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Was können wir gegen Rassismus tun?

                                                                                                                         26

 „In a racist society, it is not enough to be non-racist.    fehlender gesellschaftlicher Repräsentation oder
               We must be anti-racist.“                      mangelnder Gleichberechtigung. Rassismus tritt tag-
                                            (Angela Davis)   täglich in Form von ignoranten Aussagen, unhinter-
                                                             fragten Handlungsmustern oder geschichtlich veranker-
 Um diesen Artikel einzuleiten, kann man sich auf ver-       ten und unkritisch übernommenen Stereotypen auf.
 schiedene Ereignisse des Jahres 2020 beziehen. Auf          Neben der Offenlegung und dem Sichtbarmachen
 den gewaltsamen Tod von George Floyd oder die               von Rassismus in all seinen unterschiedlichen Formen
 schrecklichen Anschläge in Hanau, die bei Menschen          und Facetten hat sich auch der gesamtgesellschaftli-
 auf der ganzen Welt Entsetzen auslösten. Man kann           che Diskurs dahingehend verschoben, dass die not-
 auf die Tausende von Menschen in Moria und ande-            wendigen Veränderungen zwar als gesamtgesell-
 ren Flüchtlingscamps verweisen sowie das Verhalten          schaftliche Aufgabe bewertet werden, gleichzeitig
 der EU an ihren Außengrenzen anführen. Besonders            aber Einigkeit darüber herrscht, dass die Bereitschaft,
 zu erwähnen sind die vielen Aktivisten, welche sich im      etwas an dem bestehenden diskriminierenden Sys-
 Rahmen der „Black Lives Matter“-Bewegung erneut auf         tem zu ändern, in erster Linie aus der „weißen Mehr-
 den Straßen versammelt haben, und ihr Kampf gegen           heitsgesellschaft“ selbst kommen muss. Hierbei geht
 die rechten Ideologien in den sozialen Netzwerken.          es darum, gewachsene Privilegien aufzugeben und
 Die Anschläge von Hanau sowie die generelle Zunah-          gefestigte Strukturen und Machtverhältnisse zuguns-
 me rassistisch motivierter Straftaten zeigen, dass es       ten eines positiven Transformationsprozesses zu ver-
 all unserer gesamtgesellschaftlichen Bemühungen             schieben.
 bedarf, um sich dem Ausmaß der bestehenden rassis-          Es ist uns wichtig zu verdeutlichen, dass wir als Fach-
 tischen beziehungsweise rechtsradikalen Ideologien          kräfte der Sozialen Arbeit, als Fachkräfte einer reflexi-
 entgegenzustellen. Im vergangenen Jahr wurde eben-          ven Handlungswissenschaft, denen man eine grund-
 falls deutlich, dass es für die Auflösung des Phäno-        legende Fähigkeit zur Reflexion und Adaption
 mens Rassismus weitaus mehr bedarf als die Ahndung          bestehender Handlungs- und Denkstrukturen zu
 und Vereitelung rassistisch motivierter Straftaten          unterstellen vermag, ebenfalls in diesem rassistisch
 sowie rechtsradikalen Gedankenguts.                         konnotierten System sozialisiert sind. Somit müssen
 Insbesondere durch AktivistInnen der „Black Lives           auch wir unsere antirassistische Haltung nachschär-
 Matter“-Bewegung wurden und werden die Viel-                fen. Wir können durch Information und Austausch
 schichtigkeit sowie die erschreckende Alltäglichkeit        unsere internalisierten Denk- und Handlungsmuster
 von Rassismus offengelegt. Rassismus ist viel mehr als      anpassen und einen persönlich und professionell loh-
 offener Hass und tätliche Übergriffe. Rassismus und         nenswerten Erkenntnisgewinn generieren.
 seine Auswirkungen sind tief in unserem gesellschaft-       Die Motivation für diesen Artikel stützt sich darauf,
 lichen System verankert und nicht immer auf den ers-        einen Teil dazu beizutragen.
