WER PASST? PERSONALAUSWAHL NACH CULTURAL FIT - BARBARA AHRENS
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58 | development Wer passt? Personalauswahl nach Cultural Fit Foto: XtravaganT/fotolia managerSeminare | Heft 202 | Januar 2015
development | 59 Reicht es, dass eine Führungskraft ausgezeichnete Fachkenntnisse und Skills hat? Viele meinen: Nein, das reicht nicht. So geeignet eine Führungskraft für Job und Rolle ist, sie muss auch zur Kultur einer Organisation passen. Die Messung des Cultural Fit liegt derzeit im Trend. Allerdings gibt es da ein Umsetzungsproblem: Viele wissen gar nicht so genau, wie das geht – kulturelle Passung ermitteln. Preview: AIFachkräftemangel als Treiber: Warum Service deutsch spricht man davon, dass der Cultu- Unternehmen zunehmend Wert auf kulturelle Passung ral Fit nicht stimmt: Werte, Motive und Ziele legen AINur nicht der Nase nach: Wieso die Intuition eines Mitarbeiters passen nicht zu denen der des Personalentscheiders meist ein schlechter Grad- Organisation. messer für Passung ist AIMessen ohne Maßeinheit: Im Fall von Führungskräften gilt solch ein Wie die Suche nach dem Cultural Fit an unklaren Kul- Mismatch als doppelt schlimm. Denn Füh- Literaturtipp turbildern scheitert AIWerte von begrenztem Wert: rungskräfte wirken als Vorbilder. Sie prägen A Barbara Ahrens, Tom Mosblech und Martin Warum sich aus Werteübereinstimmung nicht auto- die Kultur eines Unternehmens entscheidend Vogel: Passung ins System – Möglichkeiten matisch Passung ergibt AI„Wie würden Sie entschei- mit. Deshalb glauben immer mehr Unterneh- einer systemischen Personalauswahl. In: den?“: Welche Rolle Verhaltensstichproben bei der men: Es reicht nicht, im Einstellungsverfahren Martin Vogel (Hrsg.): Organisation außer Ordnung. Feststellung des Cultural Fit spielen AIVerfahren auf darauf zu achten, dass eine Person grundsätz- Außerordentliche Beobachtungen organisationaler den Kopf gestellt: Wie passungsorientierte Personal- lich zur Übernahme eines Führungsjobs Praxis, S. 110-126. Vandenhoeck & Ruprecht, auswahl aus systemischer Sicht aussieht geeignet ist. Sie muss es in genau diesem Göttingen 2013. Umfeld, in dieser Organisation sein. In dem Artikel reflektieren die Autoren, inwieweit C Ein Unternehmen, das auf maximale die Passung eines Kandidaten zu Aufgabe, Rolle Mitbestimmung setzt, und eine Führungs- Im Fachkräftemangel steigt die und Kultur einer Organisation mittels klassischer kraft, die langwierige Abstimmungsprozesse Bedeutung des Cultural Fit eignungsdiagnostischer Methoden fassbar ist. Sie verachtet? Eine Firma, in der Kooperation kommen zu dem Schluss, dass es womöglich großgeschrieben wird, und ein Jungmana- Als einen Treiber für das Thema identifiziert ergänzender Methoden bedarf, um Passung zu ger, der sich nach Wettbewerb sehnt? Solche Stefan Scheller, HR-Manager des Nürnber- ermitteln, und schlagen Wege einer systemisch- Kombinationen führen in Betrieben häufig ger Unternehmens Datev eG, den Trend konstruktivistischen Personalauswahl vor. zu Unzufriedenheit und Unfrieden. Neu- zum Employer Branding: Wer sich nach Den Beitrag gibt es auch zum Hören. Er kann unter www.managerSeminare.de/podcast als Audiodatei heruntergeladen werden. managerSeminare | Heft 202 | Januar 2015
