"Was Dumbo, der fliegende Elefant, Minority Report und Tarot-Karten gemeinsam haben?"1 - ein Innovationsworkshop
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„Was Dumbo, der fliegende Elefant, Minority Report und Tarot-Karten gemeinsam haben?“1) - ein Innovationsworkshop Gerhard Klocker Unter diesem vielsagenden Titel trafen sich Weiterentwicklung und Innovation der ei- die Leitung und die Mitarbeitenden des genen Organisation gelandet waren. Jugendinformationszentrum (JIZ) zur jähr- lichen zweitägigen Klausur. Was immer der In der Folge wurde der neu ins Leben Titel bedeuten mag, es war klar, dass es in gerufene Bereich der JIZ-Forschung und diesen Tagen um Innovation in der eigenen Entwicklung vorgestellt und besprochen. Organisation gehen wird. Hier ging es um Jugendtrendforschung und das JIZ-interne Wissensmanagement. Mit Die erste deutliche Überraschung war, dass dieser Sequenz war der Blick in die Zukunft der Seminarraum für die mehr als 20 gemacht. Die Perspektive über den klas- Teilnehmenden nicht wie üblicherweise mit sischen Tellerrand hinaus war geöffnet. Sesselkreis bestuhlt war, sondern es waren Anschließend wurde die Methodik, nach der lediglich einige große Steine auf dem in dieser Klausur gearbeitet wurde, kurz Boden ausgelegt. Nach der kurzen Eröff- vorgestellt. Im Grunde spielt dieser Ansatz, nung durch die Geschäftsleiterin versam- der auf das Presencing-Modell von C.O. melten sich die Menschen in kleinen Scharmer zurückgeht, mit reflektiven, Gruppen um die Steine und wurden aufge- meditativen und beschleunigenden, aktivie- fordert, von ihren besten konkreten Inno- renden Elementen.2) In unserem Workshop vationserfahrungen zu erzählen. Nach einer stand die Dynamisierung stark im Vorder- ersten Irritation: „Was soll ich da grund. Nachdem die Grundtheorie und das erzählen?“ ging es los. Es wurde erzählt, daraus abgeleitete Vorgehen einigermaßen gestikuliert, es wurde gelacht – und es verdaut waren, fand auf den Abend hin wurde Wissen ausgetauscht. Die beste noch eine Übung statt: das so genannte Innovationsgeschichte wurde gekürt: die Interview aus der Zukunft. Dabei wird fol- Geschichte von den „Memen, die sich fort- gende Situation simuliert: „Wir stehen im pflanzen“. Der Workshop hatte begonnen. Jahr 2010. Für den Nachmittag hat sich Die Menschen waren angekommen, indem eine Gruppe Journalisten angesagt, die sie mit ihren persönlichen Innovationser- firmenintern ein Interview mit der Ge- fahrungen beim Thema der Veränderung, schäftsleitung und MitarbeiterInnen führen will. Es geht dabei darum, die eigenen Ursachen, Hintergründe und Erfolgs- faktoren zu ergründen, die dazu führten, dass dem Unternehmen der Innova- tionspreis XY verliehen wurde.“3) In drei Gruppen bereiteten sich die Journalisten, die Mitarbeiter einschließlich Geschäfts- 1
führung und die Beobachter vor. Im an- den Jugendlichen standen neue schließenden Interview wurde heftig argu- Räumlichkeiten zur Verfügung: Was mentiert, es ging zur Sache. Die Auswer- werden diese Veränderungen für unsere tung brachte Qualitäten des JIZ wie „sich Arbeit und unser Selbstverständnis auf die anderen besinnen“, „Dinge ‚weiter „wirklich“ bedeuten? Wie sieht die/der spinnen’ können“, „spielerischer Umgang JIZ-MitarbeiterIn der Zukunft aus: mit Druck“ u.a.m. an die Oberfläche. Fähigkeiten, Wissen, Beziehung zu Jugendlichen u.a.m? b. Ein eigener Geschäftsbereich im JIZ betreibt eine Jugendkarte für