 ten Blick zu erkennen. Er zeigt sich oft wesentlich per-    Im Folgenden werden wir zunächst eine kurze theore-
 fider als in Form von tatsächlichen Anfeindungen,           tische Abhandlung über das Phänomen Rassismus
 nämlich in Gestalt von strukturellen Gegebenheiten,         geben. Dabei soll verdeutlicht werden, was man unter
 etablierten Wertvorstellungen, Benachteiligungen,           Rassismus versteht, wo und wie er auftritt. Es wird
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     eine Abgrenzung zu dem Phänomen der Diskriminie-          Rassismus, im      eigentlichen     Sinn   betrachtet,
     rung erörtert und ausgeführt, warum es keinen Rassis-     beschreibt…
     mus gegen Weiße Personen geben kann. Neben der
                                                                „[…] das Konstrukt, welches auf der Rassentheorie
     theoretischen Abhandlung werden immer wieder
                                                                aufbaut und wonach Menschen in biologische Ras-
     KlientInnen, die wir im Rahmen der Jugendhilfe
                                                                sen eingeteilt werden, welche wiederum hierar-
     betreuen beziehungsweise betreut haben, zu Wort
                                                                chisch der Hautfarbe nach eingestuft werden. […]
     kommen, die von ihren persönlichen Erfahrungen mit
                                                                Diese pseudo-biologische Ideologie diente der
     Rassismus berichten.
                                                                Rechtfertigung des Kolonialismus, der Sklaverei,
     In einem zweiten Teil werden wir konkrete Handlungs-
                                                                der Verbrechen der Nazis oder von Apartheidre-
     empfehlungen vorschlagen, aufgrund derer jede/r
                                                                gimes“ (humanrights.ch, 2013) und wirkt seit dem
     individuell seinen Umgang mit der dargestellten The-
                                                                17. Jahrhundert bis heute.
     matik überprüfen, anpassen oder ergänzen kann.
     Da es viele AktivistInnen und WissenschaftlerInnen        Aus einem weiter gefassten Blickwinkel bedeutet
     gibt, die sich auf Basis ihrer eigenen Erfahrungen und    Rassismus,
     Lebensrealitäten fundiert mit der Problematik ausei-
                                                                „[…] Menschen […] nach äußerlichen oder ver-
     nandergesetzt haben, wollen wir abschließend einige
                                                                meintlich kulturellen Merkmalen ein[zu]teilen und
     Empfehlungen für Literatur und soziale Medien aus-
                                                                die ‚anderen‘ als weniger wert oder weniger gut
     sprechen, die eine weiterführende und vertiefende
                                                                ein[zu]stuf[en]“ (Landeszentrale für politische Bildung
     Auseinandersetzung mit der Thematik ermöglichen.
                                                                Baden-Württemberg)
     Caroline Weill
                                                               Rassismus ist somit ein System, welches die Abgren-
     Was ist Rassismus?                                        zung der Weißen Menschen von allen nicht Weißen
                                                               Menschen beschreibt und auf welchem unsere Welt,
     „Rassismus ist nicht erst die negative Reaktion auf       in der wir heute leben und durch die wir die letzten
     einen angeblichen Unterschied, sondern bereits die        dreihundert Jahre sozialisiert wurden, aufbaut. Das
     Behauptung des Unterschieds.“ (Noah Sow, 2018)            Prinzip, welches hier verfolgt wird, nennt sich „Othe-
     Um unterstützende Handlungsempfehlungen zu erar-          ring“. Wer diese Taktik anwendet, macht sich selbst
     beiten, muss man zunächst erkennen, worum es sich         zur Norm, respektive zum Standard. Alle, die davon
     handelt, wenn man von Rassismus spricht.                  abweichen, werden zu den „anderen“. „Rassismus
     Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Rassis-          hat so begonnen und wird so seit jeher tradiert“
     mus wird schnell klar, dass es keine einheitlich akzep-   (Ogette, 2019, S. 59).
