ripening. CORRESPONDING AUTHOR At the same sugar content, the total acidity of musts did not decrease; likewise, the pH va- Barbara Raifer Laimburg 6, Pfatten, 39040 Auer, lues did not increase. This should have been expected due to the warmer conditions during Italien the ripening period of the grapes. Rather, data show that, for the same sugar content, the barbara.raifer@laimburg.it total acidity values have either remained similar or are higher today than in the past. In some 00390471969616 cases, with the same total acidity, the pH values are also lower today than in the past.
03/2021 Laimburg Journal Veränderung in der Reifeentwicklung EINLEITUNG einiger Zusatzinformationen einiges mehr entsprechendem Zugang zu Bewässerungs- an Information und Aussagen erlaubt. Dem wasser ausgestattet. Die zeitlichen Veränderungen in der phäno- war nicht so und daher stößt man bei der logischen Entwicklung der Reben, der Essigfäule kam Mitte bis Ende der 80er Jahre Auswertung der Daten auch schnell an Gren- frühere Austrieb, die um zwei bis drei Wo- des letzten Jahrhunderts auf. Das Phänomen zen. Aber auch so erlauben die Reifetestda- chen frühere Blüte und auch der frühere Rei- war bis dahin so gut wie unbekannt und ten noch interessante Einblicke und bezeu- febeginn und Erntezeitpunkt lassen keinen löste die gefürchtete Traubenfäule oder gen, wie deutlich sich die Realitäten im Süd- Zweifel aufkommen, das Klima hat sich be- Botrytis weitgehend ab. Die Ertragsausfälle tiroler Weinbau in den letzten Jahrzehnten reits deutlich verändert [1] [2] [3] [4]. Wir waren bei den Sorten unterschiedlich hoch, verändert haben. ernten heute Trauben mit höheren Zucker- vor allem bei den Burgundersorten aber gehalten, die Gesamtsäuregehalte sind In den letzten 35 Jahren wurden in Südtirol enorm. Bald erkannte man, dass lockerbee- niedriger, oft so niedrig, dass ein Zusatz von die meisten Anlagen erneuert und außer bei rige Trauben von diesem Problem größten- Säure notwendig wird. Der pH-Wert der der Sorte Vernatsch wurde dabei in den teils verschont blieben, während kompakte Moste ist angestiegen, der Charakter der meisten Fällen von Perglerziehung auf Spa- Trauben von Essigfäule vollständig zerstört Weine hat sich verändert. Dies nicht immer lier umgestellt. Für die Entnahme der Reife- wurden [12]. Die Förderung der Lockerbee- zum Negativen. In vielen Weinbaugebieten, tests wurde daher, bei Rodung der bisheri- rigkeit, zunächst händisch, durch frühes Ent- so z. B. auch für das Bordeaux kann belegt gen Reifetest-Anlage, zwangsläufig auf eine blättern während der Blüte [13], durch Ab- werden, dass sich das allgemeine Qualitäts- jüngere Anlage ausgewichen, meist auf eine streifen der Trauben und durch Traubenhal- niveau erhöht hat und heute deutlich mehr Anlage in der Nähe oder zumindest auf eine bieren, kam auf. Chemisches Ausdünnen gute bis sehr gute Weinjahrgänge pro Jahr- Rebanlage in einem vergleichbaren Stand- wurde in Versuchen ausgereizt, blieb in Süd- zehnt zu verzeichnen sind [5]. Dies trifft ort. Zur Erneuerung vieler Anlagen und dem tirol aber auf den Einsatz von Gibberellin bei auch für Südtirol [6] [7] teilweise zu. Auch in Wechsel des Erziehungssystems, kamen im einigen Sorten, vor allem den Burgunder- Südtirol hat sich der Weinbau in den letzten Laufe der letzten 35 Jahre weitere Verände- Sorten, beschränkt. Maschinelle Förderung 3-4 Jahrzehnten positiv entwickelt und dies rungen im Anbau hinzu. In den allermeisten der Lockerbeerigkeit wurde in mehreren Va- ist nicht zuletzt auf die inzwischen deutlich Fällen wurden die durchschnittlichen Er- rianten geprüft, aber erstmals mit dem Ge- höhere Reifeentwicklung der Trauben, zu- träge deutlich abgesenkt von ursprünglichen rät zur pneumatischen Entblätterung, wel- rückzuführen. Neben diesen erfreulichen Mengen zwischen 1-2 oder auch 2,5 kg Trau- ches beim Einsatz zur Blüte oder unmittel- Entwicklungen zeichnen sich für den Wein- ben pro m2 in den 80er und den ersten 90er bar danach auch Beeren zum Ausfallen bau in Zukunft leider auch weniger erfreuli- Jahren auf heute 0,5-1 kg Trauben pro m2 bringt, erfolgreich etabliert. Erst Jahre spä- che Veränderungen infolge der ansteigen- Standraum der Reben. Eine Ausnahme stellt ter kamen die Bürsten dazu. Schließlich lös- den Temperaturen ab [8] [9]. dabei die Sorte Vernatsch dar, bei der die Er- ten lockerbeerige Klone bei einigen Sorten träge bis jetzt meist zwischen 1,2-1,5 kg das Problem grundlegend [14] [15]. Erst In der Zeit vor der Lese werden am Ver- Trauben pro m2 Standraum der Reben lie- nachdem man bereits mehrere Möglichkei- suchszentrum Laimburg regelmäßig jeden gen. Auch die Anlagen in den Tallagen wei- ten zur Förderung der Lockerbeerigkeit in Montag bei allen wichtigen Rebsorten in sen meist eher etwas höhere Erträge auf. der Praxis etabliert hatte, wurde klar, dass mehreren Standorten repräsentative Bee- Erst in allerjüngster Zeit zeichnet sich auch es sich dabei um eine erste Anpassung des renproben entnommen und im Labor für bei Vernatsch, neben dem weiter anhalten- Weinbaues an den Klimawandel gehandelt Wein- und Getränkeanalysen analysiert. Be- den Rückgang der Anbaufläche, eine teil- hat. Die wärmeren Temperaturen in der Zeit gonnen wurde mit diesen Reifetests im weise Hinwendung zu niedrigeren Erträgen der Traubenreife hemmten die Entwicklung Jahre 1985, einige