60 | development außen hin über starke Werte definieren will, der braucht Führungskräfte, die diese Werte glaubhaft vertreten. Ein zweiter Treiber ist, so paradox es klingt, der Fachkräftemangel: „Auf einem enger werdenden Bewerber- „Unternehmen sollten markt wird es immer schwieriger, gutes Per- eine ehrliche Geschichte sonal zu finden. Daher liegt es im Interesse der Firmen, nicht immer wieder neu auf die über sich erzählen.“ Suche gehen zu müssen, sondern von vorn- Ina Ferber, Inhaberin der Ferber Personalberatung, herein Mitarbeiter einzustellen, die sich Frankfurt. Kontakt: info@ferber-personalberatung.de lange binden lassen“, so Scheller. Und binden lassen sich Mitarbeiter am ehesten, wenn sie persönliche Grundlagen mitbringen, die sich mit den Werten, Zielen und Motiven der Organisation in Einklang gehen generell dilettantisch an die Füh- sonalentscheider passend zur bestehenden bringen lassen – so die These. In einer inter- rungskräfteauswahl heran“, kritisiert der Kultur auswählen will, der kann auch des- nationalen Studie der Talentmanagement- Professor für Wirtschaftspsychologie an der wegen danebenliegen, weil er selbst vielleicht beratung Cubiks aus dem Jahr 2013 betonten Universität Osnabrück. Kompetenzen und gar keinen so tollen Cultural Fit hat, wie er denn auch 82 Prozent von 500 Firmenver- Skills würden ab einer bestimmten Hierar- meint“, so Stefan Scheller. tretern, dass es sehr wichtig sei, im Einstel- chieebene viel zu selten systematisch über- Und noch etwas spricht dagegen, sich in lungsprozess auf die kulturelle Passung der prüft. Stattdessen verlassen sich laut Kan- der Passungsfrage auf die Intuition zu ver- Führungskräfte zu achten. ning viele Entscheider auf Faktoren, die lassen: „Um gute intuitive Entscheidungen wenig Aussagekraft haben. Etwa die langjäh- zu treffen, braucht man viel Erfahrungswis- Der Nasenfaktor verzerrt das Bild rige Berufserfahrung eines Kandidaten. sen“, erklärt Heinrich Wottawa, Professor Seine Herkunft aus einem renommierten für Psychologie an der Ruhr Universität Doch die Realität ist eine andere: Tatsächlich Unternehmen. Und vor allem: ihre eigene Bochum und Geschäftsführer der Bochumer fühlen sich viele Führungskräfte nach ihrer Menschenkenntnis. „Ob einer zu uns passt, Eligo GmbH. Doch bei den wenigen Perso- Einstellung wie im falschen Film. 2014 hat das spüre ich einfach“, ist eine Beteuerung, nalentscheidungen, die eine Führungskraft das Beratungsunternehmen Intersearch Exe- die der Eignungsdiagnostiker oft von Perso- pro Jahr treffe, blieben Lerneffekte der Art: cutives Consultants 150 Vorstände, nalverantwortlichen hört. „Doch die ver- „Wenn ich Eindruck XY von jemandem Geschäftsführer und Bereichsleiter über ihre meintliche Intuition ist meist nichts anderes hatte, dann ist der hinterher bei uns klarge- Erfahrungen mit einem Firmenwechsel als Sympathie oder Antipathie“, sagt Kan- kommen“ auf der Ebene von reinen Zufalls- befragt. Von 116 Wechselerfahrenen gaben ning. Diese Gefühle sind zwar nicht unwich- befunden. 40 Prozent an, dass sie zu ihrer Enttäuschung tig, wenn es um die Entscheidung geht, mit schon einmal hatten feststellen müssen: „Die einem Menschen zusammenzuarbeiten. Messen ohne Maßeinheit Kultur beim neuen Arbeitgeber war ganz Aber ein Sensor für kulturelle Passung sind anders als erwartet.“ Ein Drittel bekannte: sie nicht. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, „Ich habe von meiner Persönlichkeit her Sympathie- und Antipathie-Effekte kön- dass Unternehmen zwar das Hohelied der nicht ins Unternehmen gepasst. Das ist im nen den Blick auf die Passung sogar verzer- kulturellen Passung singen. Doch ein klares Auswahlverfahren leider nicht aufgefallen.