WETTBEWERBSWAHRUNG DER EU DURCH DIE FUSIONSKONTROLLE

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WETTBEWERBSWAHRUNG DER EU DURCH DIE FUSIONSKONTROLLE
Eingereicht von
                                        Michael Kiesenhofer

                                        Angefertigt am
                                        Institut für Europarecht

                                        Beurteiler / Beurteilerin
                                        Univ.-Prof. Dr. Franz
                                        Leidenmühler

                                        Dezember 2020

DIE
WETTBEWERBSWAHRUNG
DER EU DURCH DIE
FUSIONSKONTROLLE

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Magister der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium
der Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        jku.at
                                        DVR 0093696
EI   DESSTATTLICH E ERKLAR              U   NG

lch erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt
bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht
habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten       Textdokument
identisch.

\lberndorf.   25.11.2020   a   ,/

1tr*,J 'il'L;-J-k                   ,
Michael Kiesenhofer

                                                                                       2
Inhaltsverzeichnis:

I. Einleitung                                             5

II. Zweck und Grundlage der Fusionskontrollverordnung     7
1. Erhaltung des Wettbewerbs                              7
2. Rechtsgrundlage der Fusionskontrolle                   8
3. Systematik und Abgrenzung                              8
4. Adressaten                                             9

III. Funktion und Ablauf des Fusionskontrollverfahrens   10
1. Fusionsgründe                                         10
2. Anwendungsbereich                                     11
3. Umsatzberechnung                                      11
4. Zusammenschluss                                       12
5. Nebenabreden                                          13
6. Verweisung                                            14
7. Anmeldung des Zusammenschlusses                       14
8. Verfahrenseinleitung                                  15
9. Vorprüfungsverfahren                                  16
10. Hauptprüfungsverfahren                               17
11. Vereinfachtes Verfahren                              18

IV. Genehmigung der Fusion                               19
1. Vollzugsverbot                                        19
2. Freigabe der Fusion                                   19
3. Rechtsschutz                                          20

V. Mögliche Bedingungen und Auflagen                     21
1. Grundsätzliches                                       21
2. Verfahren                                             21
3. Befugnisse der Kommission                             21

                                                          3
4. Unterscheidung von Bedingung und Auflage                                     22
5. Abhilfemaßnahmen                                                             22
6. Geeignetheit                                                                 23
7. Durchführung                                                                 24
8. Änderungen von Zusagen                                                       24
9. Abhilfemaßnahmen und Nebenabreden                                            25

VI. Sanktionsmöglichkeiten bei Verstoß gegen die FKVO                           26
1. Widerruf                                                                     26
2. Wiederaufnahme                                                               26
3. Geldbußen                                                                    26
4. Zwangsgelder                                                                 27
5. Rechtsschutz gegen Sanktionen                                                27

VII. Erörterung des Fusionskontrollverfahrens anhand des Falles ArcelorMittal   28
1. Funktion und Ablauf des Fusionskontrollverfahrens                            28
2. Genehmigung der Fusion                                                       29
3. Bedingungen und Auflagen                                                     29

VIII. Zusammenfassung                                                           31

IX. Literaturverzeichnis                                                        32

                                                                                 4
I. Einleitung:

Am 7.5.2018 hat die Europäische Kommission die Übernahme des italienischen
Stahlkonzerns Ilva durch den französischen Stahlkonzern ArcelorMittal genehmigt. Die
Kompetenz zu dieser Genehmigung leitet sich aus der EU-Fusionskontrollverordnung
(FKVO)1 ab. Darin ist auch geregelt nur unter bestimmten Auflagen zu genehmigen, um
einen wirksamen Wettbewerb auf dem europäischen Markt auch nach der Fusion zu
gewährleisten. So hat die Europäische Kommission nach ihrer Prüfung des geplanten
Zusammenschlusses beschlossen, diesen nur unter der Bedingung der Veräußerung
mehrerer Stahlwerke zu genehmigen.2

Bevor es zu einer Fusion kommt ist zu prüfen, ob diese bei einer Kartellbehörde
anmeldebedürftig     ist,   etwa   der Europäischen        Kommission.      Vor Erteilung   einer
entsprechenden Freigabe, kann die Fusion nicht vollzogen werden. Bei wettbewerblichen
Bedenken kann diese Freigabe auch versagt werden.3

Diese Möglichkeit macht die Fusionskontrolle zu einem wirksamen Instrument der EU.
Denn eine solche Versagung kann Unternehmenspläne zunichte machen und sich somit
massiv auf deren Strategien auswirken. Eine gänzliche Untersagung kommt allerdings nur
sehr selten vor. Der Großteil der angemeldeten Fusionen wird problemlos genehmigt. Bei
wenigen Fällen werden Auflagen erteilt, um Wettbewerbsbeschränkungen zu vermeiden.
Beispielsweise der Verkauf von Unternehmensteilen an Mitbewerber. Außerdem gibt es
noch die Möglichkeit der nachträglichen Aufhebung von Verboten durch den Europäischen
Gerichtshof.4

Diese Arbeit soll nun das Wesen und die Funktion der Fusionskontrolle eingehend
erläutern. Zuerst wird der Zweck dieser Verordnung dargestellt und der allgemeine
Verfahrensablauf erörtert. Anschließend wird insbesondere die Fusionsgenehmigung
beleuchtet. Dabei wird auf die Möglichkeit der Kommission eingegangen, nur mit
Bedingungen und Auflagen zu genehmigen und Verstöße dagegen zu sanktionieren.
1 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20.1.2004 über die Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen ("EG-Fusionskontrollverordnung"), ABl. L 2004/24.
2 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_18_3721 (25.11.2020).
3 Kapp, Kartellrecht in der Unternehmenspraxis3 (2018) 8.
4 Kuhn, EU-Leitfaden für Unternehmen (2010) 82ff.

                                                                                               5
Abschließend wird das Fusionskontrollverfahren anhand des Falles Ilva/ArcelorMittal
erörtert, um einen Praxisbezug herzustellen.

                                                                                 6
II. Zweck und Grundlage der Fusionskontrollverordnung:

1. Erhaltung des Wettbewerbs:

Die    Hauptaufgabe         der    Fusionskontrollverordnung          ist      es,    der   Entstehung
marktbeherrschender Unternehmen entgegenzuwirken. Dafür beobachtet die EU-
Kommission die Marktstrukturen und kontrolliert diese schon in der Auf-und Ausbauphase
von Unternehmenskonzentrationen.5

Mittels einer Fortentwicklungsprognose werden die Auswirkungen auf den gemeinsamen
Markt beurteilt. Dabei kommt es nicht nur auf den Wettbewerb selbst an, auch der
Verbraucherschutz soll dabei berücksichtigt werden. Da sich aber die Erstellung einer
Prognose, insbesondere bei komplexem Sachverhalt, schwierig gestaltet, obliegt den
Unternehmen dabei nur eine verminderte Beweislast.6

Die Beurteilungskriterien der Kommission sollen sich dabei am Nutzen für die Gesellschaft
orientieren. Eine zentrale Rolle spielt dabei einerseits ein möglicher Effizienzgewinn und
andererseits die Auswirkungen auf die Verbraucher. Bewirkt die Fusion eine Steigerung
der Effizienz, kann dies das Unternehmen leistungsfähiger machen und fördert damit den
Wettbewerb. Allerdings kann das auch zu einer Vormachtstellung führen, wodurch der
Wettbewerb geschwächt, oder sogar ganz aufgehoben würde. Somit soll also eine
ausgewogene        Entscheidung        gefunden      werden,      welche        das    gesellschaftliche
Gesamtinteresse am Besten widerspiegelt.7

Die Europäische Kommission selbst, spricht von davon, einen fairen Wettbewerb zwischen
den Unternehmen sicherzustellen. Dadurch kann die Effizienz erhöht werden und somit
sinken im Idealfall auch die Preise für die Verbraucher. In weiterer Folge soll sich die
Qualität der Produkte verbessern, die Auswahl vergrößern und Innovationen gefördert
werden. Letztendlich sollen die Wettbewerbsregeln auch dazu dienen, die internationale
Konkurrenzfähigkeit der europäischen Unternehmen zu erhöhen, um am Weltmarkt zu

5 Meyer, Wirtschaftsprivatrecht8 (2017) 296.
6 Frenz, Europarecht2 (2016) 167f.
7 Büchler, Kooperation versus Fusion in der Konsumgüterindustrie (2009) 136.