Lagen und Sorten kamen und höherem Qualitätsniveau ab. Die über- des Botrytispilzes, der klassischen Trauben- allerdings erst später dazu. Die durchgeführ- wiegend niedrigen Erträge bei allen anderen fäule, förderten aber bei kleinsten Beschädi- ten Mostanalysen sollten eine Hilfe für die Sorten, werden seit Jahren mit sehr mäßiger gungen der Beeren die Bildung von Essig- Südtiroler Kellereien sein, zeitgerecht Hin- Erhaltungsdüngung erzielt. Aufgrund der in säure. Die Klimaänderung hatte sich be- weise zum Reifeverlauf des Jahrganges lie- früheren Jahrzehnten sehr hohen Düngerga- merkbar gemacht. fern und dadurch die Planung der Ernte er- ben wurde in den letzten Jahrzehnten viel- leichtern. Bei der Auswahl der Anlagen und All diese Veränderungen hielten in den letz- fach die Düngung über Jahre vollständig aus- der Planung der Arbeiten im Jahre 1985 ten dreieinhalb Jahrzehnten im Südtiroler gesetzt und erst bei bestätigter niedriger dachte man nicht daran, dass diese Daten Weinbau verbreitet Einzug. Abzugrenzen Versorgung aufgrund von Bodenanalysen auch eine Dokumentation der Entwicklung wie sich diese Maßnahmen im Einzelnen oder bei zu starkem Rückgang des vegetati- des Weinbaues sein würden, in einer Zeit ausgewirkt haben und wieviel der inzwi- ven Wachstums, in Maßen wieder aufge- weitreichender und einschneidender Verän- schen erkennbaren Veränderungen der Rei- nommen [11]. derungen. Veränderungen, die auf den Kli- feentwicklung auf die Klimabedingungen zu- mawandel zurückzuführen sind, auf den in Außerdem war in Südtirol im Jahre 1985 ein rückgeführt werden kann, ist anhand der Südtirol erfolgten Temperaturanstieg von Großteil der Rebanlagen nicht mit einem Be- hier vorliegenden Daten kaum möglich. Dies 1,8 °C im Zeitraum von 1970-2018 [10], aber wässerungssystem ausgestattet. Trocken- ist in vorliegender Arbeit auch nicht das pri- auch auf die bewusst gesetzten Veränderun- schäden waren bis dahin die große Aus- märe Ziel. Vielmehr geht es hier darum, auf- gen im Anbau, im Bestreben die Weinquali- nahme. Erst nach den Trockenjahren An- zuzeigen wie sich die Reifeentwicklung ver- tät zu verbessern. Hätte man im Blick ge- fangs der 90er Jahre änderte sich dies ändert hat, die der wichtigsten Reifepara- habt, mit diesen Daten zugleich auch die schnell. Innerhalb weniger Jahre wurden meter und auch die zeitliche Entwicklung Entwicklung dokumentieren zu wollen, über 90% der Rebanlagen Südtirols mit einer der Reife. hätte z.B. allein die jährliche Erhebung fix eingebauten Bewässerungsanlage und
Veränderung in der Reifeentwicklung 03/2021 Laimburg Journal Die hier dargestellten Daten erfassen die METHODE pro Anlage so gesammelt, dass dabei wei- letzte Reifeentwicklungsphase der jeweili- testgehend alle Teile der Anlage vertreten gen Sorten und Standorte. Vielfach wurden Die wichtigsten Informationen zu den Test- waren. Es wurden mehrere Reihen der An- in den Tagen nach dem letzten Reifetestter- anlagen deren Daten nachfolgend darge- lage ganz abgeschritten und dabei gleichmä- min die Trauben der jeweiligen Anlage gele- stellt werden, sind in Tabelle 1 zusammen- ßig verteilt, von zufällig ausgewählten Trau- sen. Es ist aber nicht immer so, dass die Rei- gefasst. ben, Beeren entnommen. Pro Traube wur- feentwicklung bis zur Lese dokumentiert den drei Beeren entnommen, jeweils eine wurde. Es kann sein, dass in einzelnen Fällen DIE ENTNAHME DER REIFETESTS im oberen, mittleren und unteren Teil. erst ein, zwei oder im Extremfall auch drei Die Beeren für die Analysen wurden jeden Wochen nach dem letzten Reifetest geern- DIE AUFBEREITUNG DER PROBEN Montag in den letzten 5-6 Wochen vor der tet wurde. voraussichtlichen Ernte entnommen, unab- UND ANALYSEN hängig von der Witterung. Feuchte Beeren, Diese Beerenproben wurden manuell ge- infolge von Niederschlägen, wurden im La- quetscht, mittels einer kleinen Labormem- bor mit Küchenpapier getrocknet. Für die branpresse zweimal innerhalb 1 Min. bei 2 Entnahme der Proben wurden 300 Beeren bar gepresst, der Most zentrifugiert (HERM- Tab. 1: Übersicht der Rebanlagen in denen die Beerenproben für die Reifetest entnommen wurden. // Overview of the vineyards where the berry samples for the ripening test were taken. Sorte Anlage Meereshöhe (m ü. NN) Zeitraum Erziehungsform Variety Site Sea level (m a.s.l) Period Training system Weißburgunder Eppan-Berg 560 1987-2004 Pergl Weißburgunder Eppan-Berg 570 2005-2019 Spalier Weißburgunder Terlan-Eyrl 280 1985-2013 Pergl Weißburgunder Terlan-Eyrl 280 2014-2019 Spalier Blauburgunder Kastelbell-Fleck 600 1988-2019 Spalier Blauburgunder Neumarkt-Mazzon 360 1992-2002 Pergl Blauburgunder Neumarkt-Mazzon 350 2003-2019 Spalier Chardonnay Kurtinig-Dorf 200 1986-2004 Pergl Chardonnay Kurtinig-Giatl 200 2005-2017 Pergl Ruländer Kurtinig-Moos 200 1986-2019 Pergl Ruländer Salurn-Rosslauf 200 1986-2002 Pergl Ruländer Salurn-Pfatten 200 1993-2019 Pergl Gewürztraminer Tramin Rungg 330 1985-2002 Spalier Gewürztraminer Tramin Rungg 330 2003-2019 Spalier Sauvignon Terlan-Winkl 270 1990-2019 Spalier Sauvignon Eppan-Naun 400 1993-2012 Spalier Sauvignon Eppan-Naun 400 2012-2019 Spalier Vernatsch Marling-Schickenburg 380 1985-2019 Pergl Vernatsch Eppan-Kreit 450 1985-2019 Pergl Vernatsch Kaltern-Barleit 370 1985-2019 Pergl Vernatsch Kaltern-See 230 1985-2019 Pergl Vernatsch Bozen-St. Magdalena 300 1986-2019 Pergl
