Vor Ort - Knifflige Suche nach Lepra Sri Lanka - FAIRMED
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«Was mit leprakranken Menschen geschieht, denen der Zugang zu medizinischer Versorgung fehlt, habe ich vor Jahren mit eigenen Augen gesehen. Es hat bewirkt, dass ich mich an der Seite von FAIRMED für die Gesundheit der Ärmsten engagiere. Denn die Ver- nachlässigung von Kranken lässt sich durch nichts rechtfertigen.» Ruth Dreifuss, Alt-Bundesrätin
Inhalt Liebe Leserin, lieber Leser Dieses Jahr wird FAIRMED 60 Jahre alt. Gibt 3 | EDITORIAL es Grund zu feiern, wenn es noch immer Ent- wicklungsorganisationen wie uns braucht? 4 | SCHAUPLATZ Mahatma Gandhi wurde einst zur Eröffnungs- Knifflige Suche nach feier einer Leprakolonie eingeladen. Er hat ab- Lepra gesagt mit den Worten: «Ladet mich ein, wenn sie geschlossen wird.» Wir haben also nichts zu 10 | LEAVE NO ONE BEHIND feiern, aber einen Anlass, um kurz innezuhalten Der goldene Löwe mit den und Ihnen für Ihre treue und grosszügige Unterstützung zu danken. zwei Gesichtern Im Zentrum unseres Magazins steht unsere Lepraarbeit in Sri Lanka, wo 12 | AKTUELL wir seit 1975 tätig sind und das Nationale Lepraprogramm mit aufgebaut Spurt vor dem Ziel haben. Sri Lanka ist indes hierzulande eher bekannt als Feriendestination oder durch die 50 000 Tamilen, von denen eine grosse Zahl vor den lang- 14 | PERSÖNLICH anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen srilankischen «Menschen zu lieben ist die Regierungstruppen und den Tamil Tigers in die Schweiz geflüchtet sind. grösste Kunst» Sri Lanka gehört zu den Ländern der Welt mit einer der höchsten Raten 16 | GUTES TUN an Leprakranken. In der Nähe von Colombo steht das älteste Leprosorium Ihr Vermächtnis sichert Asiens, in dem immer noch Lepra-Betroffene leben. Die Zahlen der Lepra unsere Zukunft sind bei weitem nicht mehr so dramatisch wie in den Siebziger Jahren, be- vor die Kombinationstherapie eingeführt wurde. Aktuell hat sich die Anzahl neu entdeckter Leprafälle in Sri Lanka auf einem Niveau von rund 2000 pro Jahr eingependelt. Es gibt verschiedene Ursachen und es gibt Hoff- nung. Sicher ist, wenn man immer das Gleiche tut, erhält man die gleichen Resultate, deshalb sind neue Ansätze gefragt – der Herausforderung, diese Stagnation zu durchbrechen, gilt unser Einsatz. Ich danke Ihnen herzlich dafür, dass Sie es uns dabei unterstützen, auch den Ärmsten ein gesundes Leben zu ermöglichen und auch in Zukunft Schicksale zum Guten wenden zu können. Herzlichen Dank! René Stäheli Impressum Geschäftsleiter FAIRMED Aarbergergasse 29 Postfach, CH-3001 Bern Telefon +41 (0)31 311 77 97 info@fairmed.ch www.fairmed.ch Redaktion: Saskia van Wijnkoop, Arno Meili, René Stäheli Fotos: Nirvan De Zylva, Simon Opladen, FAIRMED Gestaltung: graphicarts, Bern-Liebefeld Druck: Bruhin Spühler AG, Rüti ZH Vierteljährliches Magazin von FAIRMED. Abonnement in Spenden ab 5 Franken enthalten.