                                                                                                      7
bestehen.8

2. Rechtsgrundlage der Fusionskontrolle:

Die Fusionskontrolle ist in den Unionsverträgen nicht geregelt. Auch wenn durch die Art
101,102 AEUV9, unter bestimmten Bedingungen, Zusammenschlüsse verhindert werden
können, stellen diese Bestimmungen keine echte Fusionskontrolle dar. Dafür gibt es die
Fusionskontrollverordnung (FKVO)10 die seit 1.5.2005 in Kraft ist. Sie behandelt
grenzüberschreitende Fusionsfälle auf Unionsebene. Ihre Vorgängerregelung war die VO
(EWG) Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen11 welche
seit 21.9.1990 in Kraft war. Weiters gibt es noch die Durchführungsverordnung zur
Fusionskontrollverordnung und Mitteilungen und Leitlinien der Kommission. Gemäß Art
346 AEUV können Rüstungsunternehmen aus Gründen der nationalen Sicherheit, von der
Fusionskontrolle ausgenommen werden. Diese Ausnahme wird jedoch restriktiv
ausgelegt.12

3. Systematik und Abgrenzung:

Neben den Grundfreiheiten stellt das Wettbewerbsrecht den zweiten Teil zur Regelung der
Funktion des gemeinsamen Marktes dar. Es ist somit Teil des europäischen
Wirtschaftsrechts und erstreckt sich auf das gesamte Unionsgebiet. Geregelt ist es in den
Art 101-109 AEUV und kann in vier Teilen gegliedert werden. Diese sind das Kartellrecht,
die Fusionskontrolle, das Beihilferecht und das Vergaberecht. Wie oben erwähnt ist dabei
die Fusionskontrolle per Verordnung geregelt und nicht im AEUV. Im engeren
thematischen Zusammenhang zu ihr steht das in Art 101-105 AEUV geregelte Kartellrecht.
Dieses     untersagt     die    Bildung      von    Kartellen     und     den     Missbrauch       einer
marktbeherrschender Stellung.13

8 https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/9f857b2e-e25a-4fc3-9550-81a9de3b0429/language-
de (25.11.2020).
9 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vom 9. 5. 2008, ABl. C 2008/115 (AEUV).
10 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20.1.2004 über die Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen ("EG-Fusionskontrollverordnung"), ABl. L 2004/24.
11 Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21.12.1989 über die Kontrolle von
Unternehmenszusammenschlüssen.
12 Frenz, Handbuch Europarecht Band 22 (2015) 1003f.
13 Sonder, Europäisches Wirtschaftsrecht (2012) 88f.

                                                                                                        8
Die entscheidende Abgrenzung besteht darin, dass für die Anwendung des Art 101 AEUV
das Zusammenwirken verschiedener Unternehmen Voraussetzung ist. Bei einer Fusion
werden aber verschiedene Unternehmen zu einem einzigen verschmolzen. Dadurch kann
hier der Tatbestand eines Kartells nicht mehr verwirklicht werden. Sollte es nach der
Fusion zu einer marktbeherrschenden Stellung kommen, wird diese Stellung aber nicht
missbräuchlich verwendet, ist auch das Missbrauchsverbot einer marktbeherrschenden
Stellung nicht anwendbar. Deshalb ist es wichtig zu unterscheiden, ob eine Fusion, oder
etwa nur eine Beteiligung an einem anderen Unternehmen vorliegt. Dabei wird auf den in
Art 3 FKVO definierten Zusammenschlussbegriff abgestellt. Demnach besteht ein
Zusammenschluss, wenn ein mittelbarer, oder unmittelbarer Kontrollerwerb erreicht wird
und ein Unternehmen seine Selbstständigkeit verliert. Ist dies der Fall, ist die
Fusionskontrollverordnung anzuwenden.14

4. Adressaten:

Das Wettbewerbsrecht richtet sich sowohl an Private als Wettbewerbsteilnehmer, als auch
an die Mitgliedstaaten. Damit soll ein fairer Wettbewerb gewährleistet werden, damit alle
Unternehmen zu gleichen Bedingungen daran teilnehmen können. Die größte Rolle spielt
dabei das Kartellrecht, mit dem die Dynamik des Marktes nötigenfalls korrigiert werden
kann. Das Beihilfe- und Vergaberecht wiederum, betrifft hauptsächlich die Mitgliedstaaten.
Auch hier wird der faire Wettbewerb geschützt, welcher mit Begünstigung bestimmter
Unternehmen durch die Mitgliedstaaten gefährdet werden kann. Der Begriff des
Mitgliedstaates wird dabei weit ausgelegt, wodurch etwa auch private Unternehmen mit
öffentlicher Mehrheitsbeteiligung darunter zu subsumieren sind.15

14 Frenz, Europarecht2 (2016) 164ff.
15 Sonder, Europäisches Wirtschaftsrecht (2012) 89f.

                                                                                        9
III. Funktion und Ablauf des Fusionskontrollverfahrens:

1. Fusionsgründe:

Die Motive zur Durchführung einer Fusion sind vielschichtig. Unternehmen müssen auf die
Veränderung ihrer Umwelt reagieren und sich entsprechend anpassen. Die fortschreitende
Globalisierung der Wirtschaft bringt es mit sich, dass sich wettbewerbliche, technologische
und politische Rahmenbedingungen verändern. Auch das Wirtschaftssystem selbst
unterliegt ständiger Veränderung. In Reaktion auf immer komplexer werdende Abläufe,
werden     Unternehmensstrukturen         verändert    und     angepasst.     Veränderungen       am
Kapitalmarkt haben wiederum Einfluss auf unternehmerische Finanzierungsformen.16

Je weiter die Globalisierung voranschreitet, desto stärker wird auf den Ausbau der
Marktposition geachtet. Dies geschieht mit dem Ziel, neue Märkte zu erschließen und
bestehende abzusichern. Die Fusion soll dabei zu Synergieeffekten führen und den Bedarf
an Ressourcen optimieren. Auch eine Verbesserung der Forschungsarbeit soll damit
erreicht werden.17

Ein weiterer Fusionsgrund kann aus einer angespannten wirtschaftlichen Situation eines
Unternehmens resultieren. Durch den Zusammenschluss mit einem finanzstarken
Unternehmen kann eine Verschlechterung der Situation vermieden werden und durch
Anpassung und Umstrukturierung idealerweise neues Potenzial freigesetzt werden. So
kann auch eine drohende Insolvenz abgewendet werden und durch eine geschickte
Nutzung von Synergien das nun neu entstandene Unternehmen weiterentwickelt werden.
Zu beachten ist dabei allerdings, ob die grundsätzliche Überlebensfähigkeit des
sanierungsbedürftigen Unternehmens noch gegeben ist und somit eine Fusion sinnvoll ist.
Es besteht die Gefahr, dass der Finanzierungsbedarf für notwendige Investitionen auch
nach der Fusion nur schwer zu stemmen ist. Dies kann auch denn eigentlich problemlosen
Unternehmensteil negativ beeinflussen und somit die Wettbewerbschancen des
fusionierten Unternehmens insgesamt schwächen.18

16 Jansen, Mergers &Aquisitions5 (2008) 1ff.
17 Conrad, Wirtschaftspolitik (2017) 233ff.
18 Liebler/Seffer in Knecht/Hommel/Wohlenberg, Handbuch Unternehmensrestrukturierung2 (2018) 617ff.