     tierte Definition für Rassismus gibt. Anhand der bei-     Um die am Ende des Artikels ausgeführten Hand-
     den folgenden Betrachtungsweisen lässt sich der           lungsempfehlungen richtig anzuwenden, ist es wich-
     Begriff jedoch ableiten und erklären. Die Gesamtheit      tig zu erkennen, dass rassistisches Verhalten nicht
     der Definition ist damit jedoch noch nicht gegeben.       zwingend eine rassistische Intention in sich birgt. Es
     Diese erschließt sich erst, wenn man sich eingehend       braucht also nicht die Absicht rassistisch zu sein, um
     mit der dahinterliegenden Geschichte befasst.             sich rassistisch zu verhalten. Dies passiert uns oft
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unbewusst, weil wir in einem bestimmten System auf-       decken rassistisches Verhalten auf und stoßen auf
gewachsen sind, welches später in Form der Untersu-       Widerstand. Eine Form des Widerstands ist der
chung von strukturellem, institutionellem und indivi-     Mythos des Rassismus gegen Weiße Menschen. Es
duellem Rassismus weiter ausgeführt wird.                 wird argumentiert, dass es doch auch Rassismus
Im folgenden Zitat eines der befragten Klienten wird      gegenüber Weißen Menschen gibt. Allerdings basiert
deutlich, dass Rassismus nicht immer in Verbindung        Rassismus auf der Rassentheorie, welche die Men-
mit einer Absicht stehen muss.                            schen hierarchisch nach ihren Hautfarben in Rassen
                                                          unterteilt. Weiße Menschen stehen nach dieser biologi-
B. (21 Jahre) aus der Elfenbeinküste:                     schen Ideologie an oberster Stelle und können somit
                                                          nicht Opfer von rassistischer Diskriminierung werden.
 „In der Schule fragen mich die anderen oft, ob ich
                                                          Im Gegenteil, Weiß sein ist in unserer Welt mit Privile-
 mal was auf afrikanisch sagen kann. Warum fragen
                                                          gien verbunden, was keinesfalls bedeutet, dass Weiße
 die das, wir haben allein in der Elfenbeinküste über
                                                          Menschen es nicht schwer haben können. Es bedeutet
 70 Sprachen. Ich sage zu einem Mädchen, warum
                                                          lediglich, dass Weiß sein nicht der Grund für die
 sagst du das? Wir sind nicht alle gleich und reden
                                                          womöglich erfahrene Diskriminierung war oder ist.
 nicht gleich. Das ist rassistisch. Sie war dann sauer
                                                          Diskriminierung ist etwas, das jede/n Einzelne/n von
 und sagte: ,Warum denn bitte Rassismus, das war
                                                          uns treffen kann. Es ist das Phänomen der
 doch gar nicht rassistisch gemeint.‘ Ich habe ver-
 sucht, es ihr zu erklären, ist aber irgendwie schwer.“    „Ungleichbehandlung einer Person aufgrund einer
                                                           (oder mehrerer) rechtlich geschützter Diskriminie-
Da Weiße Menschen aufgrund ihrer Sozialisierung
                                                           rungskategorien, ohne einen sachlichen Grund, der
eine rassistische Erfahrung nicht nachfühlen können,
                                                           die Ungleichbehandlung rechtfertigt.“ (Antidiskrimi-
lässt sich der auch ohne Absicht entstehende Schmerz
                                                           nierungsstelle des Bundes, 2017, S. 33)
anhand des nachfolgenden Beispiels gut erklären.
Wenn ich jemandem unbeabsichtigt über den Fuß             Ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen wird
fahre, dann ist es nicht mein Ansinnen, den Fuß zu        aufgrund eines beliebigen Merkmals abgewertet und
verletzen und demjenigen somit Schmerzen zuzufü-          infolgedessen ohne Grund anders behandelt. Wenn
gen. Dennoch hat diese Person einen verletzten Fuß        sich Weiße Personen im Ausland rassistisch behandelt
und Schmerzen. Ähnlich schwer verständlich ist für        fühlen, erfahren sie eigentlich Diskriminierung in
Weiße Menschen oft der Sachverhalt, dass es keinen        Form von Fremdenfeindlichkeit, denn sie werden
Rassismus gegen Weiße Menschen gibt. Dies wird im         nicht aufgrund jahrhundertelanger Ideologien und
darauffolgenden Teil durch die Unterscheidung von         der daraus folgenden Unterdrückung diskriminiert.