03/2021 Laimburg Journal Veränderung in der Reifeentwicklung LE Z513; 3500 Umdrehungen in 5 Min.) und meist bereits in der ersten Septemberhälfte, Jahrzehnten Säuregehalte erzielt, wie sie filtriert (Faltenfilter Macherey Nagel 619 G zwischen Tag 244 und 260 des Jahres. Vor auch vor der Jahrtausendwende nicht selten ¼ • Ø 150 mm). Es erfolgten Messungen des der Jahrtausendwende war dies kaum der vorkamen. So kann gesagt werden, dass sich Mostgewichtes (°KMW) (refraktometrisch), Fall. in Summe die Säurewerte zur Lese oder in der Gesamtsäure, ausgedrückt in Weinsäure Nähe zur Lese nicht so deutlich verändert Abbildung 1 zeigt zudem die Zuckergehalte (g/L) (titrimetrisch), des pH-Wertes (poten- haben, wie dies bei den Zuckergehalten zu aller Erhebungen des Standortes Terlan ziometrisch), der Apfelsäure (enzymatisch), beobachten ist. (Terlan Eyrl) auf. Es handelt sich hier um ei- Weinsäure (colorimetrisch) und des hefe- nen deutlich wärmeren Standort als Eppan Ähnliches gilt für die in Abbildung 2 eben- verwertbaren Stickstoffs (HVS) (enzyma- Berg. Entsprechend findet hier die Reifeent- falls dargestellten Säuregehalte bei tisch). wicklung überwiegend bereits vor dem Weißburgunder in Terlan. Auch hier näher- Im Laufe der Zeit wurde die Analytik weiter- 1. September statt. Die Zuckergehalte lagen ten sich die Gehalte in Nähe zur Lese deut- entwickelt und seit nunmehr ca. 10 Jahren am 1. September in den Jahren vor der Jahr- lich aneinander an. Deutlicher als in der küh- werden die Beeren gepresst, zentrifugiert tausendwende zwischen etwa 13 und leren Lage Eppan Berg sind hier in den letz- (zwischen 3000 und 9000 rpm) im Labor für 16 °KMW und danach zwischen 16 und ten zwei Jahrzehnten einige Jahre zu erken- Wein- und Getränkeanalytik zwischen 3000- 19 °KMW. Besonders vor der Jahrtausend- nen in denen die Gesamtsäuregehalte früh, 4000 rpm, filtriert (Spritzenfilter Minisart wende wurden teilweise auch nur mäßige noch im Monat August, auf Werte um 5-6 g/l 5 μm, Sartorius) und mittels FTIR (FOSS®) auf Zuckergradationen erzielt. In den letzten abfielen. In den letzten zwei Jahrzehnten folgende Inhaltsstoffe analysiert: Mostge- zwei Jahrzehnten lag der Erntetermin teil- fehlen gegen Ende der Reifeentwicklung wicht, °KMW, pH-Wert, Gesamtsäure, Apfel- weise bereits um den 1. September, bis zwar Jahre mit höheren Säuregehalten um säure, Weinsäure, HVS, Aminostickstoff, Mitte September war aber auch in früheren 10 g, wie sie vor der Jahrtausendwende zum Ammoniumstickstoff. Jahren meist der Lesetermin erreicht wor- Teil vorkamen, aber in nicht wenigen Fällen den. Außerdem fällt noch auf, dass in beson- wurden vor der Jahrtausendwende ähnliche Der Tag des Jahres an dem in den einzelnen ders frühen Jahren, in denen die 18 °KMW Gesamtsäurewerte wie in den 80er und 90er Jahren 16 bzw. 18 °KMW erreicht wurden, bereits um den 230. Tag des Jahres, also Jahren des letzten Jahrhunderts erzielt. wurde rechnerisch durch Interpolation der etwa Mitte August vorlagen, der weitere Zu- Auch hier gilt also, dass sich die Gesamtsäu- Daten ermittelt. Die Verrechnung der Daten ckerzuwachs auch in der Spalieranlage in rewerte zur Lese im Untersuchungszeitraum und grafische Darstellung erfolgte mit IBM ® den Jahren nach der Jahrtausendwende, nicht so eindeutig verändert haben wie die SPSS Statistics sowie mit Microsoft Excel. dann eher flach verläuft. Die 20 °KMW, die Zuckergehalte. in der deutlich kühleren Lage in Eppan Berg Ein leicht anderes Bild zeigt Abbildung 2 bei ERGEBNISSE fast regelmäßig erzielt wurden, scheinen in der Sorte Vernatsch. Hier fällt die Gesamt- der deutlich wärmeren Lage Terlan eher ZUCKERGEHALTE säure schon früh in der Reifeentwicklung auf nicht zustande zu kommen. eher niedrige Werte ab und liegt zum 1. Sep- Da die Entwicklungen der Zuckergehalte und Sehr stark verändert haben sich die Zucker- tember bereits bei Werten zwischen 4- auch der anderen Parameter in den einzel- gehalte auch bei der Sorte Vernatsch. Abbil- 11 g/l. Auch hier finden sich Jahre nach der nen Anlagen weitestgehend ähnlich verlau- dung 1 zeigt alle verfügbaren Werte der Jahrtausendwende mit ausnehmend niedri- fen, werden jeweils nur einige Beispiele dar- Lage St. Magdalena, Bozen. Auch hier sind gen Gesamtsäuregehalten um 4 g/l und ei- gestellt und näher besprochen. Die Abbil- die Zuckerwerte zum 1. September heute nige mit überdurchschnittlich hohen Wer- dungen 1, 2 und 3 zeigen jeweils alle verfüg- deutlich höher als Mitte der 80er Jahre des ten um 8 g/l vor der Jahrtausendwende. Da- baren Einzelmessungen der betreffenden letzten Jahrhunderts. Sie schwanken zwi- zwischen mischen sich die Jahre aber kun- Lage auf. Die Sorte Weißburgunder in Eppan schen knapp 10 °KMW und gut 18 °KMW. terbunt durcheinander und es werden in der Berg (Abb. 1) wies in den Jahren vor der Die Ernte hat sich nur in einigen Jahren ver- Nähe zur Lese in den letzten beiden Jahr- Jahrtausendwende (blaue Punkte) am früht, dafür wird aber in den letzten Jahren zehnten ähnliche Gesamtsäurewerte erzielt, 1. September (Tag 244 des Jahres, gekenn- mit sehr hohen Zuckergehalten zwischen 18 wie sie in den zwei vorhergehenden Jahr- zeichnet durch die rote Linie) Zuckergehalte und 20 °KMW gelesen, was vor der Jahrtau- zehnten auch vorgekommen sind. Zwar wer- zwischen 8 und 14 °KMW auf. Nach der Jahr- sendwende nur in Ausnahmefällen so