Knifflige Suche nach Lepra Gemeinsam mit der Regierung setzt FAIRMED in Sri Lanka ein neueres Projekt um, welches der Ansteckung von Lepra vorbeugt, aktiv nach neuen Leprafällen sucht und gegen Stig- matisierung sowie Irrgauben ankämpft. Eine der Massnahmen des Programms Leprosy Post-Exposure Prophylaxe LPEP sind Untersuchungen auf Hautkrankheiten an Schulen, im Militär und in privaten Haushalten in abgelegenen Dörfern. Über einen schmalen Pfad durchque- und – vielleicht – einen neuen Lepra- ren wir zwei Reisfelder auf dem Weg fall zu entdecken. zu Fuss zum Tempelgelände des Dörf- chens Imbulpe im Distrikt Ratnapura. Pilzinfektion quer über die Brust Das Plätschern des Bachs, dem wir Frau Siriyalatha öffnet uns die Tür des entlanggehen, die ländliche Idylle ersten Hauses, an dem wir anklop- und die Sicht auf die majestätischen, fen. Nachdem wir unsere Absicht er- prallgrünen Bergketten am Ende der klärt haben, sie und ihren Ehemann auf Horton Plains lassen uns andächtig Hautauffälligkeiten zu untersuchen, bit- und still werden – wir, das sind zwei tet uns Frau Siriyalatha freundlich, uns Teams, die je aus einer Gesundheits- zu setzen. Wenig später werden sie mitarbeiterin und einem Gesundheits- und ihr Ehemann getrennt voneinander mitarbeiter und einem Inspektor des in verschiedenen Zimmern untersucht. Gesundheitsministeriums bestehen. Bei Herrn Siriyalatha wird eine gross- Wir werden von Haus zu Haus gehen, flächige Pilzinfektion diagnostiziert, die um die Bewohner von Imbulpe auf sich quer über die ganze Brustpartie Hautauffälligkeiten zu untersuchen ausbreitet. Wie konnte das so weit 4 SCHAUPLATZ
kommen?, fragen wir uns. «Wir gehen sehr unfreundlich von einem ungedul- nie zum Arzt, wenn wir Hautprobleme digen Arzt behandelt wurden, dem haben», sagt Frau Siriyalatha. «Der es nicht schnell genug gehen konnte, Weg bis zum nächsten Arzt ist uns die Kliniktür abzuschliessen und Fei- viel zu weit – darum gehen wir höchs- erabend zu machen.» tens in die nähergelegene Apotheke, wenn wir ein gesundheitliches Prob- Für Frau Wimalarathne ist es da- lem haben.» Frau Siriyalatha ist dank- her eine Erleichterung, zuhause un- bar, dass ihr Mann nun die richtige tersucht zu werden: «Für uns ältere Behandlung gegen seine Hautinfek- Menschen ist es ein Glück, wenn Sie tion bekommt: «Ich bin sehr froh, dass zu uns nach Hause kommen, um un- FAIRMED diese Tür-zu-Tür-Kampagne sere Haut zu untersuchen. So erhält durchführt. So erhalten wir eine me- mein Mann nun die richtigen Medika- dizinische Behandlung für die Krank- mente, bevor aus seinem Hautfleck heiten, an denen wir etwas Schlimme- leiden.» Für den Tee, «Der Weg zur Klinik ist res wird.» Herrn den uns Frau Siriya- Wimalarathne be- latha noch anbieten viel zu weit.» kommt eine Über- möchte, haben wir weisung für die leider keine Zeit. Wir müssen zum mobile Hautklinik, die an diesem nächsten Haus. Tag beim Tempelgelände von Im- bulpe eingerichtet wurde. Ein Haut- Auffälliger Hautfleck entdeckt? arzt wird ihn genauer untersuchen Wir werden beim nächsten Haus von und ihn, falls der Hautfleck sich als Frau und Herr Wimalarathne herein- erstes Lepra-Anzeichen entpup- gebeten. Herrn Wimalarathne spre- pen sollte, ans nationale Leprapro- chen wir mit «Maama» an, was On- gramm weiterleiten. Dort würde er kel heisst und in Sri Lanka die höfliche die wirksame Kombination