Vor 100 Jahren kam der Strom nach Tennenbronn - NRWZ.de

Die Seite wird erstellt Henrietta-Louise Hoppe
 
WEITER LESEN
Vor 100 Jahren kam der Strom nach Tennenbronn - NRWZ.de
Vor 100 Jahren kam der Strom nach Tennenbronn

Vor 100 Jahren kam der Strom nach
Tennenbronn

Mit dem elektrischen Strom begann ein neues Zeitalter für Tennenbronn. Zum 100-jährigen
Jubiläum hat Alfred Moosmann von der Tennenbronner Heimathausgruppe die spannende
Geschichte der Stromversorgung Tennenbronns zusammengestellt, die wir an dieser Stelle gern
veröffentlichen:

Im September 1920 gab es hier noch zwei Gemeinden: Evangelisch Tennenbronn mit Bürgermeister
Alexander Weisser und Katholisch Tennenbronn mit Bürgermeister Josef Kaltenbacher senior. Sie
arbeiteten an einem gemeinsamen Ziel: Die Versorgung der Haushalte mit elektrischem Strom.

Seite 1 / 6
Quelle: NRWZ.de - veröffentlicht am 25. September 2020 von Gastbeitrag. Erschienen unter
https://www.nrwz.de/schramberg/vor-100-jahren-kam-der-strom-nach-tennenbronn/274992
Vor 100 Jahren kam der Strom nach Tennenbronn

Die lange Vorgeschichte fand am Sonntag, 12.September 1920 ihren Abschluss mit einem großen
Lichtfest, an dem die ganze Gemeinde teilnahm. Die elektrische Beleuchtung war in allen Häusern
des Dorfes eingeführt, die Straßen inbegriffen. Die Kraft hierfür kam vom Laufenburger Werk, von
deren Hauptleitung Villingen – Schramberg von Hardt aus eine Abzweigung errichtet wurde. So
berichtete das Schwarzwälder Tagblatt über das Lichtfest in Tennenbronn:

„Um 3 Uhr nachmittags setzte sich ein Festzug vom Schwesternhaus aus in Bewegung. Es nahmen
an demselben teil der Herr Amtsvorstand von Triberg, die Bürgermeister und Gemeinderäte beider
Gemeinden, die beiden Musikvereine, die beiden Kirchenchöre, der Männergesangverein,
Militärverein, Feuerwehr, die Schulkinder und die an der Einrichtung beteiligten Arbeiter. Nachdem
sich der Zug durch beide Gemeinden bewegt hatte kehrte er zum Gasthaus zum „Engel“ zurück,
woselbst ein Festessen mit anschließendem Bankett stattfand. Die Festrede hielt Herr
Bürgermeister Kaltenbacher von Katholisch Tennenbronn, der über die Bedeutung des elektrischen
Lichts sprach. Der Herr Oberamtmann aus Triberg toastete auf die fortschrittliche Gesinnung
Tennenbronns und munterte die Bewohner auf, auch fernerhin alle praktischen Neuerungen
einzuführen. Musik und Gesangsvorträge wechselten sich ab und eine wohlgelungene
Theateraufführung erfreute die Festteilnehmer noch besonders…Es ist nur zu wünschen, dass sich
auch die umliegenden Höfe bald anschließen.“

Tennenbronn war spät dran

Die gelobte „fortschrittliche Gesinnung“ von Tennenbronn hatte im Vorfeld allerdings einige
Schönheitsflecken. Man gehörte nicht zu den Pionieren, benachbarte Kommunen waren schon
weiter. Triberg rühmte sich bereits 1884 mit der ersten vollelektrischen Straßenbeleuchtung
Deutschlands. 1897 wurde St. Georgen an das Netz der EGT angeschlossen, wenige Jahre später
folgten Schonach, Niederwasser, Schonachbach und Nußbach.

In Schramberg betrieben insbesondere die Uhrenfabriken die Elektrifizierung und bauten ihre
eigenen Kraftwerke im Göttelbach und im Bernecktal. Junghans versorgte große Teile von
Schramberg mit seinem Strom und schon 1902 eröffnete Reinhard Moosmann das erste
Elektrogeschäft in der Stadt.

Seite 2 / 6
Quelle: NRWZ.de - veröffentlicht am 25. September 2020 von Gastbeitrag. Erschienen unter
https://www.nrwz.de/schramberg/vor-100-jahren-kam-der-strom-nach-tennenbronn/274992
Vor 100 Jahren kam der Strom nach Tennenbronn

1904 baut die Hamburg-Amerikanische-Uhrenfabrik (H.A.U.) im Bernecktal ihr eigenes
Wasserkraftwerk.

