GENERATION "RÜCKSICHTSLOS"? - GEMEINSCHAFTSSINN BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN - Bepanthen

 
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GENERATION "RÜCKSICHTSLOS"? - GEMEINSCHAFTSSINN BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN - Bepanthen
GENERATION
„RÜCKSICHTSLOS“?
GEMEINSCHAFTSSINN BEI
KINDERN UND JUGENDLICHEN
GENERATION "RÜCKSICHTSLOS"? - GEMEINSCHAFTSSINN BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN - Bepanthen
2 Bepanthen-Kinderförderung

GENERATION „RÜCKSICHTSLOS“?
EIN DRITTEL ALLER
JUGENDLICHEN HAT KEINEN
GEMEINSCHAFTSSINN
Gemeinschaftssinn ist einer der tragen-      „Gemeinschaftssinn ist ein zutiefst
den Pfeiler unserer Gesellschaft. Zu         demokratischer Wert – und der morali-
seinen Grundlagen gehören Kompeten-          sche Kitt für unsere Gesellschaft. Er
zen wie Empathie, Solidarität, Respekt,      bedeutet die Anerkennung der Gleich-
Hilfsbereitschaft und soziale Integra-       wertigkeit und der Ansprüche anderer –
tion. Diese Grundlagen werden                unabhängig von Unterschieden in
größtenteils in der Kindheit und der         Tradition, Religion, Nationalität oder
frühen Jugend erfahren und erlernt.          sozioökonomischem Status.“
Doch wie steht es um den Gemein-             Prof. Dr. Holger Ziegler, Universität
schaftssinn der heranwachsenden              Bielefeld
Generation?
                                           Wie die Untersuchung zeigt, verfügen
Diese Frage steht im Mittelpunkt der       Heranwachsende zu einem großen Teil
Gemeinschaftssinn-Studie, die 2019         über einen positiven Sinn für das
von der Universität Bielefeld im Auftrag   menschliche Miteinander. Allerdings
der Bepanthen-Kinderförderung durch-       haben 22 Prozent der befragten Kinder
geführt wurde. Der Sozialpädagoge          auch bedenkliche Defizite. Bei den
Prof. Dr. Holger Ziegler untersuchte,      Jugendlichen fällt sogar ein Drittel
wie Kinder (6 bis 11 Jahre) und Ju-        (33 Prozent) durch unterdurchschnitt-
gendliche (12 bis 16 Jahre) mit ver-       lich entwickelten Gemeinschaftssinn
schiedenen Aspekten des Gemein-            auf. Ein Ergebnis, das aufhorchen lässt!
schaftssinns wie Empathie und Soli-
darität, aber auch mit Gleichgültigkeit    Die Kernergebnisse der Studie haben
und der Abwertung von Schwächeren          wir für Sie in dieser Broschüre zusam-
umgehen.                                   mengefasst. Wir wünschen viel
                                           Vergnügen beim Lesen.

Inhalt

Generation „Rücksichtslos“?           2    Fazit                                      17
Kernergebnisse der Studie             3    Unsere Sozialforschung im                  18
Studiendesign und Methodik            4    Überblick
Empathie                              6    Initiator und Partner der Bepanthen-       19
Solidarität                           9    Kinderförderung
Gleichgültigkeit                     12    Impressum                                  20
Abwertung                            15
GENERATION "RÜCKSICHTSLOS"? - GEMEINSCHAFTSSINN BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN - Bepanthen
Kernergebnisse 3

KERNERGEBNISSE DER STUDIE

1  Wenig Sinn fürs Miteinander
   schon bei jungen Kindern
Jedes fünfte Kind verfügt nur über
                                               4    Mädchen zeigen mehr Sozial-
                                                    kompetenz
                                                Unabhängig von der betrachteten
einen mangelhaft ausgeprägten                   Altersstufe verhalten sich Mädchen
Gemeinschaftssinn – rund 22 Prozent             deutlich empathischer, solidarischer,
der befragten 6- bis 11-Jährigen.               weniger gleichgültig und auch weniger
                                                abwertend als Jungen.

2   Einem Drittel der Jugendlichen
    fehlt soziales Bewusstsein
Beim Übergang in die Pubertät ver-             5    Gleichgültigkeit und Abwertung
                                                    durch wirtschaftliche Situation
stärkt sich diese Tendenz. Jeder dritte         Jugendliche aus schwierigen wirt-
Jugendliche (33 Prozent) zeigt einen            schaftlichen Verhältnissen neigen
mangelhaft ausgeprägten Sinn für die            stärker dazu, gleichgültig oder abwer-
Gemeinschaft.                                   tend zu reagieren, als Gleichaltrige aus
                                                bessergestellten Haushalten.

3    Auffällige Unterschiede zwischen
     den Geschlechtern
Jungen zeigen sich insgesamt weniger           6     Elternhaus prägt negative
                                                     Einstellungen
sozial: In beiden befragten Altersgrup-         Sind die eigenen Eltern negativ ge-
pen weisen Mädchen einen signifikant            genüber anderen eingestellt, beein-
stärker ausgeprägten Gemeinschafts-             flusst das ihre Söhne und Töchter
sinn auf als Jungen (Kinder: 39 zu              signifikant: Diese reagieren in stärke-
20 Prozent; Jugendliche: 79 zu                  rem Maße gleichgültig oder abwertend
56 Prozent).                                    gegenüber Altersgenossen.

              KEIN SINN FÜR DIE GEMEINSCHAFT?
              GERINGER GEMEINSCHAFTSSINN

                                         33 %
                                                           i   Jeder 3. Jugendliche
                                                               weist nur einen geringen
                                                               Gemeinschaftssinn auf.