war. den diese Werte nun etwas früher erreicht tausendwende (grüne und rote Punkte) la- als in den 80er Jahren des letzten Jahrhun- gen die Zuckerwerte zum 1. September be- GESAMTSÄURE derts, aber absolut gesehen liegen heute reits zwischen etwa 13 bis fast 19 °KMW. viele Werte auf ähnlichem Niveau wie frü- Bei den Werten der Gesamtsäure zeigt sich Man erkennt in der Grafik sehr gut, wie die her. ein etwas anderes Bild. Während die Werte Zuckergehalte in der Erhebungszeit in den vor dem 1. September in der Lage Eppan PH-WERT einzelnen Jahren etwas abweichen, es im- Berg (Abb. 2) noch weit auseinander lagen, mer kühlere und wärmere Jahre gibt, sich näherten sie sich mit zunehmender Reife im- Beim pH-Wert ergibt sich eine ähnliche z.B. grüne und blau markierte Jahre teil- mer weiter an. Von wenigen Ausnahmen ab- Situation wie bei der Gesamtsäure. Zwar lie- weise überschneiden, aber generell liegen gesehen, lagen die Werte in Nähe zur Ernte gen die Werte zum 1. September in den Jah- die Jahre nach der Jahrtauendwende ver- zwischen 5-10 g Gesamtsäure pro l Most. In ren nach der Jahrtausendwende deutlich mehrt im Bereich der höheren Zuckerge- einigen sehr warmen Jahren der letzten zwei höher als vorher, betrachtet man aber die halte. Auch wurden in vielen Jahren der letz- Jahrzehnte fielen die Säurewerte zwar früh- Werte gegen Ende der Reifeperiode in Nähe ten beiden Jahrzehnte sehr hohe Zuckerge- zeitig auf Werte um 5-6 g/l ab, in etlichen zur Lese, so sind sie nur in einigen sehr war- halte um die 19-20 °KMW erreicht und das Fällen wurden aber auch in den letzten zwei men Jahren angestiegen. Sie lagen vor der
Veränderung in der Reifeentwicklung 03/2021 Laimburg Journal Jahrtausendwende in einigen Jahren leicht Anlage in Bozen St. Magdalena 50 Tage samtsäuregehalten ist der pH-Wert eher tiefer als in späteren Jahren, in der Mehrzahl frühere Entwicklung der Zuckereinlagerung niedriger als vor dem Jahr 2000 (Abb. 6 a-c). der Jahre lagen sie aber vor und nach der auf. So zeigt die Sorte Chardonnay bei einem Zu- Jahrtausendwende auf ähnlichem Niveau Das bedeutet, dass etwa Mitte der 80er ckergehalt von 17 °KMW nach dem Jahr (Abb. 3). Bei der Sorte Vernatsch in der sehr Jahre des letzten Jahrhunderts bei Ver- 2000 etwa durchschnittlich 1,5 g höhere Ge- warmen Lage in St. Magdalena werden natsch in den drei höheren Lagen Kaltern samtsäuregehalte als in den Jahren davor, Werte bis knapp 3,8 erreicht, bei Weißbur- Barleit, Eppan Kreit und Marling Schicken- bei den Sorten Vernatsch und Weißburgun- gunder in Eppan Berg liegen die pH-Werte burg ein Zuckergehalt von 16 °KMW wenn der sind es ca. 2 g höhere Gesamtsäurege- immer unter 3,5 und in Terlan, in der für überhaupt, dann durchschnittlich erst um halte in den letzten beiden Jahrzehnten ge- Weißburgunder sehr warmen Lage, steigen den 15.-20. Oktober erreicht wurden. Heute genüber früher. Bei einigen Sorten ist kein die höchsten Werte leicht über diesen Wert ist dieser Zuckergehalt um den 10.-15. Sep- praktisch relevanter Unterschied zwischen an, die überwiegende Mehrheit der Werte tember zu erwarten. Bei Vernatsch in vor und nach dem Jahr 2000 zu sehen, aber liegt aber unter 3,4. Am ehesten ist in der St. Magdalena wurden Mitte der 80er Jahre wie bereits erwähnt ist die Tendenz bei allen sehr warmen Lage Terlan ein Anstieg der pH- die 16 °KMW in den ersten Oktobertagen er- Sorten dieselbe. Werte in der Nähe zum Lesetermin in den reicht, inzwischen ist es in den meisten Jah- letzten zwei Jahrzehnten gegenüber den Besonders ausgeprägt ist diese Veränderung ren schon im August so weit. Jahren davor, zu erkennen. In allen Anlagen bei der Sorte Weißburgunder in Eppan Berg aber, in den hier dargestellten, wie auch in Bei der Sorte Weißburgunder wurden in (nicht abgebildet). Hier wurde bis zum Jahre denen die hier nicht dargestellt sind, hebt Eppan Berg Mitte der 80er Jahre die Zucker- 2004 eine eher ertragreiche Perglanlage be- sich im pH-Wert ein Jahr besonders ab, näm- gehalte von 16 °KMW durchschnittlich zwi- probt und ab 2005 eine Spalieranlage mit lich das Jahr 2003. In den Zuckerwerten, wie schen 25. und 30. September erreicht, inzwi- niedrigerem Ertragsniveau. Hier sind in den auch bezüglich der zeitlich frühen Reifent- schen trifft dies schon um den 20. August zu. letzten zwei Jahrzehnten bei einem Zucker- wicklung fällt 2003 nicht so deutlich auf. In- In der wärmeren Weißburgunder-Lage in gehalt von 18 °KMW etwa 2 g/l höhere Ge- zwischen wurden in mehreren Jahren ähn- Terlan waren die 16 °KMW früher um den samtsäurewerte und bei 7 g/l Gesamtsäure lich früh im Jahr, ähnlich hohe Zuckergehalte 10. September gegeben, heute bereits um ein um etwa den Wert 0,2 niedrigerer pH- wie 2003 erreicht. Aber die pH-Werte des Mitte August. Wert festzustellen. Jahres 2003 sind fast bei allen Sorten und in allen Standorten die höchsten welche je be- DAS VERHÄLTNIS VON ZUCKER ZU obachtet wurden. GESAMTSÄURE UND VON GE- DISKUSSION DIE ZEITLICHE VERFRÜHUNG DER SAMTSÄURE ZU PH-WERT Es ist augenscheinlich, dass heute die Reife früher einsetzt und früher geerntet wird als REIFEENTWICKLUNG Eine weitere Frage, die sich stellt, ist, ob sich vor drei Jahrzehnten. Dass es sich dabei aber das Verhältnis des Zuckergehaltes zur Ge- um eine Verfrühung der Zuckereinlagerung Um diese darzustellen und die einzelnen samtsäure oder der Gesamtsäure zum pH- von drei Wochen handelt gegenüber den Jahre miteinander vergleichen zu können, Wert mit zunehmender Klimaerwärmung 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, über- wurde der Termin errechnet an dem die verändert hat. Natürlich ist es so, dass im rascht einerseits, andererseits werden von Rebsorten, je nach Sorte und erreichter Falle einer Lese mit höherem Zuckergehalt den allermeisten Weinbaugebieten Europas Reife, einen Zuckergehalt von 16 oder auch eine niedrigere Gesamtsäure zu erwar- ähnliche große Verschiebungen aufgezeigt. 