aus ver- Art ist, einen Mann anzusprechen, der schiedenen Antibiotika gegen Lepra eine oder zwei Generationen älter ist erhalten, und ausserdem würden als man selber. «Maama» ist gerade die Menschen, mit denen er regelmä- dabei, getrocknetes Chili in mittel ssig in Kontakt ist, mit einer kleineren grosse Jutesäcke zu packen, wäh- Dosis dieser Antibiotika vorbeugend rend seine Frau den Staub vom Sofa gegen Lepra behandelt werden. So wischt, damit wir uns setzen können. stellt FAIRMED sicher, dass sich Le- Sehr rasch ist das ältere Paar – beide pra nicht weiter ausbreitet. Oben: Das Ehepaar Wimalarathne empfängt uns im Wohnzimmer. sind 69 – bereit, sich in getrennten Unten: Herr Wimalarathne hat Zimmern untersuchen zu lassen. Bei einen verdächtigen Hautfleck am Arm. Herrn Wimalarathne wird ein auffäl- liger Hautfleck nahe seinem rechten Ellbogen entdeckt. Er erhält einen Zet- tel, der ihn zur mobilen Hautklinik über- weist, die heute beim Tempel im Dorf Imbulpe steht. Dort wird Herr Wima- larathne genauer untersucht werden. «Ist es ein erster Hautfleck, der durch Lepra verursacht wurde?», fragen wir uns. «Wir haben es aufgegeben, zum Arzt zu gehen», erzählt uns Frau Wimalarathne. «Der Weg zur Klinik war so weit, und dazu mussten wir jedes Mal stundenlang warten, bis wir an die Reihe kamen und dann noch
Gegen Lepra ansingen In einer Schule der ländlichen und armen Region Elahera im Distrikt Polonnaruwa haben wir die Theatervorführung über Lepra und die anschliessende Untersuchung der Schülerinnen und Schüler besucht. Nur wenige Eltern konnten in die Schule ihrer Kinder kommen, um dem Theater und der Hautuntersuchung beizuwohnen. In den letzten Wochen hat es viel geregnet, und bei Regen können die Töpfe-Macher nicht arbeiten. In der regenfreien Zeit müs- sen sie nun die verlorene Zeit aufholen. Das Schulhaus von Elahera steht mitten im Wald und ist aus grobem Lehm gebaut. Die Eltern der Schulkinder leben von der Pro- duktion von Lehmtöpfen und Geschirr. Die durchgehend sehr armen Handwerker arbeiten an der Grenze zur Legalität: Für ihre Holzöfen müssen sie verbotenerweise Bäume fällen. Sie müssen sich deshalb regelmässig im Wald verstecken. Mädchen und Jungen werden in separaten Gebäuden auf Anzeichen von Hautkrankhei- ten untersucht. Verdacht auf Lepra besteht bei einem Kind, dessen Personalien an das nationale Lepra-Programm weitergeleitet werden. 6 SCHAUPLATZ
Das Theaterstück erzählt auf spielerische Weise, wie Lepra angesteckt wird, wo- ran man die Krankheit im Frühstadium er- kennt und dass man mit einer frühzeitigen Behandlung keine Folgeschäden erlei- den muss. Die Schauspieler führen an sich eine Hautuntersuchung mit einem Kugel- Die Schülerinnen und Schüler rufen laut- schreiber durch. Sie sprechen über taube hals die Botschaften zu den ersten Anzei- Stellen an den Gliedmassen. chen von Lepra nach, welche ihnen die Muppetpuppe im Theater vorspricht. Am Ende des Stücks singen alle gemeinsam ein Lied, in dem die wichtigsten Botschaf- ten des Stücks wiederholt werden. FAIRMED-Landesverantwortliche Nayani Suriyarachchi (zweite von rechts) über die Stigmatisierung von Lepra in Sri Lanka: «Das Problem sind Mythen, Missverständ- nisse und Mangel an Wissen. Dies zu überwinden, sind unermüdliche Sensibili- Der 19-jährige Nirvan De Zylva ist von sierung und Aufklärung nötig.» FAIRMED Sri Lanka angestellt, um Fotos und Geschichten zu sammeln aus den Projekten. «FAIRMED gibt mir die Chance, der Welt zu zeigen, wie das zurückgezo- gene Leben im ländlichen Sri Lanka aus- sieht. SCHAUPLATZ 7