“ ren, warnt Kanning. Denn in der Regel fin- Bild davon, wozu derjenige, der gesucht Wer einen weiteren Blick in die Cubiks- det man denjenigen sympathisch, der einem wird, eigentlich passen soll, fehlt. Die Studie wirft, den wundert es nicht. Denn ähnlich ist. „Passung muss jedoch nicht Cubiks-Studie ist auch da verräterisch: demnach bemüht sich nur ein Drittel der zwangsläufig bedeuten, dass ein Neuzugang Darin haben 30 Prozent der Befragten ange- Firmen tatsächlich darum, den Cultural Fit immer nahtlos in der Ist-Kultur aufgeht. geben, dass es in ihrem Unternehmen kein zu messen. Trotz des vielen Zuspruchs, den Womöglich braucht man jemanden, der die genaues Kulturbild gibt. Gleichzeitig hat das Thema findet. bestehende Kultur ergänzt oder sie sogar jedoch etwa die Hälfte davon erklärt, im Die Umsetzungslücke passt ins Gesamt- verändert. Also einen, der anders tickt, als Betrieb werde kulturelle Passung gemessen. bild, findet Uwe P. Kanning. „Viele Firmen man selbst.“ Umgekehrt gilt: „Wer als Per- Bloß – woran nur? Uwe P. Kanning fürchtet, dass sich viele Firmen mit einer unzureichenden Maßein- heit begnügen: ihrem schwammigen kultu- rellen Leitbild. „Viele Kulturdefinitionen „Kulturelle Passung von Unternehmen sind reines Marketing. Da wimmelt es nur so von Wohlfühlbegrif- entscheidet sich vor fen wie innovativ, nachhaltig und ganzheit- allem in Wertekonflikten.“ lich“, kritisiert Kanning. Die dadurch ver- ursachten Schwierigkeiten beginnen aus Dr. Heinrich Wottawa, Geschäftsführer der Eligo GmbH, Bochum, und Professor für Psychologie Sicht der Frankfurter Personalberaterin Ina an der Ruhr Universität Bochum. Ferber schon dort, wo idealerweise eine Kontakt: Heinrich.Wottawa@ruhr-uni-bochum.de Selbstselektion der Kandidaten stattfinden sollte: beim Personalmarketing. „Hier ver- schenken viele Unternehmen die Chance, managerSeminare | Heft 202 | Januar 2015
development | 61 Jobinteressenten eine erste Richtschnur zu terin betreibt Ina Ferber viel Aufwand, um verlieren, sträubt er sich innerlich dagegen. verschaffen“, so Ferber. Mancher Software- an ehrliche Geschichten der Unternehmen Deshalb liegt ihm dieses Verhalten weniger betrieb geriert sich in seinen Stellenanzeigen zu gelangen: Sie geht in die Abteilungen. Sie nahe als einem anderen, der mehr Unsicher- völlig zu Unrecht als Innovations-Hotspot, redet mit den Menschen. Sie mischt sich heit aushalten kann. Was allerdings nicht weil er meint, nur so bei IT-Profis Eindruck manchmal einen Tag lang als Beobachterin heißt, das es ihm gänzlich unmöglich wäre, machen zu können. Nur werde dabei ver- unter sie. Mitarbeitern lange Leine zu lassen. Persön- kannt, dass sich nicht jeder IT’ler beruflich lichkeit allein legt Verhalten ebenso wenig mit den neuesten Technologietrends befasst Werteübereinstimmung reicht nicht fest wie Werte. Oder Motive. oder sich nur in einem hoch innovativen Aber alles beeinflusst einander. Kulturelle Umfeld wohlfühlt, meint die Beraterin. „Es Allerdings ist Ehrlichkeit in Bezug auf die Passung ist von vielen, schwer zu durch- gibt auch IT-Spezialisten, die auf ein koo- tatsächlich im Unternehmen gelebten Werte schauenden Einflussfaktoren abhängig. Sie peratives Miteinander und eine enge nur die halbe Miete. Denn es ist ein Irrtum, lässt sich daher nicht direkt ermitteln. Die Zusammenarbeit mit dem Kunden Wert zu glauben, dass sich kulturelle Passung Ergebnisse von Wertechecks, Persönlich- legen.