Rassismus und Diskriminierung erklärt.                    In welcher Form und auf welchen Ebenen Rassismus
                                                          wirkt, wird im folgenden Teil dargestellt.
Abgrenzung Rassismus – Diskriminierung                    Hannah Oppong-Nketiah

Oftmals geraten „People of Color“ in Situationen wie
die im vorangegangenen Zitat aufgeführte. Sie
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     Unterscheidung von strukturellem, institutionellem           „(...) Rassismus, der in den Strukturen öffentlicher
     und individuellem Rassismus                                  und privater Institutionen verankert ist. Diese Struk-
                                                                  turen (…) haben sich aufgrund historischer und
     Rassismus wirkt nicht auf einer Ebene, sondern ist als       gesellschaftlicher Macht- und Gewaltverhältnisse
     gesamtgesellschaftliches Phänomen zu betrachten,             entwickelt und in dem ökonomischen sowie kultu-
     welches auf struktureller, institutioneller und auf indi-    rellen und politischen Aufbau einer Gesellschaft
     vidueller Ebene auftritt. Um die Vielschichtigkeit und       und deren Institutionen manifestiert (institutionali-
     die unterschiedlichen Wirkungsweisen des Phäno-              siert). Unsichtbar in ihrer Wesensart, beeinflussen
     mens Rassismus zu erläutern, werden diese drei For-          diese Strukturen bewusst und unbewusst das Ver-
     men kurz skizziert.                                          halten, die Sicht- und Denkweise der Individuen in
     Am offenkundigsten stellt sich der individuelle Rassis-      Institutionen. Umgekehrt determinieren auch Indivi-
     mus dar. Hierbei werden rassistisch konnotierte Hand-        duen das Verhalten der Institutionen, in denen sie
     lungen von Einzelpersonen begangenen. Laut Rom-              arbeiten.“ (Odoi, 2004)
     melspacher handelt es sich dabei um individuelle
     diskriminierende Handlungen oder Einstellungen.             Entscheidend ist hierbei, dass diese Wirkungsweisen
     Diese Form des Rassismus „(...) bezieht sich auf die        oftmals unbewusst ablaufen. Sie sind geschichtlich
     direkte persönliche Interaktion“. (Rommelspacher,           gewachsen, werden heute somit als vertraut und
     2009, S. 30)                                                daraus resultierend als normal wahrgenommen.
     Ein Beispiel für das Erleben von individuellem Rassis-      Als eingängiges Beispiel für institutionellen Rassismus
     mus berichtet B. (21 Jahre) aus dem Sudan:                  lassen sich die sogenannten „verdachtsunabhängi-
                                                                 gen Polizeikontrollen“ nennen. Hier werden auf
       „Ich habe Rasta-Haare, das sind einfach meine
                                                                 Grundlage institutionalisierten Rechts, dem Polizei-
       Haare, ich mag den Style, viele in meinem Land tra-
                                                                 aufgabengesetz, bestimmte als „anders“ markierte
       gen das so. In Deutschland, ich verstehe das auch
                                                                 Gruppen kriminalisiert und, da sie nicht der gängigen
       nicht, werde ich immer gefragt, ob ich Gras habe
                                                                 ethnisch homogenen Norm entsprechen, Personen-
       oder rauche oder verkaufe. Das mag ich gar nicht.
