Vor Ort - Ein Leben für Lepra Indien - FAIRMED
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Inhalt Liebe Leserin, lieber Leser «Der Mensch ist sterblich, aber ein Mensch 2 | EDITORIAL kann Unsterbliches erreichen.» Mit diesen Wor- ten hat sich Rao Venkateswara von uns ver- 3 | NEWS abschiedet. Der Gründer des GRETNALTES- Spotlights Spitals in Guntur im Staat Andrha Pradesh in Süd-Indien ist kürzlich im Alter von 81 Jahren 4 | SCHAUPLATZ gestorben. Er war derjenige, der mir das Leben Ein Leben für Lepra mit den Spätfolgen von Lepra anschaulich er- klären konnte. Seine Krankheit hat Rao Venkateswara aber nicht verzwei- 10 | LEAVE NO ONE BEHIND feln lassen, sie hat ihn motiviert. Bis an sein Lebensende hat er es sich Im Schatten des zur Aufgabe gemacht, sich für Leprakranke einzusetzen. Lesen Sie seine Wirtschaftswunders aussergewöhnliche Geschichte auf den Seiten 4 – 9. 12 | AKTUELL Bleiben wir in Indien. In diesem Land mit einer zahlenmässig grossen Die FAIRMED-Projekte Mittelschicht sind wir seit einigen Jahren daran, ein lokales Fundraising 2017 in Zahlen aufzubauen, welches die Projekte zukünftig unabhängig von Schweizer Unterstützung finanzieren soll. Noch ist die Unterstützung von Entwick- 14 | PERSÖNLICH lungsorganisationen wie FAIRMED aber nötig (Seiten 10/11). Empowerment! Auch unser neuer Stiftungsratspräsident Adrian Hehl und sein langjähri- 16 | IHR EINSATZ HILFT ger Vorgänger und heutiger Vizepräsident Rolf Lehmann haben in Indien Gönnerschaft, Spende miterlebt, wie der Einsatz von FAIRMED wirkt. Verfolgen Sie den Aus- oder Erbschaft tausch auf den Seiten 14/15. Niemand soll an einer heilbaren Krankheit leiden oder sterben. Dank Ihrer treuen und grosszügigen Unterstützung können die am meisten zurückge- lassenen Menschen ein gesundes und würdiges Leben führen – wie viele das im letzten Jahr waren, sehen Sie in der Graphik auf den Seiten 12/13. René Stäheli Geschäftsleiter FAIRMED Impressum Aarbergergasse 29 Postfach, CH-3001 Bern Telefon +41 (0)31 311 77 97 info@fairmed.ch www.fairmed.ch Redaktion: Saskia van Wijnkoop, Eleni Helbling, René Stäheli Fotos: Karin Scheidegger, Bart Vander Plaetse, Simon Huber, Simon Opladen, FAIRMED Gestaltung: graphicarts, Bern-Liebefeld Druck: Spühler Druck AG, Rüti ZH Vierteljährliches Magazin von FAIRMED. Abonnement in Spenden ab 5 Franken enthalten. 2 EDITORIAL
Ebola-Ausbruch in Zentralafrika Durch den Ausbruch von Ebola in der Demokratischen Republik Kongo droht auch den angrenzenden Gebieten in der Zentralafrikanischen Republik Gefahr. «Da wir als einzige Entwicklungs- um präventive Massnahmen zu er- organisation in Mongoumba, der greifen, so Vander Plaetse weiter: dem Epizentrum der Ebola am «Wir verstärken das gemeinschaft- nächsten gelegenen Sous-Prä- liche medizinische Überwachungs- Flut in Sri Lanka fektur des Landes, tätig sind, hat system und tragen logistisch und uns die Zentralafrikanische Regie- finanziell dazu bei, dass die Kom- Zu den am schwersten vom Mon- rung um sofortige Hilfe gebeten», munikation von Mongoumba in sun-Regen betroffenen Regionen erklärt FAIRMED-Programmleiter die Hauptstadt Bangui besser und in Sri Lanka gehören auch die Dr. med. Bart Vander Plaetse. FAIR- schneller funktionieren wird, sollten Distrikte Puttalam und Ratna- MED