“ Vielleicht hat das Unternehmen automatisch aus einer grundsätzlichen Wer- keitstests, Motivanalysen und Co. können genau das zu bieten. Nur werden das dieje- teübereinstimmung zwischen Organisation Mosaiksteine zum Gesamtbild liefern. Vor nigen, für die es interessant wäre, nie erfah- und Kandidat ergibt. Selbst wenn man abso- allem aber muss das ins Visier, was unterm ren, wenn die Firma lieber auf Modewellen lut sicher dahinterkommen könnte, welche Strich aus Wissen, Wollen und Können her- mitschwimmt. Werte jemand hat (was nicht der Fall ist), vorgeht: das Verhalten. Ist das Verhalten der „Unternehmen sollten eine ehrliche würde das allein nicht groß weiterhelfen. Kultur angemessen? Geschichte über sich erzählen – im Perso- Denn Werte determinieren Verhalten nalmarketing und auch später im Auswahl- nicht allein. „Es hängt auch von den norma- Kulturanalyse vor Personalauswahl prozess“, rät Ferber. Das bedeute allerdings tiven Rahmenbedingungen und vom Wollen nicht, dass sich Firmen schlechtmachen und Können ab, wie sich ein Mensch ver- „Sinn hat das allerdings nur, wenn man vor- müssen. „Aber sie dürfen keine Angst haben, hält“, erklärt Heinrich Wottawa. Viele Fak- her geklärt hat, welches Verhalten im Unter- zu vermeintlichen Schwächen zu stehen“, so toren spielen da mit rein: neben dem Wissen nehmen überhaupt erwünscht ist“, betont die Beraterin. Denn was für den einen eine um das, was gut und richtig ist, auch Kom- Heinrich Wottawa. Deshalb müssen Perso- Schwäche ist, ist für den anderen ein Plus- petenzen, Motive und Persönlichkeitseigen- nalverantwortliche vor das Personalmarke- punkt: „Ja, die Entscheidungsprozesse bei schaften. Womöglich findet es jemand zwar ting und die Personalauswahl eine gründ- uns ziehen sich enorm hin. Aber dafür dür- wünschenswert, Mitarbeitern viel Freiraum liche Kulturanalyse setzen. Sie müssen in die fen auch alle mitreden.“ Als Personalbera- zu lassen. Aber aus Angst, die Kontrolle zu Bereiche, in die Abteilungen gehen und mit
62 | development den Menschen sprechen. Müssen nachfra- wichtige Mitarbeiterin nur noch Teilzeit „Doch kulturelle Passung entscheidet gen: Mit welchen Herausforderungen ist ein arbeiten will? Was soll die Führungskraft sich gerade in solchen, von Wertekon- Chef hier konfrontiert? Und wie sollte er tun, wenn in der Firma Unternehmergeist, flikten geprägten Situationen“, betont Wot- sich darin idealerweise verhalten? aber auch Ergebnisorientierung großge- tawa. Deshalb muss für solche Fälle – not- „Die Auffassungen darüber, was kultur- schrieben werden – und ein Mitarbeiter für falls per Debatte – eine klare Linie gefunden gerechtes Verhalten ist, gehen in ein und mehrere Tage von seinen Aufgaben entbun- werden. Dies muss nicht immer das Ver- derselben Firma teils erheblich auseinan- den werden will, um eine Präsentation aus- halten sein, das derzeit in der betreffenden der“, weiß Wottawa. Was zum Beispiel soll zuarbeiten, mit der er die Geschäftsführung Kultur gelebt wird. Will ein Unternehmen ein Chef tun, wenn Familienfreundlichkeit von einem neuen Geschäftsfeld überzeugen sich weiterentwickeln, kann und muss es und Leistungsorientierung als Unterneh- will? Darüber schweigen sich die meisten entsprechende Anforderungen auch ins Soll menswerte hochgehalten werden – und eine Wertecodices aus. definieren. Situational Judgement Tests: Wie