Von Weltenbauer/innen und der Unmöglichkeit der Erziehung
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20.09.2021 Von Weltenbauer/innen und der Unmöglichkeit der Erziehung LKO und die Möglichkeit „zur Erziehung“ 1 Was ist Erziehung? Erziehung ist … … beabsichtigte Lernhilfe … zielgerichtet … soziale Interaktion (gegenseitige Beeinflussung und Steuerung) … soziale Kommunikation (Informationsaustausch in für beide das Gleiche bedeutende Symbole) … soziales Handeln (von einem Menschen zu anderen, welches bewusst und willentlich geschieht) … zwischenmenschliche und persönliche Beziehung (ein Wechselspiel zwischen zwei Personen) →Umstri en, verschieden, grossen Einfluss auf das pädagogische Handeln, entscheidend: Menschenbild 2 1
20.09.2021 Bilder der Erziehung • Erziehung als Ziehen: Das Kind als „Pflänzchen“, das gezogen werden muss. Es muss gegossen, gestützt, geschnitten werden. Erziehung als Anwendung von Macht. Ziel: Mündigkeit, Wissen und Können. Die Mittel der Erziehung: Lob und Tadel. • Erziehung als Führung: Das Kind wird geführt von einer Person mit mehr Wissen und Erfahrung in einem Führungs-Nachfolge-Verhältnis zueinander. • Erziehung als Regierung und Zucht: Erziehung als Unterwerfung der Kinder. Ziel: Gehorsam und anständiges Verhalten. Das Kind ist noch roh, unfertig. • Erziehung als Wachsen lassen: Das Kind als von Natur aus gut, das mit guter Pflege aus sich selbst wächst. Gute Lernsituationen und Beratung und Hilfe als Mittel der Erziehung. Die Erziehung geschieht vom Kinde aus. • Erziehung als Anpassung: Erziehung als die Anpassung des Einzelnen an die Gesellschaft mit ihren Normen, Werten, Rollen und Einstellungen. Das Mittel dazu ist die Rollenkompletarität. • Erziehung als Lebenshilfe: Das Kind als hilflos, bedürftig, gefangen in Krisen. Erziehung als Hilfe aus dieser Situation. 3 Fragen zum Menschenbild • Frage nach dem Mass der Einflussnahme: Was ist das Kind? Ist die zu erziehende Person schon fertig oder muss sie zu etwas gemacht werden? Entwickelt sich die zu erziehende Person einfach so oder muss sie ge- bzw. erzogen werden? Ist Selbsterziehung möglich? • Frage nach der Möglichkeit der Einflussnahme der Erziehung: Dürfen wir auf andere Menschen einwirken? Können wir überhaupt auf andere Menschen einwirken? • Frage nach dem Verhältnis zwischen erziehender und zu erziehender Person: Ist die zu erziehende Person ein Objekt oder ein eigenständiges Subjekt? Gibt es eine Autorität in der Erziehung, das heisst hat die erziehende Person mehr Macht als die zu erziehender Person? Oder ist Erziehung auch ohne Macht möglich? Und falls nicht, wie lässt sich die Macht sinnvoll und legitim einbringen? 4 2
20.09.2021 Wie sieht dein Menschenbild der Erziehung aus? • Fragen beantworten • Diskussion / Austausch in Gruppen 5 Bedeutung des LKO für das Menschenbild der Erziehung Frage nach dem Mass der Einflussnahme: Das Kind ist eine eigenständige Person, die nicht durchschaut und kontrolliert werden kann. Es folgt in seinem Verhalten seiner eigenen Realität (Ansicht, Sinn, Logik…). Frage nach der Möglichkeit der Einflussnahme der Erziehung: Die erziehende Person kann die zu erziehende Person nicht zielgerichtet beeinflussen. Die einzige Möglichkeit besteht über Irritation und Anstösse zur Erziehung, die die zu erziehende Person annimmt oder zurückweist. Da das Verhalten anderer Menschen nicht beeinflussbar ist, ist es auch nicht kontrollierbar. Jeder Mensch kann aber sein eigenes Verhalten beeinflussen und kontrollieren. Frage nach dem Verhältnis zwischen erziehender und zu erziehender Person: Erziehende Person und zu erziehende Person erschaffen gemeinsam die Welt durch Kommunikation, Interaktion und Beziehung. So wie die Wirklichkeit gemeinsam beschrieben, erklärt und dargestellt wird, so gestaltet sich diese Wirklichkeit. Das Verhältnis ist geprägt durch Gleichwertigkeit, da jede konstruierte Realität gleichwertig wie jede andere ist. 6 3
