"When a Man Loves a Woman"- Eine sozialpädagogische Analyse

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Johann-Wolfgang-Goethe Universität
                Fachbereich Gesellschaftswissenschaften
              Institut für Gesellschafts- und Politikanalyse

                                SS 2006

                          Esther Wuhrmann

      „When a Man Loves a Woman“–
      Eine sozialpädagogische Analyse

                  Vorgelegt im Rahmen des Seminars
„Soziale Problemlagen und gesellschaftliche Hilfen in fiktiona-
                len Kino- und Fernsehfilmen“

                     Leiter der Lehrveranstaltung:
                     Prof. Dr. Helmut Diederichs
Inhaltsverzeichnis

1. Vorbemerkung.......................................................................................... 3

2. Alkoholismus ............................................................................................ 3

   2.1. Definition von Alkoholabhängigkeit............................................................. 3
   2.2. Epidemiologie von Alkoholismus................................................................. 3
   2.3. Ursachen des Alkoholismus .......................................................................... 4
   2.4. Alkoholismus bei Frauen .............................................................................. 5
   2.5. Auswirkungen des Alkoholismus auf die Familie ........................................ 7

3. Inhaltsangabe............................................................................................ 9

   3.1. Kurze Übersicht der Filmdaten ..................................................................... 9
   3.2. Inhalt............................................................................................................ 10

4. Sozialpädagogische Filmkritik.............................................................. 12

5. Persönliche Einschätzung...................................................................... 17

Literaturverzeichnis................................................................................... 19

                                                           2
1. Vorbemerkung
Die hier vorliegende Arbeit soll sich mit dem Film „When a Man Loves a Woman“
unter sozialpädagogischer Sicht auseinandersetzen. Hierfür wird zuerst ein kurzer
Überblick über das im Film angesprochene soziale Problem ‚Alkoholismus’ geboten,
auf den eine Inhaltsangabe des Films folgt. Dieser schließt sich eine sozialpädagogi-
sche Filmkritik an, die auf die Behandlung des Alkoholismus im Film näher eingeht,
sowie eine kurze persönliche Einschätzung.

2. Alkoholismus
2.1. Definition von Alkoholabhängigkeit
Die World Health Organisation unterschied in der 9. Revision des internationalen
Diagnoseschlüssels zwischen ‚Alkoholmissbrauch’ und ‚Alkoholabhängigkeit’, defi-
nierte jedoch beides nur unscharf, wodurch dem Beurteiler ein Ermessenspielraum
gegeben ist. Als ‚Alkoholmissbrauch’ werden nach ICD 9 „akute Alkoholintoxikati-
onen, Alkoholrausch, exzessiver Alkoholgenuß eventuell verbunden mit Kater, doch
ohne Abhängigkeitserscheinungen, definiert.“1
Alkoholabhängigkeit hingegen ist nach ICD 9 definiert als ein „psychischer, manch-
mal auch körperlicher Zustand, der durch Alkoholgenuss entsteht und durch Verhal-
tensweisen und andere Reaktionen charakterisiert ist, die immer den Drang ein-
schließen, ständig oder periodisch Alkohol zu sich zu nehmen und dessen psychi-
schen Effekt zu erleben.“2 Der Begriff ‚Alkoholismus’ sollte hierbei nur im Zusam-
menhang mit Alkoholabhängigkeit genannt werden. Im Gegensatz zu undisziplinier-
tem Trinken hat Alkoholabhängigkeit nichts mit Haltlosigkeit, mangelnder Verant-
wortlichkeit, Willens- und Charakterschwäche zu tun, sondern ist eine chronische
Erkrankung, die der Behandlung bedarf. 3

2.2. Epidemiologie von Alkoholismus
Die Art und Menge des Alkoholkonsums werden von Trinksitten, Einstellungen so-
wie soziokulturellen Bedingungen bestimmt. So finden sich beispielsweise entspre-
chend wenig Alkoholabhängige und alkoholbedingte Schäden in Kulturen, in denen

1
  Fichter, Manfred M. / Frick, Ulrich: Therapie und Verlauf von Alkoholabhängigkeit. Auswirkungen
auf Patient und Angehörige, Berlin Heidelberg: Springer-Verlag 1992, S. 1
2
  Fichter, Manfred M. / Frick, Ulrich: Therapie und Verlauf von Alkoholabhängigkeit. a.a.O., S. 1
3
  Siehe: Schmidt, Lothar: Alkoholkrankheit und Alkoholmißbrauch. Definition – Ursachen – Folgen –
Behandlung, Stuttgart: Kohlhammer 1986, S. 15