                                                                                                      10
2. Anwendungsbereich:

Der Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung ist eröffnet, wenn der Umsatzwert
gemäß Art 1 FKVO überschritten wird und ein Zusammenschluss nach Art 3 FKVO
vorliegt.19

Demnach liegt ein relevanter Umsatz von gemeinschaftsweiter Bedeutung vor, bei einem
weltweiten Gesamtumsatz der beteiligten Unternehmen von 5 Mrd. Euro, oder einem
gemeinschaftsweitem Gesamtumsatz mindestens zweier beteiligter Unternehmen mit je
mehr als 250 Mio. Euro. Werden diese Werte nicht erreicht, ist der Anwendungsbereich
dennoch eröffnet wenn, der Gesamtumsatz aller Unternehmen weltweit 2,5 Mrd. Euro
übersteigt und in mindestens drei Mitgliedstaaten 100 Mio. Euro übersteigt und in diesen
Mitgliedstaaten mindestens zwei Unternehmen jeweils mehr als 25 Mio. Euro
Gesamtumsatz erreichen und der gemeinschaftsweite Gesamtumsatz zweier beteiligter
Unternehmen jeweils 100 Mio. Euro übersteigt. Ausgenommen von diesen beiden Fällen
sind Zusammenschlüsse, bei denen die Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel des
gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in einem Mitgliedstaat erreichen.20

3. Umsatzberechnung:

Relevant für die Berechnung des Gesamtumsatzes sind nach Art 5 FKVO die im letzten
Geschäftsjahr erzielten Umsätze, welche aus der normalen Geschäftstätigkeit der
Unternehmen stammen. Dabei kommt es auf den Nettoumsatz, nach Abzug von
umsatzmindernden Abschlägen, oder Rabatten und umsatzbezogener Steuern, an.
Sondererlöse die nicht aus der normalen Geschäftstätigkeit entspringen, sind nicht
hinzuzurechnen. Konzerninterne Umsätze bleiben unberücksichtigt. Wird nur ein
Unternehmensteil       veräußert,      ist   auch    nur    dessen   Umsatz   ausschlaggebend.
Sonderbestimmungen gibt es etwa für Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen.21

19 Sonder, Europäisches Wirtschaftsrecht (2012) 100.
20 Kapp, Kartellrecht in der Unternehmenspraxis3 (2018) 191f.
21 Mäger in Mäger, Europäisches Kartellrecht2 (2011) 353ff.

                                                                                            11
4. Zusammenschluss:

Gemäß Art 3 FKVO gibt es zwei verschiedene Arten des Zusammenschlusses. Erstens,
die Fusion von bisher unabhängigen Unternehmen oder Unternehmensteilen. Der zweite
Fall betrifft den Kontrollerwerb über die Gesamtheit, oder einen Teil eines anderen
Unternehmens.22

Voraussetzung für einen Zusammenschluss im Sinne der FKVO ist, dass mindestens zwei
voneinander verschiedene Unternehmen daran beteiligt sind. Nicht notwendig ist es, dass
diese       dann     auch   miteinander      Verschmelzen,   bei     der     Gründung    eines
Gemeinschaftsunternehmens bestehen sie nämlich fort. Umstrukturierungen einer
Unternehmensgruppe fallen nicht unter den Tatbestand, solange sich am Einfluss des
Mutterkonzerns nichts ändert. Grundsätzlich ist der Unternehmensbegriff weit auszulegen.
So können auch öffentliche Unternehmen darunter fallen, da zwischen öffentlichem und
privatem Sektor der Grundsatz der Nichtdiskriminierung             herrscht. Auch die Absicht
Gewinne zu erzielen ist nicht relevant. Selbst natürliche Personen die bereits ein
Unternehmen kontrollieren, sind als Unternehmen anzusehen.23

Ein weiterer Punkt ist der Kontrollbegriff. Die Kontrolle muss dauerhaft, von einem zuvor
selbständigen Unternehmen, in ein anderes übergehen. Es entsteht dabei ein Verhältnis,
bei dem das kontrollierende Unternehmen, den Willen des untergeordneten nicht für seine
Entscheidungsfindung berücksichtigen muss. Eine hundertprozentige Kontrolle ist dabei
nicht nötig. Vielmehr reicht schon ein wirtschaftliches Kräfteverhältnis, mit dem ein
bestimmender Einfluss erreicht wird. Fraglich ist dies bei einer bloß negativen
Kontrollmöglichkeit, etwa einem Vetorecht. Außerdem muss der Kontrollerwerb von Dauer
sein. Der Zeitraum muss dabei so lange währen wie es dauert, die Unternehmensstruktur
und somit auch die Marktstruktur zu verändern.
Durch die Fusion von zwei oder mehr Unternehmen, geschieht die Kontrollverschiebung
relativ gleichrangig. Die ursprünglich eigenständigen Unternehmen verschmelzen und
verlieren     ihre     rechtliche    Eigenständigkeit.   Ansonsten         läge   eine   bloße
Verhaltenskoordination vor, aber keine Fusion. Möglich ist eine rechtliche Fusion bei der
es zu einer Übertragung des Vermögens kommt. Dies geschieht durch die Neugründung
22 Heße, Wettbewerbsrecht2 (2011) 199f.
23 Frenz, Handbuch Europarecht Band 22 (2015) 1010ff.

                                                                                            12
eines Unternehmens, in dem die bisherigen Unternehmen aufgehen und ihre
Rechtspersönlichkeit verlieren. Auch die vollständige Vermögensübertragung eines
Unternehmens auf das andere ist denkbar. Wird nur ein Vermögensteil übertragen, geht
nur der betroffene Teil des Unternehmens unter.
Bei der wirtschaftlichen Fusion bleibt die Rechtspersönlichkeit der Unternehmen bestehen.
Allerdings führt die gemeinsame Zielsetzung zu einer identen wirtschaftlichen Gebarung,
wodurch es, aus Wettbewerbsgesichtspunkten, faktisch zu einer Fusion kommt. Der
Zusammenschluss durch Kontrollerwerb erfolgt durch die Unterordnung eines anderen
Unternehmens. Dies kann durch unmittelbare Kontrolle geschehen, etwa entsprechende
Beherrschungsverträge, oder mittelbar, durch Personalbenennung. Es genügt dabei schon
die Möglichkeit zur Kontrollausübung, die tatsächliche Ausübung ist nicht erforderlich.
Dieser Einfluss muss aber bei realistischer Betrachtung bestehen und es muss eine
gewisse Wahrscheinlichkeit gegeben sein, dass er auch erfolgt. Die Kontrolle muss so
ausgestaltet sein, dass die grundlegende Unternehmensausrichtung beeinflusst werden
kann.24

5. Nebenabreden:

Auch Nebenabreden welche mit einer Fusion zusammenhängen, werden von der FKVO
erfasst. Es besteht sogar ein Konzentrationsprivileg, wonach das Kartellverbot nach Art
101 AEUV nicht geprüft wird, um eine doppelte Kontrolle zu vermeiden. Davon sind aber
nur notwendige Nebenabreden betroffen, die unmittelbar mit dem Zusammenschluss
zusammenhängen. Außerdem muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben, indem
solche Abreden getroffen werden, die den Wettbewerb aus objektiver Sicht möglichst
gering beschränken. Die Kommission prüft Nebenabreden nur auf Antrag und bei
Vorliegen einer ungeklärten Rechtsfrage. Wenn eine Prüfung erfolgt, bewirkt die
Entscheidung Rechtsverbindlichkeit, auch für nationale Gerichte und Behörden.
In begrenztem Ausmaß sind auch Wettbewerbsbeschränkungen zulässig. Es besteht
wiederum das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit und des unmittelbaren zeitlichen und
sachlichen Zusammenhanges. Bei bloßer Übertragung des Unternehmenswertes wird
dabei eine Frist von zwei Jahre als angemessen betrachtet. Wird zusätzlich auch
besonderes Fachwissen übertragen, sind auch drei Jahre möglich.