                                                                 kontrollen unterzogen. (Thompson, 2020)
       Ich mag keine Drogen und solche Dinge.“
                                                                 Dieses Phänomen bestätigt M. (21 Jahre) aus Somalia:
     Bedeutend schwieriger ist es, den systemischen
                                                                  „Ich bin oft unterwegs mit meinen Freunden oder
     beziehungsweise strukturellen oder institutionellen
                                                                  meiner Freundin. Im Sommer, wenn wir an der Isar
     Rassismus zu erkennen und aufzulösen. Von struktu-
                                                                  sind, kommt manchmal die Polizei. Da sind so viele
     rellem Rassismus spricht man, wenn nicht individuel-
                                                                  junge Menschen, aber nur wir, die black people,
     les Fehlverhalten, sondern gesellschaftliche oder
                                                                  werden kontrolliert und müssen den Ausweis zei-
     staatliche Strukturen selbst zur Benachteiligung ein-
                                                                  gen. Die anderen, die machen so viel, die rauchen
     zelner Gruppen führen. (Landeszentrale für politische
                                                                  und trinken, da macht die Polizei gar nichts, nur
     Bildung, 2021)
                                                                  anschauen, aber zu uns kommen sie her, checken
     Die Aktivistin Nana Odoi definiert Institutionellen
                                                                  Ausweise und Taschen. Das verstehe ich nicht.“
     Rassismus als
30

Alltagsrassismus und die Erfahrungen unserer                   Komponente der alltäglichen Rassismus- und Diskri-
KlientInnen                                                    minierungserfahrungen mitdenken müssen. Wir Fach-
                                                               kräfte haben die Erfahrung gemacht, dass diese ras-
Nach der theoretischen Annäherung an den Rassis-               sistisch konnotierten verbalen Angriffe oder
musbegriff sollen im folgenden Teil nochmals unsere            Erlebnisse häufig gar nicht oder nur auf Nachfrage zur
Klienten zu Wort kommen und in Form von ausge-                 Sprache gebracht werden. Um einen adäquaten
wählten Statements von ihren persönlichen Rassis-              Umgang mit dieser Thematik zu entwickeln, erscheint
muserfahrungen berichten.1 Die Statements wurden               die individuelle Auseinandersetzung einer Fachkraft
ausgewählt, da sie alltägliche und für jeden von uns           mit der Problematik unausweichlich. Darüber hinaus
geläufige Situationen beschreiben. Klar herauszustel-          sollten Rassismuserfahrungen, sofern dies im Sinne
len ist hier, dass diese alltäglichen Rassismuserfahrun-       der Betroffenen ist, auch im Betreuungsalltag proaktiv
gen, neben dem Postmigrationsstress sowie den psy-             aufgegriffen und thematisiert werden, um die Klien-
chosozialen Belastungen der Flucht beziehungsweise             tInnen in dem Gefühl zu stärken, dass sie mit derarti-
der Migration, einen weiteren gravierenden Stressor            gen Erfahrungen nicht alleine sind beziehungsweise
für die psychische und physische Verfassung der                nicht alleine gelassen werden. Ebenso sollte dies
Klienten aufweisen. Igel et al. untersuchten 2010 die          geschehen, um sie in ihren Rechten zu stärken und
Wirkung von Diskriminierung auf die subjektive                 beständig zu verdeutlichen, dass sie verbalen An- und
Gesundheit von MigrantInnen. Die ForscherInnen                 Übergriffen im Alltag nicht ausgeliefert sind und diese
kommen zu dem Schluss, dass                                    nicht einfach hingenommen werden müssen.
                                                               Abschließend werden nun die Statements unserer
 „Diskriminierungserfahrungen (…) neben einer Viel-
                                                               KlientInnen angeführt:
 zahl anderer Faktoren Prädiktoren für die psy-
                                                               H. (21 Jahre) aus Somalia, berichtet beispielsweise
 chische und körperliche Gesundheit von MigrantIn-
                                                               von rassistischen Erfahrungen, die er im Rahmen sei-
 nen [sind]. Es ist zu prüfen, ob Diskriminierung als
                                                               ner Ausbildung erlebt hat:
 Stressor in der medizinischen und psychosozialen
                                                                 „Gerade mache ich eine Ausbildung als Pflegefach-
 Versorgung bereits in ausreichendem Maße berück-
                                                                 kraft. Die Patienten sind eigentlich immer nett,
 sichtigt wird und ob Konzepte entwickelt werden
                                                                 wenn ich im Zimmer bin, reden wir ein bisschen und
 sollten, um die Auswirkungen von Diskriminierungs-
                                                                 machen Spaß. Ich mag die alten Leute gerne lachen
 erfahrungen gezielt zu erheben und die Betroffenen
                                                                 sehen. Einmal war eine Frau nicht nett. Wenn ich
 unterstützen zu können.“ (Igel et.al, 2010, S. 189)
                                                                 komme ins Zimmer, fängt sie an zu schreien und
Es erscheint uns wichtig, dass wir in unserer täglichen          sagt nein, nicht der N***r, ich will nicht, dass mich
Arbeit mit den jungen Menschen neben all den                     dieser Mann wäscht. Das war so schlimm für mich.
