Was können wir gegen Rassismus tun? - gpp-ev.de
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Was können wir gegen Rassismus tun? 26 „In a racist society, it is not enough to be non-racist. fehlender gesellschaftlicher Repräsentation oder We must be anti-racist.“ mangelnder Gleichberechtigung. Rassismus tritt tag- (Angela Davis) täglich in Form von ignoranten Aussagen, unhinter- fragten Handlungsmustern oder geschichtlich veranker- Um diesen Artikel einzuleiten, kann man sich auf ver- ten und unkritisch übernommenen Stereotypen auf. schiedene Ereignisse des Jahres 2020 beziehen. Auf Neben der Offenlegung und dem Sichtbarmachen den gewaltsamen Tod von George Floyd oder die von Rassismus in all seinen unterschiedlichen Formen schrecklichen Anschläge in Hanau, die bei Menschen und Facetten hat sich auch der gesamtgesellschaftli- auf der ganzen Welt Entsetzen auslösten. Man kann che Diskurs dahingehend verschoben, dass die not- auf die Tausende von Menschen in Moria und ande- wendigen Veränderungen zwar als gesamtgesell- ren Flüchtlingscamps verweisen sowie das Verhalten schaftliche Aufgabe bewertet werden, gleichzeitig der EU an ihren Außengrenzen anführen. Besonders aber Einigkeit darüber herrscht, dass die Bereitschaft, zu erwähnen sind die vielen Aktivisten, welche sich im etwas an dem bestehenden diskriminierenden Sys- Rahmen der „Black Lives Matter“-Bewegung erneut auf tem zu ändern, in erster Linie aus der „weißen Mehr- den Straßen versammelt haben, und ihr Kampf gegen heitsgesellschaft“ selbst kommen muss. Hierbei geht die rechten Ideologien in den sozialen Netzwerken. es darum, gewachsene Privilegien aufzugeben und Die Anschläge von Hanau sowie die generelle Zunah- gefestigte Strukturen und Machtverhältnisse zuguns- me rassistisch motivierter Straftaten zeigen, dass es ten eines positiven Transformationsprozesses zu ver- all unserer gesamtgesellschaftlichen Bemühungen schieben. bedarf, um sich dem Ausmaß der bestehenden rassis- Es ist uns wichtig zu verdeutlichen, dass wir als Fach- tischen beziehungsweise rechtsradikalen Ideologien kräfte der Sozialen Arbeit, als Fachkräfte einer reflexi- entgegenzustellen. Im vergangenen Jahr wurde eben- ven Handlungswissenschaft, denen man eine grund- falls deutlich, dass es für die Auflösung des Phäno- legende Fähigkeit zur Reflexion und Adaption mens Rassismus weitaus mehr bedarf als die Ahndung bestehender Handlungs- und Denkstrukturen zu und Vereitelung rassistisch motivierter Straftaten unterstellen vermag, ebenfalls in diesem rassistisch sowie rechtsradikalen Gedankenguts. konnotierten System sozialisiert sind. Somit müssen Insbesondere durch AktivistInnen der „Black Lives auch wir unsere antirassistische Haltung nachschär- Matter“-Bewegung wurden und werden die Viel- fen. Wir können durch Information und Austausch schichtigkeit sowie die erschreckende Alltäglichkeit unsere internalisierten Denk- und Handlungsmuster von Rassismus offengelegt. Rassismus ist viel mehr als anpassen und einen persönlich und professionell loh- offener Hass und tätliche Übergriffe. Rassismus und nenswerten Erkenntnisgewinn generieren. seine Auswirkungen sind tief in unserem gesellschaft- Die Motivation für diesen Artikel stützt sich darauf, lichen System verankert und nicht immer auf den ers- einen Teil dazu beizutragen. ten Blick zu erkennen. Er zeigt sich oft wesentlich per- Im Folgenden werden wir zunächst eine kurze theore- fider als in Form von tatsächlichen Anfeindungen, tische Abhandlung über das Phänomen Rassismus nämlich in Gestalt von strukturellen Gegebenheiten, geben. Dabei soll verdeutlicht werden, was man unter etablierten Wertvorstellungen, Benachteiligungen, Rassismus versteht, wo und wie er auftritt. Es wird