                                               3
Alkoholkonsum aus religiösen Gründen untersagt ist.4 Anders ist es jedoch in den
westlichen Industrieländern.
„Wir leben heute in einer alkohol-permissiven Gesellschaft, in der alkoholische Ge-
tränke jederzeit gebilligt, positiv bewertet und zur Förderung zwischenmenschlicher
Beziehungen sowie als Kommunikationsmittel angesehen und eingesetzt werden.“5
Das hat Auswirkungen auf alkoholkranke Menschen. Durch die gesellschaftliche
Einstellung Alkoholkonsum und Alkoholexzesse bei besonderen Anlässen als normal
anzusehen, geraten Alkoholkranke in die Rolle des Abnormen. Sie erfüllen nicht die
Forderungen und Erwartungen, sich als ‚normale Menschen’ zu verhalten und wer-
den daher oft als charakterschwach, haltlos und willenschwach charakterisiert. Doch
auch Abstinente sind von dieser Einstellung betroffen. Sie stoßen auf Unverständnis
und werden dadurch schnell in eine Außenseiterposition gedrängt. Das führt dazu,
dass nicht nur Alkoholabhängige sondern auch Abstinente in unserer Gesellschaft als
‚Normalabweichler’ gelten und somit in gewisser Weise diskriminiert werden.6

2.3. Ursachen des Alkoholismus
Die Entstehung des Alkoholismus ist nicht eindeutig geklärt. Es ist doch davon aus-
zugehen, dass ein ganzes Bündel von Ursachen, „die aus dem körperlichen, seeli-
schen, sozialen und spirituellen Bereich erwachsen und komplex zusammenwirken“,
ausschlaggebend für die Entstehung einer Alkoholabhängigkeit sind.7 Persönlichkeit
und soziale Schicht spielen nach heutiger Sicht bei der Suchtentstehung keine Rolle.
So ist man jedoch nach neuen wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Ergebnis
gekommen, „dass Alkoholismus zu etwa 50 bis 60 Prozent genetisch determiniert
ist.“8 Entscheidend sind jedoch nicht nur die Gene. Für die Entwicklung von Alko-
holabhängigkeit wirken drei wesentliche Faktoren zusammen:

    -   Der Alkohol, als Droge mit Suchtpotential,
    -   die Person und ihre körperlichen und seelischen Faktoren, sowie

4
  Siehe: Schmidt, Lothar: Alkoholkrankheit und Alkoholmißbrauch. a.a.O., S. 33f
5
  Schmidt, Lothar: Alkoholkrankheit und Alkoholmißbrauch. a.a.O., S. 34
6
  Siehe: Schmidt, Lothar: Alkoholkrankheit und Alkoholmißbrauch. a.a.O., S. 44
7
  Schmidt, Lothar: Alkoholkrankheit und Alkoholmißbrauch. a.a.O., S. 50
8
  Mayer, Karl C.: Alkoholismus – Folgen, URL: http://www.neuro24.de/alkholismus.htm (Stand:
22.05.2006)

                                               4
-    das Sozialfeld, welches Trinkverhalten, Griffnähe, Anforderungen durch Fa-
          milie, Arbeitsplatz und Gesellschaft mit einbezieht.9

2.4. Alkoholismus bei Frauen
„Trinken ist nicht nur Männersache. Etwa 30 Prozent der geschätzten 2,5 Millionen
behandlungswürdigen Alkoholiker in Deutschland sind weiblich. Zu diesen 750.000
bis 800.000 Alkoholikerinnen kommt aber noch eine große Anzahl stark gefährdeter
Frauen.“10 Der deutliche Anstieg des Frauenalkoholismus mag auf zahlreiche Gründe
zurückgeführt werden. Dazu gehört unter anderem die in den letzten Jahrzehnten
stattgefundene Verlagerung des Alkoholkonsums von Gaststätten auf die Familie,
vermehrtes Anlasstrinken, die veränderte Stellung der Frau in unserer Gesellschaft
sowie die damit verbundene Doppelbelastung der Frau durch Beruf und Haushalt.11

Alkoholkranke Frauen unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von alkoholkranken
Männern. Zwar nimmt starker Alkoholkonsum bei beiden Geschlechtern mit dem
Alter zu, so ist er jedoch nach der Bundesstudie bei Männern mit ca. 15,2 % doppelt
so hoch wie bei Frauen mit 8,4 %. Während Frauen gerne Wein und Sekt trinken,
werden von Männern Bier und Spirituosen als Einstiegsdroge bevorzugt.12 Im fortge-
schrittenem Stadium greifen jedoch beide Geschlechter auf den ‚harten Alkohol’
zurück.
Auch bezüglich ihrer ersten Erfahrungen mit Alkohol unterscheiden sich Frauen von
Männern. So kommen Studien zufolge Männer in ihrem Leben früher in Kontakt mit
Alkohol als Frauen und sind auch früher das erste Mal betrunken. Auch das durch-
schnittliche Alter des gewohnheitsmäßigen schweren Trinkens liegt bei Frauen höher
als bei Männern. Jedoch sind Alkoholikerinnen bezüglich ihres Alters, in dem der
problematische Alkoholkonsum in der Regel einsetzt, keine homogene Gruppe.
So werden laut Vogt zwei Typen von Alkoholikerinnen unterschieden:

