Vorlesung Recht I - Kellerhals Carrard

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12.12.2018

         Vorlesung Recht I
    Lösungen zu den Übungen Obligationenrecht IV

                    Herbstsemester 2018

     Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der
                       Universität Freiburg

               Dr. iur. Andreas Güngerich, LL.M.
                     Kellerhals Carrard Bern

                                                         1. Das Porträt

1. Das Porträt

Sissi hat mit dem berühmten Maler van Klee ein Wochenende
vereinbart, an dem der Maler von ihr ein Porträt erstellen soll.
Als Sissi an diesem Wochenende bei van Klee auftaucht, ist
dieser nicht dort, sondern lediglich sein Künstlerkollege Munet,
der ebenfalls bekannt ist für seine Porträts. Sissi beharrt
darauf, dass van Klee das Porträt persönlich erstellt.

Zu Recht?

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Persönliche Leistung (Art. 68 OR)

Der Schuldner ist nur dann verpflichtet, persönlich zu erfüllen,
wenn es bei der Leistung auf seine Persönlichkeit an-
kommt.

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Subsumption:

•   Bei einem Porträt von einem bekannten Maler ist es
    ausschlaggebend, wer dieses malt. Es spielt dabei
    keine Rolle, ob auch Munet ein angesehener Künstler ist
    oder nicht.

•   Sein Stil wird anders sein als derjenige von van Klee, daher
    kann   Sissi   persönliche   Erfüllung   durch   van    Klee
    fordern. Insbesondere wenn es ihr eben gerade wichtig
    war, den Vertrag mit van Klee abzuschliessen.

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2. Der Berner Sennenhund

Hundefan Beller schaut sich beim Züchter Z einen Wurf
reinrassiger Berner Sennenhunde an. Er verliebt sich auf den
ersten Blick in ein bestimmtes Tier und will dieses gleich
mitnehmen. Der Züchter Z ist einverstanden und die beiden
verabreden, dass Beller den Kaufpreis von CHF 2'000.00 erst
in der folgenden Woche bezahlen muss. Drei Tage später ruft
Beller an und teilt Züchter Z mit, dass Geld würde nun bei
Beller zu Hause bereit liegen, Züchter Z könne dieses abholen.
Züchter Z fordert jedoch, dass Beller ihm das Geld bringt.

Zu Recht?
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Ort der Erfüllung (Art. 74 OR):

1   Der Ort der Erfüllung wird durch den ausdrücklichen oder aus
    den   Umständen    zu   schliessenden   Willen     der     Parteien
    bestimmt.

2   Wo nichts anderes bestimmt ist, gelten folgende Grundsätze:

    1. Geldschulden     sind   an   dem   Ort   zu   zahlen,   wo    der
       Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat;

    2. wird eine bestimmte Sache geschuldet, so ist diese da zu
       übergeben, wo sie sich zur Zeit des Vertragsabschlusses
       befand;

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  3. andere Verbindlichkeiten sind an dem Orte zu
      erfüllen, wo der Schuldner zur Zeit ihrer Entstehung
      seinen Wohnsitz hatte.

  4. Wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz, an dem er die
      Erfüllung fordern kann, nach der Entstehung der Schuld
      ändert und dem Schuldner daraus eine erhebliche
      Belästigung erwächst, so ist dieser berechtigt, an dem
      ursprünglichen Wohnsitze zu erfüllen.

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Subsumption:

Es handelt sich beim Kaufpreis um eine Geldschuld. Ist
nichts anderes vereinbart, ist der Ort der Erfüllung der
Wohnsitz des Gläubigers (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR,
„Bringschuld“). Beller muss das Geld also zu Züchter Z
bringen.

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                                                   3. Orientteppiche

3. Orientteppiche

Frau Füssli hat bei der Orientteppichhändlerin Assemani einen
teuren Gabbeh-Teppich gekauft. Am 30. November ist die
Zahlung des gesamten Preises von CHF 15'000.00 fällig. Da
Frau Füssli gerade nicht flüssig ist, will sie Frau Assemani eine
erste Rate von CHF 5'000.00 leisten. Diese weigert sich
jedoch, die Rate entgegenzunehmen und beharrt auf der
Zahlung des gesamten Preises.

Zu Recht?

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Gegenstand der Leistung: Art. 69 OR

1   Der     Gläubiger   braucht    eine   Teilzahlung       nicht
    anzunehmen, wenn die gesamte Schuld feststeht und
    fällig ist.

2   Will der Gläubiger eine Teilzahlung annehmen, so kann der
    Schuldner die Zahlung des von ihm anerkannten Teiles der
    Schuld nicht verweigern.

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 Subsumption:

 Der Gläubiger braucht eine Teilzahlung nicht anzunehmen,
 wenn die gesamte Schuld feststeht und fällig ist (Art. 69 Abs.
 1 OR). Sie kann die Rate somit ablehnen und Bezahlung
 des   gesamten     Preises    fordern.       Dadurch       gerät     sie
 insbesondere nicht in Annahmeverzug.

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                                    4. Die missglückte Schönheitsoperation

4. Die missglückte Schönheitsoperation

Nina lässt sich beim bekannten Schönheitschirurgen Victor
ihre Nase verkleinern. Aufgrund seiner Unkonzentriertheit
unterläuft dem Chirurgen allerdings ein Fehler, worauf die
Nase von Nina entstellt aussieht.

Handelt es sich hier um eine positive Vertragsverletzung?

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Art. 97 OR
1   Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht
oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für
den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er
nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.

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Art. 97 OR: Voraussetzungen

1. Verletzung einer vertraglichen Pflicht durch den Schuldner:
     Leistungsunmöglichkeit oder positive Vertragsverletzung

2. Schaden

3. Natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen
     Vertragsverletzung und Schaden

4. Verschulden den Schuldner

Rechtfolge: Anspruch auf Schadenersatz

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1. Vertragsverletzung

•       Vorliegend handelt es sich um eine Schlechterfüllung des
        Vertrags nach Art. 97 Abs. 1 OR. Der Chirurg hat den
        Auftrag nicht sorgfältig und unter Berücksichtigung der
        objektiven Sorgfaltsstandards ausgeführt.

•       Daraus folgt, dass eine Verletzung einer vertraglichen
        Pflicht (Art. 97 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 398 Abs. 1 und 2 OR)
        vorliegt.

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    2. Schaden
    •    Der Schaden besteht in der entstellten Nase (Personenschaden –
         Körperverletzung) bzw. den Kosten für die Wiederherstellung der
         Nase

    3. Kausalzusammenhang

    •    Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt auch vor:

         Wäre   der   Arzt   konzentriert   gewesen,      so   hätte    er   alle
         Sorgfaltsmassstäbe eingehalten und es wäre nicht zum Unglück
         gekommen (unsorgfältiges Verhalten bei OP nach gewöhnlichem
         Lauf der Dinge und den allgemeinen Lebensumständen geeignet,
         dass Nase entstellt ist und entsprechend eine Verletzung auftritt).

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4. Verschulden

•   Verschulden      wird   vermutet,     d.h.   Arzt    müsste       sich
    exkulpieren können (also beweisen, dass er sorgfältig
    operiert hat).

Rechtsfolge

•   Gelingt dem Arzt dieser Beweis nicht, ist er schadenersatz-
    pflichtig (Art. 97 Abs. 1 OR).

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