27 eine Abgrenzung zu dem Phänomen der Diskriminie- Rassismus, im eigentlichen Sinn betrachtet, rung erörtert und ausgeführt, warum es keinen Rassis- beschreibt… mus gegen Weiße Personen geben kann. Neben der „[…] das Konstrukt, welches auf der Rassentheorie theoretischen Abhandlung werden immer wieder aufbaut und wonach Menschen in biologische Ras- KlientInnen, die wir im Rahmen der Jugendhilfe sen eingeteilt werden, welche wiederum hierar- betreuen beziehungsweise betreut haben, zu Wort chisch der Hautfarbe nach eingestuft werden. […] kommen, die von ihren persönlichen Erfahrungen mit Diese pseudo-biologische Ideologie diente der Rassismus berichten. Rechtfertigung des Kolonialismus, der Sklaverei, In einem zweiten Teil werden wir konkrete Handlungs- der Verbrechen der Nazis oder von Apartheidre- empfehlungen vorschlagen, aufgrund derer jede/r gimes“ (humanrights.ch, 2013) und wirkt seit dem individuell seinen Umgang mit der dargestellten The- 17. Jahrhundert bis heute. matik überprüfen, anpassen oder ergänzen kann. Da es viele AktivistInnen und WissenschaftlerInnen Aus einem weiter gefassten Blickwinkel bedeutet gibt, die sich auf Basis ihrer eigenen Erfahrungen und Rassismus, Lebensrealitäten fundiert mit der Problematik ausei- „[…] Menschen […] nach äußerlichen oder ver- nandergesetzt haben, wollen wir abschließend einige meintlich kulturellen Merkmalen ein[zu]teilen und Empfehlungen für Literatur und soziale Medien aus- die ‚anderen‘ als weniger wert oder weniger gut sprechen, die eine weiterführende und vertiefende ein[zu]stuf[en]“ (Landeszentrale für politische Bildung Auseinandersetzung mit der Thematik ermöglichen. Baden-Württemberg) Caroline Weill Rassismus ist somit ein System, welches die Abgren- Was ist Rassismus? zung der Weißen Menschen von allen nicht Weißen Menschen beschreibt und auf welchem unsere Welt, „Rassismus ist nicht erst die negative Reaktion auf in der wir heute leben und durch die wir die letzten einen angeblichen Unterschied, sondern bereits die dreihundert Jahre sozialisiert wurden, aufbaut. Das Behauptung des Unterschieds.“ (Noah Sow, 2018) Prinzip, welches hier verfolgt wird, nennt sich „Othe- Um unterstützende Handlungsempfehlungen zu erar- ring“. Wer diese Taktik anwendet, macht sich selbst beiten, muss man zunächst erkennen, worum es sich zur Norm, respektive zum Standard. Alle, die davon handelt, wenn man von Rassismus spricht. abweichen, werden zu den „anderen“. „Rassismus Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Rassis- hat so begonnen und wird so seit jeher tradiert“ mus wird schnell klar, dass es keine einheitlich akzep- (Ogette, 2019, S. 59). tierte Definition für Rassismus gibt. Anhand der bei- Um die am Ende des Artikels ausgeführten Hand- den folgenden Betrachtungsweisen lässt sich der lungsempfehlungen richtig anzuwenden, ist es wich- Begriff jedoch ableiten und erklären. Die Gesamtheit tig zu erkennen, dass rassistisches Verhalten nicht der Definition ist damit jedoch noch nicht gegeben. zwingend eine rassistische Intention in sich birgt. Es Diese erschließt sich erst, wenn man sich eingehend braucht also nicht die Absicht rassistisch zu sein, um mit der dahinterliegenden Geschichte befasst. sich rassistisch zu verhalten. Dies passiert uns oft