habe kurzfristig die nötigen Ebola-Fälle vermutet werden.» pura, in denen FAIRMED tätig ist. finanziellen Mittel bereitgestellt, Neuesten Berichten der sri-lan- kischen Regierung zufolge star- ben bisher 24 Menschen und rund 100 000 Menschen benötigten Hilfe. Allein in Puttalam mussten rund 40 000 Menschen evakuiert und umgesiedelt werden. «Den Gesund- heitsmitarbeitenden fehlt die nötige Ausrüstung, um auch noch die rest- lichen Betroffenen zu erreichen», er- klärt Dr. Nayani Suriyarachchi, FAIR- MED-Landeskoordinatorin von Sri Lanka. FAIRMED unterstützte die Regierung mit einem Beitrag, der die Gesundheitsmitarbeitenden mit dem fehlenden Material ausrüstete. Zwillinge Bart «Da es sich bei den Zwillingen von Romaric um sogenannte „falsche“ und Sybille Zwillinge, das heisst ein Mädchen und ein Junge handelt, schlagen Die neugeborenen Zwillinge des traditionellerweise Freunde oder FAIRMED-Sicherheitsbeamten Arbeitskollegen der Eltern die Na- in der Zentralafrikanischen Re- men vor», erzählt FAIRMED-Pro- publik, Romaric, bekommen die grammleiter Bart Vander Plaetse. Vornamen Bart und Sybille und «Da Sybille und ich im März, als die werden damit nach dem FAIR- Zwillinge geboren wurden, auf Pro- MED-Programmleiter Bart Van- jektbesuch in der Zentralafrikani- der Plaetse und der Programm- schen Republik waren, entschied mitarbeiterin Sybille Imhof sich das FAIRMED-Bangui-Team für benannt. unsere Vornamen – was uns natür- lich sehr ehrt.» NEWS 3
Ein Leben für Lepra Rao Venkateswara ist tot. Sein aussergewöhnliches Le- ben und sein Engagement wirken aber noch immer. Rao liess sich nicht in die Depression und ins soziale Abseits treiben, obwohl er jahrelang erfolglos gegen seine Lepra- Erkrankung und ihre schweren Folgen kämpfte. Nein, die Krankheit wurde zum Motor seines Engagements, von dem heute Tausende profitieren. Indien im Jahr 1957: Zehn Jahre Krise nach Lepra-Diagnose sind vergangen, seit Indien die Un- Der 20-jährige Rao Venkateswara abhängigkeit erlangt hat. Das Land lebt in Tenali, einer Stadt im Guntur- steht aber erst am Anfang seiner Distrikt im indischen Bundesstaat wirtschaftlichen Entwicklung zu ei- Andhra Pradesh an der Ostküste. nem der wichtigsten Schwellenlän- Rao ist ein intelligenter Mann mit viel der. Im mehrheitlich bäuerlichen In- Potenzial: «Ich hatte gerade das Han- dien zieht der Traum von Reichtum, delsdiplom abgeschlossen, gehörte Zugang zu Ressourcen und sozialem zu den Besten meines Jahrgangs. Aufstieg im indischen Kastensystem Als weisse Flecken auf meiner Haut viele in die Städte. auftauchten und taub wurden, ging 4 SCHAUPLATZ
ich zum Arzt. Die Diagnose: Lepra.» tete gerne und genoss die neue Ver- rigen Rao noch einmal die Hand hin: Rao fällt in eine tiefe Depression. antwortung.» Seine Familie weiss in- Auf dem Weg in sein neues Ein- Seinem Umfeld erzählt er nichts von zwischen, dass er Lepra hat. Seine siedlerleben kommt er mit einem der Krankheit. Er weiss, wie die Ge- Frau, die er während des Studiums weitgereisten Mann ins Gespräch: sellschaft Lepra-Patienten begeg- kennengelernt hat, unterstützt ihn, «Ich erklärte ihm den Grund meiner net: «Ich wollte nicht ein Leben am wo sie nur kann. Rao erlebt nur we- Reise. Daraufhin erzählte er mir von Rand der Gesellschaft führen, lie- nig