                      Jugendliche

              Quelle: Bepanthen-Kinderförderung/Universität Bielefeld
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Bepanthen Kinderförderung
2 Bepanthen-Kinderförderung
4

STUDIENDESIGN UND METHODIK

Die Sozialstudie 2019 der Bepanthen-       Um einen Wert wie Gemeinschaftssinn
Kinderförderung fragt nach dem Ge-         wissenschaftlich erfassen zu können,
meinschaftssinn von Kindern und            bildete ihn die Sozialstudie durch vier
Jugendlichen in Deutschland. Anhand        Dimensionen ab. Dies waren zum einen
der vier Dimensionen Empathie, Soli-       Empathie und Solidarität. Hier ging es
darität, Gleichgültigkeit und Abwertung    in den Befragungen um das Einfüh-
von Schwächeren untersuchte das            lungsvermögen, die Hilfsbereitschaft
Team von Prof. Dr. Holger Ziegler an       und den Respekt, also die Anerken-
der Universität Bielefeld, wie stark die   nung der moralischen Gleichwertigkeit
Gemeinwohlorientierung bei Heran-          von Ansprüchen anderer, durch die
wachsenden ausgeprägt ist.                 Heranwachsenden. Zum anderen gab
                                           es die Dimensionen Gleichgültigkeit
Dafür wurden 618 Kinder im Alter von 6     und Abwertung von Schwächeren. Hier
bis 11 Jahren, 353 Jugendliche im Alter    wurde beispielsweise bei den Jugend-
von 12 bis 16 Jahren sowie 713 Eltern      lichen die Abwertung von Randgruppen
befragt. Der Zeitraum der Befragung        oder Schwächeren abgefragt, bei den
erstreckte sich von Dezember 2018 bis      Kindern wurden Fragen rund um das
Februar 2019. Die Studie wurde als         Thema Mobbing gestellt. Bei den 12-
bevölkerungsrepräsentativ für Groß-        bis 16-Jährigen ermittelte die Studie
städte angelegt, die Interviews fanden     zudem die Bedeutung des Umfelds:
in den Städten Berlin, Leipzig und Köln    Inwiefern beeinflussen der sozioökono-
statt.                                     mische Status oder die Einstellung der
                                           Eltern den Gemeinschaftssinn von
                                           Jugendlichen?

                                                   IST DIR WICHTIG,
                                                   WO UND WIE
                                                   DEINE FREUNDE
                                                   WOHNEN?
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Studiendesign und Methodik 5

Und wie denkst du darüber?                         Kinder und Jugendlichen fragten die
                                                   gleichen Inhalte ab, unterschieden sich
Um eine möglichst repräsentative                   aber in der Ansprache, denn für die
Stichprobe von Kindern und Jugend-                 6- bis 11-Jährigen wurden die Fragen
lichen zu erhalten, verschickte das                kindgerechter formuliert. Während der
Team der Universität Bielefeld über                Interviews mit den Heranwachsenden
12.000 Briefe an Familien in Berlin,               wurden die Eltern gebeten, ihren
Leipzig und Köln und bat diese um ihre             Fragebogen möglichst in einem
Teilnahme an der Sozialstudie. Die                 anderen Raum auszufüllen.
Rückläufe wurden nach soziogeografi-
schen Kriterien sortiert. Anschließend                „Wir haben vergleichend das Gefühls-
wurden weitere Wellen von Anschrei-                   leben sowie den Gefühlshaushalt von
ben versandt, um die Stichprobe                       Kindern und Jugendlichen in Deutsch-
innerhalb der Großstädte zu optimieren.               land betrachtet – und ihre Auswirkun-
                                                      gen auf den Gemeinschaftssinn.“
Die Interviews fanden meist in vertrau-               Studienleiter Prof. Dr. Holger Ziegler
ter Umgebung zu Hause bei den
Familien statt. Oftmals nahmen Ge-                 Aktuell liegen die Ergebnisse aus der
schwister an der Studie teil. Die eigens           Befragung der Kinder und Jugendli-
geschulten Interviewerinnen und Inter-             chen vor, die in der Studie Generation
viewer hatten drei verschiedene Frage-             „Rücksichtslos“? veröffentlicht wurden.
bögen zur Hand: einen für die Kinder,              Die Auswertung der Elternperspektive
einen für die Jugendlichen und einen               findet 2020 statt.
für die Eltern. Die Fragebögen der

   DIMENSIONEN VON GEMEINSCHAFTSSINN

                     EMPATHIE                                    SOLIDARITÄT

                                       SINN FÜR DIE
                                      GEMEINSCHAFT

                   ABWERTUNG                                       GLEICH-
                                                                  GÜLTIGKEIT

    Quelle: Bepanthen-Kinderförderung/Universität Bielefeld
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Bepanthen Kinderförderung
2 Bepanthen-Kinderförderung
6