28 unbewusst, weil wir in einem bestimmten System auf- decken rassistisches Verhalten auf und stoßen auf gewachsen sind, welches später in Form der Untersu- Widerstand. Eine Form des Widerstands ist der chung von strukturellem, institutionellem und indivi- Mythos des Rassismus gegen Weiße Menschen. Es duellem Rassismus weiter ausgeführt wird. wird argumentiert, dass es doch auch Rassismus Im folgenden Zitat eines der befragten Klienten wird gegenüber Weißen Menschen gibt. Allerdings basiert deutlich, dass Rassismus nicht immer in Verbindung Rassismus auf der Rassentheorie, welche die Men- mit einer Absicht stehen muss. schen hierarchisch nach ihren Hautfarben in Rassen unterteilt. Weiße Menschen stehen nach dieser biologi- B. (21 Jahre) aus der Elfenbeinküste: schen Ideologie an oberster Stelle und können somit nicht Opfer von rassistischer Diskriminierung werden. „In der Schule fragen mich die anderen oft, ob ich Im Gegenteil, Weiß sein ist in unserer Welt mit Privile- mal was auf afrikanisch sagen kann. Warum fragen gien verbunden, was keinesfalls bedeutet, dass Weiße die das, wir haben allein in der Elfenbeinküste über Menschen es nicht schwer haben können. Es bedeutet 70 Sprachen. Ich sage zu einem Mädchen, warum lediglich, dass Weiß sein nicht der Grund für die sagst du das? Wir sind nicht alle gleich und reden womöglich erfahrene Diskriminierung war oder ist. nicht gleich. Das ist rassistisch. Sie war dann sauer Diskriminierung ist etwas, das jede/n Einzelne/n von und sagte: ,Warum denn bitte Rassismus, das war uns treffen kann. Es ist das Phänomen der doch gar nicht rassistisch gemeint.‘ Ich habe ver- sucht, es ihr zu erklären, ist aber irgendwie schwer.“ „Ungleichbehandlung einer Person aufgrund einer (oder mehrerer) rechtlich geschützter Diskriminie- Da Weiße Menschen aufgrund ihrer Sozialisierung rungskategorien, ohne einen sachlichen Grund, der eine rassistische Erfahrung nicht nachfühlen können, die Ungleichbehandlung rechtfertigt.“ (Antidiskrimi- lässt sich der auch ohne Absicht entstehende Schmerz nierungsstelle des Bundes, 2017, S. 33) anhand des nachfolgenden Beispiels gut erklären. Wenn ich jemandem unbeabsichtigt über den Fuß Ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen wird fahre, dann ist es nicht mein Ansinnen, den Fuß zu aufgrund eines beliebigen Merkmals abgewertet und verletzen und demjenigen somit Schmerzen zuzufü- infolgedessen ohne Grund anders behandelt. Wenn gen. Dennoch hat diese Person einen verletzten Fuß sich Weiße Personen im Ausland rassistisch behandelt und Schmerzen. Ähnlich schwer verständlich ist für fühlen, erfahren sie eigentlich Diskriminierung in Weiße Menschen oft der Sachverhalt, dass es keinen Form von Fremdenfeindlichkeit, denn sie werden Rassismus gegen Weiße Menschen gibt. Dies wird im nicht aufgrund jahrhundertelanger Ideologien und darauffolgenden Teil durch die Unterscheidung von der daraus folgenden Unterdrückung diskriminiert. Rassismus und Diskriminierung erklärt. In welcher Form und auf welchen Ebenen Rassismus wirkt, wird im folgenden Teil dargestellt. Abgrenzung Rassismus – Diskriminierung Hannah Oppong-Nketiah Oftmals geraten „People of Color“ in Situationen wie die im vorangegangenen Zitat aufgeführte. Sie
29 Unterscheidung von strukturellem, institutionellem „(...) Rassismus, der in den Strukturen öffentlicher und individuellem Rassismus und privater Institutionen verankert ist. Diese Struk- turen (…) haben sich aufgrund historischer und Rassismus wirkt nicht auf einer Ebene, sondern ist als gesellschaftlicher Macht- und Gewaltverhältnisse gesamtgesellschaftliches Phänomen zu betrachten, entwickelt und in dem ökonomischen sowie kultu- welches auf struktureller, institutioneller und auf indi- rellen und politischen Aufbau einer Gesellschaft vidueller Ebene auftritt. Um die Vielschichtigkeit und und deren Institutionen manifestiert (institutionali- die unterschiedlichen Wirkungsweisen des Phäno- siert). Unsichtbar in ihrer Wesensart, beeinflussen mens Rassismus zu erläutern, werden diese drei For- diese Strukturen bewusst und unbewusst das Ver- men kurz skizziert. halten, die Sicht- und Denkweise der Individuen in Am offenkundigsten stellt sich der individuelle Rassis- Institutionen. Umgekehrt determinieren auch Indivi- mus dar. Hierbei werden rassistisch konnotierte Hand- duen das Verhalten der Institutionen, in denen sie lungen von Einzelpersonen begangenen. Laut Rom- arbeiten.