Verwirklichungschancen und Mobilität in Baton Rouge. Eine Annäherung auf Grundlage Amartya Sens Capability-Ansatz

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Verwirklichungschancen und Mobilität in Baton Rouge. Eine Annäherung auf Grundlage Amartya Sens Capability-Ansatz
Verwirklichungschancen und Mobilität
in Baton Rouge. Eine Annäherung auf
Grundlage Amartya Sens Capability-
Ansatz

Franziska Palm

   Zusammenfassung

   Durch das Automobil als dominierendes Verkehrsmittel in den USA ergeben sich
   erhebliche infrastrukturelle und soziale Konsequenzen. Diese umschließen nicht nur
   die Verkehrsinfrastrukturen, sondern auch die Bildungs- und Gesundheitsversorgungs-
   einrichtungen sowie Lebensmittelmärkte. Die Dominanz des Automobils verstärkt
   zusätzlich den ungleichen Zugang zu diesen Einrichtungen und bedingt die Möglich-
   keiten für gute Bildung, Gesundheitsversorgung sowie gesunde Ernährung. Das führt
   zu einer starken Ungleichverteilung und großen räumlichen Disparitäten, u. a. da der
   Besitz eines eigenen Autos nicht grundsätzlich gegeben ist. Der vorliegende Beitrag
   soll die unterschiedlich verteilten Verwirklichungschancen, angelehnt an den Ansatz
   des Ökonomie-Nobelpreisträgers Amartya Sen im Parish East Baton Rouge, im US-
   Bundesstaat Louisiana genauer untersuchen.

   Schlüsselwörter

   Verwirklichungschancen · Mobilität · Bildung · Gesundheit · Lebensmittelmärkte ·
   Räumliche soziale Ungleichheiten

F. Palm (*)
Tübingen, Deutschland
E-Mail: franziska.palm@student.uni-tuebingen.de

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH,    107
ein Teil von Springer Nature 2021
O. Kühne et al. (Hrsg.), Louisiana – mediengeographische Beiträge zu einer
neopragmatischen Regionalen Geographie, RaumFragen: Stadt – Region – Landschaft,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-34742-0_7
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1	Einleitung

Die USA sind durch das Automobil als das vorherrschende Verkehrsmittel charakterisiert
und werden auch als Nation der Automobilität bezeichnet (Juchelka 2013, S. 28). Nach
Urry (2004, S. 25–26) umfasst Automobilität ein System mehrerer Komponenten, die
diese Dominanz erzeugen und reproduzieren. Automobilität kann u. a. als ein Schlüssel-
element des individuellen Konsums betrachtet werden, welches eine bedeutende Rolle
bei der Gestaltung des sozialen und materiellen Status und der Identität einnimmt
(Maxwell 2020, S. 203–204). Zudem bezeichnet das System eine dominante Kultur,
die die Bedeutung eines „guten“ Lebens und einer „anständigen“ bürgerlichen Person
konsolidiert (Urry 2004, S. 26). Automobilität impliziert darüber hinaus eine Form
der Mobilität, die andere Transportmittel, wie das Radfahren, zu Fuß gehen oder den
öffentlichen Personenverkehr unterordnet und marginalisiert und folglich das Leben
sozial, räumlich und zeitlich neu strukturiert (Whitelegg 1997, S. 54). Das Automobil
verkörpert somit keine neutrale Technologie, sondern vielmehr ein System, dessen Ein-
führung eine starke Transformation des Raums, der Lebensmuster und deren Zugang ein-
geleitet hat (Henderson 2006, S. 293). Aufgrund dessen ist die Auseinandersetzung der
Automobilität und deren sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Interdependenzen
von großer Bedeutung.
   Im Rahmen dieses Beitrags werden die Zusammenhänge von Mobilität und sozialen,
kulturellen und ökonomischen Ungleichheiten in dem US-amerikanischen Parish East
Baton Rouge, Louisiana verdeutlicht und diskutiert. Dabei wird zunächst die Genese der
heutigen räumlichen und sozialen Mobilitätsstrukturen im US-amerikanischen urbanen
Raum dargelegt. Für die Analyse der gesellschaftlichen und individuellen Lebens-
muster und der Perspektiven ein „gutes“ Leben führen zu können, wird das Konzept
der Verwirklichungschancen des Wirtschaftswissenschaftlers und Philosophen Amartya
Sen herangezogen, das in der Theorie und Empirie anhand des Untersuchungsraums
ausgeführt wird. Mit Sens Ansatz lassen sich die Indikatoren und das Maß der Ver-
wirklichungschancen zielgerichtet differenzieren und bewerten.