das gesamte Bundesland. Eine für die Jugendkarte durchgeführte Wirkungs- analyse brachte strategischen Neu- Orientierungs- und Weiterentwicklungs- bedarf zu Tage. Die zentrale Frage lautete: Was gilt es zu tun? Die Mitarbeitenden teilten sich entlang Der erste Tag war gelaufen: die Stimmung dieser Fragerichtungen in zwei Gruppen sehr gut, die Leute müde und erschöpft und starteten in eigenen Zonen mit der und doch blieben sie abends lange zusam- Explorationsphase. Methodisch kam dabei men sitzen. ein klassisches Brainstorming zum Einsatz, mit dem Hinweis, den Grundregeln Am zweiten Tag wurde zunächst geschaut, weitgehend treu zu bleiben: „Suche viele wie andere Unternehmen Innovationen re- Ideen”, „Unterstütze wilde Ideen”, „Urteile alisieren. Ein Film zeigte ein Beispiel geleb- später”. ter Innovationspraxis und stimmte auf den Wenn die Phase der Formulierung der wichtigen weiteren Verlauf des Vorgehens zentralen Fragen eher anstrengend gewe- ein. sen war, dann setzten jetzt wieder schöpferisches und engagiertes Arbeiten Als erstes galt es, die großen Frage- ein. Es wurde geschrieben, gepinnt, Mini- stellungen herauszufiltern: Die Bedarfs- Systeme auf dem Tisch aufgebaut, es und Problemlagen waren transparent, aber wurde intensiv gearbeitet. wo und wie sollte jetzt der „Innovations- Hebel“ angesetzt werden? In dieser offenen Nachdem die Stellwände mit Kärtchen und und regen Diskussion kristallisierten sich Symbolen vollgepinnt waren und die Leute zwei Big Questions heraus: von der Breite der Ideen und Themen auch ein wenig „erschlagen“ wirkten, wurde der a. Ein Großteil des JIZ war umgebaut nächste Schritt eingeführt: das Finden von worden. Speziell für den Kontakt mit Bruchstellen. Das basiert auf dem Ansatz 2
Workshops enden gerne an dieser Stelle: die „großen Überschriften“ sind geschrie- en. Das gemeinsame Big Picture ist erstellt. Die Realisierung wird folgen! – Tut sie aber nicht immer! Nochmals ging es um Vertiefung, Ausein- nersetzung und Konkretisierung: Proto- yping. In jeder Gruppe galt es, die Ideen und Pläne so weit zu konkretisieren, dass möglichst bald erste Erfahrungen gemacht bzw. Rückmeldungen von wichtigen Nutz- von C.O. Scharmer, dass die Zukunft in der ießern und Anwendern eingeholt werden Gegenwart angelegt ist bzw. anders können. Das wühlte die Menschen noch ausgedrückt, dass sie sich immer schon einmal ziemlich auf, weil bereits aktiv die andeutet, wenn nicht sogar zeigt: Auseinandersetzung mit Zukünftigem und Bruchstellen sind Fundstellen. Es galt, die Neuem begann und sich auch kommende Ideensammlung mit eigenen Erfahrungen Hürden und Widerstände zeigten. Nicht in und Beobachtungen zu verknüpfen, nach jedem Fall gelang es, einen Prototypen zu Episoden oder Momenten zu suchen, wo gestalten: sich die Zukunft bereits gezeigt hatte: „Wo habt ihr Momente zukünftiger Potenziale - Die Gruppe „JIZ-MitarbeiterIn der Zu- wahrgenommen, die ihr rein gefühlsmäßig kunft“ hatte eine Erweiterung ihrer für wichtig haltet?