Diskriminierung: «Ich wurde einem Pilotprojekt, bei dem man mit ber wollte ich ster- stets von den Men- einer neuartigen Therapieform er- ben», erzählt Rao «Ich wollte schen in meinem folgreich Lepra geheilt hatte», erin- später. «Ende der Umfeld akzeptiert nert sich Rao. 50er Jahre gab unbedingt wieder und von der Familie es für Lepra noch gesund werden.» unterstützt – auch Endlich geheilt! keine wirksamen als ich mich von ih- Der eigentlich lebensfreudige Rao Heilmethoden. Zudem galten Le- nen abgewandt hatte», erklärte Rao ergreift die einmalige Gelegenheit: pra-Kranke im strengen indischen in einem Gespräch vor fünf Jahren. «Ich wollte es noch ein letztes Mal Kastensystem als Unberührbare und versuchen, bevor ich mich endgültig wurden gemieden.» Ein Wink des Schicksals in die Berge zurückzog.» Er nimmt Obwohl er von seiner Rolle als Leh- mit den Projektverantwortlichen Am tiefsten Punkt seiner Depres- rer und Familienvater völlig verein- Kontakt auf. Anfangs noch skeptisch, sion angekommen, erfährt Rao von nahmt ist, wird der Drang nach Ge- beginnt er 1964 mit der Therapie. der ayurvedischen Medizin, mit der nesung immer stärker. So trifft er die Fünf Jahre lang wird er mit dem An- er sich während drei Monaten be- schwere Entscheidung, seine Fami- tibiotikum Dapson behandelt. handeln lässt. Doch die Symptome lie zu verlassen und sich ins 2400 km verschlimmern sich: Weitere Haut- entfernte Himalaya-Gebirge zurück- In den Projektverantwortlichen fin- stellen verfärben sich, er bekommt zuziehen. Rao steigt in den Zug ein, det er nicht nur kompetente Ge- Augenprobleme und seine Füsse überzeugt, dass der Weg der Götter sundheitsexperten, sondern auch und Zehen verkrümmen sich. Das der einzig richtige ist. Kaum hat die Freunde, die ihm nicht ein einziges Bakterium frisst sich immer weiter Dampflokomotive Fahrt aufgenom- Mal das Gefühl geben, ein Lepra- durch sein Nervengewebe: «Meine men, streckt das Leben dem 25-jäh- Patient zu sein. Zudem erhält er Finger hatten sich schon derart ver- formt, dass ich mir nicht mal mehr ohne fremde Hilfe das Hemd zuknöp- Mit 20 Jahren wurde bei Rao Lepra diagnostiziert – doch den Mut fen konnte.» Ein schwerer Schlag für verlor er nicht. Er nutzte seine persönliche Krankengeschichte, um den bescheidenen und eigenständi- anderen zu helfen. So entstand GRETNALTES. gen Akademiker. Fest entschlossen, eine Heilung zu finden, lässt sich Rao von verschiedenen Ärzten untersu- chen und versucht mit teilweise radi kalen Therapien zu genesen. 1962 beginnt er mit einer sechsmonatigen Rohkost-Diät. Arbeitsstelle trotz Lepra Rao fühlt sich besser und findet sogar eine Anstellung als Lehrer – eine seltene Chance für einen Le- pra-Kranken im Indien der 60er. Rao weiss aber, dass die Krankheit noch in seinem Körper und er nicht geheilt ist: «Meine Tätigkeit als Lehrer gab mir etwas Ablenkung. Ich unterrich- SCHAUPLATZ 5