würden Sie entscheiden? Als eine Königsmethode der kulturorientierten Personalauswahl gelten compu- A Nicht zum Unternehmen passende Kandidaten empfinden oft alle Optionen terbasierte Situational Judgement Tests. Darin sind typische (Entscheidungs)- als „unpassend“. Das fällt aber nicht auf, wenn sie eine einzige Lösung auswäh- Situationen aus dem Führungsalltag beschrieben. Dabei handelt es sich oft len sollen. Man weiß dann nie, ob diese einen sehr geringen subjektiven Pas- um Situationen, in denen zwei oder mehr Werte gegeneinander stehen und es sungswert hatte (etwa eine Zwei auf der Skala und alle anderen Lösungen eine keine objektiv richtige oder falsche Lösung gibt. Eins) oder ob sie dem Kandidaten als perfekt passend (z.B. eine Zehn auf der Skala) erscheint. Beispiel*: A Jede einzelne Option einzustufen, dauert zwar länger als eine einzige auszu- Das von Ihnen geleitete Projektteam hat die Arbeit beendet und bereitet eine wählen. Zudem erfordert die Instruktion mehr Erklärungsbedarf („Wann zehn, Präsentation für die Geschäftsleitung vor. Besondere Leistungen hat Ihre junge wann sieben?“). Diese Nachteile werden aber durch die Verbesserung der Mitarbeiterin Frau Singer gezeigt. Deshalb möchten Sie, dass diese die Ergeb- Messergebnisse ausgeglichen. nisse präsentiert. Doch Ihr langjähriger Kollege Herr Müller weist Sie darauf hin, dass Frau Singer noch nie eine Präsentation gehalten hat. Er rät Ihnen daher, Die Antworten, die Kandidaten in Situational Judgement Tests liefern, bieten eine die Präsentation selbst zu halten, um den Erfolg des Projekts bei der Geschäfts- Möglichkeit, Tendenzen im Verhalten festzustellen. Diese Tendenzen sollten leitung nicht zu gefährden. Was tun Sie? jedoch im Gespräch verifiziert werden. An solche Beispielaufgaben schließen sich mehrere Reaktions- bzw. Ent- A Situational Judgement Tests sollten idealerweise organisationsspezifisch scheidungsmöglichkeiten an. sein, das heißt, aus echten Situationen aus dem Führungsalltag abgeleitet wer- den. Laut Heinrich Wottawa reicht es in der Regel, etwa 40 bis 50 typische Beispiel*: Situationen für eine Positionsgruppe zu generieren, um Kandidaten mit einem A Ich belasse es beim ursprünglichen Plan, denn ich bin sicher, Frau Singer wird Querschnitt von Beispielfällen konfrontieren zu können. die Sache meistern. A Ich nehme mir die Zeit, die Präsentation mit Frau Singer gründlich vorzube- A Eine Variante von Situational Judgement Tests sind solche, die auf die Prüfung reiten. der Tendenz zu einem spezifischen Führungsstil ausgerichtet sind. Claudia A Ich weise Herrn Müller an, die Präsentation mit Frau Singer vorzubereiten. Peus, Professorin für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement, hat kürzlich A Ich übernehme die Sache dann doch lieber selbst. an Technischen Universität München solch einen Test entwickelt. Mit ihrem „Situational Judgement Test zum Full Range of Leadership Model“ sol- len Unternehmen einen Kandidaten dahingehend prüfen können, ob er zur trans- Bei manchen Tests soll der Proband die Reaktionsmöglichkeit auswählen, die formationalen Führung tendiert. Infos: claudia.peus@tum.de ihm als die beste erscheint. Doch laut dem Bochumer Eignungsdiagnostik- Experten Heinrich Wottawa hat die Wahl einer einzelnen „besten“ Verhaltensal- A Dass sich auch im Personalmarketing Situational Judgement Tests nutzen ternative pro Führungssituation nachweislich schlechtere Messeigenschaften