Vom Glück, mit Liebe zu - Susanne Seethaler kochen

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Vom Glück, mit Liebe zu - Susanne Seethaler kochen
Susanne Seethaler

Vom Glück,
mit Liebe zu
  kochen
  Achtsamkeit im Alltag

    nymphenburger
Vom Glück, mit Liebe zu - Susanne Seethaler kochen
Inhalt
1   Schmecken, Riechen, Fühlen – mit allen Sinnen kochen        6

2   Die Lust an der Fülle –
    vom täglichen Einkaufsstress zum bewussten Auswählen 12

3   Schälen, Schneiden, Rühren –
    vom achtsamen Umgang mit Messer, Löffel und Co. 32

4   Kochen, Brodeln, Backen –
    von der Freude am Komponieren 58

5   Schlemmen und Genießen – alles ist erlaubt!          76

6   Große Tafel oder kleiner Kreis –
    von der Freude, sich Gäste einzuladen 90

7   Angebrannte Milch und viel zu weiche Nudeln –
    vom gelassenen Umgang mit Küchenfrust und Pannen 106

8   Spülen, Scheuern, Wischen – das große Clean-up        118

    Danke 130
    Literatur 132
    Rezeptverzeichnis 133
    Die Autorin 134
Schmecken,
Riechen, Fühlen –
   mit allen Sinnen kochen
Schmecken, Riechen, Fühlen – mit allen Sinnen kochen

                                                  auf das Kochen an sich, sondern auf jeg-
                                                  liche Art Ihres täglichen Tuns.
                                                  Ich habe mich bemüht, vor allem
»Schau mit deinen Augen,                          Leichtigkeit und Freude in die nun fol-
rieche mit deiner Nase,                           genden Seiten zu bringen, so können Sie
schmecke mit deiner Zunge ...«                    Gelassenheit walten lassen und sich
ZENMEISTER TENKEI                                 ganz entspannt freuen, wenn es Ihnen
                                                  gelingt, den einen oder anderen Vor-
                                                  schlag aus diesem Buch in Ihrem täg-
                                                  lichen Leben umzusetzen.
Dieses Buch handelt in erster Linie vom           Die Suche nach dem kleinen Glück im
Glück, und zwar von jenem Glück, das in           Alltag fängt immer mit einer persönli-
den kleinen Dingen des Lebens, im All-            chen Erfahrung an. Ich stand eines Tages
täglichen verborgen liegt. In zweiter Linie       in der kleinen, beengten Küche des
handelt es vom Kochen und von der                 Naturkost-Bistros, in dem ich regelmäßig
Liebe zum Kochen, denn genau da habe              arbeite, und räumte die Spülmaschine
ich es persönlich aufgestöbert, dieses            ein. Der große Ansturm auf unseren ve-
eher unscheinbare und doch ganz be-               getarischen Mittagstisch war vorüber
sondere Glück. Und dann kommt noch                und vor mir türmten sich nun Berge von
die sogenannte Achtsamkeit mit ins                schmutzigem Geschirr. Ich hatte gerade
Spiel, quasi der Nährboden für Glück              ein paar große Teller unter fließendem
und Liebe überhaupt. Achtsamkeit be-              Wasser vorgespült und war dabei, diese
deutet liebevolles und interessiertes             nun in die Maschine zu stapeln, als mich
Gewahrsein in jeder Situation – egal, ob          plötzlich ein unglaubliches Glücksgefühl
Sie nun in der Küche am Herd stehen,              durchströmte. Es kam so stark und un-
in Ihrem Büro am Schreibtisch sitzen              vermittelt, dass ich inmitten des Chaos
oder nach Feierabend in Ihrem Garten              um mich herum regelrecht in Freuden-
werkeln. Für all diejenigen, die mit die-         tränen ausbrach.
sem Buch arbeiten wollen, sei also                Ich kann mich noch gut daran erinnern,
gesagt, dass sie die Übungen und An-              dass ich ein, zwei Minuten – in denen
regungen, in leicht abgewandelter Form            meine Chefin irritiert zu mir herüber-
natürlich, überall und jederzeit anwen-           schaute – brauchte, um mich von dem
den können. Sie beziehen sich nicht nur           Glück zu erholen.

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Schmecken, Riechen, Fühlen – mit allen Sinnen kochen

Der Auslöser meines kleinen, zauber-           mein täglicher Arbeitsplatz, wurde ein
haften Glücksmoments an der Spülma-            optimales Experimentierfeld für die
schine lag in einem scheinbar ganz bana-       Suche nach dem kleinen Glück. Keine
len Tun und in einer Art wachsamen             großen Verliebtheitsgeschichten oder
Fühlens. Als ich später die Stunden im         unglaublich tolle, bewegende Glücksmo-
Bistro noch einmal Revue passieren ließ,       mente, von denen wir sicher alle im Ver-
fiel mir auf, dass ich an jenem Tag            borgenen träumen, hatten es mir an-
besonders konzentriert und im wahrsten         getan, sondern ebenjenes Kleine und
Sinne des Wortes bei mir gewesen bin.          Zarte, das sich im täglich gewebten
Ich konnte mich sogar noch im Nach-            Alltagsteppich als kaum sichtbare Knub-
hinein regelrecht körperlich daran erin-       bel und Erhebungen verbirgt, weckte
nern, dass ich beim Spülen der Teller in       meinen Jagdtrieb. Ich stellte relativ
jenem Moment sehr genau gewusst und            schnell fest, dass mir, wenn ich ruhig und
vor allem gespürt und gefühlt habe, was        aufmerksam arbeitete und mich bei-
da gerade vor sich ging: das warme             spielsweise – und zwar mit allen Sinnen!
Wasser auf meiner Haut, das Spüren der         – ganz auf das Schneiden des Gemüses
Beschaffenheit der glatten Porzellan-          konzentrierte, mir erstens die Arbeit
teller zwischen meinen Fingern, das            schneller von der Hand ging, was ja auch
leichte Ziehen in meinem Rücken und            irgendwie logisch ist, und ich zweitens
meinen Beinen, als ich mich bückte, um         erfüllt wurde von einem tiefen Gefühl der
die Spülmaschinentür zu öffnen – all dies      Gelassenheit und des Zufriedenseins –
empfand ich in jenen Augenblicken sehr         unbestritten zwei enge Verwandte aus
intensiv, aber irgendwie auch recht ge-        der großen Familie Glück.
lassen, als wäre ich ein leicht distanzier-
ter, interessierter Beobachter meiner
selbst. Ja, und dann streckte ich mich
nach dem ersten Teller auf der Abtropf-                               »Das kleine
fläche, um ihn in den Tiefen der Spül-                                Glück wartet
maschine zu versenken, und da nutzte                                   überall.«
das Glück wohl die Gunst der Stunde, um
mich hinterrücks zu überfallen.
Von jenem Zeitpunkt an war das Glück
nicht mehr sicher vor mir; und die Küche,