24 Frenz, Handbuch Europarecht Band 22 (2015) 1014ff.

                                                                                      13
Auch Liefer- und Bezugsbindungen können für einen gewissen Zeitraum genehmigt
werden. Dadurch soll der Weg von einem Abhängigkeitsverhältnis, hin zu einem
selbstständigen Marktteilnehmer ermöglicht werden. Nicht verhältnismäßig sind dabei
unbefristete Verpflichtungen, sowie Alleinbelieferungs- oder Alleinbezugsbindungen.25

6. Verweisung:

Durch die Umsatzgrenzen ist die Zuständigkeit zwischen der Kommission und den
Mitgliedstaaten grundsätzlich klar aufgeteilt. Es besteht aber nach Art 4 FKVO die
Möglichkeit der gegenseitigen Verweisung. Eine Verweisung vor Anmeldung der Fusion
erfolgt nur auf Unternehmensantrag. Nach Anmeldung hingegen nur auf Antrag der
Mitgliedstaaten.
Die Verweisung an die Kommission vor Anmeldung kommt bei Zusammenschlüssen
infrage, bei denen Märkte mehrerer Mitgliedstaaten berührt werden. Konkret muss ein
Zusammenschluss nach Art 3 FKVO vorliegen und in mindestens drei Mitgliedstaaten ein
Zusammenschluss nach nationalem Recht geprüft werden können. Sprechen sich die
betroffenen Mitgliedstaaten nicht dagegen aus, geht die Zuständigkeit auf die Kommission
über. Bei der Verweisung an Mitgliedstaaten vor Anmeldung, muss eine erhebliche
Marktbeeinträchtigung gegeben sein und der betroffene Markt muss national begrenzt
sein. Das nationale Fusionsrecht muss also anwendbar sein.
Nach     Anmeldung       kann     an     die   Kommission       verwiesen   werden   wenn,   ein
Zusammenschluss den Wettbewerb in einem Mitgliedstaat erheblich bedroht und somit
eine genaue Prüfung auf Unionsebene begründet erscheint. Eine Verweisung an
Mitgliedstaaten ist denkbar, wenn sich die erhebliche Beeinträchtigung nur auf einen
Markt auswirkt, der räumlich national begrenzt ist. Zusätzlich darf er auch keinen
wesentlichen Teil des gemeinsamen Marktes darstellen.
Allen Verweisungen ist gemein, dass die Verfahrenskonzentration gewahrt bleiben soll und
sich möglichst nur eine Behörde mit dem Fall befasst.26

7. Anmeldung des Zusammenschlusses:

Bei Erreichen der entsprechenden Umsatzgrenzen, ist der Zusammenschluss, vor dessen
25 Kapp, Kartellrecht in der Unternehmenspraxis3 (2018) 210f.
26 Mäger in Mäger, Europäisches Kartellrecht2 (2011) 360ff.

                                                                                             14
Durchführung, bei der Kommission anzumelden. Wird mit dem Zusammenschluss die
alleinige Kontrolle erlangt, ist der Übernehmer zur Anmeldung verpflichtet. Ansonsten trifft
diese Pflicht alle beteiligten Unternehmen. Für die Anmeldung ist das Formblatt der
Kommission zu verwenden. In diesem sind ausführliche Angaben zu den beteiligten
Unternehmen zu machen. Da diese Angabe von umfangreichen Unternehmensdaten
Schwierigkeiten bereiten kann, empfiehlt die Kommission bereits vor der eigentlichen
Anmeldung mit ihr informell Kontakt aufzunehmen. Dadurch können Vorfragen über den
geplanten Zusammenschluss beantwortet werden und eine korrekte Anmeldung
ermöglicht werden. Erachtet die Kommission den Anwendungsbereich der FKVO als
gegeben, veröffentlicht sie, mit Nennung von Unternehmen, betroffenem Marktbereich und
anderen     relevanten     Daten,     die    Anmeldung.       Die    berechtigte        Wahrung   von
Geschäftsgeheimnissen wird dabei berücksichtigt.27

Begleitende Erläuterungen zur Anmeldung und der praktischen Durchführung des
Verfahrens, gibt die Kommission in den „Best Practices on the Conduct of EC Merger
Control Proceedings“.28

Ein bereits rechtsgültig abgeschlossener Zusammenschlussvertrag ist für die Anmeldung
nicht erforderlich. Es genügt eine Glaubhaftmachung der beteiligten Unternehmen bei der
Kommission. Dies kann beispielsweise durch gemeinsame Absichtserklärungen oder
Grundsatzvereinbarungen geschehen. Wichtig ist dabei, dass diese bereits konkretisiert
sind und ein Zusammenschluss mit hoher Wahrscheinlichkeit geschehen wird. Auch der
Zeitraum muss konkretisiert sein, um die gegebenen Marktverhältnisse beurteilen zu
können. Dieser Vorgang sichert den Unternehmen eine bessere Planbarkeit ihres
Vorhabens und gibt ihnen Rechtssicherheit, noch bevor eine Fusion abgeschlossen wird,
oder auch unterbleiben muss.29

8. Verfahrenseinleitung:

Nach der Anmeldung des Zusammenschlusses leitet die Kommission dessen Prüfung ein.
Sie prüft dabei die wettbewerblichen Auswirkungen auf den gemeinsamen Markt und ob

27 Kapp, Kartellrecht in der Unternehmenspraxis3 (2018) 196ff.
28 Kommission, Best Practices on the Conduct of EC Merger Control Proceedings (2004).
29 Frenz, Handbuch Europarecht Band 22 (2015) 1158ff.

                                                                                                   15
sich das Marktgefüge zu einer verstärkten Dominanz einzelner Unternehmen entwickeln
könnte. Auf dieser Grundlage wird über die Fusionsgenehmigung entscheiden.30

Diese Prüfung wird in ein Vorprüfungsverfahren und in ein Hauptprüfungsverfahren
unterteilt. Diese werden auch als Phase I- und Phase II-Verfahren bezeichnet.31

9. Vorprüfungsverfahren:

Mit einer Abschlussquote von etwa 90% ist das Vorprüfungsverfahren in der Praxis am
relevantesten. Der Kommission stehen mehrere Mittel offen um ein Verfahren schon in der
Vorprüfungsphase         abzuschließen        und      somit     das      deutlich     aufwendigere
Hauptprüfungsverfahren zu vermeiden. So kann sie bereits hier Änderungszusagen der
Unternehmen berücksichtigen und unter dem Vorbehalt von Bedingungen und Auflagen
entscheiden.     Dabei    handelt     es   sich     hauptsächlich    um     Zusagen     welche   die
Unternehmensstruktur betreffen, etwa der Veräußerung von Unternehmensteilen. Bei
entsprechender Eignung zur Sicherstellung des wirksamen Wettbewerbs, sind auch
Verhaltenszusagen möglich. Letztlich kommt es darauf an, dass die Zusagen auch
tatsächlich umgesetzt werden und somit den Wettbewerb schützen.
Nach Abschluss des Phase I-Verfahrens sind somit drei Ergebnisse möglich. Entweder ist
die FKVO auf den angemeldeten Zusammenschluss nicht anwendbar, oder es bestehen
keine Bedenken dagegen. In diesen beiden Fällen ist das Verfahren in Phase I
abgeschlossen. Bestehen hingegen Bedenken gegen den Zusammenschluss, ist Phase II,
das Hauptverfahren, zu eröffnen.32

Die Entscheidungsfrist beträgt 25 Arbeitstage ab der Anmeldung. Werden Auskünfte nur
unvollständig erteilt, beginnt die Frist erst wenn diese vollständig einlangen. Bei einem
Verweisungsantrag gemäß Art 9 Abs 2 FKVO, oder Verpflichtungszusagen beteiligter
Unternehmen, verlängert sich diese Frist auf insgesamt 35 Arbeitstage.33

30 Baumgartner/Grabenwarter/Griller/Holoubek/Lienbacher/Potacs, Europäisches und öffentliches
   Wirtschaftsrecht I7 (2010) 187f.
31 Mäger in Mäger, Europäisches Kartellrecht2 (2011) 403.
32 Kapp, Kartellrecht in der Unternehmenspraxis3 (2018) 199f.
33 Frenz, Handbuch Europarecht Band 22 (2015) 1174.