EMPATHIE
GERINGES MITGEFÜHL
BEI KINDERN UND
JUGENDLICHEN

Die von der Bepanthen-Kinderförde-          Mädchen, Retterinnen des
rung in Auftrag gegebene Sozialstudie       Gemeinwohls?
orientiert sich an der Definition von
Gemeinschaftssinn als einem Gefühl          Eine zentrale Erkenntnis der Gemein-
des Wohlwollens und der Sympathie           schaftssinn-Studie lautet: In beiden
gegenüber Menschen in einer Gemein-         untersuchten Altersgruppen – 6 bis 11
schaft – unabhängig von Unterschieden       Jahre (Kinder) und 12 bis 16 Jahre
in Tradition, Religion, Nationalität oder   (Jugendliche) – reagieren Mädchen
sozioökonomischem Status. Hinzu             durchweg feinfühliger und weisen einen
kommt die Anerkennung der morali-           ausgeprägteren Sinn für den gemein-
schen Gleichwertigkeit der Ansprüche        schaftlichen Zusammenhalt auf.
anderer.
                                            Die positiven Aspekte des Gemein-
Als wichtige Kompetenzen zur Entwick-       schaftssinns, Empathie und Solidarität,
lung des Gemeinschaftssinns gelten          sind bei den Jungen – im Vergleich zu
Empathie, Solidarität, Respekt, Hilfs-      den Mädchen – bereits in der Kindheit
bereitschaft und soziale Integration.       unterdurchschnittlich ausgebildet. An-
Diese Grundlagen werden größtenteils        ders ausgedrückt: Jungen zeigen mehr
in der Kindheit und der frühen Jugend       Eigensinn. Die Phase des Schulwech-
erfahren und erlernt. „Wenn Jugend-         sels und die Pubertät scheinen daran
liche hier Defizite entwickeln und diese    nichts zu ändern. Auch bei Jugendli-
weitertragen, kann sich das verheerend      chen besteht der Unterschied hinsicht-
auf das gesellschaftliche Klima auswir-     lich der Sozialkompetenzen der Ge-
ken“, so Studienleiter Prof. Dr. Holger     schlechter fort. Wie stark dieser „sozia-
Ziegler.                                    le Vorsprung“ ist, zeigt sich, wenn man
                                            die für die Studie untersuchten Einzel-
                                            aspekte von Gemeinschaftssinn näher
                                            betrachtet.
Empathie 7

Empathie – eine weibliche                           Das Ergebnis: Ein überraschend hoher
Eigenschaft?                                        Anteil, nämlich ein Fünftel der Kinder
                                                    (21 Prozent), neigt dazu, nur wenig em-
„Wenn ein anderes Kind traurig ist, ver-            pathisch zu handeln. Auffällig ist zu-
suche ich, es zu trösten“, lautet eine              dem, dass die Jungen im Vergleich zu
der Aussagen, mit der die Studie das                den Mädchen signifikant schlechter ab-
Empathievermögen der 6- bis 11-Jähri-               schneiden, indem sie ein unterdurch-
gen erfragt. Weitere Beispiele: „Es ist             schnittliches Empathievermögen an
mir wichtig, dass niemand ausgegrenzt               den Tag legen (30 Prozent zu 12 Pro-
wird“ oder „Es macht mich traurig,                  zent). Ein Blick auf die erfreulichen
wenn es anderen Kindern schlecht                    Erkenntnisse der Studie macht deut-
geht“. Mithilfe dieser Aussagen über-               lich, dass knapp die Hälfte (49 Prozent)
prüfte die Studie, inwieweit die befrag-            der befragten Kinder starke Empathie
ten Kinder und Jugendlichen Empathie                offenbart. Doch auch hier gibt es einen
empfinden, also über Mitgefühl für                  deutlichen Geschlechterunterschied:
andere verfügen und sich in die                     61 Prozent der Mädchen und nur
Situation von anderen hineinversetzen               37 Prozent der Jungen haben über-
können.                                             durchschnittliches Mitgefühl. Das legt
                                                    den Schluss nahe, dass Mädchen
                                                    deutlich empathischer als Jungen sind.

EMPATHIE: DRASTISCHE UNTERSCHIEDE
UNTERDURCHSCHNITTLICHES EMPATHIEVERMÖGEN

                         12 % 30 %                                      31 % 76 %

            Kinder                                        Jugendliche

i   Weder der sozioökonomische Status noch die Einstellungen der Eltern üben
    nennenswerten Einfluss auf die Empathie ihrer jugendlichen Kinder aus.

Quelle: Bepanthen-Kinderförderung/Universität Bielefeld
8 Bepanthen-Kinderförderung

In der Jugend wächst der                            sogar noch weiter auseinander. Bei den
Geschlechterunterschied                             Jugendlichen zeigt sich folgendes Bild:
                                                    76 Prozent der Jungen reagieren auf
Mit Beginn der Pubertät und während-                oben genannte Aussagen nur unter-
dessen sinkt das Einfühlungsvermögen                durchschnittlich empathisch; von den
weiter ab, wie die Befragung ergab. Die             weiblichen Jugendlichen finden sich
12- bis 16-Jährigen sollten Aussagen                hier 31 Prozent. Starkes Mitgefühl zei-
bewerten wie „Es nimmt mich mit,                    gen hingegen zwei von drei Mädchen
wenn ich sehe, dass ein Mädchen/ein                 (69 Prozent), aber nur einer von vier
Junge verletzt wird“ oder „Es macht                 Jungen (24 Prozent). Über die gesam-
mich traurig, ein Mädchen/einen Jun-                ten Altersklassen von 6 bis 16 Jahren
gen zu sehen, das/der niemanden zum                 zeigen sich in der Tendenz bei den
Spielen findet“. Von allen befragten                Mädchen stetig steigende, bei den
Jugendlichen reagiert mehr als die                  Jungen stetig sinkende Empathiewerte.
Hälfte (54 Prozent) unterdurchschnitt-
lich empathisch. Wenn Jugendliche an                Interessant ist auch der folgende
der Schwelle zum Erwachsensein                      Aspekt, den die Studie aufgedeckt hat:
stehen, verfügen sie daher nur über ein             In der Tendenz zeigen sowohl Kinder
geringes Empathieverständnis für ihr                als auch Jugendliche mit Migrations-
weiteres Leben.                                     hintergrund über die Jahre eine
                                                    steigende Entwicklung ihres Empathie-
Das in der Kindheit ohnehin schon                   vermögens. Währenddessen sinkt
unterschiedlich ausgeprägte Empathie-               diese bei Heranwachsenden ohne
vermögen der beiden Geschlechter                    Migrationshintergrund leicht ab.
entwickelt sich mit zunehmendem Alter