eine rekonstruktive Operation, die Sie ist aber auch überwältigend: nis hält Rao bis zu seinem Tod fest. ihn von den Folgebehinderungen «Während ich unterrichtete, stan- Gemeinsam mit einem Freund, der der Lepra befreit. Schliesslich gilt den die Leute vor dem Klassenzim- gute Beziehungen zu europäischen er 1969 als geheilt. Von der Krank- mer Schlange, um sich von mir be- NGOs hat, gründet er den Ver- heit bleiben ihm einige Narben, die raten zu lassen. Mein Leben spielte ein «Greater Tenali Leprosy Treat- ihn an seinen Weg zur Genesung sich in zwei völlig ment and Education erinnern. Erst im Alter werden die verschiedenen Wel- «Niemand soll Scheme Society», Folgen der Lepra wieder belastend. ten ab.» So entschei- kurz GRETNALTES. det sich Rao mit 33 je wieder so leiden Eine dieser NGOs ist Wie Phönix aus der Asche Jahren, die Dapson- wie ich.» FAIRMED, damals Aus seiner Genesung schöpft Rao Therapie in der Re- noch unter dem Na- neue Kraft. 1970 arbeitet er wieder gion aktiv bekannt zu machen. Ge- men Leprahilfe Emmaus bekannt. am College von Tenali. Mittlerweile meinsam mit seinen Freunden vom Gemeinsam erbauen GRETNALTES hat sich sein Fall herumgesprochen. Pilotprojekt versorgt er zehn Jahre und FAIRMED im Dorf Morampudi Die Menschen kommen aus der lang Lepra-Patienten, während er des Distrikts Guntur 1981 ein Le- ganzen Stadt, um seinen Rat auf- weiterhin unterrichtet. pra-Referenzspital und entwickeln zusuchen. «Die Menschen sahen das regionale Früherkennungspro- in ihm einen Mann, der über gro- GRETNALTES wird geboren gramm weiter. «Dank dieser Part- sses Wissen über Lepra verfügte. Er Das Jahr 1980 verspricht eine er- nerschaft ging meine Vision, allen hatte die Gabe, den Menschen ihre neute Wende im Leben von Rao: von Lepra betroffenen Menschen Krankheit so zu erklären, dass sie 23 Jahre nach seiner Lepra-Diag- eine angemessene Behandlung zu es auch verstanden. Sie vertrauten nose wird ihm klar, dass er nicht ermöglichen, in Erfüllung», schreibt ihm und im Gegenzug liess er nie- länger gleichzeitig unterrichten und Rao in seinem letzten Aufruf an die manden leer ausgehen», sagt Raos Lepra-Beratungen machen kann. Beteiligten des Projekts. Sohn Hemachandu Vagnara über So widmet Rao sein Leben vollum- seinen Vater. fänglich der Bekämpfung von Lepra: Seit 35 Jahren gemeinsam «Niemand, kein einziger Mensch, gegen Lepra Seine neue Rolle als Vertrauter der soll je wieder so leiden, wie ich Was mit simpler, aber wichtiger Tür- Lepra-Kranken wächst ihm ans Herz. es musste.» An diesem Bekennt- zu-Tür-Arbeit begann, entwickel te Hand in Hand: In 35 Jahren konnten FAIRMED und GRETNALTES gemeinsam rund 65 000 Behandlungen im Referenzspital in Morampudi durchführen. Jedoch gibt es noch viele unentdeckte Fälle.
Seit 2008 führt Raos Sohn Hemachandu den Verein GRETNALTES. Er hat miterlebt, wie sein Vater sich für Lepra-Betroffene eingesetzt hat und möchte das Projekt in Ehren seines Vaters so weiterführen. sich zu etwas viel Grösserem: rund 65 000 Behandlungen durch- GRETNALTES wuchs zu einem Ort geführt. Rao hat es sogar geschafft, heran, an dem Lepra-Patienten und eine offizielle Anerkennung für Le- ihre Angehörigen nicht nur fachkun- pra-Kranke durchzusetzen: Lepra- dige Ärzte und kostenlose Behand- Patienten erhalten nun monatlich lungen fanden, sondern auch Men- eine kleine IV-Rente, Lebensmittel- schen, die sich für ihre Bedürfnisse marken und kostenlose Buspässe. und Rechte einsetzten. Bis heute ha- Kurze Zeit später wird das Projekt ben FAIRMED und GRETNALTES durch eine Schule ergänzt. Dort er- halten die Kinder aus von Lepra be- troffenen Familien eine hochwertige Grundschulbildung. Seit 2008 leitet Raos Sohn Hema- chandu GRETNALTES. Er kennt das Projekt seit klein auf und hat die Ar- beit seines Vaters miterlebt. 