Leitungsbau ohne Genehmigung

1912 erstellte das Kraftwerk Laufenburg eine Hochspannungsleitung zur Firma Junghans nach
Schramberg. Ohne eine „weitere amtliche Erschließung abzuwarten“, führte die Leitung über
Katholisch-Tennenbronn. Der Leitungsbau ohne Genehmigung hatte natürlich Folgen: Der vom
Bezirksamt Triberg vorgeladene Laufenburger Ingenieur erklärte: „Die Sache war derart dringender
Natur, dass ein weiteres Zuwarten unmöglich war, da die Großbetriebe der Firma Gebr. Junghans in
Schramberg unbedingt der Stromzuführung für Kraftzwecke bedurften.“

Es sei ihm auch unbekannt gewesen, dass Gemeindewege von Katholisch-Tennenbronn von der
Leitung berührt beziehungsweise überkreuzt werden und selbstverständlich solle mit der Gemeinde
ein Vertrag wegen Benützung des Gemeindeeigentums abgeschlossen werden.

Erst einmal dagegen

Das Kraftwerk sagte zu, Tennenbronn auf Verlangen Strom abzugeben, allerdings nicht in das Dorf,
sondern nur in die Nähe seiner Hochspannungsleitung. 1913 fragte das Grossherzoglich Badische
Bezirksamt Triberg an, ob die Gemeinde mit elektrischer Energie versorgt werden möchte.
Katholisch Tennenbronn war jedoch gegen die Einführung.

Seite 3 / 6
Quelle: NRWZ.de - veröffentlicht am 25. September 2020 von Gastbeitrag. Erschienen unter
https://www.nrwz.de/schramberg/vor-100-jahren-kam-der-strom-nach-tennenbronn/274992
Vor 100 Jahren kam der Strom nach Tennenbronn

Die Abteilung für Wasserkraft und Elektrizität in Karlsruhe hatte in einem Brief an das Bezirksamt
Triberg das Angebot des Kraftwerks Laufenburg an die Gemeinden Evangelisch- und Katholisch
Tennenbronn als ungünstig beurteilt. Außerdem wurde die Stromversorgung der beiden Gemeinden
Tennenbronn als nicht besonders dringlich erachtet. Die nachträgliche Genehmigung für die
Überquerung der Landstraße Tennenbronn – Schramberg sollte offenbar als Druckmittel benutzt
werden für ein besseres Angebot des Kraftwerks.

1914 bot der Sägewerksbesitzer Christian Eisenmann an, in jedes einzelne Haus des Dorfes
elektrische Energie für Beleuchtung und Motorenzwecke zu liefern. Die Gemeinde Evangelisch-
Tennenbronn beschloss, dem Christian Eisenmann auf Straßen, Wegen und Plätzen der Gemeinde
das Aufstellen von Holzmasten zu gestatten.

Das Großherzoglich Badische Bezirksamt Triberg forderte jedoch eine einwandfreie
Rentabilitätsberechnung des Unternehmers Eisenmann zur Prüfung an und einen Nachweis der
finanziellen Leistungsfähigkeit. Spätere Dokumente sind nicht abgelegt – man darf davon ausgehen,
dass Eisenmann die geforderten Bedingungen nicht erfüllen konnte oder dass der im Juli 1914
beginnende Krieg das Vorhaben zum Erliegen brachte.

Nach dem Weltkrieg geht es voran

Während des 1. Weltkrieges von 1914 bis 1918 gibt es keine Belege für einen Fortgang der
öffentlichen Stromversorgung in Tennenbronn. Erst am 5. Oktober 1918 wurde die Badische
Gesellschaft zur Überwachung von Dampfkesseln (ein Vorläufer des heutigen TÜV) von Katholisch-
Tennenbronn beauftragt, mit dem Kraftwerk Laufenburg über die baldige Erstellung der
Anschlussleitungen für beide Gemeinden zu verhandeln.

Am 9. Januar 1919 schrieb der Ingenieur Hermann Späth aus Stuttgart, Fabrik für elektrischer
Anlagen und Geräte, an das Bürgermeisteramt von Evangelisch-Tennenbronn, dass ein Herr
Heinrich Neudörffer, Kaufmann in Stuttgart, beabsichtigt, in Tennenbronn eine Fabrik verbunden
mit einem Elektrizitätswerk zu erstellen. Zu diesem Zweck wolle der Neudörfer das Sägewerk von
Löwenwirt Wöhrle käuflich erwerben.

In der Fabrik sollen Massenartikel hergestellt werden, die dann für die Bewohner von Tennenbronn
als Heimarbeit Beschäftigung ergeben sollte. Das Bezirksamt Triberg verweigerte jedoch die
Zustimmung wegen fehlenden Informationen, was für ein Fabrikunternehmen eingerichtet werden
soll und ungenügender Gewähr für eine regelmäßige Strombelieferung.

Vertrag mit Laufenburg

Gut neun Monate waren vergangen seit dem Verhandlungsauftrag an die Dampfkessel-
Überwachungsgesellschaft, bis eine verbindliche Vertragsabsicht beider Gemeinden zustande kam.
Am 16. Juli 1919 fand unter Vorsitz des Amtsvorstandes des Bezirksamts Triberg im Gasthaus Engel

Seite 4 / 6
Quelle: NRWZ.de - veröffentlicht am 25. September 2020 von Gastbeitrag. Erschienen unter
https://www.nrwz.de/schramberg/vor-100-jahren-kam-der-strom-nach-tennenbronn/274992
Vor 100 Jahren kam der Strom nach Tennenbronn

eine Bürgerausschusssitzung der beiden Gemeinden Katholisch- und Evangelisch-Tennenbronn statt.