“ (Odoi, 2004) melspacher handelt es sich dabei um individuelle diskriminierende Handlungen oder Einstellungen. Entscheidend ist hierbei, dass diese Wirkungsweisen Diese Form des Rassismus „(...) bezieht sich auf die oftmals unbewusst ablaufen. Sie sind geschichtlich direkte persönliche Interaktion“. (Rommelspacher, gewachsen, werden heute somit als vertraut und 2009, S. 30) daraus resultierend als normal wahrgenommen. Ein Beispiel für das Erleben von individuellem Rassis- Als eingängiges Beispiel für institutionellen Rassismus mus berichtet B. (21 Jahre) aus dem Sudan: lassen sich die sogenannten „verdachtsunabhängi- gen Polizeikontrollen“ nennen. Hier werden auf „Ich habe Rasta-Haare, das sind einfach meine Grundlage institutionalisierten Rechts, dem Polizei- Haare, ich mag den Style, viele in meinem Land tra- aufgabengesetz, bestimmte als „anders“ markierte gen das so. In Deutschland, ich verstehe das auch Gruppen kriminalisiert und, da sie nicht der gängigen nicht, werde ich immer gefragt, ob ich Gras habe ethnisch homogenen Norm entsprechen, Personen- oder rauche oder verkaufe. Das mag ich gar nicht. kontrollen unterzogen. (Thompson, 2020) Ich mag keine Drogen und solche Dinge.“ Dieses Phänomen bestätigt M. (21 Jahre) aus Somalia: Bedeutend schwieriger ist es, den systemischen „Ich bin oft unterwegs mit meinen Freunden oder beziehungsweise strukturellen oder institutionellen meiner Freundin. Im Sommer, wenn wir an der Isar Rassismus zu erkennen und aufzulösen. Von struktu- sind, kommt manchmal die Polizei. Da sind so viele rellem Rassismus spricht man, wenn nicht individuel- junge Menschen, aber nur wir, die black people, les Fehlverhalten, sondern gesellschaftliche oder werden kontrolliert und müssen den Ausweis zei- staatliche Strukturen selbst zur Benachteiligung ein- gen. Die anderen, die machen so viel, die rauchen zelner Gruppen führen. (Landeszentrale für politische und trinken, da macht die Polizei gar nichts, nur Bildung, 2021) anschauen, aber zu uns kommen sie her, checken Die Aktivistin Nana Odoi definiert Institutionellen Ausweise und Taschen. Das verstehe ich nicht.“ Rassismus als
30 Alltagsrassismus und die Erfahrungen unserer Komponente der alltäglichen Rassismus- und Diskri- KlientInnen minierungserfahrungen mitdenken müssen. Wir Fach- kräfte haben die Erfahrung gemacht, dass diese ras- Nach der theoretischen Annäherung an den Rassis- sistisch konnotierten verbalen Angriffe oder musbegriff sollen im folgenden Teil nochmals unsere Erlebnisse häufig gar nicht oder nur auf Nachfrage zur Klienten zu Wort kommen und in Form von ausge- Sprache gebracht werden. Um einen adäquaten wählten Statements von ihren persönlichen Rassis- Umgang mit dieser Thematik zu entwickeln, erscheint muserfahrungen berichten.1 Die Statements wurden die individuelle Auseinandersetzung einer Fachkraft ausgewählt, da sie alltägliche und für jeden von uns mit der Problematik unausweichlich. Darüber hinaus geläufige Situationen beschreiben. Klar herauszustel- sollten Rassismuserfahrungen, sofern dies im Sinne len ist hier, dass diese alltäglichen Rassismuserfahrun- der Betroffenen ist, auch im Betreuungsalltag proaktiv gen, neben dem Postmigrationsstress sowie den psy- aufgegriffen und thematisiert werden, um die Klien- chosozialen Belastungen der Flucht beziehungsweise tInnen in dem Gefühl zu stärken, dass sie mit derarti- der Migration, einen weiteren gravierenden Stressor gen Erfahrungen nicht alleine sind beziehungsweise