2	Urbane Mobilitätsstrukturen in den USA

Das Automobil gilt seit fast einem Jahrhundert als das dominante Verkehrsmittel auf den
Straßen der USA, dessen Entwicklung graduell im letzten Jahrhundert auszumachen ist.
Das Auto mit der Technologie des Verbrennungsmotors initiierte eine maßgebliche Ver-
änderung der räumlichen urbanen Strukturen. Als das erste kraftstoffbetriebene Fahrzeug
in den USA 1896 verkauft wurde, umschloss der Besitz eines eigenen Autos zunächst
nur die wohlhabenden Bevölkerungsgruppen. Erst in den Goldenen Zwanzigern durch
eine dynamische und prosperierende Wirtschaft existierte das Automobil nicht mehr
ausschließlich als Luxusgut und die Rate des privaten Autobesitzes stieg erheblich an
(Culver 2017, S. 178). Mit wachsendem Wohlstand der Bevölkerung vor dem Zweiten
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Weltkrieg bis zur Großen Depression und nach dem Zweiten Weltkrieg, expandierte die
Nutzung des Automobils. Die Städte dehnten sich radial aus, die Erreichbarkeit wurde
zunehmend verbessert und die ersten Vorstädte, die Suburbs bildeten sich heraus. Diese
waren weitgehend von ethnischer und wirtschaftlicher Segregation charakterisiert. Es folgte
nicht nur die Verlagerung der Wohngebiete aus den Stadtzentren heraus, sondern auch die
Entstehung der ersten Wirtschaftsdistrikte diverser Aktivitäten (Taaffe et al. 1996, S. 176).
Die aktive Förderung der Expansion des Automobils als urbanes Transportmittel wurde so
weit realisiert, dass beispielsweise das Automobilunternehmen General Motors mit dem
Ölkonzern Standard Oil Company 1938 die Pacific Electric Railway von Los Angeles
kaufte und für die Nutzung einer Straße demontierten. Dieses Exempel demonstriert, dass
die Subventionierung der Schienenfahrzeuge hingegen deutlich abnahm (Rodrigue 2020).
   Die Phase nach dem Zweiten Weltkrieg zeichnete sich durch die weiterführende
Ausdehnung des Automobils als Massenverkehrsmittel und des parallelen Fortschritts
der Verkehrsinfrastruktur für den motorisierten Individualverkehr aus (Taaffe et al.
1996, S. 177). Mit der Massenmotorisierung wurden zwei entscheidende Faktoren
bedingt und beschleunigt: Die Errichtung der Highways und die Suburbanisierung. Der
Beginn des Baus der Highways Anfang des 20. Jahrhunderts diente der Expansion des
Fernstraßennetzes. Das kreisförmige um die Ballungsräume errichtete Highway System
förderte auch die Verbindung der zentralen Geschäftsbezirke/Central Business District
(CBD) und der dezentralisierten Außenbezirke mit Wohngebieten und Industriestandorten.
Zudem entwickelten sich zunehmend Unterzentren zur Versorgung der Suburbs (Rodrigue
2020, S. 303). Das Highway-System der USA wurde durch sogenannte Interstate-Freeways
ausgebaut. Die Errichtung der ersten Interstates in den 1950er-Jahren wurde durch den
damaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower im Rahmen des National Interstate
and Defense Highways Act, oder Federal Aid Highway Act initiiert (Weingroff 1996).
Darüber hinaus verhalf die politische Förderung von Suburbanisierung der Zunahme der
Massenmotorisierung in USA. Zu Beginn dieser Periode wurde der Neubau von Ein-
familienhäusern im suburbanen Raum durch die Regierung intensiv gefördert, während
von ethnischen Minderheiten bewohnte Viertel im Stadtzentrum von diesen Subventionen
ausgeschlossen wurden und verfielen (Culver 2017, S. 180). Im Zuge von staatlich
finanzierten Urban Renewal-Programmen wurden zwischen 1955 und 1966 Innenstädte
für den Autoverkehr restrukturiert, indem u. a. „baufällige“ und „verslumte“ Wohnungen
abgerissen wurden. Die Demontage dieser Flächen diente primär der Errichtung von neuen
Straßen und Parkplätzen oder der Neubebauung mit vornehmlich privatem Wohnraum. Die
Umstrukturierung und z. T. Auflösung dieser Viertel betraf insbesondere afroamerikanische
Gemeinden (University of Richmond Digital Scholarship Lab 2017).
   Die infrastrukturellen und sozialen Mobilitätsmuster lassen sich eindeutig durch
ein „Automobil-dominiertes Mobilitätsregime“ beschreiben, d. h. einer „materielle[n],
wirtschaftliche[n] und kulturelle[n] Dominanz des Automobils in einer Gesellschaft“
(Culver 2017, S. 178; zum Zusammenhang von Ölförderung- und Verarbeitung mit der
Entwicklung Louisianas sowie den unintendierten Nebenfolgen davon, siehe in diesem
Band: Jenal et al. 2021; Kühne et al. 2021; Baum 2021; Kittler 2021).
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3	Theoretischer Rahmen: Capability-Ansatz nach Amartya
   Sen

Der Ökonomie-Nobelpreisträger und Philosoph Amartya Sen und die Philosophin Martha
Nussbaum konzipierten in den 1980er- und 1990er-Jahren den sogenannten Capability-
Ansatz. Die Idee der Verwirklichungschancen wurde in Auseinandersetzung mit der
Theorie der Gerechtigkeit des Philosophen John Rawls entwickelt (Rawls 1999, 2001). Sen
und Nussbaum arbeiteten gemeinsam an dem Konzept, begründeten ihre Überlegungen
jedoch in zwei eigenständigen Ansätzen der Befähigungen (Nussbaum 2000, S. 11–12).
Nussbaums Vorstellung basiert weniger darauf, was ein gutes Leben explizit umfasst,
sondern vielmehr „was die Menschen tatsächlich [zu] tun und […] in der Lage sind“
(Nussbaum 2014, S. 79). Nach Sen impliziert das Konzept der Verwirklichungschancen,
„genau das Leben führen zu können, das sie schätzen, und zwar mit guten Gründen“ (Sen
2000, S. 29), wie zum Beispiel frei von Krankheiten, ausreichender Ernährung oder auch
durch das Knüpfen und Pflegen von sozialen Kontakten. Für Sen ist demnach die Form
der substanziellen Freiheit, also die „Freiheit, unterschiedliche Lebensstile zu realisieren“
(Sen 2000, S. 95) entscheidender als lediglich die formalen Rechte. Im Folgenden wird im
Detail der Ansatz von Amartya Sen betrachtet, da dieser eine zielorientierte Erfassung und
Bewertung der Verwirklichungschancen und des Maßes dieser ermöglicht.
   Das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (2006, S. 138) differenziert in
seiner Machbarkeitsstudie zur Armuts- und Reichtumsmessung nach individuellen
finanziellen Potenzialen, individuellen nichtfinanziellen Potenzialen und gesellschaftlich
bedingten Chancen (Abb. 1). Die Indikatoren Einkommen und Vermögen als individuelle,
finanzielle Potenziale sind essenzielle Instrumente, um das Maß an Verwirklichungs-
chancen zu erhöhen. Sen (2000, S. 110) appelliert, dass finanzielle Potenziale nicht die

Abb. 1 Indikatoren der Verwirklichungschancen nach A. Sen. (Quelle: Verändert nach Institut für
Angewandte Wirtschaftsforschung 2006, S. 138)
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einzigen Mittel sind, „um Verwirklichungschancen zu schaffen“. Aufgrund dessen müssen
auch Indikatoren individueller nichtfinanzieller Potenziale miteinbezogen werden,
um Rückschlüsse auf das Maß der Verwirklichungschancen ziehen zu können. Dies
umfasst weitere Faktoren, wie Gesundheit, Behinderung und Bildung. Die Komponente
Bildung bezeichnet im Rahmen des Capability-Ansatzes ein Schlüsselelement, da
der Zugang zu Bildung die Qualifikationen einer Person potenzieren kann. Dies kann
bessere Perspektiven auf ein höheres Einkommen, Aufstiegsmöglichkeiten und geringere
Gefahren arbeitslos zu werden, bieten. Zudem hat Bildung laut der Studie des Instituts für
Angewandte Wirtschaftsforschung (2006, S. 54) eine positive Bedeutung für den Gesund-
heitszustand, die Lebenserwartung oder den sozialen Schutz.
    Weiter werden von Sen (2000, S. 52) und dem Institut für Angewandte Wirtschafts-
forschung (2006, S. 64) fünf Arten instrumenteller Freiheiten bzw. gesellschaftlich
bedingter Chancen dargestellt (Abb. 1), die für die Bedeutung eines „guten“ bzw.
angestrebten Lebens beitragen. Diese umfassen politische Freiheiten, ökonomische
Einrichtungen, soziale Chancen, soziale Sicherheit und Transparenzgarantien, deren
Bedeutung sich wechselseitig bedingen. Politische Freiheiten bzw. Chancen implizieren
die Teilnahme und Einbindung der Bürger*innen in „gesellschaftlich-politische[n] Ent-
scheidungsprozesse[n]“ (Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung 2006, S. 64).
Ökonomische Einrichtungen bzw. Chancen umfassen die Möglichkeit, eigene Mittel
für den Konsum, die Produktion oder den Tausch zu nutzen, die Kapazität durch die
individuelle Arbeitskraft am Wirtschaftsprozess partizipieren und eigenes Kapital
erwerben zu können. Soziale Chancen als gesellschaftlich bedingte Chancen zeigen auch
die Abhängigkeit von individuellen nichtfinanziellen Potenzialen und deren Effekt auf
das Maß der Verwirklichungschancen. Der Zugang zum Bildungswesen, Gesundheits-
system und zu angemessenem Wohnraum fördern bzw. behindern den Bildungsstand oder
die gesundheitliche Situation. Weiter sollte im Rahmen der gesellschaftlich bedingten
Potenziale ein sozialen Schutz bietendes System, mit Einrichtungen der Arbeitslosen-
hilfe, der Sozialhilfe und Schutz vor Kriminalität umschließen und teilweise als „Auf-
fangnetz“ fungieren (Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung 2006, S. 94). Zudem
ist innerhalb der Studie der ökologische Schutz von großer Bedeutung. Die schließt Ein-
richtungen und Instrumente ein, die die Verminderung von Lärm und Luftverschmutzung
gewährleisten sollen. Zuletzt sind Transparenzgarantien als eine Komponente der
instrumentellen Freiheiten zu entnehmen, unter der die gesellschaftliche Sicherheit gegen
Korruption oder auch Missbrauch von Sozialleistungen verstanden wird (Institut für
Angewandte Wirtschaftsforschung 2006, S. 65–102; Sen 2000, S. 52–54).
    Das Maß der Verwirklichungschancen soll aus den Zusammenhängen individueller
finanzieller und nichtfinanzieller Potenziale, sowie gesellschaftlich bedingter Chancen
ermittelt werden. Der Ansatz unterstreicht, dass die Betrachtung des Einkommens nicht
für einen Rückschluss auf das Maß individueller Verwirklichungschancen ausreicht,
sondern dass die individuellen finanziellen und nichtfinanziellen Potenziale mit den
gesellschaftlich bedingten Chancen einhergehen und sich wechselseitig beeinflussen
(Sen 2000, S. 110–111).
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4	Methodik