2003 versucht er seinen 66-jährigen Va- ter zu überzeugen, zu ihm nach Eng- land zu ziehen, damit er sich um ihn kümmern kann. Aber Rao will nicht. «Sein Pflichtgefühl war so stark, dass er sich nicht in der Lage sah, sich von GRETNALTES zu entfernen», sagt Hemachandu. Er bewundere seinen Vater: «Ich empfand es als das einzig Richtige, das Erbe meines Vaters weiter zu tragen.» Und Rao ist stolz auf seinen Sohn: «Ich bin zutiefst gerührt, dass ich endlich die Person gefunden habe, nach der ich SCHAUPLATZ 7
FAIRMEDs Wirkung 2017 Eckdaten des Projekts 42 Begünstigte Operationen Direkte Begünstigte 2017 1548 für Menschen mit Lepra-bedingten Indirekte Begünstigte 2017 3225 Behinderungen wurden im GRETNALTES-Spital durchgeführt. Budget des Projekts 2018 100 007 CHF 5302 Projektlaufzeit 2017 – 2020 Behandlungen wurden im GRETNALTES- Spital durchgeführt. 3970 Guntur, Indien staatliche Gesundheits- mitarbeitende 133 erhielten eine Weiterbildung in der Früherkennung und Behandlung von Lepra. Kinder aus Lepra-betroffenen Familien haben ein Stipendium erhalten. 566 Lepra-Fälle wurden durch das Früherkennungs programm neu entdeckt. Hilfe zur Ausbildung Medizinische Selbsthilfe und Personal Unterstützung so lange für meine Nachfolge ge- erhalten werden muss. Was mit ei- sein Genesungsverlauf, dass Lepra sucht hatte. Und dass es mein Sohn ner schrecklichen Diagnose begann, weder Todesurteil noch sozialer Ab- ist, ein Mensch aus der Mitte mei- endete in etwas Wunderbarem, weil stieg heissen muss – aber nur, wenn nes Lebens, macht mich sehr glück- mein Vater den einem die Hand lich», schreibt Rao in seinem letz- Mut und die «Eine schreckliche geboten wird. ten Aufruf. Selbstlosigkeit In seinem Le- bewies, einer Diagnose endete in ben nahm Rao Unsterbliches erreicht Krankheit ent- etwas Wunderbarem.» viele Rollen ein. Im April 2018 übermittelt Hema- gegenzutreten, In seiner Rolle chandu dem FAIRMED-Team in die bis heute noch viele in Indien als Aktivist für Lepra-Kranke blühte Bern die traurige Nachricht: Rao Ven- plagt», schreibt Hemachandu. er jedoch auf. «Ich gehe in Frieden», kateswara ist im Alter von 81 Jah- schreibt er in seinem letzten Auf- ren verstorben. «Er hinterlässt eine Das Leben von Rao Venkateswara ruf, «der Mensch ist sterblich, aber grosse Lücke, aber auch eine wun- hätte ganz anders verlaufen können. ein Mensch kann Unsterbliches er- dervolle Errungenschaft, die weiter- Selber an Lepra erkrankt, beweist reichen.» 8 SCHAUPLATZ
GRETNALTES – Bildung und Behandlung für Lepra-Betroffene in Guntur In Zusammenarbeit mit GRETNALTES führt FAIRMED in der Guntur-Re- gion Lepra-Früherkennungs-Programme durch und finanziert die Behand- lungen von komplizierten Fällen im Lepra-Referenzspital. Im Einklang mit dem staatlichen Leprabekämpfungs-Programm unterstützt FAIRMED die Regierung bei der Schulung des staatlichen Gesundheitspersonals, der Sensibilisierung der Bevölkerung und der Rehabilitation von Lepra-Betrof- fenen. Der kostenpflichtige Unterricht an der GRETNALTES-Schule wird von Kindern aus der ganzen Region besucht. Für Kinder aus Lepra-betrof- fenen Familien stellt FAIRMED Stipendien zur Verfügung.