für die psychische und physische Verfassung der nicht alleine gelassen werden. Ebenso sollte dies Klienten aufweisen. Igel et al. untersuchten 2010 die geschehen, um sie in ihren Rechten zu stärken und Wirkung von Diskriminierung auf die subjektive beständig zu verdeutlichen, dass sie verbalen An- und Gesundheit von MigrantInnen. Die ForscherInnen Übergriffen im Alltag nicht ausgeliefert sind und diese kommen zu dem Schluss, dass nicht einfach hingenommen werden müssen. Abschließend werden nun die Statements unserer „Diskriminierungserfahrungen (…) neben einer Viel- KlientInnen angeführt: zahl anderer Faktoren Prädiktoren für die psy- H. (21 Jahre) aus Somalia, berichtet beispielsweise chische und körperliche Gesundheit von MigrantIn- von rassistischen Erfahrungen, die er im Rahmen sei- nen [sind]. Es ist zu prüfen, ob Diskriminierung als ner Ausbildung erlebt hat: Stressor in der medizinischen und psychosozialen „Gerade mache ich eine Ausbildung als Pflegefach- Versorgung bereits in ausreichendem Maße berück- kraft. Die Patienten sind eigentlich immer nett, sichtigt wird und ob Konzepte entwickelt werden wenn ich im Zimmer bin, reden wir ein bisschen und sollten, um die Auswirkungen von Diskriminierungs- machen Spaß. Ich mag die alten Leute gerne lachen erfahrungen gezielt zu erheben und die Betroffenen sehen. Einmal war eine Frau nicht nett. Wenn ich unterstützen zu können.“ (Igel et.al, 2010, S. 189) komme ins Zimmer, fängt sie an zu schreien und Es erscheint uns wichtig, dass wir in unserer täglichen sagt nein, nicht der N***r, ich will nicht, dass mich Arbeit mit den jungen Menschen neben all den dieser Mann wäscht. Das war so schlimm für mich. Themen, die aufzufangen und zu bearbeiten sind, die Ich weiß schon, dass ich meine Arbeit gut machen 1 Diese wurden in Form von persönlichen Gesprächen bezie- kann. Wir sind doch alle in der gleichen Schule und hungsweise leitfadengestützten Interviews erhoben. Die haben die gleichen Sachen gelernt und ich verstehe Befragten wurden ausreichend darüber informiert, in welcher Form ihre Aussagen veröffentlicht werden. Darüber hinaus nicht, warum soll das schlechter sein, wenn ich dies wurde die Anonymität zugesichert. mache als bei anderen Leuten?“
31 M. (20 Jahre) aus Afghanistan führt Folgendes auf die fen, aber bekomme ich immer keine Antwort. Zwei Frage, ob er schon mal Rassismus erlebt habe, aus: oder drei Wohnungen habe ich geschaut, aber gar keine gute Nachricht bekommen.“ „Ja… Rassismus, ich weiß nicht, ob ich das immer so direkt merke, aber ich habe oft das Gefühl, dass Die Aussagen unserer KlientInnen zeigen, dass nahe- die Menschen einfach nicht so nett sind. Wenn ich zu jede/r Befragte in verschiedener Intensität von zum Beispiel unterwegs bin, in der Stadt oder in der Rassismus betroffen war, beziehungsweise ist. Wie U-Bahn mit meinen Freunden, und wir reden unsere bereits erwähnt, erscheint es daher umso wichtiger, Muttersprache, dann schauen viele Leute so ganz dass wir uns als Fachkräfte eingehend mit dem schlecht und auch unfreundlich. Manchmal die set- Thema beschäftigen und eine klare, antirassistische zen sich auch einfach weg, nehmen ihre Sachen und Haltung einnehmen. Die unterschiedlichen Hand- gehen. Und manche schimpfen auch. Das verstehe lungsmöglichkeiten, die sich jeder/m Einzelnen selbst ich gar nicht, aber ich kann hören, dass das nicht bieten, werden nachfolgend dargestellt. nett ist. Es gibt auch viele, die ganz nett sind. Caroline Weill Manchmal habe ich so ein Gefühl, als wollen die Leute nicht, dass wir hier sind.