                                                                                                 16
10. Hauptprüfungsverfahren:

Bestehen für die Kommission Bedenken gegen den Zusammenschluss, wird das
Hauptverfahren      eingeleitet.    Dieses   dient     einer   eingehenden      Überprüfung      des
Zusammenschlusses, bei der die Kommission endgültig entscheidet, ob eine Freigabe in
Sinne der FKVO erteilt werden kann, oder nicht. Die Freigabe unter Bedingungen und
Auflagen ist dabei möglich.
Ihre Bedenken gegen die Wettbewerbskonformität fasst die Kommission schriftlich in den
Beschwerdepunkten ab. Diese Ausführungen werden den beteiligten Unternehmen zur
Stellungnahme übermittelt. Dies entspringt den Beteiligungsrechten am Verfahren. Neben
der Stellungnahme besteht etwa auch das Recht auf Anhörung und Akteneinsicht. Das
Recht auf Akteneinsicht entsteht sofort nach Übermittlung der Beschwerdepunkte. Wer
genau zur Einsichtnahme berechtigt ist, wird in der FKVO-DVO34 genauer erläutert.
Jedenfalls davon erfasst sind die anmeldenden Unternehmen als Beteiligte. Auch andere
Beteiligte, das sind am Zusammenschluss beteiligte, aber nicht anmeldende, sind dazu
berechtigt, wenn es für deren Stellungnahme erforderlich ist. Auch Dritten ist, sofern ein
berechtigtes Interesse vorliegt, die Akteneinsicht zu gewähren. Das Recht auf mündliche
Anhörung wird vor dem Anhörungsbeauftragten wahrgenommen.
Eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung nimmt der Chefökonom ein. Er ist dem
Generaldirektor unterstellt und hat ein Team von zehn Wirtschaftswissenschaftlern. Seine
Aufgabe ist es, die Kommission in wirtschaftswissenschaftlichen Fragen, in Hinblick auf
die konkreten Fälle, zu beraten. Vor ihrer Entscheidung muss die Kommission weiters die
Stellungnahme des beratenden Ausschusses einholen. Dieser setzt sich aus Beamten der
Mitgliedstaaten zusammen. Anders als im Vorprüfungsverfahren wird die Entscheidung
von der gesamten Kommission getroffen und nicht vom Wettbewerbskommissar.
Anschließend ist die Entscheidung im Amtsblatt zu veröffentlichen.35

Die Entscheidungsfrist im Phase II-Verfahren beträgt gemäß Art 10 FKVO 90 Arbeitstage
ab dessen Einleitung. Ausnahmsweise, etwa bei Verweisungsanträgen, kann sie sich auf
105   Arbeitstage     verlängern.    Wird    sie     ohne   Ergebnis    überschritten,    wird   die
Marktkonformität des Zusammenschlusses fingiert. Die Kommission, sowie auf Antrag

34 Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 7.4.2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr.
139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, Abl. L 2004/133.
35 Mäger in Mäger, Europäisches Kartellrecht2 (2011) 404ff.

                                                                                                  17
auch der Anmelder, können die Frist auf insgesamt maximal 20 Arbeitstage verlängern.
Somit ist das Verfahren, unter Berücksichtigung von Phase I und II, nach 150
beziehungsweise 160 Arbeitstagen beendet.36

11. Vereinfachtes Verfahren:

Wann die Voraussetzungen für ein vereinfachtes Verfahren vorliegen, hat die Kommission
in ihrer Bekanntmachung zum vereinfachten Verfahren festgelegt.37 Es zeichnet sich
dadurch aus, dass die Entscheidung über den Zusammenschluss nur in Kurzform ergeht
und wettbewerbliche Auswirkungen darin nicht beurteilt werden. Des weiteren reicht ein
vereinfachtes Formblatt zur Anmeldung.
Vier Anwendungsfälle sind dabei möglich. Wenn zumindest zwei Unternehmen die
gemeinsame Kontrolle über ein Gemeinschaftsunternehmen erwerben und sowohl dessen
Umsatz im Unionsgebiet unter 100 Mio. Euro liegt, als auch der Wert der in das
Gemeinschaftsunternehmen eingebrachten Vermögenswerte unter 100 Mio. Euro liegt.
Wenn am Zusammenschluss beteiligte Unternehmen nicht am selben sachlich und
räumlich relevanten Markt tätig sind, oder nicht auf einem sachlich relevanten Markt tätig
sind, der dem eines anderen Beteiligten vor- oder nachgelagert ist. Wenn zwar horizontale
oder vertikale Überschneidungen vorliegen, aber der gemeinsame Marktanteil bei
horizontalen unter 15% und bei vertikalen unter 25% liegt. Wenn ein Beteiligter die
alleinige Kontrolle über ein bis dahin gemeinsam kontrolliertes
Gemeinschaftsunternehmen erhält.
In Ausnahmefällen wird jedoch trotz Vorliegen dieser Anwendungsfälle auf das
vereinfachte Verfahren verzichtet. Die Kommission erachtet dann das normale Verfahren
als geeigneter, etwa bei eng verbundenen Nachbarmärkten, wenn eine Verfahrenspartei
einen Marktanteil hat welcher 25% beträgt. Aber auch bei Verweisungsanträgen.38

36 Mäger in Mäger, Europäisches Kartellrecht2 (2011) 406.
37 Bekanntmachung der Kommission über ein vereinfachtes Verfahren für bestimmte Zusammenschlüsse
gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates, ABl. C 2005/56/32.
38 Mäger in Mäger, Europäisches Kartellrecht2 (2011) 406f.

                                                                                                   18
IV. Genehmigung der Fusion

1. Vollzugsverbot:

Die FKVO zielt darauf ab marktbeherrschende Stellungen schon vor deren Entstehen zu
verhindern. Daher darf ein Zusammenschluss nicht vor Verfahrensende vollzogen werden.
Geschieht dies dennoch und endet das Verfahren negativ, muss der Zusammenschluss
mittels Entflechtung wieder rückgängig gemacht werden. Wann ein Vollzug vorliegt ist
nicht immer eindeutig. Generell kommt es darauf an, ob sich das neue Unternehmen, auch
wenn es rechtlich noch nicht einheitlich ist, auf den Wettbewerb auswirkt. Somit sind auch
bloß tatsächliche Handlungen, die aber schon auf die gemeinsamen Entscheidungen der
rechtlich noch unabhängigen Unternehmen wirken, als Vollzugshandlung zu beurteilen.
Verstöße können mit Bußgeldern belegt werden. Außerdem sind solche Handlungen
schwebend unwirksam, womit der Zusammenschluss bei negativem Verfahrensausgang
ex tunc unwirksam ist.39

2. Freigabe der Fusion:

Gelingt es im Laufe des Verfahrens die Bedenken gegen die Vereinbarkeit des
Zusammenschlussvorhabens mit dem Binnenmarkt zu entkräften, gibt die Kommission
den Zusammenschluss frei. Davon sind auch alle mit dem Zusammenschluss in
Zusammenhang stehende Vereinbarungen und Nebenabreden erfasst, sofern sie dafür
nötig sind.40