Im Schatten des Wirtschaftswunders Indiens Wirtschaft wächst und wächst – gleichzeitig leben im Schwellenland Indien so viele arme Menschen wie sonst nirgends auf der Welt. Kann in diesem Land der Gegensät- ze die Vison «Leave no one behind» eines Tages Realität werden? «Nach Jahrzehnten Wachstum ver- kein Entwicklungsland mehr. In den gessen die meisten von uns, dass letzten siebzig Jahren ist das Wirt- Indien bis heute eine der ärmsten schaftswachstum im Land kontinu- Nationen der Welt ist», warnte der ierlich gestiegen, in den letzten zehn indische Wirtschaftsnobelpreisträger Jahren sogar um durchschnittlich Amartya Sen im Interview mit «Der 7,3 Prozent pro Jahr. Ökonomen des Spiegel». Tatsächlich ist Indien längst britischen Centre for Business and 10 LEAVE NO ONE BEHIND
Economics Research (Cebr) pro- Indien gezählt, und noch immer wird Früherkennung und Prävention von phezeiten Ende letztes Jahr, dass die Krankheit bei zahlreichen Men- Behinderungen durch Lepra. In Zu- Indien in diesem Jahr zur fünftgröss- schen zu spät erkannt, so dass sie sammenarbeit mit lokalen Organi- ten Wirtschaft weltweit anwachsen lebenslänglich unter den Folgen von sationen trägt FAIRMED in abgele- wird. Gleichzeitig gibt es kein ande- verstümmelten Gliedmassen leiden. genen ländlichen Gebieten und in res Land auf der Welt, in dem so viele Slums der Millionenstädte zur Dia- Menschen in Armut leben. Laut der Krankheit als Zeichen von Armut gnose, Überwachung, Behandlung World Bank kommen rund 300 Milli- Besonders die Ärmsten, die auf en- und Wiedereingliederung von Le- onen Menschen in Indien mit weni- gem Raum, unter fatalen hygieni- pra-Betroffenen bei. Lepra gehört zu ger als zwei Dollar pro Tag aus – das schen Bedingungen den vernachlässigten ist jede oder jeder Fünfte im Land. und ohne Zugang zu «Jede fünfte Tropenkrankheiten. medizinischer Ver- Wo diese Krankhei- Vom Fortschritt profitieren die sorgung leben, sind Person lebt in ten auftreten, geht Städte gefährdet, sich mit extremer Armut.» es den Menschen Rund 80 Prozent der Armen leben Lepra anzustecken. am allerschlechtes- in ländlichen Regionen, vom Wirt- FAIRMED hat in den Anfängen ih- ten. Mit jedem Menschen, der von schaftswachstum profitieren fast rer Tätigkeit in Indien viele Lepra- einer oder mehreren vernachlässig- ausschliesslich die Städte. Viele Spitäler gebaut und unterhalten. ten Tropenkrankheiten geheilt wird, Landbewohner versuchen ihr Glück Heute verschieben sich die Pro- gelingt es, einen Menschen weniger in der Stadt, wo sie meist in Elends- gramme immer mehr in Richtung zurückzulassen. vierteln hausen und mit ein paar Ru- pien pro Tag überleben, indem sie den Wohlstandsmüll der Besserver- dienenden einsammeln und sortie- Über 60 Prozent aller bekannten Lepra-Fälle stammen aus Indien. ren. Den Schwächsten der Gesell- Deshalb fokussiert FAIRMED vor allem auf die Früherkennung schaft wie Frauen, Kindern, älteren und Prävention von Behinderungen durch Lepra. Menschen und Menschen mit Be- hinderungen mangelt es an genü- gender Ernährung, angemessenem Wohnen, Bildung und medizinischer Versorgung. Die staatlichen Unter- stützungsprogramme scheitern oft an bürokratischen Formalitäten: Viele wissen nichts über die Pro- gramme, verfügen über keinen Per- sonalausweis, können die Hürden bis zum Amt nicht allein nehmen. So spielen die Programme von internati- onalen Entwicklungsorganisationen weiterhin eine grosse Rolle. Fast sechzig Jahre Lepra-Arbeit FAIRMED begann ihre Tätigkeit in Indien bereits im Gründungsjahr 1959 noch unter dem Namen Aus- sätzigenhilfe. Obwohl es heute wirk- same antibiotische Behandlungs- möglichkeiten gegen Lepra gibt, ist die Krankheit noch längst nicht aus- gerottet. Noch immer werden jähr- lich am meisten neue Lepra-Fälle in LEAVE NO ONE BEHIND 11