9
  Siehe: Schmidt, Lothar: Alkoholkrankheit und Alkoholmißbrauch. a.a.O., S. 52
10
   Jerabek, Petr: Flucht in die Sucht – Alkoholismus bei Frauen, URL: http://www.lichtblick-
newsletter.de/theabh3.html (Stand: 22.05.06)
11
   Siehe: Schmidt, Lothar: Alkoholkrankheit und Alkoholmißbrauch. a.a.O., S. 41
12
   Mayer, Karl C.: Alkoholismus – Folgen, Online, a.a.O.

                                                  5
-   Bei Typ 1, der als sozial gut integriert bezeichnet werden kann, liegt das Alter
         in dem der kritische Alkoholkonsum beginnt, zwischen dem 25. und 35. Le-
         bensjahr.
     -   Bei Typ 2, bei dem die soziale Integration und der allgemeine Gesundheits-
         zustand besser sind als bei Typ 1, liegt dieses Alter zwischen dem 15. und 25.
         Lebensjahr.

Obwohl Frauen bei Beginn des kritischen Alkoholkonsums im Durchschnitt älter
sind als Männer, sind sie bei Therapiebeginn in der Regel genauso alt. Grund hierfür
ist, dass Frauen die Phasen der Alkoholkrankheit schneller durchleben und somit
nach kürzerer Krankheitsdauer in stationäre Behandlung kommen.
Diese beschriebene Verkürzung des Verlaufs des Alkoholismus bei Frauen wird als
‚Teleskopphänomen’ bezeichnet und ist dadurch erklärbar, dass aufgrund der Ge-
schlechterunterschiede an Körpergewicht und Anteilen an Körperwasser Frauen von
gleich hohen Äthanolkonzentrationen belastet werden, wie die Männer, auch wenn
sie geringere Mengen an alkoholischen Getränken zu sich nehmen. Ein zusätzlicher
Faktor dieses Phänomens ist der durch den weiblichen Hormonhaushalt bedingte
langsamere Alkoholabbau, der dazu führt, dass das Äthanol länger seine schädigende
Wirkung entfalten kann.13

Auch die Gründe zum Alkohol zu greifen unterscheiden sich bei Frauen von den der
Männer. Neben den ‚üblichen’ Faktoren, die auch bei Männern die Entwicklung und
Aufrechterhaltung kritischen Alkoholkonsums fördern können, wie zum Beispiel die
Erwartung positive Erlebniszustände mit Alkohol zu intensivieren, sind negative
Emotionen bei Alkoholikerinnen im Vergleich zu Alkoholikern in besonderem Maße
                                                                     14
als wesentlicher Auslöser von Alkoholkonsum zu betrachten.

Weitere Unterschiede werden durch die Erwartungshaltung unserer Gesellschaft her-
beigeführt. Durch die gesellschaftliche Ablehnung des Alkoholkonsums von Frauen
in der Öffentlichkeit, sind Alkoholikerinnen eher latenten und dauerhaft präsenten
Bewertungen von außen ausgesetzt als Männer, was wiederum die Aufrechterhaltung

13
   Siehe: Mauthe, Karin: Zur Bedeutung wahrgenommener sozialer Unterstützung bei Frauenalkoho-
lismus, Phil. Diss. Tübingen 1996, S. 8
14
   Siehe: Mauthe, Karin: Zur Bedeutung wahrgenommener sozialer Unterstützung bei Frauenalkoho-
lismus. a.a.O., S. 10

                                               6
der negativen Gefühlszustände fördert.15 Dieses Erleben ist vermutlich auch Auslöser
dafür, dass Frauen sich häufiger isolieren und eher alleine und zu Hause trinken. Zu-
sätzlicher Druck innerhalb der Familie führt zu verstärkten Schuldgefühlen der Frau,
die wiederum zu einem geringeren Selbstwertgefühl, damit verbundenen negativen
Emotionen und folgendem Alkoholkonsum führen. Alkoholikerinnen stecken somit
oft in einer Art Teufelskreis von negativen Emotionen und damit verbundener Moti-
vation zum Trinken fest.16