EMPATHIE
IN DER JUGEND WÄCHST DER GESCHLECHTERUNTERSCHIED

                          69 % 31 %                                    24 % 76 %

          Empathie bei Mädchen                            Empathie bei Jungen
             Unterdurchschnittlich                          Unterdurchschnittlich
             Überdurchschnittlich                           Überdurchschnittlich

Quelle: Bepanthen-Kinderförderung/Universität Bielefeld
Generation „Rücksichtslos“?
                                                                                      Solidarität 9
                                                                                                  3

SOLIDARITÄT
FEHLENDE HILFSBEREIT-
SCHAFT ZEIGT SICH FRÜH
Ob Kinder sich gegenüber Gleichalt-                       alter und zu Beginn der weiterführen-
rigen solidarisch verhalten, untersuchte                  den Schule unsolidarisch seinen Mit-
die Studie der Bepanthen-Kinderförde-                     schülern gegenüber. Bei den Mädchen
rung mit Aussagen zur Hilfsbereit-                        sind es nur 16 Prozent. Eine hohe Soli-
schaft. „Ich helfe anderen Kindern ger-                   darität lässt sich bei immerhin 48 Pro-
ne“ oder „Ich nehme Kinder in Schutz,                     zent der Mädchen finden, bei den
wenn andere gemeine Sachen über sie                       Jungen sind es 28 Prozent.
erzählen“ waren einige der Fragen, auf
die ein Fünftel der Kinder keine positive                 Die Untersuchung wirft eine bemer-
Antwort hatte. 23 Prozent der inter-                      kenswerte Frage auf: Ist Solidarität bei
viewten 6- bis 11-Jährigen verhalten                      Kindern aus wohlhabenden Elternhäu-
sich nicht solidarisch anderen Kindern                    sern eine eher seltene Eigenschaft? Bei
gegenüber. Auch hier liegen die Jungen                    den 6- bis 11-Jährigen aus Familien
zurück, treten also seltener für Gleich-                  mit einem Haushaltsnettoeinkommen
altrige ein: Beinahe jeder dritte Junge                   von maximal 2.000 Euro ist solidari-
(30 Prozent) zeigt sich im Grundschul-                    sches Verhalten nämlich relativ stark

SOLIDARITÄT
SOLIDARITÄT IST
             IST FÜR
                 FÜR MÄDCHEN
                     MÄDCHEN
JUNGEN
JUNGEN NEIGEN
       NEIGEN STÄRKER
              STÄRKER ZU
                      ZU UNSOLIDARISCHEM
                         UNSOLIDARISCHEM VERHALTEN
                                         VERHALTEN

                         16
                         16%% 30
                              30%%                                     24
                                                                       24%% 47
                                                                            47%%

           Kinder
           Kinder                                         Jugendliche
                                                          Jugendliche

i   Sowohl als Kinder wie auch als Jugendliche zeigen Mädchen eine deutlich
    solidarischere Einstellung als Jungen.

Quelle: Bepanthen-Kinderförderung/Universität Bielefeld
10 Bepanthen-Kinderförderung

ausgebildet – knapp die Hälfte (49 Pro-    Im Umkehrschluss lässt sich sagen,
zent) von ihnen legt eine hohe Solidari-   dass die befragten jugendlichen Mäd-
tätsbereitschaft an den Tag. Bei gut       chen deutlich sozialer eingestellt sind
situierten Kindern (Haushaltsnettoein-     und 76 Prozent ein hohes prosoziales
kommen von mindestens 7.500 Euro)          Verhalten zeigen; bei den Jungen sind
hingegen zeigt nur knapp ein Drittel       es nur 53 Prozent. Insgesamt konsta-
(30 Prozent) diese ausgeprägte             tiert die Studie hier eine besorgniserre-
Hilfsbereitschaft.                         gende Entwicklung: Denn tendenziell
                                           nimmt das solidarische Verhalten von
                                           Jugendlichen mit zunehmendem Alter
Mädchen fühlen sich verantwortlich         noch ab.

Bei den Jugendlichen verschlechtern
sich die Werte im solidarischen Verhal-    Welchen Einfluss hat das Umfeld?
ten sogar noch, wobei die Fragestellun-
gen bei den 12- bis 16-Jährigen etwas      Bei den Jugendlichen analysierte die
anders gelagert waren als bei den Inter-   Studie noch umfassender, wie äußere
viewbögen für die Kinder. Aussagen         Einflüsse auf den Gemeinschaftssinn
wie „Ich teile gerne mit anderen“ oder     wirken, indem sie alle Dimensionen
„Ich helfe gerne, wenn andere verletzt,    einbezog. Was die positiven Aspekte
krank oder traurig sind“ wurden von        Empathie und Solidarität betrifft, so
insgesamt 36 Prozent, also mehr als        zeigt die Untersuchung, dass diese
einem Drittel, der interviewten Jugend-    beiden Eigenschaften bei den Jugend-
lichen abschlägig beantwortet.             lichen nicht an den sozialen Status
                                           gebunden sind. Einfühlungsvermögen
Auch hier zeigen sich erneut deutliche     und Sozialverhalten der befragten
Unterschiede zwischen den Geschlech-       jungen Menschen entwickeln sich also
tern: Nahezu die Hälfte (47 Prozent)       weitestgehend unabhängig von der
der Jungen stimmt mit dieser ableh-        jeweiligen sozioökonomischen Situa-
nenden Haltung überein, demgegen-          tion ihrer Familien. Allerdings: Betrach-
über nur etwa ein Viertel (24 Prozent)     tet man die negativen Aspekte von
der Mädchen. Demnach zeigt fast jeder      Gemeinschaftssinn – Gleichgültigkeit
zweite männliche Jugendliche nur eine      und Abwertung –, zeigt sich ein
schwache positive Solidarität – ein        anderes Bild (siehe Seite 16).
bedenklicher Mangel an Gemein-
schaftssinn!
Solidarität 11