Die FAIRMED-Projekte 2017 in Zahlen Afrika Elfenbeinküste Kamerun Zentralafrikanische Republik 57 717 145 464 182 024 32 602 86 247 89 923 0 1119 1221 66 470 354 So viele Menschen haben 2017 durch So viele Patienten wurden 2017 via Prävention, Sensibilisierung und eine FAIRMED medizinisch behandelt. verbesserte Gesundheitsstruktur direkt oder indirekt von FAIRMED-Projekten profitiert. So viele neu mit Lepra oder anderen So viele einheimische, qualifizierte vernachlässigten Tropenkrankheiten Gesundheitsmitarbeitende und freiwi angesteckte Patienten wurden von lige Gesundheitshelferinnen und -helfer FAIRMED behandelt. wurden von FAIRMED ausgebildet. 12 AKTUELL
Asien Indien Nepal Sri Lanka 118 943 176 095 4354 17 881 52 900 286 2354 202 343 6745 2777 525 In den sechs Ländern, in denen FAIRMED 2017 arbeitete, haben die vor Ort tätigen festangestell- ten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam mit den lokal ausgebildeten Gesundheits mitarbeitenden für insgesamt 684 597 Menschen Gesundheitsdienstleistungen erbracht. 279 839 Patienten wurden medizinisch behandelt, darunter 5239, die sich neu mit vernachläs- sigten Tropenkrankheiten wie Lepra oder Buruli angesteckt haben. Diese Hilfe ist nur dank unzähligen Menschen möglich, die sich mit uns engagieren. Ganz herzlichen Dank darum an alle, die dazu beigetragen haben. AKTUELL 13
Empowerment! 23 Jahre hat der 63-jährige Rechtsanwalt und Notar Rolf Lehmann den Stiftungsrat von FAIRMED geleitet. Neuer Stiftungsratspräsi- dent ist Adrian Hehl, 56-jähriger Professor in Molekularbiologie. Rolf Lehmann amtet neu als Vizepräsident. FAIRMED vor Ort: Bereits seit 28 mals noch war, zu engagieren. Und Jahren engagierst du dich im Stif- dass ich das jetzt mehr als mein hal- tungsrat von FAIRMED. Wie bist bes Leben gemacht habe, zeigt, wie du überhaupt zur Entwicklungs- spannend diese Arbeit für mich ist. organisation gekommen, Rolf? Nun hast du das Präsidium an Rolf Lehmann: Das Büro der Lepra- Adrian Hehl weitergegeben. hilfe, wie FAIRMED früher hiess, be- Adrian, wie bist du zu FAIRMED fand sich in den Achtziger Jahren an gekommen? der Berner Spitalgasse 9, im selben Haus, in dem auch mein Büro gele- Adrian Hehl: Da mein Vater als Arzt gen ist. Dort lernte ich im Lift den für die damalige Leprahilfe arbeitete, damaligen Vereinspräsidenten Wal- haben wir als ganze Familie mit da- ter Rosenfeld kennen. mals drei Kindern ei- Da ich während sechs «Das Thema Dritte nige Jahre in Indien Monaten Sri Lanka, und der Türkei gelebt. Indien und Nepal be- Welt interessierte So war ich seit Kinds- reist hatte und mich mich sehr.» beinen an sehr nah mit das Thema dritte Welt FAIRMED verbunden. sehr interessierte, beschloss ich, Nun bin ich seit etwas mehr als zehn mich im Verein, der FAIRMED da- Jahren im Stiftungsrat dabei. 14 PERSÖNLICH
Was hat sich eurer Meinung nach rische Richtung weiterentwickelt, so giert die Mitarbeitenden sind, wie am meisten verändert bei FAIR- dass wir als Stiftungsräte näher am eng und herzlich sie zusammenar- MED in der Zeit, während der ihr Geschehen sind und eher Einfluss beiten und mit was für unglaubli- dabei seid? nehmen können als das vorher der chen Schwierigkeiten die Begüns- Adrian Hehl: Unsere Themen von Fall war. Mit dem Geschäftsleiter tigten vor Ort zu kämpfen haben. der Lepraarbeit zu Gesundheit für treffe ich mich alle zwei Wochen zu die Ärmsten auszuweiten und das einer Sitzung, in