18 °KMW erreicht haben. Aus den Abbildun- ten ist. Aber wie lagen bei gleichen Zucker- In einigen hier vorliegenden Fällen ist die gen 4 a-c kann abgelesen werden, um wie- werten die Säuregehalte früher und wie sind Verfrühung noch deutlich größer, bei der viele Tage sich die Zuckereinlagerung ver- sie heute? Die Abbildungen 5 a-c zeigen Sorte Vernatsch in St. Magdalena beträgt sie früht hat. So wurde im Jahre 2019 bei den diese Zusammenhänge bei den Sorten 50 Tage. Aus den vorhandenen Daten kann Sorten Sauvignon, Chardonnay und Rulän- Weiß- und Blauburgunder, Ruländer, nicht systematisch rekonstruiert werden, der der Zuckergehalt von 16 bzw. 18 °KMW Gewürztraminer, Chardonnay, Weißem Sau- worauf diese Unterschiede bei den einzel- etwa 20 Tage früher erzielt als Mitte bis vignon und Vernatsch. In den meisten Fällen nen Lagen zurückzuführen sind. Bei der An- Ende der 80ziger Jahre des letzten Jahrhun- wurden die Werte vor dem Jahre 2000 mit lage St. Magdalena fällt allerdings auf, dass derts, bei Gewürztraminer, der Weißburgun- jenen nach dem Jahre 2000 verglichen, bei sie in den letzten Jahren ein sehr niedriges der-Anlage in Terlan und der Blauburgun- Ruländer wurde bis 2004 mit ab 2005 in Be- Ertragsniveau aufwies. Nicht ganz so ausge- der-Anlage in Kastelbell waren es etwa 25 ziehung gebracht, da mit 2005 ein Wechsel prägt, aber in der Tendenz ähnlich, verhält Tage. Interessant ist aber, dass die Weißbur- der Anlage stattgefunden hat. es sich auch beim Weißburgunder Eppan gunder-Anlage in Eppan Berg und die Blauburgunder-Anlage in Mazzon eine we- Erstaunlicher Weise zeigen die Ergebnisse Berg, die heutige Anlage liegt im Ertragsni- sentlich größere Verfrühung der Zuckerein- einen einheitlichen Trend auf: Bei gleichen veau deutlich niedriger als die ursprünglich lagerung um etwa 38-40 Tage aufweisen. Zuckerwerten wurden nach dem Jahr 2000 beprobte Perglanlage. Es ist daher anzuneh- Ebenfalls unterschiedlich ausgeprägt sind immer eher höhere Gesamtsäurewerte ge- men, dass die heutigen niedrigeren Erträge die Zuckerentwicklungen in den Vernatsch- funden als vorher und der pH-Wert ist bei teilweise zur festgestellten Reifeverfrühung Anlagen. Die drei Anlagen Kaltern Barleit, gleicher Gesamtsäure nach dem Jahr 2000 mit beitragen. Eine erste deutliche Reduzie- Eppan Kreit und Marling Schickenburg wei- eher niedriger als vorher. Dies ist zumindest rung der Erträge wurde Ende der 80er und in sen eine sehr ähnliche Entwicklung auf mit im kritischen Bereich so, also bei hohen Zu- den 90er Jahren durchgeführt, aber bis her- 35-37 Tagen Vorsprung in der Zuckereinla- ckergehalten ist heute eher mehr Gesamt- auf in die heutige Zeit wurden, für die Erzeu- gerung, Kaltern See zeigt 40 Tage und die säure zu finden und bei niedrigen Ge- gung besonders hochwertiger Weine, wei-
03/2021 Laimburg Journal Veränderung in der Reifeentwicklung tere Ertragsreduzierungen umgesetzt. Wei- Warum wir, wie die vorliegenden Daten feuchtet und die obersten 10 cm Boden, also tere zugrunde liegende Ursachen zeichnen deutlich zeigen, heute eher höhere Gesamt- der Bereich mit dem höchsten Humusgehalt, sich nicht ab, es sind z. B. nicht immer die säurewerte und niedrigere pH-Werte bei wird kaum angefeuchtet. Somit wird auch in kühleren Lagen, welche eine größere oder gleichen Zuckergehalten finden als früher, der Trockenphase kaum Stickstoff aus der kleinere Reifeverfrühung aufweisen. Zu er- dürfte daher auf das Zusammenwirken der Humusschicht der dauerbegrünten Wein- warten gewesen wäre eine etwas geringere stattgefundenen Veränderungen zurückzu- bauböden Südtirols freigesetzt. Auch für die Verfrühung in den bereits klimatisch sehr führen sein. Im Detail dürften dabei aber die Kaliumaufnahme ist eine Tröpfchenbewäs- günstigen Lagen der jeweiligen Sorte. Bei heutige mäßigere Wuchsintensität der Anla- serung vermutlich in den meisten Fällen Vernatsch war die mit Abstand größte Reife- gen, die vielfach ganz ausgesetzten Stick- nicht mit einer Ganzbodenbefeuchtung wie verfrühung aber in der sehr warmen Lage in stoffdüngungen und die im Vergleich zu den sie bei natürlichen Niederschlägen erfolgt, Bozen gegeben, bei Weißburgunder liegt 80er Jahren sehr begrenzte Ausbringung zu vergleichen. eine größere Reifeverfrühung in der höhe- von Kalium eine Rolle spielen. So waren da- Eine Ausnahmeerscheinung unter den bis- ren und kühleren Lage in Eppan Berg vor. mals jährliche Gaben von bis zu 400 kg K2O herigen heißen und trockenen Jahren stellt pro Hektar, ausgebracht zu zwei Terminen, In allen Fällen liegt aber eine frühere Ent- nach wie vor das Jahr 2003 dar. Obwohl in- im Frühjahr und etwa zu Farbumschlag (Ka- wicklung der Zuckereinlagerung von etwa zwischen mehrere Jahre mit vergleichbar lium für die Zuckereinlagerung!) keine Sel- 20-25 Tagen vor, in einer Anlage