Was unser Einsatz bewirkt 252 Gesundheits- mitarbeitende 90 erhielten eine Weiterbildung aktive Fallfindungen in der Früherkennung und Behandlung von Lepra. wie Hautuntersuchungen an Schulen, in der Armee und in privaten Haushalten wurden Sri Lanka durchgeführt. 241 Lepra-Fälle 68 i wurden durch das Früh- Sensibilisierungs erkennungsprogramm neu entdeckt und behandelt. massnahmen wie die Aufführungen eines Lepra-Strassentheaters, das Diese Zahlen beziehen sich auf die Zusammenstellen von Lepra- Programmaktivitäten FAIRMEDs der letzten 12 Monate in Sri Lanka. Aufklärungsmaterial für Gesund- heitsmitarbeitende und die Produktion von Aufklärungs Hilfe zur Ausbildung Medizinische comics wurden durchgeführt. Selbsthilfe und Personal Unterstützung Was ist Lepra? Die Infektionskrankheit Lepra wird durch den Bazillus Mycobacterium Leprae ausgelöst. Der Bazillus vermehrt sich langsam, was zu einer Inkubationszeit von rund fünf Jahren führt. Es können bis zu 20 Jahre vergehen, ehe Symptome auftreten. Lepra greift Haut und Nerven der Infizierten an. Häufige erste Zeichen von Lepra sind taube Flecken. Diese sind schmerzlos und jucken nicht, daher werden sie oft nicht bemerkt oder als ungefährlich empfunden. Wenn die Krankheit unbehandelt fortschreitet, kommt es zu Nerven schäden. Betroffene leiden an Taubheit in den Gliedmassen, insbesondere in Händen und Füssen. Der Gefühlsverlust bewirkt, dass Verletzungen nicht erkannt oder als unbedeutend empfunden werden. Offene Wunden und Infektionen sind die Folge. Im weiteren Krankheitsverlauf führen die beschädigten Nerven zu Blindheit und sichtbaren Entstellungen wie verstümmelten Nasen und Fingern. Mit Lepra steckt man sich durch Tröpfcheninfektion über Nase und Mund an, wenn man langen und engen Kontakt mit einer erkrankten Person hat. In vielen Ländern werden Betroffene aus Angst vor einer Ansteckung diskriminiert und aus der Gesellschaft und sogar aus ihren Familien verstossen. 8 SCHAUPLATZ
Einsatz für Lepra-Betroffene in Sri Lanka Das Projekt In Zusammenarbeit mit der Regierung treibt FAIRMED die Bekämpfung von Lepra und ihrer Folgen voran. Im Zentrum des Projekts stehen die Stärkung des Gesundheitssystems und die Verbesserung des Gesund- heitsangebots für Lepra-betroffene Menschen. Neben Programmen zur Früherkennung, aktiver Fallfindung und Diagnose wird das Gesundheits personal in den Kliniken und im Aussendienst auf die Diagnose und Behandlung von Lepra geschult. Unter Einbezug der risikoreichen Ge- meinschaften werden mithilfe von Sensibilisierungsprogrammen das Ver- ständnis sowie die Eigenverantwortung der Bevölkerung in Bezug auf die gesundheitliche Situation von Lepra-Betroffenen gefördert. Begünstigte Die Distrikte Ratnapura, Polonnaruwa und die Gemeinde von Colombo umfassen zusammen über zwei Millionen Einwohner und gehören zu den Regionen mit den meisten neu registrierten Lepra-Fällen. Die Hauptbe- günstigten sind die von Lepra betroffenen Menschen in diesen Gebieten. Zudem profitieren deren Familienangehörige und die gesamte Gemeinde vom Projekt durch Sensibilisierungsprogramme zur Früherkennung und Behandlung von Lepra sowie vom verbesserten Gesundheitsangebot.