Eltern ohne Einfluss auf Solidarität         Einstellung des Elternhauses wirkt sich
und Empathie                                 nennenswert auf das Einfühlungsver-
                                             mögen oder die Hilfsbereitschaft von
Ein weiteres überraschendes Ergebnis         Söhnen und Töchtern aus. Auf Gleich-
der Untersuchung: Die Einstellung der        gültigkeit und Abwertungsverhalten,
eigenen Eltern hat sowohl auf das Em-        also die negativen Aspekte des
pathievermögen als auch auf das soli-        Gemeinschaftssinns, hat die elterliche
darische Verhalten der 12- bis 16-Jäh-       Haltung hingegen durchaus einen
rigen nur einen marginalen Einfluss.         Einfluss (siehe Seite 16).
Weder eine negative noch eine positive

UNGLEICHE LEBENSZUFRIEDENHEIT VON
JUNGEN UND MÄDCHEN
Die Untersuchung zeigt: Mädchen sind         heit: Jungen 66 Prozent versus Mäd-
offenbar deutlich gemeinschaftsorien-        chen 56 Prozent; Selbstwertgefühl:
tierter als Jungen. Sie verhalten sich       Jungen 66 Prozent versus Mädchen
grundsätzlich mitfühlender, hilfsbereiter,   57 Prozent). Geht es um die Integration
weniger gleichgültig und weniger ab-         in Gruppen Gleichaltriger, liegen die
wertend. Bei aller sozialen Kompetenz        Jungen ebenfalls vorn, wenn auch
sind Mädchen aber eher unzufrieden           deutlich knapper.
mit sich und ihrem Leben als Jungen.
Im Jugendalter liegen sie sowohl in der      Im Kontrast zu ihren hohen sozialen
Beurteilung der eigenen Lebenszufrie-        Kompetenzen wird für Mädchen dem-
denheit als auch des Selbstwertgefühls       nach das Erleben des Heranwachsens
hinter den Jungen zurück. Hingegen           von einer niedrigeren Lebenszufrieden-
zeigen die Jungen trotz – oder gerade        heit und einem niedrigeren Selbstwert-
wegen – ihrer offensichtlich geringeren      gefühl begleitet.
sozialen Ausrichtung in beiden Berei-
chen höhere Werte (Lebenszufrieden-
2 Bepanthen
12          Kinderförderung
   Bepanthen-Kinderförderung

GLEICHGÜLTIGKEIT
KRITISCHES POTENZIAL
ERREICHT
Die vier Dimensionen des Gemein-           sungen, Mobbing oder eine abwerten-
schaftssinns umfassen neben Empathie       de Haltung sind unter Heranwachsen-
und Solidarität auch Gleichgültigkeit      den weit verbreitet. Während das Stu-
und Abwertung – zwei Aspekte, die eng      dienteam potenzielle Gleichgültigkeit
miteinander verknüpft sind. Aus einer      bei Kindern und Jugendlichen durch
Gleichgültigkeit gegenüber Problemla-      ähnliche Fragestellungen ermittelte,
gen anderer erwächst häufig die Ge-        legte es bei der Dimension Abwertung
ringschätzung von Randgruppen und          dagegen andere Schwerpunkte. Bei
Minderheiten – oft mit mobbingartigen      den 6- bis 11-Jährigen fragte das Team
Ausprägungen: Von der Zuweisung des        Mobbingerfahrungen und -verhalten
„selbst schuld“ ist der Schritt zur        ab; den 12- bis 16-Jährigen legte es
generellen Abwertung oft kein großer       eine Reihe von Aussagen mit ab-
mehr. Dies gefährdet das gesellschaft-     wertendem Charakter vor.
liche Miteinander. Gemeinschaftssinn
erfordert, dass man gegenüber dem          „Die Ergebnisse der Studie sind alar-
Leiden anderer eben nicht gleichgültig     mierend. Aber sie zeigen eine Realität,
ist oder andere nicht als minderwertig     mit der wir in unseren Arche-Häusern
betrachtet. Letztlich geht es also um      täglich konfrontiert sind“, erklärt Bernd
die Anerkennung der moralischen            Siggelkow, Gründer und Vorstand des
Gleichwertigkeit aller Menschen und        Kinder- und Jugendwerks „Die Arche“.
ihrer Ansprüche.                           „In unserer Arbeit erleben wir oft Kin-
                                           der, die wenig bis gar kein Selbstwert-
Dass in unserer Gesellschaft negative      gefühl haben und sich – auch dadurch
Tendenzen wie Gleichgültigkeit und         bedingt – relativ wenig für andere
Abwertung bereits ein kritisches Poten-    interessieren.“
zial erreicht haben, bejaht die Untersu-
chung. Individualisierte Schuldzuwei-
Gleichgültigkeit 13

„Selbst schuld“ statt Hilfestellung                 mung. Mehr als jeder vierte Junge
                                                    sucht die Schuld also schnell bei an-
Geht es um die Gleichgültigkeit gegen-              deren – im Gegensatz zu den Mädchen
über den Problemen anderer, zeigt sich              (16 Prozent). Immerhin 34 Prozent der
ein bedenkliches Bild: Fast drei Viertel            Mädchen im Grundschulalter stehen
aller befragten 6- bis 11-Jährigen                  dieser Haltung sehr skeptisch gegen-
(70 Prozent) sind zumindest teilweise               über – im Vergleich zu 26 Prozent der
gleichgültig gegenüber Leidtragenden                Jungen. Sie zeigen hier wieder deutlich
und weisen ihnen die individuelle                   geringere soziale Kompetenzen.
Schuld dafür zu. Ein Fünftel der Kinder
(22 Prozent) ist sogar stark überzeugt              Interessant auch das folgende Studien-
von dieser Haltung.                                 ergebnis: Kinder ohne Migrationshinter-
                                                    grund suchen schnell die Schuld bei
Die individualisierte Schuldzuweisung               anderen, 37 Prozent von ihnen neigen
bei Problemlagen ist bei den Ge-                    zu einer stark ausgeprägten Schuldzu-
schlechtern unterschiedlich ausge-                  weisung. Bei Kindern mit Migrations-
prägt. Aussagen wie „Wenn ein                       hintergrund sind es im Vergleich dazu
anderes Kind Probleme in der Schule                 nur 22 Prozent.
hat, ist es meistens selbst schuld“
oder „Wenn andere Kinder traurig sind
und ich nicht schuld bin, ist mir das
egal“ finden bei über einem Viertel
(28 Prozent) der Jungen starke Zustim-