“ Handlungsempfehlungen – Was kann ich gegen B. (20 Jahre) aus der Elfenbeinküste berichtet von Rassismus tun? einer geläufigen Situation im Jugendalter, die auf- grund seiner Herkunft und/oder Hautfarbe für ihn Um Rassismus in Deutschland zu bekämpfen, liegt es anders verlaufen ist: natürlich auch in der Verantwortung der Politik, pas- sende Konzepte zu entwickeln. Doch jede/r Einzelne „Ich wollte mal mit meinen Freunden in einen Club kann etwas bewirken, indem das eigene Verhalten kri- gehen und der Türsteher hat einfach zu mir und tisch hinterfragt und reflektiert wird. Im Folgenden meinen Freunden gesagt, nein, ihr könnt heute zeigen wir acht Handlungsempfehlungen auf, die nicht rein, da sind schon so viele Schwarze drin, das einem selber helfen können, gezielter gegen Rassis- wird zu viel. Das hat mich wirklich so geärgert und mus vorzugehen. auch uns alle. Ich war den ganzen Abend sauer.“ 1. Informier dich. A. (23 Jahre) aus Gambia erzählt von dem systemi- Verfolge zum Beispiel in den sozialen Netzwerken die schen Rassismus am Wohnungsmarkt: Positionen und Argumente von Schwarzen Menschen und People of Color. Selbstgebildete Communitys „Meine Jugendhilfe war beendet und ich suche setzen sich schon sehr lange mit diesem Thema aus- eine Wohnung, schon so lange, aber ich finde einander. Versuch dich in sie hineinzuversetzen und keine. Ich habe Arbeit und keine Schulden und es die Gesellschaft aus ihrem Blickwinkel zu betrachten. ist so schwierig. Ich weiß nicht, liegt das an meinem Namen und meinem Aussehen, dass ich gar nichts 2. Erkenne deine Privilegien. finden kann. Immer schicke ich alle Sachen hin und Durch die weiße Farbe deiner Haut hast du entschei- ihr habt mir beim Schreiben von einem Text gehol- dende strukturbedingte Vorteile gegenüber Schwar-
32 zen Menschen und People of Color. Besonders stark sichtsbeschwerde ein oder melde dich bei der Staats- erkennt man die Unterschiede in den Bereichen Schu- anwaltschaft. Bei im Netz auftretenden rassistischen le, Universität, Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt und Inhalten kannst du Screenshots machen und diese Polizeikontrollen. Natürlich solltest du dich nicht anzeigen. schlecht fühlen müssen wegen deiner weißen Haut- 6. Nutze antirassistische Sprache farbe, da du nichts dafür kannst, aber du solltest dir Schwarz, People of Color oder Sinti/ze und Rom/nja bewusst sein, welche Privilegien und Macht du sind beispielsweise selbstgewählte Begriffe, die man dadurch in unserer Gesellschaft genießt. verwenden sollte, um niemanden ungewollt zu verlet- 3. Hör zu. zen. Dabei ist es auch wichtig, auf die Schreibweise zu Hör dir Erfahrungsberichte von People of Color an, achten. Sicherlich ist dir aufgefallen, dass die Begriffe denn viele Dinge weißt du wahrscheinlich noch nicht, Schwarz und Weiß in unserem Artikel großgeschrie- weil du sie nicht erlebt hast und sie aufgrund deiner ben wurden. Dies liegt daran, dass hier nicht die Hautfarbe auch niemals erleben wirst. Nimm ihre Sicht- Farbe der Haut gemeint ist, sondern die politische weise zu erlebten Situationen ernst und sprich ihnen Position und ob eine Person potenziell von Rassismus diese Erfahrungen nicht ab. Besonders wichtig ist zuzu- betroffen ist oder nicht. hören, wenn du auf rassistische Verhaltensweisen auf- 7. Sprich nicht für andere. merksam gemacht wirst. Auch wenn es dir unange- Versuch nicht selber den Raum einzunehmen, wenn nehm ist und du keine Fehler bei dir siehst, heißt das du über Rassismus sprichst, sondern gib Raum den nicht, dass sich eine andere Person durch deine Äuße- Menschen, die Rassismus erfahren haben. Frag ob rungen nicht rassistisch beleidigt fühlen kann. und in welcher Form Unterstützung erwünscht ist. 4. Benenne Rassismus. People of Color können beispielsweise auf Demos, in Wenn du rassistische Verhaltensweisen oder Aussa- Spendenform oder auch durch Likes und