Themen, die aufzufangen und zu bearbeiten sind, die              Ich weiß schon, dass ich meine Arbeit gut machen
 1 Diese wurden in Form von persönlichen Gesprächen bezie-       kann. Wir sind doch alle in der gleichen Schule und
 hungsweise leitfadengestützten Interviews erhoben. Die          haben die gleichen Sachen gelernt und ich verstehe
 Befragten wurden ausreichend darüber informiert, in welcher
 Form ihre Aussagen veröffentlicht werden. Darüber hinaus
                                                                 nicht, warum soll das schlechter sein, wenn ich dies
 wurde die Anonymität zugesichert.                               mache als bei anderen Leuten?“
31

     M. (20 Jahre) aus Afghanistan führt Folgendes auf die     fen, aber bekomme ich immer keine Antwort. Zwei
     Frage, ob er schon mal Rassismus erlebt habe, aus:        oder drei Wohnungen habe ich geschaut, aber gar
                                                               keine gute Nachricht bekommen.“
      „Ja… Rassismus, ich weiß nicht, ob ich das immer
      so direkt merke, aber ich habe oft das Gefühl, dass
                                                              Die Aussagen unserer KlientInnen zeigen, dass nahe-
      die Menschen einfach nicht so nett sind. Wenn ich
                                                              zu jede/r Befragte in verschiedener Intensität von
      zum Beispiel unterwegs bin, in der Stadt oder in der
                                                              Rassismus betroffen war, beziehungsweise ist. Wie
      U-Bahn mit meinen Freunden, und wir reden unsere
                                                              bereits erwähnt, erscheint es daher umso wichtiger,
      Muttersprache, dann schauen viele Leute so ganz
                                                              dass wir uns als Fachkräfte eingehend mit dem
      schlecht und auch unfreundlich. Manchmal die set-
                                                              Thema beschäftigen und eine klare, antirassistische
      zen sich auch einfach weg, nehmen ihre Sachen und
                                                              Haltung einnehmen. Die unterschiedlichen Hand-
      gehen. Und manche schimpfen auch. Das verstehe
                                                              lungsmöglichkeiten, die sich jeder/m Einzelnen selbst
      ich gar nicht, aber ich kann hören, dass das nicht
                                                              bieten, werden nachfolgend dargestellt.
      nett ist. Es gibt auch viele, die ganz nett sind.
                                                              Caroline Weill
      Manchmal habe ich so ein Gefühl, als wollen die
      Leute nicht, dass wir hier sind.“
                                                              Handlungsempfehlungen – Was kann ich gegen
     B. (20 Jahre) aus der Elfenbeinküste berichtet von       Rassismus tun?
     einer geläufigen Situation im Jugendalter, die auf-
     grund seiner Herkunft und/oder Hautfarbe für ihn         Um Rassismus in Deutschland zu bekämpfen, liegt es
     anders verlaufen ist:                                    natürlich auch in der Verantwortung der Politik, pas-
                                                              sende Konzepte zu entwickeln. Doch jede/r Einzelne
      „Ich wollte mal mit meinen Freunden in einen Club
                                                              kann etwas bewirken, indem das eigene Verhalten kri-
      gehen und der Türsteher hat einfach zu mir und
                                                              tisch hinterfragt und reflektiert wird. Im Folgenden
      meinen Freunden gesagt, nein, ihr könnt heute
                                                              zeigen wir acht Handlungsempfehlungen auf, die
      nicht rein, da sind schon so viele Schwarze drin, das
                                                              einem selber helfen können, gezielter gegen Rassis-
      wird zu viel. Das hat mich wirklich so geärgert und
                                                              mus vorzugehen.