GLEICHGÜLTIGKEIT: MIR DOCH EGAL
AUSGEPRÄGTE GLEICHGÜLTIGKEIT (SCHULDZUWEISUNG)

                          16 % 28 %                                     14 % 27 %

             Kinder                                       Jugendliche

i   Wie Jugendliche Schwächere/Randgruppen einschätzen, hängt erkennbar von
    Einstellungen und Status ihrer Eltern ab: Je traditionsbehafteter und geringer
    gestellt diese sind, desto ausgeprägter ist die Gleichgültigkeit ihrer Kinder.

Quelle: Bepanthen-Kinderförderung/Universität Bielefeld
14 Bepanthen-Kinderförderung

Keine Verbesserung in der Jugend           lichen tendiert ein gutes Fünftel
                                           (21 Prozent) zu einer „Selbst schuld“-
„Schülerinnen und Schüler, die von         Haltung. Auch hier zeigen sich signi-
anderen gehänselt werden, sind meis-       fikante Unterschiede zwischen den
tens selbst schuld“ oder „Schülerinnen     Geschlechtern. 27 Prozent der männ-
und Schüler, die schlecht in der Schule    lichen Teenager offenbaren eine
sind, sind einfach zu dumm“: So lauten     überdurchschnittliche individualisierte
einige der Aussagen, anhand derer die      Schuldzuweisung – also jeder vierte
Untersuchung eine eventuelle Gleich-       Junge. Im Kontrast dazu neigen nur
gültigkeit der 12- bis 16-Jährigen         14 Prozent der Mädchen in der
überprüfte. Im Vergleich zu den inter-     Pubertät zu einer solch extremen
viewten Kindern, die zu einem großen       Haltung.
Teil gleichgültig reagieren, verbessert
sich die Haltung in der Pubertät in kei-
ner Weise. Von den befragten Jugend-

MOBBING SCHON IN DER GRUNDSCHULE
Ausgrenzung ist ein Problem, das sich      tet dies: Ungefähr ein Viertel der be-
in seinen Grundzügen schon im Kin-         fragten Kinder gaben an, dass sie oft
desalter zeigt. Hier nimmt sie meist       von anderen Kindern zum Spaß
eher mobbingartige Züge an. Antwor-        geärgert werden, obwohl sie nichts
ten von „Andere Kinder lassen mich         gemacht haben. Hier gibt es interes-
immer gern mitspielen“ bis hin zu „Ich     santerweise keinen signifikanten
bin oft für mich allein“ zeigen die        Unterschied zwischen Mädchen und
Bandbreite, wie 6- bis 11-Jährige Zu-      Jungen. Bei der Umkehrfrage „Es
gehörigkeit oder eben Ausgrenzung          kommt oft vor, dass ich andere Kinder
erleben.                                   nur zum Spaß ärgere, obwohl sie mir
                                           nichts getan haben“ zeigt sich, dass es
Insgesamt haben 26 Prozent der Kinder      beim Mobbing naturgemäß mehr Opfer
schon Erfahrungen mit mobbingähn-          als Täter gibt: Diese Aussage bejahten
lichen Situationen gemacht. Auf kon-       nämlich „nur“ 12 Prozent der Jungen
krete Erlebnisse angesprochen, bedeu-      und 9 Prozent der Mädchen.
Generation „Rücksichtslos“?
                                                                                    Abwertung 15 3

ABWERTUNG
JEDER DRITTE JUNGE DE-
KLASSIERT ANDERE KINDER
Einen weiteren Aspekt, den die Studie               Gruppen in der Bevölkerung, die weni-
untersuchte, war die Dimension Ab-                  ger wert sind als andere“ oder „Es ist
wertung. Während sich bei den Grund-                ekelhaft, wenn Schwule sich in der
schulkindern die gestellten Fragen rund             Öffentlichkeit küssen“.
ums Thema Mobbing drehten, interes-
sierte sich das Studienteam bei den                 Auch hier zeigt sich: Jungen deklassie-
12- bis 16-Jährigen für deren Haltung               ren stärker als Mädchen. Während den
gegenüber Randgruppen.                              abwertenden Aussagen 22 Prozent der
                                                    Mädchen zustimmen, sind es bei den
Insgesamt neigen 29 Prozent der inter-              Jungen sogar mehr als ein Drittel
viewten Jugendlichen zu einem starken               (36 Prozent). Jeder dritte heranwach-
Abwertungsverhalten und zu einer Ge-                sende Junge tendiert demnach dazu,
ringschätzung von Schwächeren. Aus-                 Randgruppen stark abzuwerten.
sagen, mit denen die Studienteilnehmer
konfrontiert wurden, waren Urteile wie:
„Wir nehmen in unserer Gesellschaft zu
viel Rücksicht auf Versager“, „Es gibt

ABWERTUNG: JUNGEN URTEILEN HÄRTER
KLARE HERABSTELLUNG ANDERER

                           22 % 36 %
                                                    i     Abwertung von Hartz-IV-Empfängern,
                                                          Arbeitslosen, schwachen Schülern,
                                                          Schwulen, Obdachlosen, Ausländern und
                                                          Randgruppen allgemein.