Der Ansatz der Verwirklichungschancen von Amartya Sen (2000) dient oftmals als
konzeptionelle Grundlage für Forschungen zu gesellschaftlicher Ungleichheit. Im Zuge
der folgenden Untersuchung nimmt Sens Ansatz mehr die Funktion einer theoretischen
Annäherung an. Anhand des Untersuchungsgebietes East Baton Rouge Parish, einem
Parish bzw. County im US-Bundesstaat Louisiana sollen mehrere Indikatoren der Ver-
wirklichungschancen dargestellt und bewertetet werden. Dazu gehören die Faktoren Ein-
kommen, Bildung, medizinische Versorgungseinrichtungen, sowie die Versorgung mit
Lebensmittelmärkten. Um die Interdependenzen möglichst genau erfassen zu können,
werden zudem die ethnische Zugehörigkeit und die Bevölkerungsdichte betrachtet.
Für eine weitere Dimensionierung der Untersuchung der Verwirklichungschancen in
East Baton Rouge Parish wird die räumliche Verteilung der genannten Faktoren heran-
gezogen. In diesem Zusammenhang werden auch die räumlichen Mobilitätsstrukturen
und deren Begünstigung bzw. Benachteiligung für die Verwirklichungschancen der
einzelnen räumlichen Einheiten untersucht.
   Die Daten für Einkommen, Bildungsabschlüsse und Einwohnerdichte wurden anhand
des US-Zensus 2018 der Website Open Data Baton Rouge von East Baton Rouge Parish
und der Stadt Baton Rouge erhoben, während die Informationen der Schulen, Lebens-
mittelmärkte, medizinischen Einrichtungen und Krankenhäuser mit den Angaben von
Geofabrik bzw. OpenStreetMap durch Internetrecherche eigenständig aktualisiert und
ergänzt wurden. Die Berechnungen und Visualisierungen erfolgten durch die Autorin
mithilfe der Geoinformationssystemsoftware QGIS.

5	Räumliche Ungleichverteilung von
   Verwirklichungschancen in Baton Rouge

5.1	Untersuchungsgebiet Baton Rouge

Für die Untersuchung der Verwirklichungschancen und Mobilität wurde Baton Rouge
aufgrund seiner starken sozialen, kulturellen, ökonomischen und siedlungsstrukturellen
Differenzierung gewählt. Dementsprechend ist der Raum von sehr unterschiedlichen Mustern
geprägt und für eine empirische Analyse der Verwirklichungschancen ideal geeignet.
    Das Untersuchungsgebiet besteht aus dem Parish East Baton Rouge mit der Haupt-
stadt Baton Rouge im Westen. Die räumliche Einheit Parish ist mit der sonst in den USA
verbreiteten Einteilung des County´s übereinstimmend. Im weiteren Verlauf des Beitrags
wird der gesamte Untersuchungsraum als Baton Rouge bezeichnet. Die analytische Ein-
teilung wurde nach den Angaben der Regierung von Louisiana (State of Louisiana o. J.)
in die Städte Baker, Baton Rouge, Central City und Zachary, sowie die durch den Zensus
erfassten Siedlungen Brownfields, Gardere, Inniswold, Merrydale, Monticello, Oak Hills
Place, Old Jefferson, Shenandoah, Village St. George und Westminster gegliedert. Da sich
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diese administrative Differenzierung aufgrund der Fluidität der Grenzen nicht für eine
präzise Flächenberechnung eignet, wurden die demographischen Merkmale basierend
auf den 301 Blockgruppen des Parishs errechnet. Baton Rouge umfasst nach aktuellen
Statistiken eine Bevölkerungszahl von 443.763 Einwohnern, eine Bevölkerungsdichte
von 376,4 Personen pro Quadratkilometer und ein medianes Haushaltseinkommen von
54.948 US-Dollar (City of Baton Rouge und Parish of East Baton Rouge 2018; United
States Census Bureau 2019). Die Distribution der Einwohnerdichte der Karte in Abb. 2
zeigt, dass es keinen eindeutigen Stadtkern gibt, sondern der Untersuchungsraum eine
Vielzahl an stark verdichteten Wohngebieten aufweist. Die Downtown Baton Rouges, die
sich am westlichen Rande des Parishs befindet, ist von einer sehr geringen urbanen Dichte
geprägt. Folglich kann Baton Rouge lediglich an der Einwohnerdichte gemessen als eine
„multivillage-metropolis“ (Kühne und Jenal 2020, S. 245; siehe in diesem Band auch den
Beitrag: Kühne und Jenal 2021) bezeichnet werden.