Die Freigabe erstreckt sich allerdings nur auf die in der Anmeldung angegebenen
Unternehmen       und     deren     konkretes     Fusionsvorhaben.    Verändert   sich    diese
Zusammensetzung, muss das Fusionsvorhaben wieder neu angemeldet werden. Bloß
unbedeutende Änderungen, bei denen sich das Kontrollausmaß nicht verschiebt, sind
dabei    unbeachtlich.     Darunter     sind    beispielsweise   leichte   Abweichungen    von
Beteiligungshöhen zu verstehen. Da die Freigabe keine Zeitbeschränkung enthält, ist
ungewiss, wann und ob sie verfällt. Vergeht zwischen Freigabe und Vollzug ein längerer

39 Frenz, Handbuch Europarecht Band 22 (2015) 1182ff.
40 Frenz, Handbuch Europarecht Band 22 (2015) 1221f.

                                                                                            19
Zeitraum, wird zu beobachten sein, ob sich die Marktstruktur im konkreten Fall verändert
hat.41

3. Rechtsschutz:

Negative Entscheidungen der Kommission über den Zusammenschluss können von den
Unternehmen beim Europäischen Gericht angefochten werden. Gegen dessen Urteile ist
die Revision an den Europäischen Gerichtshof möglich. Auch Dritte die am Verfahren nicht
beteiligt sind, können, unter bestimmten Voraussetzungen, klagen. Klagevoraussetzung ist
dabei, dass sich die Fusionsfreigabe und darin festgelegte Bedingungen rechtlich und
tatsächlich auf das klagende Unternehmen auswirken. Solchen Auswirkungen kann auch
mittels einstweiligem Rechtsschutz nach Art 278 und 279 AEUV entgegnet werden.42

Nach Art 340 AEUV kommt auch eine Haftung der Union in Betracht. Sie haftet dabei für
das Verhalten ihrer Organe. So kann ein Verstoß der Kommission gegen Unionsrecht,
etwa im Freigabeverfahren, eine solche Haftung begründen. Da diese Bestimmung aber
eher zurückhaltend angewendet wird, ist ein offenkundiger und erheblicher Rechtsverstoß
Voraussetzung für eine Haftungsbegründung. Diese Haftungseinschränkung soll dazu
führen, dass die Tätigkeit der Unionsorgane nicht laufend durch Haftungsklagen gestört
wird.43

41 Mäger in Mäger, Europäisches Kartellrecht2 (2011) 412.
42 Kapp, Kartellrecht in der Unternehmenspraxis3 (2018) 200f.
43 Frenz, Handbuch Europarecht Band 5 (2010) 596ff.

                                                                                     20
V. Mögliche Bedingungen und Auflagen

1. Grundsätzliches:

Um einen Zusammenschluss zu genehmigen, der den Regeln des gemeinsamen Marktes
entspricht, kann die Kommission Bedingungen und Auflagen festlegen. Diese sollen dazu
dienen, dass die beteiligten Unternehmen den Zusammenschluss so durchführen wie er
genehmigt wurde und mit dem gemeinsamen Markt vereinbar ist. Die entsprechenden
Bestimmungen finden sich in den Art 6 (2) und Art 8 (2) FKVO. Hinweise und
Erläuterungen zu diesen Abhilfemaßnahmen gibt die Kommission in ihrer Mitteilung über
Abhilfemaßnahmen.44

2. Verfahren:

Im zweiphasigen Genehmigungsverfahren der Kommission besteht bereits in der ersten
Phase die Möglichkeit Abhilfemaßnahmen festzulegen. Somit kann die zweite Phase
vermieden werden und die Genehmigung schneller erreicht werden. In der Praxis wird
bereits vor der ersten Phase Kontakt mit der Kommission aufgenommen, um etwaige
Bedenken gegen den Zusammenschluss zu beseitigen. Durch diese Vorgehensweise
kommt es äußerst selten zur Durchführung der zweiten Phase und eventuell notwendige
Abhilfemaßnahmen werden in der ersten Phase festgelegt.45

3. Befugnisse der Kommission:

Um die Angaben der Unternehmen auch nachprüfen zu können, verfügt die Kommission
über die Möglichkeiten nach Art 11ff FKVO. So kann sie Auskunft verlangen, als auch
direkt bei den Unternehmen nachprüfen. Das Auskunftsverlangen kann schriftlich oder
mündlich erfolgen und bezieht sich auf juristische und natürliche Personen, sowie
Regierungen der Mitgliedstaaten. Die Ermittlungsmaßnahme muss dabei erforderlich und
verhältnismäßig sein und sich im Rahmen des konkreten Falles bewegen. Bei schriftlichen

44 Mitteilung der Kommission über nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates und der Verordnung
(EG) Nr. 802/2004 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahmen, Abl. C 2008/267/1.
45 Wagemann in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts4 (2020) §17 Rn 65ff.

                                                                                                   21
Falschangaben ist ein Bußgeld vorgesehen, bei mündlichen jedoch nicht.46

4. Unterscheidung von Bedingung und Auflage:

Eine konkrete Definition von Bedingung und Auflage findet sich in der FKVO nicht. Sie
werden jedoch unterschieden und in der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen konkretisiert.
Bedingungen wirken aufschiebend bedingt, sodass bei ihrer Nichterfüllung, die
Freigabegenehmigung automatisch unwirksam wird. Sie zielen auf die Struktur des
Marktes ab und sollen so Wettbewerbsprobleme, die den Zusammenschluss hindern,
vermeiden. Wird eine Bedingung nicht, oder nicht ausreichend erfüllt, kann die
Kommission Geldbußen verhängen, oder die Unwirksamkeit der Freigabe erklären. Eine
bloße     Unwirksamkeit      führt    jedoch     noch     nicht    zur      Rechtswidrigkeit   des
Zusammenschlusses. Eine solche kann nur mittels Verbotsentscheidung ausgesprochen
werden.
Auflagen sind die einzelnen notwendigen Maßnahmen die der Beseitigung von
Wettbewerbsproblemen dienen. Beispielsweise der Verkauf von Geschäftsteilen unter der
Auflage, dass der veräußerte Teil am Markt fortbestehen kann. Bei Nichterfüllung kann die
Kommission wiederum die Unwirksamkeit der Freigabe erklären, oder Zwangsgelder
verhängen.47

5. Abhilfemaßnahmen:

Besteht eine Unvereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt, müssen die beteiligten
Unternehmen Änderungen vornehmen, um eine Freigabe des Zusammenschlusses zu
erreichen. Normalerweise geschehen diese Änderungen vor der Freigabe. Es kommen
aber auch nachträgliche Änderungen vor. Diese müssen aber jedenfalls vor dem
tatsächlichen Zusammenschluss durchgeführt werden. Um dies zu garantieren bedient
sich die Kommission der Bedingungen und Auflagen. Dabei gibt es verschiedene Formen
von Abhilfemaßnahmen.
Die Veräußerungszusage ist dabei der Paradefall einer Strukturzusage. Strukturzusagen
werden von der Kommission favorisiert, da sie am besten geeignet sind den Wettbewerb
des Marktes zu erhalten. Veräußerungszusagen schwächen die Marktmacht des durch
46 Wagemann in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts4 (2020) §17 Rn 68ff.
47 Mäger in Mäger, Europäisches Kartellrecht2 (2011) 391.