beträgt hohen und noch höheren Temperaturen tenheit. Entsprechende Mengen werden diese nur 19 Tage, in den meisten Fällen et- währen der Vegetationsperiode und ent- heute in Südtirol vielfach im Zeitraum von 10 was mehr. In einem Fall beträgt die Reifever- sprechender Reifeverfrühung zu beobach- oder noch mehr Jahren ausgebracht. Über- frühung sogar 50 Tage. Das bedeutet nun ten waren, sind die 2003 erzielten hohen höhte Kaliumaufnahme führt bekanntlich zu nicht, dass inzwischen auch durchschnittlich pH-Werte der Moste immer noch unüber- höherem Ausfall von Weinsäure und zu hö- entsprechend früher geerntet wird, denn in troffen. Die Zucker- und Gesamtsäurewerte herem pH-Wert [17] [18]. Auch gibt es Be- den allermeisten Fällen werden die Trauben heben sich hingegen nicht gleich deutlich ab. richte wonach eine höhere Stickstoffauf- heute mit einem deutlich höheren Zucker- Wie es dazu kommt, bleibt noch eingehen- nahme den pH-Wert der Moste und Weine gehalt als früher gelesen. der zu untersuchen. Eventuell spielt dabei erhöht [19]. die ausnehmend lange Hitze- und Trocken- Besonders erstaunlich erscheinen die Ent- Ein weiterer Faktor in diesem Zusammen- phase im Jahre 2003, welche mehr oder we- wicklungen der Zucker-Säure- und der hang könnte die heute grundlegend andere niger bis zur Ernte andauerte, eine Rolle. In Säure-pH-Wert-Relation. An und für sich wäre heute bei gleichem Zuckergehalt eine Situation bei den Temperatur- und Boden- den meisten Jahren treten in Südtirol, früher niedrigere Gesamtsäure zu erwarten gewe- wassergehalten sein. Die Niederschläge ha- wie heute, vor der Ernte zumindest einzelne sen. Die Trauben reifen heute früher, also ben sich im Durchschnitt der Jahre in Südti- intensive Niederschlagsereignisse auf. bei wärmeren Tages- und Nachttemperatu- rol kaum verändert. Allein aber durch die Laut dem Südtiroler Landesmeteorologen ren, wodurch eine niedrigere Äpfelsäure zu höheren Temperaturen und durch die heute Dieter Peterlin war 2019 das wärmste Jahr erwarten wäre [16], da sie sich bei höheren oft fast vollkommen schneefreien Winter in Bozen seit Beginn der Wetteraufzeich- Temperaturen während der Reife schneller dürfte der Wasserverbrauch der Pflanzen nungen im Jahre 1850. An 2. Stelle kommt abbaut. Die hier vorliegenden Daten zeigen und die stattfindende Verdunstung heute das Jahr 2018, gefolgt von 2014 als das dritt- dies aber nicht, im Gegenteil, entweder lie- wesentlich größer als früher sein [5]. Es ist wärmste Jahr [20]. Weinbaulich gesehen gen die Werte heute bei gleichem Zucker- daher anzunehmen, dass inzwischen über war 2019 kein besonders frühes Jahr und vor gehalt ähnlich wie früher oder die Säure- weite Strecken der Vegetationsperiode und allem 2014 war ein ausnehmend spätes werte sind bei gleichen Zuckergehalten auch in der Reifephase der Trauben in den Weinbaujahr. Höhere Jahres-Durchschnitts- mehr oder weniger ausgeprägt höher als meisten Jahren größere Wasserdefizite vor- temperaturen bedingen somit nicht unbe- früher. Es gibt keinen einzigen Fall wo es um- liegen, als das in der Vergangenheit der Fall dingt auch eine frühere Traubenernte, viel- gekehrt ist und wo die Gesamtsäuregehalte war. Auch dies dürfte sich auf die Kalium- mehr kommt es auf die Wettersituation zu bei gleichem Zuckergehalt heute im Durch- und auch auf die Stickstoffaufnahme auswir- den kritischen Phasen der Entwicklung der schnitt der Jahre niedriger sind als früher. ken und damit auch die Gesamtsäure und Rebe, vor und zur Blüte und während der Zum Teil ist es auch so, dass bei gleichen Ge- den pH-Wert mit beeinflussen. Bei beiden Reifeperiode an. samtsäurewerten der pH-Wert niedriger ist Elementen, bei Kalium wie bei Stickstoff, als vor Jahrzehnten. Dabei macht es keinen wird die Aufnahme mit zunehmender Bo- Ein weiteres Phänomen scheint sich abzu- Unterschied, ob von Pergl- auf Spaliererzie- denaustrocknung erschwert. zeichnen. Wie die Abbildungen 4 a-c erken- hung gewechselt wurde oder ob das Erzie- nen lassen, scheinen die Jahrgangsschwan- Allerdings wird in Südtirol heute vielfach hungssystem weiterhin die Pergl geblieben kungen in den letzten ein bis zwei Jahrzehn- auch bewässert, während zu Beginn der hier ist. Am Erziehungssystem liegt es also nicht. ten eher zuzunehmen. Jahre mit ausneh- aufgezeigten Erhebungen die Mehrzahl der Allein an der Ertragsreduzierung dürfte es mend früher Reife wechseln mit eher späte- Rebanlagen noch nicht mit entsprechender auch kaum liegen, werden doch die heuti- ren Jahren ab. Klimaforscher nehmen an, Technik ausgestattet waren. Bei der Bewäs- gen niedrigen Erträge oft für die niedrigen dass dies eine Auswirkung des Klimawandels serung handelt es sich im Weinbau aber fast Gesamtsäuregehalte mit verantwortlich ge- ist und in Zukunft vermehrt Wechsel zwi- ausschließlich um Tröpfchenbewässerung, macht. Bei den Ausdünnversuchen am Ver- schen kühleren und warmen Phasen zu ver- somit werden punktuelle Wassergaben ver- suchszentrum Laimburg in den 80er Jahren zeichnen sein könnten. Es erscheint sogar abreicht, welche einen begrenzten Feucht- des letzten Jahrhunderts gingen die niedri- möglich, dass es mit fortschreitender Klima- kegel im Boden erzeugen. Es wird nicht der geren Erträge tatsächlich mit eher niedrige- änderung, wieder Jahre oder auch mehrere gesamte Wurzelraum der Reben durch- ren Gesamtsäurewerten einher.