“ Es wurde etwas Rolle, nämlich die InformationsarbeiterIn ruhiger, man konnte beobachten, wie die als Jugendforscherin entdeckt. Es wurde TeilnehmerInnen in ihrem Erfahrungsschatz versucht, das auf den Alltag hin zu nach entsprechenden Beispielen suchten, präzisieren: Was macht die Informa- die dann den anderen erzählt wurden. tionsmitarbeiterIn anders als heute, wenn sie neben der Vermittlung von Informa- Die Summe dieser Geschichten wurde tionen gleichzeitig die Aufgabe der Ju- abschließend verdichtet (Was zeigt sich? gendforscherIn wahrnimmt? In der Was wird deutlich?) und visualisiert. Das Folge wurden erste Erfahrungen mit Ergebnis dieses Teilschrittes waren dieser Rollenerweiterung gesammelt. wichtige Ansatz- und Hebelpunkte, es - Die Gruppe „Jugendkarte“ formulierte an waren konkrete Ideen und Maßnahmen und dieser Stelle die weiteren Schritte und hilfreiche Analogien und Bilder, die „das Meilensteine für eine Strategieentwick- Neue“ symbolisierten. Gleichzeitig war lung auf einer Zeitlinie. Damit erstellten nach einem intensiven Prozess der sie zwar nicht den beabsichtigten Proto- Auseinandersetzung eine erste Zufrieden- typen, aber sie verfeinerten gemeinsam eit mit dem Ergebnis spürbar. das weitere Prozedere. 3
Am Ende der beiden Tage waren alle Nun bleibt noch das Rätsel aufzulösen, was TeilnehmerInnen sichtlich erschöpft. Dumbo, der fliegende Elefant, Minority Emotional schwankte die Bandbreite von Report und Tarot-Karten gemeinsam zufrieden und sehr gut bis zu aufgewühlt haben! – Gar nicht so einfach: Im Grunde und „unfertig“. Die Themen waren nicht an haben sie nichts miteinander zu tun – und allen Stellen „abgeschlossen“ und rund, doch … Vieles war angerissen und angeregt. Der Workshop hatte zwar seine reflexiven und Dumbo, der fliegende Elefant, ist ein ruhigen Elemente, aber im Grunde war er Oscar-prämierter Zeichentrickfilm aus den mehr auf Vielfalt, Tempo und Dynami- Disney-Studios, in dem es um den sonder- sierung ausgerichtet gewesen. lichen kleinen Dickhäuter mit riesengroßen Ohren geht, der allerdings etwas kann, was die anderen Elefanten nicht können – er kann fliegen. Minority Report ist ein Science-Fiction- Thriller, von Stephen Spielberg mit Tom Cruise verfilmt, basierend auf der Vor- stellung, dass Polizisten in Zukunft Krimi- nelle verhaften, bevor diese ihre Ver- brechen begehen. Dabei wird eine ein- fache, aber wichtige Frage aufgeworfen: Haben wir die Macht, unser eigenes Schick- sal in die Hand zu nehmen? In der Zwischenzeit, ein Dreiviertel Jahr Das Legen und Lesen von Tarot-Karten später, lässt sich am Beispiel der hilft, Antworten auf zentrale Fragen des Jugendkarte die Wirkung darstellen: Lebens oder einen Ausblick in die Zukunft Entlang des ausgearbeiteten Vorgehens- zu erhalten – so eine esoterische Praxis. konzeptes wurde in der Folge eine Marken- Von all dem brauchen der Blick in die Analyse einschließlich Überprüfung des Zukunft und die Realisierung von Innova- Angebots und der Identität der Jugendkar- tionen etwas: te durchgeführt. Es kam zu einer Neu- Justierung des Selbstverständnisses als Ju- - den Glauben daran, dass Unmögliches gendkarte, d.h. vor allem stärkere Partizi- möglich gemacht werden kann, pation und bessere Betonung der Lebens- - Kraft und Wille zur Gestaltung der welten der Jugendlichen. Darauf aufbauend eigenen Zukunft und werden Veränderungen im Angebot durch- - Glück, Zufall oder die gekonnte Kombi- geführt und ein neues Marken- und Kom- nation der unterschiedlichsten Faktoren. munikationskonzept realisiert werden. 4
1) Titel: aha - Tipps & Infos für junge Leute, Bereich Forschung & Entwicklung, Dornbirn 2) Vgl. Scharmer C. Otto: Theory U – Leading From the Future as it Emerges, SoL, Cambridge MA, 2007 3) Königswieser Roswitha/Exner Alexander: Systemische Intervention, Stuttgart, 1998, 206f 5
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