                                                                                                22
den Zusammenschluss neu entstandenen Unternehmen und stärken gleichzeitig
Mitbewerber die den veräußerten Unternehmensteil erwerben. Somit                        kann ein
Gleichgewicht der Kräfte gewahrt bleiben. Veräußert können dabei verschiedene Formen
von Unternehmensteilen werden. Voraussetzung ist, dass dieser Teil bei einem
geeignetem Mitbewerber lebens- und konkurrenzfähig ist. Der Unternehmensteil muss an
sich wettbewerbsfähig sein. Findet sich aber bereits während dem Verfahren ein Erwerber,
den auch ein an sich nicht lebensfähiger Unternehmensteil stärkt, kann auch eine solche
Veräußerung genehmigt werden. Um die Lebensfähigkeit zu sichern beinhalten
Veräußerungszusagen auch die notwendigen Vermögenswerte. Dazu zählen etwa
Produktionsstätten und Personal, aber auch immaterielle Güter wie Fachwissen, oder
Lizenzen.
Bei der Zerschlagung von Bindungen zu Mitbewerbern, geht es um das Lösen, oder den
gänzlichen Abbruch struktureller Bindungen zwischen dem Unternehmen und den
Konkurrenten      am     Markt.    Damit     soll   wettbewerbsfeindlichen        Absprachen   und
Vereinbarungen entgegengetreten werden und die Unabhängigkeit der Unternehmen
gestärkt    werden.      So    werden      Mitsprache-,     oder     Stimmrechte,     gegenseitige
Aufsichtsratsbestellungen, oder generelle Verhaltensabsprachen untersagt.
Um Mitbewerber in einen abgeschotteten Markt zu bringen, stehen Marktöffnungszusagen
zur   Verfügung.      Dies    kann    beispielsweise      durch    die   Untersagung     exklusiver
Vertriebsvereinbarungen, oder Zugang zu essentieller Infrastruktur für den neuen
Mitbewerber geschehen.
Alternative Zusagen sichern den Fall ab, dass eine Zusage nicht, oder erst später erfüllt
werden kann. So kann es sein, dass bei einer geplanten Veräußerung kein Käufer
gefunden wird, oder ein Vorkaufsrecht eines Dritten besteht und dessen Entscheidung
ungewiss ist.48

6. Geeignetheit:

Grundsätzlich sieht die Kommission strukturelle Zusagen als am Besten geeignet an. Sie
sind sehr effektiv wenn es darum geht, eine Vormachtstellung im gemeinsamen Markt zu
verhindern, oder zumindest abzuschwächen. Auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist
dabei zu achten.

48 Körber in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht6 (2020) Band 3 Art 8 Rn 93ff.

                                                                                                23
Verhaltenszusagen greifen nicht direkt in die Struktur des Marktes ein und sind daher nicht
in jedem Fall geeignet. Vor allem deren Kontrolle bereitet mehr Aufwand als die eher
einfache Überprüfung, ob etwa ein Verkauf durchgeführt wurde. Dennoch akzeptiert die
Kommission Verhaltenszusagen, im Gegensatz zu früheren Entscheidungen. Häufig
werden sie mit Strukturzusagen verbunden und sind als Teil mehrerer unterschiedlicher
Zusagen geeignet.49

7. Durchführung:

Erledigt die Kommission ein Zusammenschlussverfahren positiv, aber unter Bedingungen
und Auflagen, so folgt darauf das Durchführungsverfahren. Wie die Durchführung abläuft
und kontrolliert wird, ist bereits in der Zusage anzugeben. Die Kommission überwacht die
Durchführung und setzt dazu einen unabhängigen Treuhänder ein, dessen Entgelt das
Unternehmen zu entrichten hat. Weiters kann sie dem Unternehmen eine Berichtspflicht
auferlegen.
Vorgeschlagen wird der Treuhänder von den Unternehmen. Die Kommission prüft jedoch
seine Fachkenntnis und Unabhängigkeit, bevor sie ihn einsetzt. Seine vorrangige Aufgabe
ist es, die Kommission bei der Überwachung der Durchführung zu entlasten. Allerdings ist
zwischen Überwachungs- und Veräußerungstreuhänder zu unterscheiden. Ersterer
begleitet das Unternehmen ab der Freigabeentscheidung, bis zur Erfüllung der Zusagen.
Er überprüft die ordnungsgemäße Durchführung und berichtet laufend der Kommission.
Außerdem ist er die Ansprechperson nach außen, etwa gegenüber potentiellen Erwerbern.
Findet sich nach der, normalerweise sechsmonatigen, ersten Veräußerungsfrist, kein
Käufer, so wird der Veräußerungstreuhänder mit dem Verkauf betraut. Dieser soll dann,
innerhalb von weiteren drei Monaten, einen Käufer finden und ist dabei an keinen
Mindestpreis gebunden.50

8. Änderungen von Zusagen:

Ist es, aus Gründen die außerhalb des Einflusses des Unternehmens liegen, notwendig
Zusagen, nach Abschluss des Verfahrens, abzuändern, kann die Kommission dies
genehmigen, sofern die Durchführung danach aussichtsreich ist. Dadurch kann ein
49 Wagemann in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts4 (2020) §16 Rn 165ff.
50 Körber in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht6 (2020) Band 3 Art 8 Rn 169ff.

                                                                                        24
erneutes      Verfahren       vermieden       werden.          Darunter      fallen    beispielsweise
Fristverlängerungen. Materielle Zusageänderungen sind jedoch selten. Dafür müsste sich
schließlich der Markt in einer relativ kurzen Zeit erheblich verändern. Eine Änderung
ergeht nur auf Unternehmensantrag und ist erst ab dem Änderungszeitpunkt wirksam.51

9. Abhilfemaßnahmen und Nebenabreden:

In engem Zusammenhang zu den Abhilfemaßnahmen stehen Nebenabreden. Diese
Abreden zwischen den Unternehmen beschränken oft den Wettbewerb und sind eigentlich
dem     Kartellverbot     zuzuordnen.     Soweit       diese     Nebenabreden         aber   für   den
Zusammenschluss nötig sind, werden sie von der Freigabegenehmigung miterfasst und
das Kartellrecht bleibt unanwendbar. Diese Notwendigkeit wird von der Kommission nicht
geprüft,   wodurch      die   Unternehmen      diese     Prüfung    selbst     vornehmen     müssen.
Ausgenommen davon sind ungewöhnliche Nebenabreden, die neue oder noch nicht
entschiedene Probleme beinhalten. Bei solchen ist ein begründeter Antrag an die
Kommission zu stellen. Diese wird dann die Entscheidung über die ungewöhnliche
Nebenabrede, in die Freigabeentscheidung aufnehmen. Generell muss die Nebenabrede
geeignet sein den Wettbewerb zu beschränken, da ansonsten der kartellrechtliche
Anknüpfungspunkt gar nicht gegeben wäre. Außerdem muss sie in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem Zusammenschluss stehen und dafür unbedingt notwendig sein.
Diese Notwendigkeit drückt sich etwa in einer ansonsten deutlich längeren und
kostspieligeren Durchführung aus.52

51 Körber in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht6 (2020) Band 3 Art 8 Rn 184f.
52 Mäger in Mäger, Europäisches Kartellrecht2 (2011) 396ff.

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VI. Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen

1. Widerruf:

Die Kommission kann unter bestimmten Voraussetzungen einzelne Teile des genehmigten
Zusammenschlusses widerrufen. Dies ist möglich, wenn die Genehmigung auf
Falschangaben basiert, die das Unternehmen zu verantworten hat. Das Verhalten des
Unternehmens muss also ursächlich für die Fehlentscheidung sein. Weiters ist ein
Widerruf bei Auflageverstößen möglich. Durch den Widerruf hat die Kommission wieder
alle Möglichkeiten des Genehmigungsverfahrens, bis hin zur Untersagung des
Zusammenschlusses. Weil zum Zeitpunkt des Widerrufs der Zusammenschluss schon
erfolgt ist, ist sie auch nicht mehr an die sonst gültigen Fristen gebunden.53

2. Wiederaufnahme:

In drei Fällen kann die Kommission ein abgeschlossenes Zusammenschlussverfahren
wieder aufnehmen. Bei einem Verstoß gegen eine Bedingung, welche die Vereinbarkeit
mit dem gemeinsamen Markt garantiert, oder eine Bedingung die für die Freigabe
unabdingbar ist. Außerdem noch beim oben angeführten Widerruf. Dabei ist die
Kommission zwar an keine Frist gebunden, im Sinne der Rechtssicherheit sollte sie aber
zeitnah entscheiden, ob ein Wiederaufnahmeverfahren eröffnet wird.54