      auch uns alle. Ich war den ganzen Abend sauer.“
                                                              1. Informier dich.
     A. (23 Jahre) aus Gambia erzählt von dem systemi-        Verfolge zum Beispiel in den sozialen Netzwerken die
     schen Rassismus am Wohnungsmarkt:                        Positionen und Argumente von Schwarzen Menschen
                                                              und People of Color. Selbstgebildete Communitys
      „Meine Jugendhilfe war beendet und ich suche
                                                              setzen sich schon sehr lange mit diesem Thema aus-
      eine Wohnung, schon so lange, aber ich finde
                                                              einander. Versuch dich in sie hineinzuversetzen und
      keine. Ich habe Arbeit und keine Schulden und es
                                                              die Gesellschaft aus ihrem Blickwinkel zu betrachten.
      ist so schwierig. Ich weiß nicht, liegt das an meinem
      Namen und meinem Aussehen, dass ich gar nichts          2. Erkenne deine Privilegien.
      finden kann. Immer schicke ich alle Sachen hin und      Durch die weiße Farbe deiner Haut hast du entschei-
      ihr habt mir beim Schreiben von einem Text gehol-       dende strukturbedingte Vorteile gegenüber Schwar-
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zen Menschen und People of Color. Besonders stark         sichtsbeschwerde ein oder melde dich bei der Staats-
erkennt man die Unterschiede in den Bereichen Schu-       anwaltschaft. Bei im Netz auftretenden rassistischen
le, Universität, Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt und          Inhalten kannst du Screenshots machen und diese
Polizeikontrollen. Natürlich solltest du dich nicht       anzeigen.
schlecht fühlen müssen wegen deiner weißen Haut-
                                                          6. Nutze antirassistische Sprache
farbe, da du nichts dafür kannst, aber du solltest dir
                                                          Schwarz, People of Color oder Sinti/ze und Rom/nja
bewusst sein, welche Privilegien und Macht du
                                                          sind beispielsweise selbstgewählte Begriffe, die man
dadurch in unserer Gesellschaft genießt.
                                                          verwenden sollte, um niemanden ungewollt zu verlet-
3. Hör zu.                                                zen. Dabei ist es auch wichtig, auf die Schreibweise zu
Hör dir Erfahrungsberichte von People of Color an,        achten. Sicherlich ist dir aufgefallen, dass die Begriffe
denn viele Dinge weißt du wahrscheinlich noch nicht,      Schwarz und Weiß in unserem Artikel großgeschrie-
weil du sie nicht erlebt hast und sie aufgrund deiner     ben wurden. Dies liegt daran, dass hier nicht die
Hautfarbe auch niemals erleben wirst. Nimm ihre Sicht-    Farbe der Haut gemeint ist, sondern die politische
weise zu erlebten Situationen ernst und sprich ihnen      Position und ob eine Person potenziell von Rassismus
diese Erfahrungen nicht ab. Besonders wichtig ist zuzu-   betroffen ist oder nicht.
hören, wenn du auf rassistische Verhaltensweisen auf-
                                                          7. Sprich nicht für andere.
merksam gemacht wirst. Auch wenn es dir unange-
                                                          Versuch nicht selber den Raum einzunehmen, wenn
nehm ist und du keine Fehler bei dir siehst, heißt das
                                                          du über Rassismus sprichst, sondern gib Raum den
nicht, dass sich eine andere Person durch deine Äuße-
                                                          Menschen, die Rassismus erfahren haben. Frag ob
rungen nicht rassistisch beleidigt fühlen kann.
                                                          und in welcher Form Unterstützung erwünscht ist.
4. Benenne Rassismus.                                     People of Color können beispielsweise auf Demos, in
Wenn du rassistische Verhaltensweisen oder Aussa-         Spendenform oder auch durch Likes und das Teilen
gen deiner Mitmenschen erkennst, reagier darauf und       von Beiträgen unterstützt werden.
sprich denjenigen oder diejenige darauf an. Viele
                                                          8. Bleib dran.
Menschen sind sich ihrer falschen Verhaltensweisen
                                                          Sieh die kritische Auseinandersetzung mit Rassismus
oft gar nicht bewusst, bis sie darauf aufmerksam
                                                          als Prozess an. Natürlich wirst du immer mal wieder
gemacht werden. Versuch die Problematik sachlich und
                                                          Fehler machen, denn niemand ist perfekt. Doch rea-
aus Sichtweise von People of Color zu verdeutlichen.