Der goldene Löwe mit den zwei Gesichtern Sri Lanka ist ein aufstrebendes Schwellenland, dessen Wirtschaft in den letzten zehn Jahren im Schnitt um über fünf Prozent gewachsen ist. Doch nicht die gesamte Bevölkerung profi- tierte vom Aufschwung nach dem Ende des Bürgerkriegs. In einigen ländlichen Gebieten sind Armut, Arbeitslosigkeit und Kriegstraumata noch immer bittere Realität. Eine Reise durch Sri Lanka gleicht ei- die nachhaltigen Entwicklungsziele der alle Einwohner und Einwohnerinnen ner Reise durch die Zeit. In der Haupt- Vereinten Nationen unter dem Motto des Inselstaates in gleichem Masse stadt Colombo im Südwesten des Lan- «Leave no one behind» noch nicht er- vom wirtschaftlichen Aufschwung der des zieren riesige Leuchtreklamen und reicht sind. Nachkriegsjahre profitieren konnten. schicke Designerläden die gut asphal- tierten Strassen. Gegessen wird in Zwar leben gemäss einem Bericht «Tief vernarbter Frieden» trendigen Restaurants und den gän- der Weltbank nur 1,9 Prozent der 22 Insbesondere in einigen ländlichen gigen globalen Fastfood-Ketten. Ver- Millionen Menschen in extremer Ar- Gebieten – wo der Grossteil der ar- lässt man die Metro- mut (mit weniger als men Bevölkerung lebt – findet man pole und reist Richtung «Fast die Hälfte 1,90 US-Dollar täglich) einen hohen Anteil an arbeitslo- Norden, ändert sich und Entwicklungs-In- sen jungen Menschen ohne höhe- dieses Bild kontinuier- der Bevölkerung lebt dikatoren wie die Al- ren Schulabschluss. Zudem lässt sich lich. Hochhäuser wei- in Armut.» phabetisierungsrate eine Konzentration der armen Be- chen Holzhütten mit oder die Lebenserwar- völkerung in der nördlichen und der Wellblechdächern, hippe Supermärkte tung sind seit dem Ende des Bürger- östlichen Provinz des Landes beob- kleinen Gemüseshops und gut befahr- kriegs 2009 stark gestiegen. Der Le- achten. «Die acht Distrikte, aus de- bare Autobahnen schmalen Strassen bensstandard ist aber weiterhin tief: nen sich diese beiden Provinzen zu- aus Sand. Während der Reise vom 45 Prozent der Bevölkerung schlagen sammensetzen, haben einige der Grossstadtdschungel in den richtigen sich mit weniger als fünf Dollar am Tag höchsten Armutsraten des Landes», Dschungel wird klar, dass in Sri Lanka durch. Dies zeigt deutlich, dass nicht schreiben O’Donnell, Razaak, Kostner In ländlichen Regionen leben insbesondere viele junge Frauen ohne Arbeit.
und Perumpillai-Essex in ihrem Buch «Shadows of Conflict in Northern and Eastern Sri Lanka». Der Grund: Diese Provinzen sind besonders stark vom beinahe drei Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieg betroffen. Der Krieg hat dabei weitreichende Schäden an der Infrastruktur der Gebiete verursacht und zu einem Zusammenbruch des Agrarsektors und zu einem langsa- men Wachstum der Industrie und der Rund drei Millionen Etwa 50 000 Sri Lanker Privatwirtschaft geführt. Personen aus Sri Lanka leben in der Schweiz* leben heute im Ausland* Zwar wurde die zerstörte Infrastruk- tur seit Kriegsende teilweise wie- der aufgebaut, die beiden Provinzen leisten aber weiterhin einen tiefen Anteil am nationalen Bruttoinlands- produkt. «Unter der hohen Arbeits- losigkeit in den Gebieten leiden ins- besondere junge Menschen und Frauen», schreiben die Autoren wei- ter. Daneben habe sich gezeigt, dass viele Trauma-Symptome wie Alkoho- lismus und eine hohe Suizidrate zu Die Anzahl der Todesopfer Der Krieg dauerte beobachten seien. wird auf 80 000 bis 26 Jahre, von In einem Artikel für die «New York 100 000 geschätzt 1983 bis 2009 Times» schreibt Reporter Mujib Mashal *aktuelle Zahlen von Amnesty von einer Bevölkerung in einem «tief vernarbten Frieden», von der landes- weit etwa 10 Prozent an einer Form Instabilität der Regierungen. Erst im von psychischen Beeinträchtigungen November des letzten Jahres wurde leiden, davon fast 800 000 an De das Land von politischen Unruhen er- pressionen. «Un- schüttert und Pre- tersuchungen deu- mierminister Ranil ten darauf hin, «Jeder Zehnte leidet Wickremesinghe dass diese Zahlen an einer kriegsbedingten seines Amtes ent- in den nördlichen psychischen Störung.» hoben. Sollte hier Gebieten noch viel keine Ruhe einkeh- schlimmer sind. Er- ren, ist das rasante hebungen im Nordosten gegen Ende Wachstum stark gefährdet. des Krieges fanden posttraumatische Belastungsstörungen bei beinahe Und wie stellt sich FAIRMED die Zu- 30 Prozent aller Kinder», so Mashal. kunft in Sri Lanka vor? «Da die Zivilge- sellschaft weit entwickelt ist und der FAIRMED Sri Lanka als eigen- Mittelstand zunehmend wächst, den- ständige NGO? ken wir über FAIRMED Sri Lanka als Dabei handelt es sich aber nur um eigenständige NGO in Sri Lanka nach. eine von vielen Herausforderungen, Möglicherweise ist in Zukunft eine lo- die der südasiatische Staat in Zukunft kale NGO finanziert aus lokalen Mitteln meistern muss. Eine hohe Hürde, die möglich», beschreibt Geschäftsführer es zu überwinden gibt, ist dabei die René Stäheli die ambitionierten Pläne. LEAVE NO ONE BEHIND 11
Spurt vor dem Ziel Lepra gilt in Sri Lanka als eliminiert, weil die Zahl der jährli- chen Neuansteckungen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung des Landes unter dem Wert liegen, welchen die WHO als relevant ansieht. Aber noch immer werden in Sri Lanka pro Jahr rund 2000 Leprafälle registriert. Dr. Marc Bonenberger ist Programmverantwortlicher für FAIRMEDs Aktivitäten in Sri Lanka und Nepal und erklärt, welches die letzten Schritte sind, bis Sri Lanka hoffentlich frei von Lepra sein wird. FAIRMED vor Ort: Unser junger tig therapiert und die nicht weiterge- lokaler Journalist vor Ort hat nie- geben werden muss, wenn man die manden gefunden, der über seine Kontaktpersonen des Patienten vor- Lepra-Erkrankung reden wollte. beugend behandelt. Erstaunt dich das? Damit wären wir bei der Anste- Dr. Marc Bonenberger: Nein, das ckungsprävention, welche das erstaunt mich überhaupt nicht! Wir Programm LPEP*, das FAIRMED sind schon länger auf der Suche nach seit 2015 in Sri Lanka umsetzt, einem Champion, der aufsteht und verfolgt. Was haben wir mit LPEP öffentlich sagt: Schaut her, ich hatte seitdem erreicht? Lepra und stehe dazu! LPEP ist eine Machbarkeitsstudie, die in acht Ländern, in denen Lepra Die Stigmatisierung der Krankheit noch vorkommt, durchgeführt wird. ist zu gross. In den anderen Teilnehmerländern Dr. Marc Bonenberger ist der Ja, Lepra ist ein regelrechtes Tabu. wird im Fall einer entdeckten Lepra- Programmverantwortliche für die Wenn herauskommt, dass in der Nach- Erkrankung allen Personen, die mit FAIRMED-Projekte in Sri Lanka barschaft jemand an Lepra leidet, wird dem Lepra-Patienten in Kontakt wa- und Nepal. die ganze Familie gemieden. ren, präventiv eine Einmaldosis des Antibiotikums Rifampicin verabreicht – Darum müssen wir in der Lepraar- nicht nur den Angehörigen, sondern beit hier sehr vorsichtig vorgehen. auch Nachbarn und teilweise auch an- Genau. Um Lepra in Sri Lanka ganz deren regelmässigen sozialen Kontak- zu eliminieren, setzen wir bei der ten des Patienten. Das ist in Sri Lanka aktiven Fallfindung und der Sensibili- undenkbar: Da können wir allerhöchs- sierung an. Aktiv Fälle finden tun wir, tens die Familie präventiv behandeln, wenn wir von Haus zu Haus gehen, da sich die