20.09.2021 Aktuelle Erziehungskonzepte I • Jesper Juul: Gute Beziehung, gutes Selbstgefühl, persönliche Verantwortung, „Nein“ sagen, Leuchtturm sein • Haim Omer & Philip Streit: Struktur, Präsenz und wachsame Sorge, Selbstkontrolle und Deeskalation, Unterstützung • Jürgen Hargens: Beziehung, Wertschätzung, Präsenz, Verantwortung. 7 Aktuelle Erziehungskonzepte II • Wilhelm Rotthaus: Präsenz, Wertschätzung, Selbststeuerung, Kooperation, Beziehung, Zuwendung • Marianne und Kaspar Baeschlin: Kind als Expert/in, lösungsorientierte Gespräche • Aktuelle Erziehungsratgeber: Beziehung statt Erziehung, Anerkennung, Vertrauen und Grenzen 8 4
20.09.2021 Haltungen • Respekt, Würde und Anerkennung: Das Kind respektieren, seine Lebenswelt anerkennen und seine Individualität als eigenständiger Mensch würdigen. • Reflexivität: Es ist immer wieder Aufgabe der Erziehung, hinter die Bilder der Welt zu blicken und zu hinterfragen und zu reflektieren, woher ein Konstrukt kommt. • Gleichwertige Beziehung: Die Beziehung zwischen erziehender und zu erziehender Person ist geprägt von Gleichwertigkeit und Offenheit gegenüber der Welt des anderen. • Unvoreingenommene Kommunikation / Dialog der Vielstimmigkeit: Um im Dialog miteinander zu sein, um gegenseitig die Welt des anderen kennen zu lernen, muss die Kommunikation unvoreingenommen, offen und von Neugier geleitet sein. • Ein sicherer Leuchtturm und gleichzeitig Veränderung sein: Kinder brauchen die Wertvorstellungen, Prinzipien, Präsenz und Klarheit der erziehenden Person als Leuchtturm auf hoher See. Die erziehende Person kann nur sich selbst verändern, wenn sie etwas verändern möchte. • Fokus auf die Gegenwart und Förderung des Selbstwerts: Erziehende Personen lassen die Erziehungsziele los und richten den Fokus auf die Gegenwart und auf das Kind. Das Kind ist in Ordnung ist, wie es ist. 9 Fazit – Grenzen und Möglichkeiten • Erziehungsbegriff veraltet, Beziehung statt Erziehung • Bewusstsein über Haltungen (die gemeinsam konstruierte Welt oder die Unmöglichkeit der gezielten Beeinflussung in jeder Erziehung) • Die Grenzen der Erziehung sind: Zielgerichtetes Beeinflussen von Personen nicht möglich, Erziehungsunsicherheit, Zusammenleben als Teil der Gesellschaft «Wir stehen beide da, auf Augenhöhe und reden miteinander, stellen Fragen über uns und die Welt und erschaffen uns so die Welt.» 10 5
20.09.2021 „Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune, ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt.“ 11 Diskussion Was ist „Erziehung“ deiner Meinung nach? Welches Fazit/Konsequenzen ziehst du aus dem LKO für die „Erziehung“? Was sind wichtige Haltungen für dich und die „Erziehung“? Wie gelingt dies in deinem Alltag? 12 6
20.09.2021 Literatur: Baeschlin, Marianne & Baeschlin, Kaspar (2004). Fördern und Fordern: lösungsorientiertes Denken und Handeln im erzieherischen Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Winterthur: Zentrum für lösungsorientierte Beratung. Berghaus, Margot (2011). Luhmann leicht gemacht (3. Aufl.). Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag Fend, Helmut & Berger, Fred (2019). Die Erfindung der Erziehung. Eine Einführung in die Erziehungswissenschaften. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH Gergen, Kenneth J. (2002). Konstruierte Wirklichkeiten: eine Hinführung zum sozialen Konstruktionsismus. Stuttgart: W. Kohlhammer GmbH. Hargens, Jürgen (2007). Kinder, Kinder... oder: Wer erzieht wen... und wie (2. Aufl.). Basel: borgmann. Jesper, Juul (2009). 5 Grundsteine für die Familie. Wie Erziehung funktioniert. München: Kösel. Kron, Friedrich W. & Jürgens, Eiko & Standop, Jutta (2013). Grundwissen Pädagogik (8. aktual. Aufl.). München: Ernst Reinhardt GmbH&Co KG 13 Omer, Haim & Streit, Philip (2016). Neue Autoritäten: Das Geheimnis starker Eltern. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Perry, Philippa (2020). Das Buch, von dem du dir wünschst deine Eltern hätte es gelesen (und deine Kinder werden froh sein, wenn du es gelesen hast)(6.Aufl.) Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH. Rotthaus, Wilhelm (2017). Wozu erziehen? Entwurf einer systemischen Erziehung (8. Aufl.). Heidelberg: Carl-Auer Verlag. Saalfrank, Katharina (2020). Du bist ok, so wie du bist. Beziehung statt Erziehung: Was Kinder wirklich stark macht. München: Gräfe und Unzger Verlag GmbH Steiner, Therese & Berg, Insoo Kim (2013). Handbuch lösungsorientiertes Arbeiten mit Kindern (6. Aufl.). Heidelberg: Carl-Auer Verlag. 14 7
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