Abb. 2 Die Bevölkerungsdichte von East Baton Rouge Parish. (Datengrundlage: City of Baton
Rouge und Parish of East Baton Rouge 2018)
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    Für die Untersuchung des Raums ist die Betrachtung der Verkehrsmittelwahl und
-infrastruktur substanziell. Die Mehrheit der Wege in Baton Rouge, die mit dem Auto
zurückgelegt werden, spiegeln das Automobil-dominierte System, die Automobilität
wider. Für die Wege zur Arbeit setzt sich der Modal Split folgend zusammen: 83,3 %
werden mit dem Auto, 9,2 % mit Autofahrgemeinschaften, 1,4 % mit dem öffentlichen
Verkehr, 1,1 % mit sonstigen Verkehrsmitteln zurückgelegt und 2,9 % der erwerbs-
tätigen Bevölkerung arbeitet im Home Office (United States Census Bureau 2019). Ein
öffentliches Nahverkehrsnetz in Baton Rouge stellt das Bustransitsystem Capital Area
Transit System (CATS) dar. Die 25 Linien umfassen den Großteil der Kommune Baton
Rouge. Gemeinden und Siedlungen, wie Zachary, Central City, Brownfields und Old
Jefferson können mit CATS überhaupt nicht erreicht werden, Baker, Merrydale und
Monticello sind nur unzureichend abgedeckt (Capital Area Transit System 2020). Auf-
grund des geringen Anteils der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, sowie des Fahr-
rad- und Fußverkehrs am Modal Split, wird auf deren Erwähnung weitgehend verzichtet.
Baton Rouge als eine Automobil-dominierte Stadt fördert durch seine Verkehrsinfra-
struktur und -angebot vornehmend die Fortbewegung mit dem motorisierten Individual-
verkehr, wohingegen das öffentliche Nahverkehrsnetz und die Fußwege nur mangelhaft
entwickelt und nutzbar sind (Kühne und Jenal 2020, S. 246). Demnach ist Baton Rouge
in Bezug auf die US-Historie der Mobilitätsstrukturen (Kap. 2) als heutige Autostadt
bzw. -gebiet zu charakterisieren.
    Für die Analyse der Verwirklichungschancen in Baton Rouge ist auch die Betrachtung
der Verteilung der ethnischen Bevölkerungsteile essenziell. Die ethnischen Anteile
im Untersuchungsraum gliedern sich in folgende Gruppen: Weiß (46,8 %), Schwarz
oder Afroamerikanisch (46,1 %), American Indian und Alaska Natives (0,2 %), Native
Hawaiianer und andere Pazifik Insulaner (0,0 %), Asiatisch (3,2 %), sonstige Ethnien
(1,8 %) und Personen mit zwei oder mehr Ethnien (1,9 %) (City of Baton Rouge und
Parish of East Baton Rouge 2018). Eine umfassendere räumliche Differenzierung nach
Blockgruppen der ethnischen Bevölkerung (Abb. 3) zeigt weitgehend eine Dichotomie
schwarzer/afroamerikanischer und weißer mit jeweils variierenden Anteilen. Um die
jeweilige ethnischen Mehrheit kartographisch darstellen zu können, wurde als Mehrheit
ein relativer Anteil von 48,5 % festgelegt. Diese Klassifizierung ergibt, dass sich räum-
lich die weiße Bevölkerung im Süden und Nordosten des Parishs konzentriert, während
die schwarzen und afroamerikanischen Einwohner die überwiegend zentralen und nord-
westlichen Teile bewohnen.
    Die folgenden Kapitel analysieren ausgewählte Indikatoren des Capability-Ansatzes
von Sen (2000). Diese schließen Bildung mit den Kennzahlen High School-Standorte
(privat/öffentlich) und Personen mit High School Abschluss mit ein. Für den Indikator
Zugang zum Gesundheitssystem wurden die Institutionen Krankenhaus/Medizinische Ein-
richtung als Standorte von Punktdaten und die zeitliche Erreichbarkeit eines Kranken-
wagens ausgehend von den medizinischen Versorgungseinrichtungen betrachtet. Weiter
werden unter dem Aspekt des Zugangs zu Lebensmitteln anhand der Differenzierung
nach Fast Food- Standorten und frischem Nahrungsmittelangebot (Discounter/Gourmet-,
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Abb. 3 Die räumliche Verteilung der ethnischen Mehrheiten in East Baton Rouge Parish. (Daten-
grundlage: City of Baton Rouge und Parish of East Baton Rouge 2018)

Bio-Supermarkt/Reformhaus) ausgewertet. Die Variablen Einwohnerdichte, Medianein-
kommen und ethnische Zugehörigkeit werden als Vergleichsgrößen herangezogen.

5.2	Bildung

Der Zugang zu Bildung ist nach dem Konzept der Verwirklichungschancen von Sen
(2000, S. 114) ein Schlüsselelement, um die Lebensqualität, das Einkommen und folg-
lich das Maß an Verwirklichungschancen zu erhöhen. Das Bildungswesen der USA ist
keine Institution, die von gleichem Zugang für alle sozialen, ethnischen und kulturellen
Bevölkerungsgruppen geprägt ist (Gamerith und Meusburger 2017, S. 47). Die
Bestimmungen zur Finanzierung und Strukturierung der meisten öffentlichen Schulen
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liegt bei den sogenannten school districts, d. h. den Schulbezirken. Diese werden durch
lokale, staatliche und bundesstaatliche Mittel finanziert. Die Verwaltung liegt dabei
größtenteils auf lokaler Ebene und das Bestehen nationaler Schulbehörden dient mehr
der Bestimmung von Standards und Empfehlungen (U.S. Department of Education
2008). Im Allgemeinen sind öffentliche Schulen kostenlos, jedoch müssen finanzielle
Leistungen erbracht werden, wenn ein Kind eine Schule in einem Schulbezirk besucht,
die nicht dem Bezirk der Wohnadresse entspricht (National Center for Education
Statistics 2020). Vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen wählen einige Haushalte
die Wohngegend nach der eingeschätzten Schulqualität der Schulbezirke (Antipova
et al. 2011, S. 1013). In East Baton Rouge sind insgesamt vier Schulbezirke öffentlicher
Schulen auszumachen: Zachary Community Public Schools, Central Community Public
Schools, East Baton Rouge Parish Public Schools und City of Baker School District
(Niche 2021). Private Bildungseinrichtungen, ob konfessionell oder säkular, hingegen
verlangen Studiengebühren und sind abhängig von religiösen Organisationen, Stiftungen
und Spenden (Gamerith und Meusburger 2017, S. 46–49).
    Die kartographische Darstellung in Abb. 4 zeigt die Standorte der High Schools,
gegliedert nach privaten und öffentlichen Einrichtungen, sowie die ohne eine eindeutige
Zuordnung. Zusätzlich umfasst die Karte die absoluten High School Abschlüsse.1 Die
Resultate zeigen, dass die Anzahl an absoluten High School Abschlüssen insbesondere
in den südlichen und südöstlichen, wie Village St. George, Westminster, Inniswold und
Old Jefferson und in Teilen der nordwestlichen Siedlungen hoch ist (> 800 Personen mit
High School Abschluss). Deutliche Defizite bezüglich der Abdeckung sind in zentralen
Teilen der Stadt Baton Rouge, Garderes und an der nordwestlichen Parish Grenze zu ver-
zeichnen. Dabei wird deutlich, dass die Teile Baton Rouges, in denen mehr Personen
einen High School Abschluss besitzen, auch mehr Schuleinrichtungen offerieren, ins-
besondere private Schulen. Der gesamte Norden des Parishs weist einen deutlichen
Mangel an Bildungseinrichtungen auf, der mit einer geringen absoluten Anzahl an High
School Abschlüssen einhergeht.
    Die räumliche Verteilung der High Schools in Bezug auf die Einwohnerdichte in
Abb. 5 belegt die Zunahme der Anzahl der Schulen mit steigender Bevölkerungsdichte.
Das dünn besiedelte Gebiet der Downtown Baton Rouges demonstriert im Vergleich
zu dem wachsenden südlichen und östlichen suburbanen Raum ein deutliches Defizit
an Bildungseinrichtungen. In zentralen und zentralnördlichen mitteldicht bewohnten
Siedlungen, wie Monticello, Merrydale und Brownfields könnte man teilweise auch
davon ausgehen, dass die Nachfrage nach Bildung dort höher ist als in dünn besiedelten