lassen, hat das Familienunternehmen Haniel, Duisburg- Ruhrort, unter Beweis als die Einstufung aller vorgegebenen möglichen Lösungen auf einer gestellt. Es hat 2011 einen „Wertecheck“ ins Internet gestellt (unter: http://bit. Skala (etwa von null bis zehn). ly/1BniY90). Job-Interessenten können das interaktive Tool nutzen, um zu testen, ob sie mit den Haniel-Werten übereinstimmen. Vor jeder Testaufgabe Gründe dafür laut Wottawa: wird hier allerdings zunächst auf einen Wert hingewiesen, der für die Firma A Oft passen zwei Optionen in etwa gleich gut. Es hängt vom Zufall ab, welche wichtig ist, etwa „Wir schaffen Wert“, „Wir übernehmen Verantwortung“ usw. Bei der Kandidat ankreuzt, wenn er eine einzige auswählen muss. Bei einer Testwie- Tests, die für die Selektion eingesetzt werden, darf das natürlich nicht der Fall derholung würde er womöglich die andere wählen. sein, da es dem Probanden die Sache zu leicht machen und sozial erwünschtes A Bei der Einstufungsvariante erhalten die Prüfer pro Situation mehrere Infor- Antwortverhalten begünstigen würde. Hier aber geht es darum, Job-Interessen- mationen über den Kandidaten, bei der Auswahl einer einzigen Option nur ten ein kleines Add-on zu bieten, damit sie selbst besser entscheiden zu können, eine. ob sie zu Haniel passen. Haniel will so außerdem sein Standing als wertebe- wusstes Unternehmen unterstreichen. *Quelle: Das Beispiel stammt aus einer Präsentation von Heinrich Wottawa, Eligo GmbH, Berlin. managerSeminare | Heft 202 | Januar 2015
development | 63 „Wie würden Sie entscheiden?“: Verhalten auf dem Prüfstand Die eingehende Beschäftigung mit der bestehenden (und erwünschten) Kultur ist „Den Cultural Fit zu nicht nur notwendige Voraussetzung für die ermitteln funktioniert Erstellung eines professionellen Anforde- rungsprofils. Sie liefert eine der praktika- nicht als Einbahnstraße.“ belsten Messgrundlagen für den Cultural Fit Barbara Ahrens, Inhaberin der Barbara Ahrens gleich mit: echte, dem Führungsalltag ent- Management- und Karriereberatung, Köln. lehnte Beispielsituationen. Kontakt: ba@barbara-ahrens.de „Eine Mitarbeiterin legt Ihnen eine Prä- sentation für einen Kunden vor, die erheb- lich von Ihren eigenen Qualitätsvorstel- lungen abweicht, was tun Sie?“ – Das ist solch eine typische Situation, mit der ein Bewerber rungen gestellt. Zu jeder dieser Situationen Bedarf der Organisation aufgehängt ist, so im Einstellungsverfahren konfrontiert wer- werden verschiedene Reaktionsmöglich- Wottawa. den kann, um zu schauen: Tendiert er zu keiten vorgegeben, die weder offensichtlich Es gibt auch Kritik an dem Verfahren. einer Lösung im Sinne der Unternehmens- falsch noch richtig sind. Bei wissenschaftlich Erstens ist nicht gesagt, dass sich ein Kandi- kultur? Die Situationen lassen sich als hypo- soliden Tests soll der Kandidat dann nicht dat später unter den Einflussfaktoren des thetische Fragen ins strukturierte Interview eine einzige Lösung auswählen, sondern realen Lebens auch so verhält wie in der einbauen. Man kann sie zur Grundlage von angeben, wie gut jede Reaktionsmöglichkeit konstruierten Testsituation. Und zweitens Übungen machen. Und man kann sie dem seiner Meinung nach zu der Situation passt kann ein pfiffiger Kopf mitunter dahinter, Bewerber in Form eines Situational Judge- (siehe auch Kasten links). Der Charme der kommen, was ein Unternehmen wahr- ment Tests vorlegen. Methode besteht darin, dass sich in der