der wir das Wich- Adrian Hehl: Der Besuch vor Ort Branding entsprechend zu gestal- tigste besprechen. war der totale Reality Check und ten, war anspruchsvoll. Dass wir nun zeigte mir die Vielschichtigkeit der auch von den Vereinten Nationen In welche Richtung soll sich FAIR- Problematik bei der Umsetzung der und der DEZA als valide Programm- MED eurer Meinung nach weiter Projekte! Nicht nur die Gesundheits- partner wahrgenommen werden, entwickeln? versorgung und die Frage wie man zeigt, dass diese Entwicklung er- Kranke behandelt, ihnen bei Inva- folgreich war und ist. Adrian Hehl: Darauf gibt es ein lidität wieder ein menschenwürdi- Wort zu antworten: Empowerment! ges Leben und ihren Kindern eine Rolf Lehmann: Und sie passierte Es gilt, die Menschen vor Ort zu be- Schulbildung ermöglicht, beschäf- nicht abrupt, fähigen, ihre Si- tigt die Menschen dort – manchmal sondern hat «Die Menschen sollen tuation selbstän- geht es auch einfach um kaputte sich ganz or- dig und autonom Dächer und die Wasserversorgung, ganisch erge- ihre Situation eigenständig zu verändern, so die nicht funktioniert. ben. Bereits in verändern können.» dass wir als Ent- meinem ersten wicklungsorga- FAIRMED-Jahr, 1990, war zum Bei- nisation grosse Projekte schliess- spiel auch Tuberkulose ein Thema in lich in die Selbständigkeit entlassen unseren Projekten. können. Adrian Hehl: Festzuhalten ist auch, Rolf Lehmann: Das deckt sich übri- dass uns viele Spenderinnen und gens eins zu eins mit der «Hilfe zur Spender aus der Zeit der Leprahilfe Selbsthilfe», der FAIRMED bereits in auch treu geblieben sind, seit wir ihren Anfängen vor fast sechzig Jah- uns vom hauptsächlich auf Lepra fo- ren verpflichtet war. kussierten Verein zur Stiftung mit dem Ziel, den Ärmsten einen Zu- Adrian Hehl: Ja, diesen Unique Sel- gang zu medizinischer Versorgung ling Point wollen wir auch in Zukunft zu ermöglichen, gewandelt haben. behalten: Unser Nachhaltigkeitsprin- Das Wagnis wurde zum Erfolg. zip heisst, dass wir als Organisation immer auf einen Rückzug aus gut Rolf Lehmann und Adrian Hehl lernten FAIRMED noch unter Was war bisher die grösste He- laufenden Projekten hinarbeiten. Und dem Namen Leprahilfe Emmaus rausforderung für euch als Stif- wenn wir dann nach dem Abschluss Schweiz kennen. Als langjährige tungsräte? der Projektlaufzeit zurücktreten, Stiftungsratsmitglieder haben sie an der Entwicklung zur heu- muss das Versprechen, dass auch tigen Organisation massgeblich Rolf Lehmann: Die stetige Weiter- die Ärmsten eine gute Gesundheits- mitgewirkt. entwicklung des damaligen Lepra- versorgung haben, eingelöst sein. hilfswerks zur heutigen komplexen Non-Profit-Organisation. Dazu ge- Beide habt ihr in Indien FAIR- hört insbesondere auch die stetige MED-Projekte besucht. Was hat Entwicklung unserer Ansprüche an das bei euch ausgelöst? die Projekte vor Ort. Rolf Lehmann: Beim Besuch von Adrian Hehl: Wir haben die Organi- FAIRMED-Projekten in Indien hat sationsstruktur in eine unternehme- mich sehr beeindruckt, wie enga- PERSÖNLICH 15
r en E in s at z f ür die Sie machen unse e r s t m ög li c h! s un dheit der Ä r ms t e n G e Mit Ihrer Spende Mit einer Gönnerschaft von einem Jahresbeitrag ab 75 Franken Jeder Beitrag, unabhängig von seiner Höhe, hilft mit, vernachlässigte Tropen- krankheiten zu bekämpfen und die Ge- sundheitsbedingungen benachteiligter Menschen zu verbessern. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! Mit einer Erbschaft Aarbergergasse 29 Postfach CH-3001 Bern Telefon +41 (0)31 311 77 97 info@fairmed.ch www.fairmed.ch
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