1 Für  die kartographische Darstellung der High School Abschlüsse wurden absolute Werte statt
relative Werte gewählt, um sie mit den Standorten der einzelnen Schuleinrichtungen direkt ver-
gleichen zu können und die allgemeine Übersichtlichkeit zu verbessern.
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Abb. 4 Die Verteilung der privaten und öffentlichen High Schools und der High School
Abschlüsse1 in East Baton Rouge Parish. (Datengrundlage: Geofabrik 2018, Great Schools 2021,
City of Baton Rouge und Parish of East Baton Rouge 2018, Recherche der Internetpräsenz)

Teilen. Jedoch müssten für umfassendere Aussagen des Schulangebots in Bezug auf
die Nachfrage von Kindern und Jugendlichen im High School-Alter, die Bevölkerungs-
dichte diverserer Altersgruppen betrachtet werden. Diese Zahlen gehen jedoch durch die
ausschließliche Betrachtung des Zensus von 2018 nicht hervor. Daher wurde auf diese
analytische Ausführung verzichtet.
   Hinsichtlich der ethnischen Zugehörigkeit verstärken sich die Ungleichheiten des
Zugangs zu Bildung zunehmend. Der mehrheitlich von weißen Personen bewohnte
Süden und Osten des Parishs weist eine höhere Anzahl an öffentlichen und privaten
Schulen in Relation zu der Bevölkerungsdichte auf. Die zentralen und nordwestlichen
Siedlungen von Baton Rouge, die vorwiegend von afroamerikanischen und schwarzen
Bürgern bewohnt sind, verzeichnen eine auffallend geringere Zahl an privaten und
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Abb. 5 Die Verteilung der privaten und öffentlichen High Schools und der Bevölkerungsdichte
in East Baton Rouge Parish. (Datengrundlage: Geofabrik 2018, Great Schools 2018, City of Baton
Rouge und Parish of East Baton Rouge 2018, Recherche der Internetpräsenz)

öffentlichen Schulen. Nur das Gebiet, das die Kreuzung der Interstate 110, des Florida
Street und des Airline Highway umschließt, demonstriert eine höhere Agglomeration
an Bildungseinrichtungen. Diese räumlich ethnischen Disparitäten erschweren Kindern
aus afroamerikanischen und schwarzen Familien den Bildungszugang und resultierend
den Schulerfolg. Der Schulerfolg der Kinder hängt von der Qualität der Institution ab,
die in den USA ökonomisch stark bedingt ist (Gamerith und Meusburger 2017, S. 47).
Das Medianeinkommen der weitgehend von Weißen bewohnten Siedlungen ist in einigen
Blockgruppen auffallend höher als in den Teilen des Parish, der mehrheitlich afro-
amerikanischen Bevölkerung (City of Baton Rouge und Parish of East Baton Rouge
2018). Der Zusammenhang zwischen der Ethnizität und dem Einkommen und folglich
dem Zugang zu Bildung zeigt, dass in Baton Rouge die Verwirklichungschancen extrem
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von der ethnischen Zugehörigkeit und der ökonomischen Ausstattung abhängig sind
(ausführlicher zu diesem Thema auch: Mann und Rauscher 2021, in diesem Band).

5.3	Zugang zum Gesundheitssystem

Ein funktionsfähiges Gesundheitssystem hat das Potenzial, soziale und wirtschaftliche
Ungleichheiten zu mindern, indem eine gute Versorgung für alle Bevölkerungsgruppen
bereitgestellt wird. Die Leistungen des US-amerikanischen Gesundheitssystem sind als
die teuersten weltweit zu identifizieren. Die medizinischen Dienstleistungen sind einer-
seits sehr einkommensbedingt und hängen andererseits stark von dem Versicherungs-
programm ab, d. h. dem öffentlichen bzw. privaten. Ein ausschließlich öffentlicher
Versicherungsschutz gewährt beispielweise nicht unmittelbar den Zugang zu einer
fachärztlichen Versorgung, bzw. kann meist nur durch hohe Selbstbeteiligung erlangt
werden. Auch der Selbstkostenanteil der Privatversicherten hat in den letzten Jahren
stark zugenommen. Folglich ist der Zugang zu dem US-Gesundheitssystem von starken
Ungleichheiten geprägt (Dickman et al. 2017, S. 1432–1434).
   In den einzelnen Siedlungen Baton Rouges herrschen hohe Einkommensunterschiede,
die sich in der Anzahl der Versicherten und der Versicherungsart widerspiegeln. Im
gesamten Parish waren im Jahr 2019 91,5 % der Einwohner krankenversichert, davon
66,2 % privat und 35,8 % staatlich. 8,5 % der Personen waren mit keiner Krankenver-
sicherung abgedeckt. Die Anzahl der krankenversicherten Personen und der Typ des Ver-
sicherungsschutzes zeigen große Divergenzen zwischen dem Norden und Süden Baton
Rouges. Im relativ einkommensschwachen Norden in Teilen von Baker, Brownfields,
Merrydale und Monticello, im Zentrum von Baton Rouge, Wohngebieten zwischen
dem östlichen Teil des Florida Boulevards und der Interstate 12, sowie Siedlungen um
Gardere ist ein Anteil von unter 80 % der privaten und öffentlichen krankenversicherten
Personen auszumachen (Shreveport Times 2019).
   Darüber hinaus ist die Infrastruktur der Gesundheitsversorgung und deren Erreich-
barkeit bestimmend, um die Verwirklichungschancen von Personen identifizieren
und bewerten zu können. Die Gesundheitsinfrastruktur wird, wie in Abb. 6 nach
Krankenhäusern für eine Primärversorgung und nach medizinischen Einrichtungen
für spezialisierte Versorgungsleistungen differenziert. Zu den medizinischen Ein-
richtungen gehören u. a. Zentren, wie Drogenentzugskliniken, Gesundheits- und
Wellnesseinrichtungen oder auch Dialysezentren (City of Baton Rouge und Parish of
East Baton Rouge 2021). Der Großteil der Krankenhäuser und medizinischen Ein-
richtungen ist im Süden und Zentrum von Baton Rouge angesiedelt. Die nördlichen,
dünn besiedelten Parishgebiete stehen in starkem Kontrast zu den dicht besiedelten
südlichen und zentralen Siedlungen, da nur vereinzelt Einrichtungen zur primären und
spezialisierten Versorgung vorhanden sind. Der Vergleich der räumlichen Verteilung der
Gesundheitsversorgungsinfrastruktur und des Medianeinkommens demonstriert klare
Parallelen zwischen Siedlungen mit hohem Einkommen und einer guten medizinischen
120                                                                                 F. Palm