         Jugendliche

Quelle: Bepanthen-Kinderförderung/Universität Bielefeld
16 Bepanthen-Kinderförderung

Im Detail äußert sich der Geschlechter-    gendlichen beeinflusst die negativen
unterschied wie folgt: Beispielsweise      Ausprägungen Gleichgültigkeit und
befürwortet jeder fünfte Junge (19 Pro-    Abwertung durchaus.
zent) die Aussage, dass Arbeitslose
arbeitsscheu sind (versus 14 Prozent       Was das Abwertungsverhalten betrifft,
der Mädchen). Auch mit der Akzeptanz       so tendiert die Hälfte (50 Prozent) der
gleichgeschlechtlicher Partnerschaften     Jugendlichen mit einem niedrigen so-
in der Öffentlichkeit tun sich Jungen      zioökonomischen Status dazu, Rand-
schwerer (14 Prozent der Jungen            gruppen und Minderheiten abzuwerten.
versus 4 Prozent der Mädchen).             Ihre Altersgenossen aus bessergestell-
                                           ten Haushalten neigen nur zu 16 Pro-
Abgemildert wird dieses Ergebnis           zent zu diesem Verhalten.
durch die Tatsache, dass immerhin 78
Prozent der Mädchen und 64 Prozent         Bei der Gleichgültigkeit gegenüber an-
der Jungen derart negative Haltungen       deren zeigt sich ebenfalls ein signifi-
grundsätzlich ablehnen.                    kanter Unterschied zwischen den
                                           interviewten Jugendlichen: Ein Drittel
                                           (33 Prozent) der 12- bis 16-Jährigen mit
Schwierige Lebensumstände                  schwierigem sozioökonomischen Sta-
verstärken Abwertung                       tus weist Gleichaltrigen in Problemla-
                                           gen die individuelle Schuld zu. Ihre
Die bei den 12- bis 16-Jährigen erfolgte   Altersgenossen aus gut situierten
Analyse, wie äußere Einflüsse auf die      Haushalten zeigen dieses Verhalten
verschiedenen Dimensionen des Ge-          nur zu 16 Prozent.
meinschaftssinns wirken, ergab: Die
sozioökonomische Situation der Ju-

DER EINFLUSS DER ELTERN

Um die Einstellung der Eltern zu           Unter derart negativ geprägten familiä-
erforschen, wurde bei diesen abge-         ren Bedingungen weist jeder dritte
fragt, ob sie beispielsweise der           Jugendliche (32 Prozent) anderen
Abwertung schwächerer Gruppen              verstärkt individuelle Schuld zu und
zustimmen oder der Meinung sind,           reagiert gleichgültig. Im Gegensatz
dass zu viel Rücksicht auf Minderheiten    dazu ist es bei 12- bis 16-Jährigen von
genommen wird. Anschließend erfolgte       Eltern mit positiver Einstellung nur gut
ein Abgleich der elterlichen Haltung mit   jeder Zehnte (13 Prozent). Was die
der Einstellung der Söhne und Töchter.     Tendenz zur Abwertung betrifft, so
                                           werten die Jugendlichen aus einem
Das Ergebnis: Eine dem Gemein-             Elternhaus mit negativen Einstellungen
schaftssinn abgewandte Einstellung         weitaus häufiger ab als diejenigen mit
der Eltern hat auf Gleichgültigkeit und    Eltern, die eine positive Haltung haben
abwertendes Verhalten der Jugend-          (51 Prozent versus 10 Prozent).
lichen einen signifikanten Einfluss.
Fazit 17
                                                           Generation „Rücksichtslos“? 3

FAZIT
GEMEINSCHAFTSSINN IST
UNGLEICH VERTEILT
Die Erkenntnisse der Sozialstudie zum        Die großen Unterschiede zwischen
Gemeinschaftssinn bei Kindern und            Jungen und Mädchen bei der Gemein-
Jugendlichen offenbaren beunruhigen-         wohlorientierung werfen zudem die
de Tatsachen: Ein bedenklicher Teil der      Frage auf, wie das klassische Rollen-
jungen Menschen im Alter von 6 bis 16        verständnis von „männlich“ und „weib-
Jahren zeigt Defizite hinsichtlich eines     lich“ überwunden werden kann. Hinzu
gemeinschaftlichen Zusammenhalts.            kommt, dass sich schwierige sozioöko-
Dabei braucht gerade die heutige Ge-         nomische Verhältnisse und etwaige
sellschaft – mit ihren Themen Inklusion,     unsoziale Einstellungen der Eltern
Diversität und Nachhaltigkeit – eine         ungünstig auf die Entwicklung eines
heranwachsende Generation mit hohen          gesunden Gemeinschaftssinns auswir-
persönlichen Kompetenzen, damit das          ken können.
Miteinander mit all seiner Pluralität und
Unterschiedlichkeit gelingen kann. Die         „Kinder und Jugendliche, die in einem
Lebensrealität und das Bewusstsein             belasteten Umfeld aufwachsen, lernen
vieler Kinder und Jugendlicher spiegelt        möglicherweise das gesellschaftliche
dies jedoch nicht wider.                       Wertesystem nicht kennen. Weder
                                               können sie adäquat an ihm teilhaben,
  „Die Daten deuten darauf hin, dass wir       noch können sie es in ihrem jetzigen
  hier kein Randgruppenphänomen,               und späteren Leben anwenden.“
  sondern potenziell einen Flächenbrand        Bernd Siggelkow, Kinder- und Jugend-
  sehen. Die gezeigte Entsolidarisierung       hilfswerk „Die Arche“
  führt im Ergebnis zu einer gesellschaft-
  lichen Degenerationsspirale. Das           Letztlich sind alle – Familie, Gesell-
  Prinzip der Solidargemeinschaft als        schaft und Schule – gefordert, um Kin-
  Grundlage für eine gelingende Gesell-      dern und Jugendlichen die Aufmerk-
  schaft läuft Gefahr zu kippen.“            samkeit und Wertschätzung zu geben,
  Prof. Dr. Holger Ziegler, Universität      die sie beim Heranwachsen benötigen.
  Bielefeld                                  Denn nur so können sie eine starke
                                             Persönlichkeit entwickeln und später
                                             ein selbstbestimmtes, gemeinwohl-
                                             orientiertes Leben führen.
18 Bepanthen-Kinderförderung