das Teilen gen deiner Mitmenschen erkennst, reagier darauf und von Beiträgen unterstützt werden. sprich denjenigen oder diejenige darauf an. Viele 8. Bleib dran. Menschen sind sich ihrer falschen Verhaltensweisen Sieh die kritische Auseinandersetzung mit Rassismus oft gar nicht bewusst, bis sie darauf aufmerksam als Prozess an. Natürlich wirst du immer mal wieder gemacht werden. Versuch die Problematik sachlich und Fehler machen, denn niemand ist perfekt. Doch rea- aus Sichtweise von People of Color zu verdeutlichen. giere nicht genervt, wenn du darauf aufmerksam Mach auch deutlich, dass bestimmte Witze, auch wenn gemacht wirst, sondern nimm es an, reflektiere und sie nicht böse gemeint sind, nicht okay sind. lerne daraus. Setz dich jeden Tag aufs Neue mit die- 5. Misch dich ein. sem Thema auseinander. So trägst auch du einen gro- Werde aktiv, wenn du Rassismus siehst, bring dich ßen Teil im Kampf gegen Rassismus bei. (Amnesty jedoch nicht unnötig in Gefahr. Zieh im Notfall die International, 2017) Polizei hinzu und stell dich als Zeuge zur Verfügung. Giulia Schiele Wenn diese rassistisch agiert, reiche eine Dienstauf-
33 Empfehlungen für Literatur und soziale Medien: Igel, U., Brähler, E., Grande, G. (2010): Der Einfluss von Diskriminierungserfahrungen auf die Gesundheit Bücher: von MigrantInnen. Psychiatrische Praxis, S. 183-190) Alice Hasters (2019): Was weiße Menschen nicht über Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württem- Rassismus hören wollen: aber wissen sollten. Berlin: berg: Was ist Rassismus? Hanser Verlag www.demokratie-bw.de/rassismus (Aufrufdatum 28.02.2021) Tupoka Ogette (2018): exit RACISM: rassismuskritisch denken lernen. Münster: Unrast Verlag Ogette, T. (2019): exit RACISM rassismuskritisch denken lernen (9. Auflage), Unrast-Verlag Noah Sow (2018): Deutschland Schwarz Weiß. Der alltägliche Rassismus. Bokk on Demand Odoi, N. (2004): Die Farbe der Gerechtigkeit ist weiß. Institutioneller Rassismus im deutschen Strafrechts- system: www.bpb.de/gesellschaft/migration/afrikanische- diaspora/59470/rassismus-im-strafrechtssystem Instagram: (Abrufdatum: 10.02.2021) n Aminata Belli: @aminatabelli n Jasmina Kuhnke: @quattromilf Rommelspacher, B. (2009): Was ist Rassismus? n Was ihr nicht seht: @wasihrnichtseht Erschienen in: Melter, C. und Mecheril,P. (2009): n Tupoka Ogette: @Tupoka.o Rassismuskritik: Band 1: Rassismustheorie und n Aminata Toure: @aminajmina -forschung. Wochenschau Verlag n Alice Hasters: @aliceharuko Sow, N. (2018): Deutschland Schwarz Weiß: Der all- n Hadnet Tesfai: @Hihadnet tägliche Rassismus. Books on Demand n Tarik Tesfu: @tesfu_tarik Thompson, V. (2020): Racial Profiling, institutioneller Rassismus und Interventionsmöglichkeiten: Literaturverzeichnis: www.bpb.de/gesellschaft/migration/kurzdossiers/308350/ Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017): Hand- racial-profiling-institutioneller-rassismus-und-interventions- buch „Rechtlicher Diskriminierungsschutz“. NOMOS moeglichkeiten (Abrufdatum: 17.02.2021) Verlag, (S. 33) Wiedemann, C. (2019): Der lange Abschied von der Humanrights.ch (2013): weißen Dominanz. dtv Verlagsgesellschaft mbH & Was ist Rassismus? – Definitionen: Co. KG www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/rassismus/ dossier/was-ist-rassismus/ (Abrufdatum: 28.02.2021) Homepages: Hoeder,C. (2020): Es gibt keinen umgekehrten Ras- www.amnesty.de/sites/default/files/2018-03/Amnesty- sismus: www.sz-magazin.sueddeutsche.de/willkommen- Broschuere-Alltagsrassismus-Maerz2017.pdf bei-mir/umgekehrter-rassismus-89490 (Abrufdatum: 22.02.2021) (Abrufdatum: 19.02.2021) www.exitracism.de/materialien.html (Abrufdatum: 27.02.2021)
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