Abb. 6 Die räumliche Verteilung der Krankenhäuser und medizinischen Einrichtungen und des
Medianeinkommens in East Baton Rouge Parish. (Datengrundlage: Geofabrik 2018, City of Baton
Rouge und Parish of East Baton Rouge 2018)

­Infrastruktur (Abb. 6). Auch unter Berücksichtigung der ethnischen Zugehörigkeit und
 der absoluten High School Abschlüsse (Abb. 7) sind starke räumliche Ungleichver-
 teilungen der medizinischen Versorgung, insbesondere der primären Versorgung, auszu-
 machen. Die Teile des Parishs, die mehrheitlich von schwarzen und afroamerikanischen
 Bürgern bewohnt sind, implizieren eine deutlich schlechtere medizinische Versorgung
 bezüglich der Art und der Anzahl der Einrichtungen.
     Zudem ist eine Mehrzahl an Institutionen entlang der Hauptverkehrsachsen, d. h.
dem Airline Highway, dem Florida Boulevard/Street und der Interstate 10 und 12
errichtet worden, insbesondere die Kreuzungspunkte dieser vier Achsen umfassen hohe
medizinische Agglomerationen. Die Erreichbarkeit der Krankenhaus- und Klinikstandorte
Verwirklichungschancen und Mobilität in Baton Rouge …                                  121

Abb. 7 Die räumliche Verteilung der Krankenhäuser und medizinischen Einrichtungen und der
High School Abschlüsse in East Baton Rouge Parish. (Datengrundlage: Geofabrik 2018, City of
Baton Rouge und Parish of East Baton Rouge 2018)

in Baton Rouge gehen mit dem Besitz eines privaten Autos einher. Somit wird der Zugang
zu medizinischer Versorgung allein durch den Besitz bzw. Nichtbesitz eines Autos bedingt.
   Der ungleiche Zugang zu medizinischer Versorgung führt auch dazu, dass nicht
krankenversicherte Personen auf erforderliche Arztbesuche, Untersuchungen und Medika-
mente verzichten, da die Kosten oftmals nicht getragen werden können oder sogar zu
einer Verschuldung führen würden (Dickman et al. 2017, S. 1432). Zusätzlich kann die
starke räumliche Ungleichverteilung insbesondere der Krankenhäuser schwere Beein-
trächtigungen und Konsequenzen bei medizinischen Notfallsituationen nach sich ziehen.
Ausgehend von der Modellierung der Erreichbarkeitsradien von 10, 15 und 20 Minuten
bezüglich der Standorte der Krankenhäuser in Abb. 8, zeigt sich ein Versorgungsdefizit
in einem medizinischen Notfall vorwiegend in zentral nördlichen Teilen, Gebieten um
Central City und nordöstlichen und -westlichen Siedlungen. Diese modellhafte Darstellung
122                                                                                     F. Palm

Abb. 8 Die Erreichbarkeit in einer Notfallsituation in East Baton Rouge Parish. (Datengrundlage:
Geofabrik 2018, City of Baton Rouge und Parish of East Baton Rouge 2018)

geht außerdem von einer Erreichbarkeit unter optimalen Bedingungen, d. h. geringem Ver-
kehrsaufkommen und ohne Staus aus. Die dargestellten Erreichbarkeitsradien würde sich
in der Realität deutlich verringern, da das Straßennetz Baton Rouges oft überlastet ist und
sich alle Fahrzeiten dadurch zumeist verlängern (Kühne und Jenal 2020, S. 246).

5.4	Zugang zu frischen und gesunden Nahrungsmitteln

Die Analyse des differenten räumlichen Zugangs zu frischen und gesunden Nahrungsmitteln
nach sozioökonomischen Status kann zum Teil an die Resultate des Zugangs zum Gesund-
heitssystem aus Abschn. 5.3 angeknüpft werden. Die Möglichkeit sich von gesunden und
frischen Nahrungsmitteln ernähren zu können, kann auch die Belastung von ernährungs-
bedingten Krankheiten, wie Diabetes, Adipositas und Herzerkrankungen verringern,
Verwirklichungschancen und Mobilität in Baton Rouge …                                123

während ungesunde und vorgefertigte Lebensmittel dieses Risiko potenzieren können
(Lamichhane et al. 2013, S. 2). Als frische Nahrungsmittel werden hier rohe Produkte
mit einer kurzen Lagerzeit verstanden; gesund impliziert Lebensmittel mit einer geringen
Menge an Zucker, Salz und Fett (World Health Organization Regional Office for Europe).
   Im Folgenden wird die Verfügbarkeit von Lebensmittelmärkten, d. h. Fast Food,
Discounter, Gourment-/Bio-Supermarkt, Reformhaus und Sonstige bezüglich sozioöko-
nomischer Merkmale betrachtet. Fast Food-Läden implizieren Schnellrestaurantketten, wie
McDonalds, Subway, Taco Bell, Wendy´s, Burger King etc. Klassische Restaurants sind
hier nicht miteingeschlossen. Zu der Lebensmittelmarktkategorie der Discounter gehören
in Baton Rouge Walmart, Costco, Albertsons, Winn-Dixie oder Trader Joe´s. Regionale
Supermärkte mit biologischen oder Gourmet-Lebensmitteln wurden als Gourmet- und Bio-
Supermärkte eingeordnet. Zudem umfasst die Klassifizierung Reformhäuser, wie Our Daily
Bread. Die Mehrheit der internationalen Supermärkte, wozu asiatische, mexikanische und

Abb. 9 Die räumliche Verteilung der Lebensmittelmärkte und der Bevölkerungsdichte in East
Baton Rouge Parish. (Datengrundlage: Geofabrik 2018, Recherche der Internetpräsenz)
124                                                                                  F. Palm

orientalische Lebensmittelläden gehören, wurde als Sonstige kategorisiert. Meat Markets,
d. h. Märkte, die nur Fleischwaren anbieten, wurden nicht miteinbezogen.
   Die Lebensmittelmärkte in Baton Rouge (Abb. 9) umschließen zum einen eine absolute
Mehrheit an Fast Food Läden gegenüber Discountern, Gourmet-/Bio-Supermärkten, Reform-
häusern und sonstigen Märkte, wobei die größten Agglomerationen der Gesamtmärkte ent-
lang der zentralen und südlichen Hauptverkehrsstraßen zu lokalisieren sind. Zum anderen ist
ein deutliches Nord-Süd- bzw. Nord-Zentrales-Gefälle an Supermarktstandorten mit frischen
Nahrungsmitteln, wie Discountern, Gourmet-/Bio-Supermärkten und Reformhäusern aus-
zumachen. Die Verfügbarkeit von Märkten mit frischen Nahrungsmitteln nimmt nördlich
des Florida Boulevards deutlich ab und es sind nur noch vereinzelt Fast Food-Läden und
Discounter in den dichtbewohnten Siedlungen zu finden. Der dünn besiedelte Nordosten und
-westen von Baton Rouge gleicht einer „Wüste“, d. h. einer Abwesenheit jeglicher Lebens-
mittelmärkte.