Tennenbronn im Jahre 1924 mit gut sichtbaren Stromleitungen und dem Transformatorenhaus in
der Schiltach-Aue.

Es wurde beschlossen, mit dem Kraftwerk Laufenburg und der Dampfkessel-
Überwachungsgesellschaft in Vertrag zu treten wegen der alsbaldigen Einrichtung der
Stromversorgung wenigstens im geschlossenen Ortsteil. Erst 1920 findet sich in den Akten ein
Vertrag mit dem Kraftwerk Laufenburg, der am 24. Januar vom Kraftwerk und am 21. Februar von
der Gemeinde unterzeichnet wurde.

 Schneller als die beiden Gemeinden waren die unmittelbaren Nachbarn der Laufenburger
Hauptleitung auf der Altenburg. Der Bankier Dr. Hohenemser, zur damaligen Zeit für den Neubau
des in Bankbesitz befindlichen und 1917 abgebrannten Weißbauernhofes zuständig, hatte im
Februar 1919 bereits einen Vertrag mit Laufenburg in Händen. Der Weißbauer, Josenbauer
Johannes Klausmann, Kalkbauer Johann-Georg Fleig und die beiden kleineren Anlieger Storz und

Seite 5 / 6
Quelle: NRWZ.de - veröffentlicht am 25. September 2020 von Gastbeitrag. Erschienen unter
https://www.nrwz.de/schramberg/vor-100-jahren-kam-der-strom-nach-tennenbronn/274992
Vor 100 Jahren kam der Strom nach Tennenbronn

Armbruster im Schleifenloch erstellten auf dem Josenbauernhof etwa 170 Meter von der
Hauptleitung entfernt eine Transformatorenstation.

Die Gesamtkosten betrugen die stolze Summe von fast 40.000 Mark, die sich die fünf wagemutigen
Tennenbronner Pioniere teilten. Dieses privat erbaute Gebäude wurde als Übergabestation für das
öffentliche Tennenbronner Stromnetz genutzt. Die Gemeinden musste die Hochspannung (5000
Volt) weiterführen in das Innere der Gemarkung und weitere Transformatorenstationen erstellen.

A-Gemeinde Tennenbronn überfordert sich

Tennenbronn war damit eine sogenannte A-Gemeinde. Sie bezog Strom von Laufenburg, leitete
diesen durch ihr eigenes Netz und verkaufte den Strom an die Endverbraucher. Aus der Differenz
zwischen dem Großkonsumentenrabatt und dem Kleinverbraucherpreis konnten die Kosten jedoch
nie gedeckt werden, denn Stromverlust durch Umtransformierung sowie Ausbau und Reparaturen
des großen Ortsnetzes verschlangen enorme Summen.

Da Tennenbronn damals für das neue Netz einen Stromwart suchte, übernahm Willy Dertmann
senior, der mit einem Arbeitstrupp zur Erstellung des Ortsnetzes aus Westfalen nach Tennenbronn
gekommen war, diesen Posten und behielt ihn ab 1920 vierzig Jahre lang.

Die Anschlüsse waren von den Hauseigentümern selbst zu bezahlen. Um Kosten zu sparen wurden
vielfach von Laien nicht fachgerechte und gefährliche Installationen und Veränderungen
vorgenommen. Die Stromwärter wurden deshalb verpflichtet, sämtliche Fälle zu melden und den
Tätern drohte ein Stromentzug von mindestens vier Wochen.

Elektrisch Licht im Schulabort

An eine Stromversorgung wie wir sie heute gewohnt sind, war natürlich damals noch nicht zu
denken. Es gab in den Häusern nur wenige Lichtquellen und selbst in den öffentlichen Gebäuden
herrschte vielfach Dunkelheit. Mit welchen Beschwernissen die Menschen weiterhin noch leben
mussten, macht ein Brief des Lehrers Reinhold Flamm vom 1. September 1921 deutlich.

Er bittet darin den Gemeinderat von Evangelisch-Tennenbronn, zu beschließen, dass die Schule
elektrisches Licht bekommt im Keller, wo der Zugang dunkel ist, auf dem Speicher, wo offenes Licht
höchst gefährlich ist und in den Aborten, wo in der Dunkelheit auch manches danebenging. Es sollte
noch Jahrzehnte dauern, bis in jeden Winkel der großen Gemarkung Tennenbronns eine stabile
Stromversorgung aufgebaut war.

Seite 6 / 6
Quelle: NRWZ.de - veröffentlicht am 25. September 2020 von Gastbeitrag. Erschienen unter
https://www.nrwz.de/schramberg/vor-100-jahren-kam-der-strom-nach-tennenbronn/274992
Sie können auch lesen