UNSERE SOZIALFORSCHUNG
IM ÜBERBLICK
Regelmäßig befragt die Bepanthen-Kinderförderung in Kooperation mit der
Universität Bielefeld Kinder und Jugendliche nach ihren Alltagserfahrungen, um
ihre Sicht auf ausgewählte Themen zu erfahren.

Achtsamkeit gegenüber Kindern              Alleinerziehung (2011)
(2017)                                     Alleinerziehende werden mit ihren
Wie erleben Kinder und Jugendliche         Problemen meist alleingelassen,
die Aufmerksamkeit ihrer Eltern und        geraten oft in die „Armutsfalle“ und
wie wirkt sich fehlende Beachtung aus?     leiden häufiger an psychischen Er-
Das Ergebnis: Fast jedes dritte Kind       krankungen – mit schwerwiegenden
und jeder fünfte Jugendliche fühlen        Folgen und Risiken für ihre Kinder.
sich von ihren Eltern nicht beachtet.      Derzeit gibt es in Deutschland etwa
Hochgerechnet sind das insgesamt           2,2 Millionen Menschen, die ihre Kinder
1,9 Millionen Heranwachsende in            allein aufziehen. Ganze 87 Prozent
Deutschland.                               davon sind Single-Mütter.

Stress bei Kindern (2015)                  Kinderarmut (2009)
Warum geraten schon die Jüngsten in        Nahezu jedes fünfte Kind lebt in einer
Dauerstress und welche Folgen hat          sozial benachteiligten Familie. Wie aber
das? Alarmierend: Von Stress betroffen     empfinden diese Kinder und Jugend-
sind heute beinahe jedes sechste Kind      lichen selbst ihre soziale Stellung? Die
und jeder fünfte Jugendliche – oft auch    Befragung zeigt: Viel wichtiger als das
durch elterlichen Erwartungsdruck.         Materielle ist für junge Menschen, dass
Dies kann zu Versagensängsten oder         sie und ihre Familien nicht diskriminiert
einer gesteigerten Aggressivität führen.   werden. Sie wünschen sich vor allem
                                           gute Beziehungen zu Gleichaltrigen.
Gewalt gegen Kinder (2013)
Kinder in Deutschland haben ein
gesetzlich verbrieftes Recht auf
gewaltfreie Erziehung. Dennoch gehört
für viele junge Menschen körperliche
Gewalt zu ihrem Alltag. In Deutschland
wird circa ein Viertel der Heranwach-
senden von Erwachsenen oft oder
manchmal geschlagen.
Partner 19

INITIATOR
Die Bepanthen-Kinderförderung besteht seit 2008 und ist eine Initiative der Bayer
Vital GmbH. Sie unterstützt das Kinderhilfsprojekt „Die Arche e. V.“

Seit 2009 führt die Bepanthen-Kinderförderung alle zwei Jahre in Kooperation mit
der Universität Bielefeld sozialwissenschaftliche Befragungen zum Alltag von
Kindern und Jugendlichen in Deutschland durch. Insgesamt entstanden so bisher
sechs Sozialstudien, die sich mit Themen wie Achtsamkeit gegenüber Kindern,
Stress von Kindern und Jugendlichen oder Kinderarmut beschäftigen. 2019 wurde
die bisher aktuellste Studie zum Gemeinschaftssinn veröffentlicht. Für weiterführen-
de Informationen zur Gemeinschaftssinn-Studie wenden Sie sich bitte an die
Bepanthen-Kinderförderung oder die Universität Bielefeld.

              Regina Gropp
              E-Mail: regina.gropp@bayer.com
              Website: www.bepanthen.de/kinderfoerderung

DIE PARTNER DER
BEPANTHEN-KINDERFÖRDERUNG

Der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr.    Die gewonnenen Erkenntnisse aus den
Holger Ziegler leitet die Sozialfor-       Sozialstudien fließen in die praktische
schung der Bepanthen-Kinderförde-          Arbeit des Kinder- und Jugendhilfs-
rung seit 2010. Gemeinsam mit seinem       werks „Die Arche“ ein. Ihr Gründer,
Team an der Universität Bielefeld führt    Bernd Siggelkow, steht zusätzlich der
er alle zwei Jahre die Sozialstudien der   Bepanthen-Kinderförderung als
Bepanthen-Kinderförderung durch.           Experte zur Seite und hilft, die Studien-
                                           ergebnisse in die Praxis zu übertragen.
              Universität Bielefeld
              Prof. Dr. Holger Ziegler
              E-Mail:
              hziegler@uni-bielefeld.de
              Website:
              www.uni-bielefeld.de
Bepanthen-Kinderförderung

FÜR EINE HEILERE
WELT VON KINDERN
UND JUGENDLICHEN
IN DEUTSCHLAND.

Herausgeber

Bayer Vital GmbH
Gebäude K56
51366 Leverkusen
Tel.: +49-(0)214 / 30-51353
www.bepanthen.de/kinderfoerderung
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