Abb. 10 Die räumliche Verteilung der Lebensmittelmärkte und der ethnischen Mehrheiten in East
Baton Rouge Parish. (Datengrundlage: Geofabrik 2018, Recherche der Internetpräsenz)
Verwirklichungschancen und Mobilität in Baton Rouge …                               125

Abb. 11 Die räumliche Verteilung der Lebensmittelmärkte und des Medianeinkommens in East
Baton Rouge Parish. (Datengrundlage: Geofabrik 2018, Recherche der Internetpräsenz)

   Die Verteilung der ethnischen Zugehörigkeit (Abb. 10), des Medianeinkommens
(Abb. 11) und der absoluten High School Abschlüsse auf Blockebene veranschau-
licht, dass die Blockeinheiten mit einer afroamerikanischen und schwarzen ethnischen
Mehrheit, einem geringeren Einkommen und einem geringeren Bildungsniveau all-
gemein weniger Lebensmittelmärkte, insbesondere weniger Märkte mit einem frischen
und gesunden Nahrungsmittelangebot haben. Aufgrund der starken Interdependenzen
zwischen der ethnischen Zugehörigkeit und dem Einkommen, lässt sich in den
­mehrheitlich weiß bewohnten Siedlungen anhand der Mehrheit an Gourmet-/Bio-Super-
märkten und Discountern auch die erhöhte Möglichkeit sich von frischen und gesunden
Nahrungsmitteln zu ernähren, erkennen. Zudem setzen die Verkehrsinfrastrukturen dies-
bezüglich den Besitz eines eigenen Autos voraus, ohne zu berücksichtigen, dass dieser
aufgrund der hohen Fixkosten einkommensbedingt nicht grundsätzlich vorhanden sein
kann. Dieser Zusammenhang verstärkt den sozioökonomisch bedingten Zugang zu
gesunden und frischen Lebensmitteln extrem.
126                                                                                F. Palm

5.5	Fallbeispiele täglicher Mobilitätsketten

Um die empirischen Ergebnisse von Abschn. 5.2, 5.3 und 5.4 zu veranschaulichen,
werden im Folgenden zwei fiktive Fallbeispiele von Personen mit ähnlichem demo-
graphischen, aber unterschiedlichem sozioökonomischen Hintergrund anhand einer Reise-
kette, die im Rahmen eines Tages entsteht, aufgeführt. Die Modellierung dieser Reiseketten
ist an die Arbeit von Antipova und Wang (2010, S. 149) angelehnt. Ziel dieses Vergleichs
ist die visuelle Darstellung der unterschiedlichen Verwirklichungschancen. Die Wahl der
verschiedenen Stationen der Mobilitätsketten unterliegt den Überlegungen der Autorin
dieses Beitrags und basiert auf Datenquellen, wie dem Online-Immobilienmarktunter-
nehmen Zillow (2021), den Resultaten der vorgehenden Analyse und Google Maps.
Angemerkt werden muss, dass die Wahl der Merkmale und der Stationen der jeweiligen
Fallbeispiele auch variieren können. Zudem dient diese Visualisierung der Reiseketten
nur einer Annäherung und müsste für eine fundierte Untersuchung und Auswertung durch
exakte quantitative Daten, wie der Wohndichte, der Flächennutzung oder der Haushalts-
struktur (Antipova und Wang 2010, S. 142) ergänzt werden.

5.5.1 Fallbeispiel A: Arbeitende weibliche Person mit geringem
         Einkommen, alleinerziehend und zwei Kindern in North Baton
         Rouge
Für das Fallbeispiel A wird eine arbeitende weibliche Person mit geringem Ein-
kommen, alleinerziehend und zwei Kindern, die im nördlichen Baker wohnhaft ist,
gewählt. Anhand dieses Exempels sollen mögliche Mobilitätsmuster, die eine Person mit
einem geringen Maß an Verwirklichungschancen hat, dargestellt werden. Aufgrund der
geringen ökonomischen Ausstattung wird angenommen, dass diese Person kein eigenes
Auto besitzt, und damit alle Wege zu Fuß zurückgelegt werden. Das Bussystem CATS
stellt in diesem Fall keine Alternative dar, da die Fahrzeit derselben Kette schneller und
flexibler zu Fuß zurückgelegt werden kann.
   Die Reisekette beginnt bei dem Wohnort, hin zur öffentlichen High School für eine
Elternsprechstunde und zur Middle School, um das jüngere Kind zu begleiten. Weiter
wird die Kette zum Arbeitsplatz und zum Supermarkt fortgesetzt und führt wieder
zurück zum Wohnort (Abb. 12). Nach den Zeitangaben von Google Maps wird ins-
gesamt eine Stunde und 20 min benötigt. Dabei muss zweimal eine mehrspurige
Straßenkreuzung überquert werden, die für Fußgänger keinen sicheren Transit bietet.
Das beispielhafte Reiseverhalten zeigt, dass beim Fehlen eines privaten Autobesitzes
zwischen den verschiedenen Stationen keine große räumliche Distanz liegen kann.
Demnach muss der Wohnort in der Nähe zu den Schulen der Kinder und dem eigenen
Arbeitsplatz liegen. Da die Kommune Baker im Norden von Baton Rouge liegt, lässt sich
aus den Untersuchungen von Abschn. 5.4 entnehmen, dass hier das Angebot von frischen
und gesunden Lebensmitteln in Form von Gourmet-/Bio-Supermärkten, Reformhäusern
oder auch einigen Discountern begrenzt ist. Bezüglich der Bildungseinrichtungen hat
das Fallbeispiel A mit seiner Familie überdies beschränkte Möglichkeiten, da zum einen
Verwirklichungschancen und Mobilität in Baton Rouge …                               127

Abb. 12 Reisekette einer einkommensschwachen arbeitenden Person. (Datengrundlage: Zillow
2021, Recherche der Internetpräsenz, OpenStreetMap 2021)

das Angebot eines kostenlosen Schulbesuchs nur mit den Schulen des Schulbezirks,
in dem sich der eigene Wohnort befindet, in Anspruch genommen werden kann. Zum
anderen besteht aufgrund des fehlenden Autobesitzes nicht die Möglichkeit, eine Schule
außerhalb der fußgängigen Erreichbarkeit zu besuchen.