Aus- scheinlich gerne von ihm hören würde. Er Computerbasierte Situational Judgement wertung Abweichungen zwischen den Ver- könnte also sozial erwünscht antworten. Tests sind ein besonders beliebtes Verfahren haltenstendenzen des Kandidaten und den Immerhin weiß der Personalverantwortliche der kulturorientierten Eignungsdiagnostik. Sichtweisen der Organisation auf einen Blick dann zwar, dass ein Kandidat in der Lage ist, In diesen Tests wird der Proband vor eine erkennen lassen. Die Voraussetzung dafür sich in das, was das Unternehmen will, ein- Reihe von kniffligen Führungsherausforde- sei allerdings, dass der Test am tatsächlichen zudenken. Aber reicht das? Müsste man
64 | development nicht auch jene herausfiltern, die sich im zusammengefügten Vermu- Kölner Management- und Karriereberaterin Barbara Einstellungsprozess „verstellen“ – weil sie tungen im Dialog mit dem Kan- Ahrens. Als Eignungsdiagnostikerin und systemische eine Stelle unbedingt haben wollen? didaten zu überprüfen, sie zu Beraterin hat Ahrens allerdings Zweifel, ob dies mit den verifizieren oder zu falsifizieren. bisherigen Verfahren allein optimal gelingt. Sie hat daher Cultural Fit ist keine Einbahnstraße Denn vielleicht hat der Bewerber gemeinsam mit Kollegen als Ergänzung das sogenannte beim Situational Judgement Test Passung Center entwickelt. Das Besondere daran: Hier „Man kann einiges dafür tun, das Problem ja nur deshalb auf eine bestimmte werden Mitglieder des Teams, mit dem der Bewerber sozial erwünschten Antwortverhaltens zu Weise geurteilt, weil sein früherer später zusammenarbeiten wird, in das Auswahlverfahren reduzieren“, sagt Uwe P. Kanning. Etwa, Arbeitgeber das goutiert hätte. einbezogen. Sie arbeiten gemeinsam mit dem Kandidaten indem man Verfahren geprüfter Qualität Oder er hat falsche Annahmen an Aufgaben aus der Arbeitsrealität. Und alle Beteiligten nutzt. Indem man sich dem Bewerber auf darüber, was im neuen Unter- schildern hinterher in offener Runde ihre Eindrücke und vielen verschiedenen Informationsebenen nehmen gefragt sein wird. haben Gelegenheit, diese Eindrücke zu korrigieren. Sogar annähert und das strukturierte Interview um Hier zeigt sich einmal mehr, die Intuition könne in diesem speziellen Rahmen als Tests und Übungen erweitert. Und vor allem: dass auch das Unternehmen eine zusätzliche Informationsgröße rehabilitiert werden, indem man im Gespräch keine naiven Fra- Bringschuld in dem Prozess hat. meint Ahrens. Schließlich macht sich hier nicht ein ein- gen à la „Sind Sie teamorientiert?“ stellt, Auch die Organisation muss sich zelner Entscheider zum Maßstab der Passung. Vielmehr sondern den Kandidaten zum Reden über öffnen. „Den Cultural Fit ermit- formulieren die Kulturangehörigen selbst ihre Wahrneh- sich selbst bringt: „Was war Ihr Anteil an dem teln zu wollen, funktioniert nicht mung und tauschen sich darüber mit dem Bewerber aus, Projekterfolg?“, „Wie haben Sie sich gefühlt, als Einbahnstraße. Es geht darum, der seinerseits dazu aufgefordert ist, seine Eindrücke zu als Sie den Auftrag bekommen haben?“ gemeinsam festzustellen, ob es formulieren. Doch es gibt keine Methode, mit der sich eine Basis für die Zusammenar- Die Vorgehensweise stellt das übliche Verfahren auf der Cultural Fit hundertprozentig sicher beit gibt. Das Verfahren sollte den Kopf. Der Kandidat wird hier zum Mitgestalter. erfassen ließe. Und es geht nicht einseitig. dem Bewerber ebenso viel Raum Doch genau das sei er schließlich auch hinterher, in der Ein Recruiter sollte stets versuchen, seine aus geben, das für sich herauszufin- Organisation , sagt Ahrens: „Als Teil des Systems verän- vielen einzelnen Informationssplittern den, wie umgekehrt“, betont die dert er das System.