                                                          giere nicht genervt, wenn du darauf aufmerksam
Mach auch deutlich, dass bestimmte Witze, auch wenn
                                                          gemacht wirst, sondern nimm es an, reflektiere und
sie nicht böse gemeint sind, nicht okay sind.
                                                          lerne daraus. Setz dich jeden Tag aufs Neue mit die-
5. Misch dich ein.                                        sem Thema auseinander. So trägst auch du einen gro-
Werde aktiv, wenn du Rassismus siehst, bring dich         ßen Teil im Kampf gegen Rassismus bei. (Amnesty
jedoch nicht unnötig in Gefahr. Zieh im Notfall die       International, 2017)
Polizei hinzu und stell dich als Zeuge zur Verfügung.     Giulia Schiele
Wenn diese rassistisch agiert, reiche eine Dienstauf-
33

     Empfehlungen für Literatur und soziale Medien:         Igel, U., Brähler, E., Grande, G. (2010): Der Einfluss
                                                            von Diskriminierungserfahrungen auf die Gesundheit
     Bücher:                                                von MigrantInnen. Psychiatrische Praxis, S. 183-190)
     Alice Hasters (2019): Was weiße Menschen nicht über    Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württem-
     Rassismus hören wollen: aber wissen sollten. Berlin:   berg: Was ist Rassismus?
     Hanser Verlag                                          www.demokratie-bw.de/rassismus
                                                            (Aufrufdatum 28.02.2021)
     Tupoka Ogette (2018): exit RACISM: rassismuskritisch
     denken lernen. Münster: Unrast Verlag                  Ogette, T. (2019): exit RACISM rassismuskritisch
                                                            denken lernen (9. Auflage), Unrast-Verlag
     Noah Sow (2018): Deutschland Schwarz Weiß. Der
     alltägliche Rassismus. Bokk on Demand                  Odoi, N. (2004): Die Farbe der Gerechtigkeit ist weiß.
                                                            Institutioneller Rassismus im deutschen Strafrechts-
                                                            system: www.bpb.de/gesellschaft/migration/afrikanische-
                                                            diaspora/59470/rassismus-im-strafrechtssystem
     Instagram:
                                                            (Abrufdatum: 10.02.2021)
     n   Aminata Belli:        @aminatabelli
     n   Jasmina Kuhnke:       @quattromilf                 Rommelspacher, B. (2009): Was ist Rassismus?
     n   Was ihr nicht seht:   @wasihrnichtseht             Erschienen in: Melter, C. und Mecheril,P. (2009):
     n   Tupoka Ogette:        @Tupoka.o                    Rassismuskritik: Band 1: Rassismustheorie und
     n   Aminata Toure:        @aminajmina                  -forschung. Wochenschau Verlag
     n   Alice Hasters:        @aliceharuko
                                                            Sow, N. (2018): Deutschland Schwarz Weiß: Der all-
     n   Hadnet Tesfai:        @Hihadnet
                                                            tägliche Rassismus. Books on Demand
     n   Tarik Tesfu:          @tesfu_tarik
                                                            Thompson, V. (2020): Racial Profiling, institutioneller
                                                            Rassismus und Interventionsmöglichkeiten:
     Literaturverzeichnis:                                  www.bpb.de/gesellschaft/migration/kurzdossiers/308350/
     Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017): Hand-    racial-profiling-institutioneller-rassismus-und-interventions-
     buch „Rechtlicher Diskriminierungsschutz“. NOMOS       moeglichkeiten (Abrufdatum: 17.02.2021)
     Verlag, (S. 33)
                                                            Wiedemann, C. (2019): Der lange Abschied von der
     Humanrights.ch (2013):                                 weißen Dominanz. dtv Verlagsgesellschaft mbH &
     Was ist Rassismus? – Definitionen:                     Co. KG
     www.humanrights.ch/de/ipf/menschenrechte/rassismus/
     dossier/was-ist-rassismus/ (Abrufdatum: 28.02.2021)    Homepages:
     Hoeder,C. (2020): Es gibt keinen umgekehrten Ras-      www.amnesty.de/sites/default/files/2018-03/Amnesty-
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