5.5.2 Fallbeispiel B: Nichtarbeitende weibliche Person, in Partnerschaft
       lebend mit zwei Kindern im Süden von Baton Rouge
Der zweite fiktive Haushalt für die Untersuchung von Mobilitätsketten und den Zugang
zu wichtigen Institutionen intendiert als Pendant des vorherigen Fallbeispiels. Dafür
wird eine nichtarbeitende, weibliche Person, in Partnerschaft lebend mit zwei Kindern
und vergleichsweise hohem Einkommen gewählt. Als Wohnort wird die Siedlung West-
minster im Süden von Baton Rouge bestimmt, da dort die Mehrheit der Haushalte ein-
kommensstärker sind als im Norden. In Abb. 13 werden die Wege der nichtarbeitenden
Partnerin abgebildet. Die Wege zu den verschiedenen Stationen können jeweils mit dem
Auto zurückgelegt werden, da der Haushalt von Fallbeispiel B in Besitz von zwei Autos
ist.
128                                                                                 F. Palm

Abb. 13 Reisekette einer einkommensstarken nichtarbeitenden Person. (Datengrundlage: Zillow
2021, Recherche der Internetpräsenz, OpenStreetMap 2021)

   Die Reisekette konstituiert sich aus der Strecke von dem Wohnort der Familie in
Westminster bis zu der privaten Baton Rouge International School, die beide Kinder
besuchen. Von dort aus fährt die Person des Fallbeispiels B weiter zu einem Arztbesuch
in den Ochsner Medical Complex und danach in ein Einkaufszentrum. Die Mobilitäts-
kette wird durch einen Besuch bei einer Freundin in Village St. George und einem Ein-
kauf im Supermarkt fortgesetzt. Zuletzt fährt die fiktive Person wieder zurück ­nachhause
(Abb. 13). Die gesamte Kette wird in einem Zeitraum von 40 min mit dem Auto als
Transportmittel zurückgelegt. Dieses Fallbeispiel demonstriert, dass auch die verfüg-
baren Verkehrsmittel und das Wohngebiet den Zugang zu Bildungs- und Gesundheits-
einrichtungen sowie Lebensmittelmärkten und Freizeitmöglichkeiten stark beeinflussen.
Bezüglich der Bildungseinrichtungen stellt Antipova et al. (2011, S. 1013) die Hypo-
these auf, dass Haushalte, die in räumlicher Nähe zu leistungsstarken Schulen wohnen,
für andere Wege längere Strecken zurücklegen. Diese Annahme wird im Rahmen dieses
Fallbeispiels nur partiell bestätigt und würde bei der Betrachtung der Reisekette einer
arbeitenden Person dieser sozioökonomischen Merkmale mehr Parallelen aufweisen.
Das Automobil impliziert mehr Entscheidungsfreiheiten, wie die Wahl der Bildungsein-
Verwirklichungschancen und Mobilität in Baton Rouge …                             129

richtung oder der medizinischen Versorgungseinrichtung. Zusätzlich können aufgrund
des Autos als zur Verfügung stehendes Verkehrsmittel auch Wege mit einer größeren
Entfernung zurückgelegt werden. Die Ausführung von Fallbeispiel B zeigt die deutlich
höheren Verwirklichungspotentiale im Vergleich zu Fallbeispiel A.

6	Fazit: Automobilität und Verwirklichungschancen

Die Untersuchung der Verwirklichungschancen nach Sen (2000) in Baton Rouge zeigt
große räumliche, sozioökonomische und ethnische Ungleichheiten. Aufgrund der
starken Interdependenzen zwischen der ethnischen Zugehörigkeit und dem Einkommen,
schließen diese Disparitäten auch Bildung und Gesundheit ein. Die einkommensstärkeren
weißen Wohnsiedlungen im Süden von Baton Rouge haben u. a. durch die ihnen zur Ver-
fügung stehenden Mittel (Einkommen, Transportmittel) einen eindeutig besseren Zugang
zu guter Bildung, ausreichender Gesundheitsversorgung und einer gesunden Ernährung.
Nord Baton Rouge hingegen umfasst mehr Siedlungen mit einkommensschwachen,
schwarzen und afroamerikanischen Haushalten, die einen deutlich schlechteren Zugang
zu Bildung und Gesundheit aufweisen. Nach Sen (2000, S. 31–32) bedingen sich Ein-
kommen, Gesundheit und Bildung wechselseitig. Demzufolge kann ein höheres Ein-
kommen einerseits zu einer besseren Gesundheitsfürsorge und höherer Bildung führen,
aber andererseits beeinflussen die Größen Bildung und Gesundheit wiederum das Ein-
kommen. Die räumlichen Disparitäten der ethnischen und wirtschaftlichen Merkmale
werden zufolge durch die physische Infrastruktur und die sozialen Entwicklungen
geprägt, deren Zusammenwirken Ungleichheiten entlasten bzw. verschärfen kann.
   Die Automobil-dominierende Verkehrsmittelwahl und -infrastruktur erleichtert den
Zugang dieser Einrichtungen. Die Mehrheit der Standorte von Schulen, medizinischen
Einrichtungen und Krankenhäusern sowie Lebensmittelmärkten sind an Hauptverkehrs-
wegen angesiedelt und folglich für eine fußläufige Fortbewegung oder mit dem Fahrrad
ungünstig, in einigen Fällen sogar gefährlich. Der mangelhafte Ausbau des öffentlichen
Nahverkehrs stellt zudem keine adäquate Alternative für den motorisierten Individual-
verkehr dar, was sich in dem Automobil-dominierten Modal Split Baton Rouges wider-
spiegelt. Folglich wird der Besitz eines privaten Autos politisch und gesellschaftlich
vorausgesetzt. Dieser Annahme kann der Realität jedoch nur bedingt gerecht werden,
da die Kosten eines Autos nicht von allen Personen getragen werden können. So kenn-
zeichnet das Nicht-Besitzen eines eigenen Autos eine große Beeinträchtigung für den
Zugang zu Bildung, Gesundheitseinrichtungen und Nahrungsmittelmärkten. Auch das
defizitäre Angebot alternativer Verkehrsmittel seitens der lokalen Regierung zeigt den
fehlenden politischen Willen. Resultierend können die beobachteten Assoziationen
anhand des Capability-Ansatzes von Amartya Sen (2000) erfasst und erklärt werden.
130                                                                                     F. Palm

7	Kritik und Ausblick

Die Betrachtung der Verwirklichungschancen nach Sen im Rahmen dieser Analyse hat
jedoch folgende Einschränkungen: Für eine aussagekräftige Armuts- und Reichtums-
messung müssten zusätzliche Indikatoren, wie Vermögen, die Armutsquote, privater
Besitz eines Autos und genauere demographische Merkmale, wie Geschlecht, Alter,
Beruf und Familienstand betrachtet werden. Diese Daten sind jedoch innerhalb der
Angaben des Zensus von 2018 auf Blockgruppenebene nicht verfügbar. Die Unter-
suchung der ungleichen Verwirklichungschancen in Baton Rouge würde außerdem
durch eine genauere statistische Analyse in einigen Bereichen eine höhere Aussagekraft
erlangen.
    Die Stärken dieser Erhebungen liegen bei der Darstellung der Mehrdimensionali-
tät des ungleichen Zugangs zu Bildung, Gesundheit und Lebensmitteln, die durch die
Ermittlung von Einkommen, Ethnizität und Bevölkerungsdichte ausgeführt wurde.
Darüber hinaus wird im Zuge dieses Beitrags auch der Aspekt der räumlichen Mobilität
und dessen Dominanz durch das Automobil integriert.

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