“ Liegt hier die Zukunft einer kul- turorientierten Eignungsdiagnostik? Es gibt zumindest starke Argumente, die dafür sprechen, das Team mehr Leserbefragung Cultural Fit am Prozess zu beteiligen: Eignungsdiagnostische Metho- den, die die größte Aussagekraft über späteren Erfolg haben, sind nämlich Probearbeiten und die Probezeit. Ahrens’ Verfahren ist so etwas wie eine abgespeckte Kopie davon. Doch noch seien die Unternehmen ange- Wie wichtig ist der Faktor „kulturelle Passung“ im Einstellungsprozess? sichts des Aufwandes der Methodik sehr zurückhaltend, Wichtig ist der Cultural Fit durchaus, aber nur im Paket mit anderen Faktoren sagt die Beraterin. wie der Fach- und der Führungskompetenz. 64 % Das Projekt Passung ist eine Daueraufgabe Das ist der entscheidende Faktor, noch vor den Hard und Soft Skills, die man auch später noch trainieren kann. 24 % Eine professionelle Eignungsdiagnostik, die auf einem Ich halte diesen Aspekt für überschätzt. Denn das Verhalten des Einzelnen wird Anforderungsprofil fußt, das aus der Kultur heraus ent- sehr stark durch die Rahmenbedingungen geprägt. An denen sollten Unternehmen wickelt wurde, ist allerdings immer aufwendig. Daher arbeiten, wenn sie wollen, dass sich ihre Mitarbeiter angemessen verhalten. 11 % rät Ina Ferber Unternehmen zu einer grundsätzlichen Überlegung: Ist es wirklich ökonomisch, den perfekten Wenn der Kandidat in puncto Kompetenzen passt, reicht das aus. Daraus ergibt Cultural Fit ermitteln zu wollen? Es gibt durchaus Fälle, sich alles andere von selbst. 2% in denen sie diese Frage mit „Nein“ beantworten würde, sagt Ferber. „Mittelständler, die schon Schwierigkeiten Wie lässt sich Passung am ehesten sicherstellen? haben, auch nur einen einigermaßen geeigneten Kan- didaten für einen Führungsposten aufzutun, sollten sich Das ist keine Sache, die mit der Personalauswahl abgeschlossen wäre. die Suche nach dem perfekten Cultural Fit besser sparen Im Gegenteil: Passung wird immer erst auf lange Sicht – durch den ständigen – und stattdessen auf Personalentwicklung setzen“, Dialog im Unternehmen – hergestellt. 53 % meint Ferber. Wichtig ist, den Kandidaten mit Führungssituationen aus dem Alltag der Personal- und Organisationsentwicklung darf ohne- Organisation zu konfrontieren. 19 % hin nicht vergessen werden, wenn es um Passung geht. Denn Passung ist eine Sache, an der auch gearbeitet Das geht nur, wenn das gesamte Team in den Recruiting-Prozess eingebunden wird. 11 % werden muss. Unternehmen müssen verbindliche Richt- Da hilft nur das persönliche Gespräch. 9% linien schaffen, denn das Verhalten der Menschen wird stark von den Rahmenbedingungen beeinflusst. Und sie Das lässt sich prima in einem Assessment Center überprüfen. 5% müssen Prozesse initiieren, in denen an gemeinsamen Eigentlich nur durch Probearbeit. 4% Zielen gearbeitet wird und Wertekonflikte geklärt wer- den. Das Projekt Passung ist mit dem Einstellungsver- fahren nicht abgeschlossen. Es ist eine Daueraufgabe. Quelle: Leserbefragung in managerSeminare 199, n=56 (Mehrfachnennungen waren möglich). Sylvia Jumpertz C managerSeminare | Heft 202 | Januar 2015
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