3. Geldbußen:

Gemäß Art 14 FKVO kann die Kommission Geldbußen verhängen. Abs 1 behandelt dabei
die formelle Ebene. Darunter fallen beispielsweise Falschaussagen, Falschangaben, oder
die Verweigerung der pflichtgemäßen Mitwirkung bei Überprüfungen. Die Höhe des
Bußgeldes kann dabei bis zu 1% des Gesamtumsatzes erreichen. Abs 2 behandelt
Verstöße auf materieller Ebene. Etwa ein Vollzug ohne Anmeldung, oder gegen ein
Vollzugsverbot. Weiters ein Vollzug entgegen einer Untersagungsentscheidung, oder das
Ignorieren angeordneter Entflechtungsmaßnahmen. Auf materieller Ebene kann das

53 Frenz, Handbuch Europarecht Band 22 (2015) 1239.
54 Frenz, Handbuch Europarecht Band 22 (2015) 1240.

                                                                                   26
Bußgeld bis zu 10% des Gesamtumsatzes erreichen. Die Geldbußen liegen im Ermessen
der Kommission und können sowohl gegen Unternehmen, als auch gegen natürliche
Personen ausgesprochen werden. Es wird klargestellt dass diese Geldbußen nicht in
Sinne des Strafrechts zu verstehen sind. Außerdem muss ein Verschulden vorliegen.55

4. Zwangsgelder:

Mit Zwangsgeldern kann eine Auskunft, oder Duldung erzwungen werden. Aber auch die
Einhaltung von Auflagen kann damit sichergestellt werden. Wie auch Geldbußen können
sie sowohl gegen Unternehmen, als auch gegen natürliche Personen ausgesprochen
werden. Die Höhe kann bis zu 5% des durchschnittlichen täglichen Gesamtumsatzes
betragen und zwar für jeden Arbeitstag bis das rechtswidrige Verhalten endet.
Zwangsgelder können auch gemeinsam mit Bußgeldern auferlegt werden.56

5. Rechtsschutz gegen Sanktionen:

Sowohl Geldbußen als auch Zwangsgelder unterliegen, als Ermessensentscheidung der
Kommission, der Kontrolle des Gerichtshofs gemäß Art 16 FKVO. Er kann die Beträge
abändern, oder ganz aufheben. Nach Art 263 AEUV steht den Parteien und auch
unmittelbar und individuell betroffenen Dritten die Nichtigkeitsklage offen. Mit dieser
können etwa Untersagungen, Bedingungen und Auflagen, oder Buß- und Zwangsgelder
bekämpft werden. Da ein Gerichtsverfahren aber längere Zeit dauern kann und sich die
Marktsituation inzwischen ändern kann, ist es sinnvoll Rechtsfragen bereits im
Genehmigungsverfahren zu klären.57

55 Wagemann in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts4 (2020) §17 Rn 196ff.
56 Wagemann in Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts4 (2020) §17 Rn 206f.
57 Frenz, Handbuch Europarecht Band 22 (2015) 1245ff.

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VII. Erörterung des Fusionskontrollverfahrens anhand des Falles
ArcelorMittal

In diesem Kapitel sollen nun die obigen theoretischen Ausführungen, mit dem Fallbeispiel
ArcelorMittal aus der Praxis verglichen werden. Dieser Fall behandelt die Übernahme des
italienischen Stahlkonzerns Ilva, durch den französischen Stahlkonzern ArcelorMittal.

1. Funktion und Ablauf des Fusionskontrollverfahrens:

Zu den theoretischen Ausführungen siehe oben Kapitel III.

Die Kommission hat in einer Pressemitteilung vom 8.11.2017 bekanntgegeben, dass sie
die geplante Übernahme von Ilva durch ArcelorMittal, gemäß den Bestimmungen der
FKVO,     prüft.   ArcelorMittal    ist   in   Europa    und    auch     weltweit   Marktführer   bei
Kohlenstoffflachstahl. Ilva ist ebenso ein wichtiger Produzent von Kohlenstoffflachstahl, mit
Schwerpunkt in Italien. Da für die europäische Industrie Stahl ein wichtiger Werkstoff ist
und die Stahlbranche mehr als 30 Millionen Arbeitsplätze sichert, ist die Erhaltung des
Wettbewerbs von europäischem Interesse.
Angemeldet wurde der Zusammenschluss am 21.9.2017. Da die Kommission dagegen
Bedenken äußerte, wurden von ArcelorMittal am 19.10.2017 Zusagen angeboten. Diese
waren aber nicht umfangreich genug, sodass die Kommission weiter prüfte. Somit ging
das Verfahren in Phase II über, in dem sie innerhalb von 90 Tagen einen Beschluss
erlassen muss.
Die Bedenken der Kommission betrafen vor allem warm-, kaltgewalzte und verzinkte
Kohlenstoffflachstahlprodukte. Aber auch etwa Stahlerzeugnisse für Verpackungen. Der
Zusammenschluss hätte diese Produkte möglicherweise verteuert. Davon wären
besonders Unternehmer in Südeuropa betroffen gewesen, die auf solche Produkte
angewiesen sind. Viele von diesen sind kleine und mittlere Unternehmen. Da diese
Unternehmen im gemeinsamen Markt mit Importen konkurrieren und auch weltweit
wettbewerbsfähig bleiben sollen, wären sie von einer Preissteigerung stark getroffen
worden.58

58 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_17_4485 (25.11.2020).

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2. Genehmigung der Fusion:

Zu den theoretischen Ausführungen siehe oben Kapitel IV.

In der Pressemitteilung von 7.5.2018 wurde schließlich die Genehmigung der Fusion
bekanntgegeben. Die Kommission stellte jedoch, als Ergebnis ihrer Prüfungen, mehrere
Bedingungen. Bei diesen Prüfungen erhärteten sich die Bedenken, dass der Marktanteil
bei warm-, kaltgewalzten und verzinkten Kohlenstoffflachstahlprodukten deutlich höher
wäre,    als    jener    aller   anderer    Mitbewerber.    Auch     eine   Wiederherstellung    der
Wettbewerbsgleichheit wäre ihnen nicht von selbst möglich gewesen. Ein Bezug dieser
Produkte aus Drittstaaten wäre ebenso keine geeignete Alternative gewesen, da dieser
nicht stabil genug erfolgt und auch höhere Preise nach sich ziehen würde. Bei
Stahlerzeugnissen für Verpackungen hatte die Kommission schließlich keine Bedenken,
weil der Markt in diesem Bereich ausgeglichener ist.
Somit musste eine Lösung zur Wettbewerbswahrung gefunden werden. ArcelorMittal
schlug dafür vor, Vermögenswerte an Mitbewerber zu veräußern. Dies waren,
hauptsächlich in Südosteuropa gelegene, Produktionsstandorte, welche die betroffenen
Produkte herstellen. Außerdem wurde auf die Mitübernahme des Unternehmens
Marcegaglia       verzichtet,     welches     ein    relevanter     Konkurrent      bei   verzinktem
Kohlenstoffflachstahl ist. Die Kommission sah diese Vorschläge als geeignet an, den
Wettbewerb zu wahren. Die zu veräußernden Unternehmensteile können von einem
geeigneten Erwerber profitabel geführt werden und sind auch langfristig wettbewerbsfähig.
Mit diesen Zusagen, unter der Bedingung ihrer vollständigen Umsetzung, war der
Zusammenschluss schließlich zu genehmigen.59

3. Bedingungen und Auflagen:

Zu den theoretischen Ausführungen siehe oben Kapitel V.

Um die Unternehmensteile zu veräußern und somit die Auflagen zu erfüllen, musste
ArcelorMittal     eine     Ausschreibung       veranlassen.       Diese     hat    transparent   und
diskriminierungsfrei zu sein und steht allen Interessenten offen. ArcelorMittal gab der

59 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_18_3721 (25.11.2020)

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