Patienten auf keinen Fall um offiziell allgemein nach Hautkrank- vor ihren Nachbarn outen wollen. heiten zu suchen, ohne direkt von Le- pra zu sprechen. Das machen wir auch Ist damit LPEP, von dem man sich bei Untersuchungen in Schulen, Ge- so viel erhoffte, in Sri Lanka ge- fängnissen, beim Militär und in Hautkli- scheitert? niken. Sensibilisieren tun wir, wenn wir Nein! LPEP ist ja die erste Innovation zum Beispiel Strassentheater veran- in der Lepraarbeit seit über zehn Jah- stalten, bei denen die Krankheit Lepra ren, und sie funktioniert tatsächlich erklärt wird als eine Krankheit wie alle gut. Dank LPEP wurde die aktive Fall- anderen auch, die keine Folgeschäden findung wieder aufgenommen, und haben muss, wenn man sie rechtzei- dürfen wir den Zahlen glauben, ist 12 AKTUELL
Der 45-jährige Seina lebt seit 30 Jahren im Manthiu Leprosy Hospital, einem Leprosorium. Seina hat durch Lepra mehrere Zehen verloren. die Zahl der neu gefundenen Lepra- reits Folgeschäden der Krankheit erlit- Wie können wir Lepra in fälle in Sri Lanka letztes Jahr erstmals ten haben: So stellen wir s icher, dass Sri Lanka ganz eliminieren? seit Jahren ganz leicht gesunken. Das die Betroffenen Therapie und Hilfsmit- Indem wir kontinuierlich Fälle finden könnte – vielleicht – auch das Resul- tel wie Gehstöcke oder Spezialschuhe und sensibilisieren! Dass Sri Lanka tat unserer Arbeit und dem LPEP-Pro- erhalten. eine Insel ist, macht eine Ausrottung gramm sein. der Krankheit rein geographisch wahr- Die WHO hat sich zum Ziel ge- scheinlicher als in anderen Ländern. Welche Rolle spielt FAIRMED in setzt, Lepra bis 2020 ausgerottet Die letzte Meile vor der Ausrottung Sri Lanka? zu haben. Das müsste ja auch die ist die aufwändigste und teuerste – Wären wir nicht in Sri Lanka tätig, gäbe Regierung Sri Lankas zur Kenntnis ein einziger Leprafall kostet einer Stu- es kaum jemand, der etwas gegen nehmen. die aus Indien zufolge rund 500 Dollar. Lepra unternehmen würde. Obwohl Sri Lanka kämpft gegen Dengue. Aber da wir uns das Motto «Leave no das Gesundheitssys- Wenn die Krankheit one behind» auf die Fahne geschrie- tem in Sri Lanka gut ausbricht, konzent- ben haben, geben wir nicht auf, bevor ist, wird dem Thema «Wir geben nicht auf, rieren sich alle Kräfte auch die letzten Leprafälle in Sri Lanka Lepra nicht die Auf- bis die letzten Fälle darauf – ähnlich, wie entdeckt und geheilt sind. merksamkeit gewid- man es in zentralafri- met, die es bräuchte, geheilt sind.» kanischen Staaten im *Leprosy Post-Exposure Prophylaxis um eines Tages vom Zusammenhang mit Tisch zu sein. Viele Pflegefachleute in Ebola kennt. Und das Ziel der WHO, Sri Lanka wissen nicht einmal, dass es Lepra bis 2020 ausgerottet zu haben, Lepra in ihrem Land noch gibt. Des- ist nicht realistisch. Es wurde 2016 ge- halb bilden wir ja auch Personal in die- setzt, und wer die Inkubationszeit von sem Gebiet weiter. Und wir sind da- Lepra kennt – zwei bis vier, manchmal ran, mit einem Spital ein Angebot für aber auch bis zu 18 Jahre! – weiss, Lepra-Patienten zu erarbeiten, die be- dass das nicht funktionieren kann. AKTUELL 13