Veränderung in der Reifeentwicklung 03/2021 Laimburg Journal Jahre in Folge mit deutlich kühleren Bedin- gungen geben könnte [21]. ZUSAMMENFASSUNG Wie die dargestellten Ergebnisse zeigen, ha- Seit dem Jahr 1985 werden am Versuchszentrum Laimburg ben in den vergangenen dreieinhalb Jahr- alljährlich im Herbst, in den Wochen vor der Reife, bei den zehnten beachtliche Veränderungen in der wichtigsten Südtiroler Rebsorten Tests durchgeführt, um die Reifeentwicklung der Trauben stattgefun- Reifesituation zu ermitteln und den Weinbaubetrieben die den. Durchschnittlich ernten wir heute deut- Planung der Ernte zu erleichtern. Die dabei gewonnenen Daten lich früher im Jahr Trauben mit höheren Zu- stellen zugleich eine interessante Dokumentation der cker- und niedrigeren Gesamtsäuregehalten Veränderungen in diesem Zeitraum dar. Neben der Klima- als früher. Das Zucker- Säureverhältnis der änderung mit einer Zunahme der durchschnittlichen Tempe- Trauben hat sich bisher, bei gleichem Zu- raturen waren die letzten dreieinhalb Jahrzehnte in Südtirol auch ckergehalt und im Durchschnitt der Jahre, von großen Veränderungen im Weinbau und insbesondere durch aber nicht verschlechtert. Die bisherigen das Streben nach höherwertiger Trauben- und Weinqualität Veränderungen der Reifeentwicklung, so- geprägt. Derselbe Zuckergehalt der Trauben wird heute um 19-50 weit es die hier vorliegenden Daten erken- Tage früher erreicht als zu Beginn der Reifetests im Jahre 1985. In nen lassen, können daher als groß und ein- den allermeisten Fällen ist eine Reifeverfrühung von etwa 3 schneidend bezeichnet werden, nicht aber Wochen zu erkennen. Aus den vorliegenden Daten kann nicht als ausgesprochen negativ. Selbst in den ermittelt werden wieweit diese Veränderungen auf die ver- sehr warmen Lagen Südtirols können bisher, änderten Klimabedingungen oder auf Veränderungen im Anbau trotz der beachtlichen Reifeverfrühung, im- zurückzuführen sind. Letztere dürften auch eine Rolle spielen, mer noch Trauben mit geeigneten Voraus- insbesondere in den Fällen mit überdurchschnittlicher setzungen für die Weinbereitung erzeugt Reifeverfrühung. Die Gesamtsäurewerte der Moste sind bei werden. Es stellt sich allerdings die Frage, gleichem Zuckergehalt nicht abgefallen bzw. auch der pH-Wert ist wie lange dies so bleiben wird. Zunehmend bei gleichem Zuckergehalt nicht angestiegen. Dies wäre eigentlich, Probleme bereiten könnten auch die Ext- aufgrund der inzwischen wärmeren Bedingungen während der remwetterlagen. Einzelne Jahre mit ex- Traubenreife, zu erwarten gewesen. Vielmehr ist es so, dass bei tremem Witterungsverlauf haben sich be- gleichem Zuckergehalt die Gesamtsäurewerte entweder ähnlich reits, wie aufgezeigt, stark vom durch- geblieben sind oder heute höher liegen als früher. Teilweise ist bei schnittlichen Verlauf der Reife abgehoben. gleichen Gesamtsäurewerten auch der pH-Wert heute niedriger Man denke an die auffallend hohen pH- als früher. Werte im anhaltend heißen und trockenen Jahr 2003 oder die unterdurchschnittliche und späte Reifeentwicklung im warmen, RIASSUNTO aber feuchten Jahr 2014. Die prognosti- zierte, weitere Zunahme extremer Wetter- Dal 1985 al Centro di Sperimentazione Laimburg, nelle settimane ereignisse beinhaltet für den Weinbau der prima della vendemmia, vengono eseguiti test di maturazione delle varietà di vite più importanti dell’Alto Adige. Lo scopo è di Zukunft daher jedenfalls ein erhöhtes Risiko. monitorare lo stato di maturazione e facilitare alle aziende viticole la programmazione della vendemmia. I dati risultanti rappresentano inoltre una documentazione interessante dei cambiamenti avvenuti in questo arco di tempo. Oltre al cambiamento climatico con un aumento delle temperature medie, gli ultimi tre decenni in Alto Adige sono stati caratterizzati da un crescente orientamento verso la produzione viticola di alta qualità. Oggi, rispetto all’anno 1985, lo stesso contenuto di zuccheri dell’uva viene raggiunto da 19-50 giorni prima. Nella gran parte dei casi si può notare un anticipo della maturazione di circa tre settimane. Dai dati disponibili non è possibile stabilire in quale misura questo anticipo è dovuto al cambiamento climatico e quanto contribuiscono tali cambiamenti alla coltivazione dei vigneti. È però probabile che anche questi ultimi abbiano un certo ruolo, soprattutto nei casi con un anticipo della maturazione sopra la media. A parità di grado zuccherino, i valori di acidità totale dei mosti non sono calati, così come i valori di pH non sono aumentati. A causa di una maturazione anticipata in condizioni climatiche più calde, ci si sarebbe aspettati uno scenario diverso: i dati di- mostrano invece che a parità di grado zuccherino i valori di acidità totale sono invariati o addirittura aumentati rispetto al passato. In alcuni casi, a pari acidità totale, i valori di pH dei mosti sono minori rispetto al passato.