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Schmecken, Riechen, Fühlen – mit allen Sinnen kochen

Immer wieder neu habe ich mich gezielt            dem Mittagstisch die ersehnten Pfann-
auf die Suche nach dem Ursprung dieses            kuchen oder Spaghetti mit Tomatensoße
warmen und freudigen Gefühls gemacht.             standen.
Ich habe es an den unscheinbarsten Or-            Im Zuge meiner Experimentierfreudigkeit
ten aufgespürt, in unerwarteten Situa-            begann ich, die charakteristischen Merk-
tionen, beim bewussten Tun von Kleinig-           male der Lebensmittel und Speisen
keiten. Es ist mir entwischt, wenn ich es         regelrecht neu zu erschnuppern, zu er-
festhalten wollte – doch habe ich ihm mit         riechen und im wahrsten Sinne des Wor-
detektivischem Gespür immer wieder                tes auch neu zu erschmecken. Ich ent-
aufgelauert, es genau beobachtet und              deckte nämlich neben verschiedensten
genau hingespürt. Mit der Zeit habe ich           Geschmacksrichtungen auch noch ande-
das kleine Glück immer besser kennen-             re Beschaffenheiten meines täglichen
gelernt, seine Eigenheiten und Launen,            Essens wieder neu: Hartes, Weiches und
die Kunst, es zu locken und zu genießen.          Knuspriges zum Beispiel oder Feuchtes,
                                                  Heißes und Kaltes – und das war erst der
                                                  Anfang einer unglaublichen Fülle an
Mit allen Sinnen                                  erfahrbaren Sinneseindrücken.
                                                  Ich erlaubte mir auch, wieder zu schmat-
Ich entdeckte, dass das ganze Erlebnis-           zen und zu schlürfen. Okay, nicht zu allen
spektrum auch immer noch erweiterbar              Gelegenheiten – ich weiß mich selbstver-
war: Mit »allen Sinnen«, das bedeutet ja          ständlich in der Öffentlichkeit zu beneh-
nicht nur fühlen, sondern auch schme-             men! Das Glücksgefühl, das einen durch-
cken und riechen. Natürlich kennen wir            strömen kann, wenn man volle Kanne in
alle das Glücksgefühl, wenn ein Stück-            einen Apfel beißt oder sich eine Handvoll
chen unserer Lieblingsschokolade lang-            Kartoffelchips in den Mund schmeißt,
sam im Mund zergeht: das weiche Gefühl            um dann mit offenem Mund zu knuspern
auf Zunge und Gaumen, der süße                    und zu kauen, erinnert mich persönlich
Schmelz ... Oder der charakteristische            voller Entzücken an die warmen Som-
Duft unseres Lieblingsessens, der viel-           mertage meiner Kindheit, an denen ich
leicht Erinnerungen an unbeschwerte               mit Freunden in Nachbars Garten Äpfel
Kindertage hervorruft, an denen wir, aus-         klaute, oder an die Samstagabende, zu
gehungert vom Spielen oder von der                denen es von meiner Mutter – nach der
Schule, nach Hause kamen und dann auf             obligatorischen Badewanne – für mich

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Schmecken, Riechen, Fühlen – mit allen Sinnen kochen

und meine kleine Schwester je eine Tüte     Sie werden feststellen, dass Sie das
Chips gab, die wir dann genüsslich vor      Glück, wie eingangs erwähnt, nicht nur
dem Fernseher verspeisen durften.           am Herd oder am Spülbecken antreffen
Gerade in Sachen Essen und Genießen         können. Es lauert sprichwörtlich überall
gibt es so viel zu entdecken, man denke     und die Küche ist nur unser Übungsfeld,
nur an das ganze Spektrum der Farben        in dem wir lernen, Dinge des Alltags
und Formen bei Obst und Gemüse. Doch        bewusster und ein bisschen anders zu
ich möchte Sie nicht gleich zu Beginn       tun, als wir das gewohnt sind.
des Buches überfordern, wir werden          Ich wünsche Ihnen nun viel Spaß beim
uns langsam in die Materie vertiefen.       Suchen und Aufspüren – und natürlich
Schließlich geht es uns ja um das kleine    auch beim Kochen und Genießen.
Glück, das manchmal sogar im Verborge-
nen liegt und das behutsam entdeckt
werden möchte.

»Daikoku und Ebisu sind
japanische Glücksgötter.
Sie im Haus zu haben
sorgt für Wohlstand und
Glück.«

                                                                                       11
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