«Menschen zu lieben ist die grösste Kunst» Der weltberühmte französische Fotograf und Umweltaktivist Yann Arthus-Bertrand hat seine Fotos FAIRMED kostenlos für Sensibilisie- rungskampagnen zur Verfügung gestellt. Endlich ist es uns gelungen, den 73-Jährigen persönlich kennenzulernen und ihm für sein Vertrauen und seine Grosszügigkeit zu danken – eine Begegnung voller Witz und Überraschungen. Es ist erst Mitte Dezember, also Von den Aborigines lernen noch vor dem Einfall des ganz gro- Yann Arthus Bertrand eröffnet die Aus- ssen Schnees diesen Winter – aber stellung mit den Worten: «Es ist eine das Dorf Lens unterhalb von Crans- grosse Ehre für mich, meine Arbeit Montana zeigt sich bereits winter- in der Fondation Opale auszustellen, lich angeschneit. Im Kunstzentrum die sich der Kunst der Aborigines wid- «Fondation Opale» wird die Retro- met. Diese zeitgenössischen Künst- Yann Arthus-Bertrand ist rund um den Erdball spektive «Legacy» zum ler verleihen ihren Wer- berühmt geworden Werk des französischen «Je mehr man gibt, ken eine Spiritualität, durch seine Fotoserie Fotografen Yann Arthus- die mich seit jeher faszi- «Die Erde von oben». Bertrand eröffnet. 230 desto mehr niert. Ihre liebevolle, re- von ihm ausgewählte bekommt man.» spektvolle Auffassung Fotografien sowie sein vom Leben um sie he- Film «Human» laden dazu ein, uns Ge- rum ist genau das, was der Mensch- danken über die Entwicklung unseres heit fehlt, um die Umweltprobleme zu Planeten und die Zukunft seiner Be- verstehen, die uns heute Sorgen be- wohner zu machen. Die Ausstellung reiten. Sie sind Verfolgte unserer Zivi- geht Hand in Hand mit der ersten Ein- lisation und ihre Situation zeigt besser zelausstellung des australischen Abo- als alles andere unsere Weigerung, un- rigine-Künstlers Robert Fieldings. sere auf unserem Wachstumsglauben 14 PERSÖNLICH
basierende Lebensweise zu verste- Zentralafrikanischen Republik. Yann hen, die uns in eine ungewisse Welt Arthus-Bertrand selber engagiert führt, die mir Angst macht.» sich gemeinsam mit der Organisation «Badao» für Waisenhäuser im zentral Kunst als Weckruf afrikanischen Land Kongo-Brazzaville Bei der Führung durch die Ausstel- und fördert mit seiner eigenen Stif- lung ist der australische Künstler ab- tung «Goodplanet» weltweit Umwelt- wesend, und Yann Arthus Bertrand schutz und nachhaltige Entwicklung. kommentiert ausgewählte Fotogra- fien aus seiner eigenen Sammlung. Die Ausstellung «Legacy» in der Dabei bemerkt er: «Mir ist der päda- Fondation Opale in Lens/VS läuft gogische Aspekt meiner Bilder wich- noch bis am 31. März 2019. tiger als der künstlerische.» Wie wir www.fondationopale.ch das genau zu verstehen hätten, fra- www.goodplanet.org gen wir ihn. «Wir brauchen doch keine Kunst in unserem Alltag. Unsere Auf- gabe ist es, die Zivilisation zu retten, zum Beispiel durch Kunst. Van Gogh hat einmal gesagt: Es gibt kein grö- sseres Kunstwerk auf der Welt als die Menschen zu lieben. Das gefällt mir sehr gut.» Am Ende der Welt Engagement in Afrika und fehlt es an allem. weltweit Dass Yann Arthus Bertrand FAIRMED seine Bilder kostenlos zur Verfügung gestellt hat, erklärt er folgenderma- ssen: «Ich bin sicher, dass Sie daraus etwas Gutes machen. Ich verliere ja dabei auch kein Geld. Und ich glaube daran: Je mehr man gibt, desto mehr bekommt man.» Am Engagement von FAIRMED beeindruckt ihn besonders die Zusammenarbeit mit den indige- nen Baka und Aka in Kamerun und der Ausser an uns. Gesundheit für die Ärmsten: fairmed.ch PERSÖNLICH 15
Investieren Sie in die Zukunft. Ihr Vermächtnis rettet Leben. Benachteiligte Menschen in Asien und Afrika können auch in Zukunft ein gesundes Leben führen – dank Ihrem Vermächtnis. Sie tun über Wir beraten Sie gerne: Ihr Leben hinaus Gutes, indem Sie FAIRMED Paul Tschurtschenthaler, Fundraising, in Ihrem Testament berücksichtigen. Tel. 031 310 55 67, paul.tschurtschenthaler@fairmed.ch, www.fairmed.ch/spenden/legate-und- Herzlichen Dank für Ihr Vertrauen! trauerspenden Aarbergergasse 29 Postfach CH-3001 Bern Telefon +41 (0)31 311 77 97 info@fairmed.ch www.fairmed.ch
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