03/2021 Laimburg Journal Veränderung in der Reifeentwicklung LITERATUR [1] Schultz H.R. (2000). Climate change and viti- [7] Duchêne E., Schneider C. (2005). Grapevine [15] Raifer B., Terleth J., Pedri U. (2002). Blaubur- culture: A European perspective on climato- and climatic change. A glance at the situa- gunderklone. Obstbau Weinbau 39 (9), 235- logy, carbon dioxide and UV-B effects. Au- tion in Alsace. Agronomy for Sustainable De- 238. stralian Journal of Grape and Wine Research velopment 25 (1), 93-99. 6 (1), 2-12, DOI: 10.1111/j.1755- [16] Keller M. (2015). The Science of Grapevines. 0238.2000.tb00156.x. [8] Fraga H. (2019). Viticulture and Winemaking Academic Press, Elsevier, London, UK, hier under Climate Change. Agronomy 9 (12), p. 249. [2] Mira de Orduna R. (2010). Climate change as- 783, DOI: 10.3390/agronomy9120783. sociated effects on wine quality and produc- [17] Boulton R. (1980). The General Relationship tion. Food Research International 43 (7), [9] Pons A., Allamy L., Schüttler A. et al. (2017). Between Potassium, Sodium and pH in 1844-1855, DOI: 10.1016/j.foo- What is the expected impact of climate Grape Juice and Wine. American Journal of dres.2010.05.001. change on wine aroma compounds and Enology and Viticulture 31 (2), 182-186. their precursors in grape? OENO One 51 (2- [3] Jones G.B., White M.A., Cooper O.R. et al. 3), 141-146, DOI: 10.3390/agro- [18] Ryser J.P., Aerny J., Murisier F. (1989). Fu- (2005). Climate change and global wine qua- nomy9120783. mure potassique de la vigne e aciditè du vin. lity. Climatic Change 73, 319-343, Revue suisse de Viticulture, Arboriculture, DOI: 10.1007/s10584-005-4704-2. [10] Peterlin D. (2018). Temperaturabweichun- Horticulture 21 (5), 319-323. gen Bozen 1850-2018. Retrieved September [4] Petrie P., Sadras V. (2008). Advancement of 10, 2020, from https://twitter.com/dieter- [19] Spayd S.E., Wample R.L., Evans R.G. et al. grapevine maturity in Australia between peterlin/status/1078600433395003392. (1994). Nitrogen Fertilization of White Rie- 1993 and 2006: Putativecauses, magnitude sling Grapes in Washington. Must and Wine of trends and viticultural consequences. Au- [11] Aichner M., Drahorad W., Menke F. et al. Composition. American Journal of Enology stralian Journal of Grape and Wine Research (2004). Gezielte Düngung im Obst- und and Viticulture 45, 34-42. 14, 33-45, DOI: 10.1111/j.1755- Weinbau. Boden und Pflanzenernährung im Obstbau, Weinbau und Bioanbau. Land- und [20] Athesia Druck (ed) (2019). 2019 war zweit- 0238.2008.00005.x. wärmstes Jahr seit Messbeginn. Retrieved Forstwirtschaftliches Versuchszentrum [5] Van Leeuwen C., Darriet P. (2016). The impact Laimburg, Pfatten, Italien, hier p. 118. September 10, 2020, from of climate change on viticulture and wine https://www.stol.it/artikel/chronik/2019- quality. Journal of Wine Economics 11 (1), [12] Raifer B. (2000). Essigfäule bei der Sorte war-zweitwaermstes-jahr-seit-messbeginn. 150-167, DOI: 10.1017/jwe.2015.21. Blauburgunder. Der Südtiroler Landwirt 54 (13), 42-43. [21] Sgubin G., Swingedouw D., García de Cortá- [6] Van Leeuwen C., Trégoat O., Choné X. (2009). zar-Atauri I. et al. (2019). The Impact of Pos- Vine water status is a key factor in grape ri- [13] Raifer B., Terleth J. (1997). Höhere Qualität sible Decadal-Scale Cold Waves on Viticul- pening and vintage quality for red Bordeaux durch Entblättern der Trauben. Obstbau ture over Europe in a Context of Global War- wine. How can it be assessed for vineyard Weinbau 34 (9), 240-241. ming. Agronomy 9 (7) 397, management purposes? Journal internatio- DOI: 10.3390/agronomy9070397. [14] Raifer B., Terleth J., Pedri U. (2004). Lb 36 nal des sciences de la vigne et du vin 43 (1), und Lb 50, zwei neue Laimburger Klone der 121-134, DOI: 10.20870/oeno- Sorte Weißer Sauvignon. Obstbau Weinbau one.2009.43.3.798. 41 (2), 48-50.
Veränderung in der Reifeentwicklung 03/2021 Laimburg Journal ANHANG: ABBILDUNGEN Abb. 1: Alle verfügbaren Werte der Most-Zuckergehalte der Sorte Weißburgunder in den Erhebungsjahren in einer höheren und einer tiefen Lage (Eppan Berg und Terlan) und der Sorte Vernatsch in Bozen, St. Magdalena. // All available values of the must soluble solids in the survey years in a high and a low site of the variety Pinot blanc (Eppan Berg and Terlan) and of a Vernatsch vineyard in Bozen St. Magdalena.
03/2021 Laimburg Journal Veränderung in der Reifeentwicklung Abb. 2: Aller verfügbaren Werte der Most-Gesamtsäure in den Erhebungsjahren der Sorte Weißburgunder in einer höheren und einer tiefen Lage (Eppan Berg und Terlan) und der Sorte Vernatsch in Bozen, St. Magdalena. // All available values of must total acidity in the survey years in a high and a low site of the variety Pinot blanc (Eppan Berg and Terlan) and of a Vernatsch vineyard in Bozen St. Magdalena.
Veränderung in der Reifeentwicklung 03/2021 Laimburg Journal Abb. 3: Alle verfügbaren Werte der Most pH-Werte in den Erhebungsjahren der Sorte Weißburgunder in einer höheren und einer tiefen Lage (Eppan Berg und Terlan) und der Sorte Vernatsch in Bozen, St. Magdalena. // All available values of the must pH in the survey years in a high and a low site of the variety Pinot blanc (Eppan Berg and Terlan) and of a Vernatsch vineyard in Bozen St. Magdalena.
03/2021 Laimburg Journal Veränderung in der Reifeentwicklung Abb. 4 a-c: Tag des Jahres an dem in den einzelnen Jahren und Anlagen, je nach Sorte, ein Zuckergehalt von 16 oder 18 °Babo (KMW) erreicht worden ist. // Day of the year when in the single years and vineyards, according to the variety, TSS of 16 or 18 °Babo have been riched. Abb. 4a.
Veränderung in der Reifeentwicklung 03/2021 Laimburg Journal Abb. 4b.
03/2021 Laimburg Journal Veränderung in der Reifeentwicklung Abb. 4c.
Veränderung in der Reifeentwicklung 03/2021 Laimburg Journal Abb. 5 a-c: Relationen der Most-Zuckergehalte zu den Gesamtsäurewerten der einzelnen Sorten und Anlagen. // Relations between must total soluble solids (TSS) and total acidity of the single varieties and sites. Abb. 5a.
03/2021 Laimburg Journal Veränderung in der Reifeentwicklung Abb. 5b.
Veränderung in der Reifeentwicklung 03/2021 Laimburg Journal Abb. 5c.
03/2021 Laimburg Journal Veränderung in der Reifeentwicklung Abb. 6 a-c: Relationen der Most-Gesamtsäurewerte zu den pH-Werten der einzelnen Sorten und Anlagen. // Relations between must total acidity and pH-valuse of the single varieties and sites. Abb. 6a.
Veränderung in der Reifeentwicklung 03/2021 Laimburg Journal Abb. 6b.
03/2021 Laimburg Journal Veränderung in der Reifeentwicklung Abb. 6c. Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International Lizenz. Quest'opera è distribuita con Licenza Creative Commons Attribuzione - Non commerciale 4.0 Internazionale. This work is licensed under a Creative Commons Attribution-NonCommercial 4.0 International License. Für alle Abbildungen und Tabellen ohne Nennung des Urhebers gilt: © Versuchszentrum Laimburg. Per tutte le immagini e tabelle senza menzione dell'artefice vale: © Centro di Sperimentazione Laimburg. For all figures and tables without mention of the originator applies: © Laimburg Research Centre.
Sie können auch lesen