2.5. Auswirkungen des Alkoholismus auf die Familie
„Das Verhalten eines Alkoholikers als Folge übermäßigen Alkoholkonsums kann die
Interaktionen mit dem Partner und Angehörigen schwer beeinträchtigen und belasten
und das Beziehungsgleichgewicht empfindlich stören.“17 Die ganze Familie leidet
unter den Auswirkungen des Alkoholismus. „Die Versuche der Familie den Alkoho-
lismus eines Familienmitglieds in den Griff zu bekommen, bestimmen immer mehr
das gesamte Denken, Fühlen und Handeln in der Familie.“18 Die Gefühle der Ange-
hörigen sind denen des Abhängigen sehr ähnlich. Sie fühlen sich hilflos, frustriert
und schuldig und oft, nach immer wiederkehrenden Enttäuschungen, auch verärgert
und wütend.

Vor allem die Kinder von Alkoholkranken müssen unter der Sucht ihrer Eltern lei-
den. Die Auslegung, dass das Kind doch nichts bemerkt, ist ein fataler Irrglaube.
„Kinder bekommen mehr mit als man denkt. Kinder können ihre Ängste und Nöte
nicht so zum Ausdruck bringen, wie Erwachsene das tun können. Sie leiden still.
Gerade Kleinkinder merken, dass etwas nicht stimmt, aber sie können es (noch) nicht
richtig einordnen. Ältere Kinder leiden bewusster, auch wenn sie sich darüber nicht
äußern.“19 Im Erwachsenenalter werden die Folgen dann deutlich. „Die erwachsenen
Kinder der Alkoholkranken tragen die schmerzlichen Gefühle aus der Vergangenheit
in sich. Sie neigen zum Perfektionismus oder kümmern sich bis zur Selbstaufgabe

15
   Siehe: Mauthe, Karin: Zur Bedeutung wahrgenommener sozialer Unterstützung bei Frauenalkoho-
lismus. a.a.O., S. 13f
16
   Siehe: Mauthe, Karin: Zur Bedeutung wahrgenommener sozialer Unterstützung bei Frauenalkoho-
lismus. a.a.O., S. 15
17
   Fichter, Manfred M. / Frick, Ulrich: Therapie und Verlauf von Alkoholabhängigkeit. a.a.O., S. 41
18
   A – Connect e.V.: Alkoholismus als Familienkrankheit, URL: http://www.a-connect.de/familie.htm
(Stand: 22.05.06)
19
   A – Connect e.V.: Alkoholismus als Familienkrankheit, Online, a.a.O.

                                                 7
um Andere.“20 In ihren Beziehungen stoßen sie meist auf Distanz, da sie dazu neigen
sich Partner auszusuchen, die entweder selbst abhängig sind oder in einer anderen
Weise beziehungsunfähig und unerreichbar. Die erwachsenen Kinder der Alkohol-
kranken suchen Nähe, fühlen sich jedoch die meiste Zeit alleine und im Stich gelas-
sen. Die Gefahr selbst abhängig zu werden ist für sie erhöht, „da sie es nicht anders
kennen gelernt haben ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen.“21 Betroffene Kinder
müssen somit ihr ganzes Leben mit den Folgen des Alkoholismus ihrer Eltern kämp-
fen und brauchen daher verstärkt Hilfe von außen.

Doch nicht nur die Kinder, sondern auch die Partner von Alkoholikern sind verstärkt
erhöhtem psychischen Stress und den damit verbundenen Konsequenzen ausgesetzt.
Die Sucht eines geliebten Menschen kann dazu führen, dass man als Angehöriger
selbst in einer gewissen Art abhängig wird, nämlich abhängig von dem süchtigen
Menschen. Diese Abhängigkeit wird in Fachkreisen mit dem Begriff der ‚Co-
Abhängigkeit’ bezeichnet.
„Unter Co = Compagnon kann man Teilhaber, Mitstreiter oder Ähnliches verstehen.
Es ist eigentlich eine Bezeichnung für eine Einstellung, die das Vorhaben eines ande-
ren unterstützt und fördert.“22 Fengler bezeichnet mit ‚Co-Abhängigkeit’ Verhal-
tensweisen und Haltungen von Personen, welche durch Unterlassen und Tun dazu
beitragen, dass der süchtige oder suchtgefährdete Mensch süchtig oder suchtgefähr-
det bleiben kann.23 So betrachtet scheint dieser Begriff sehr missverständlich, da
kaum jemand Angehörigen unterstellt, dass sie absichtlich den Umgang mit Sucht-
mitteln bei dem Betroffenen fördern oder unterstützen wollen. Das tun die Angehöri-
gen sicherlich auch nicht bewusst. Doch gibt es ungeeignete Verhaltensweisen wel-
che die Sucht des Partners ungewollt verlängern, wie beispielsweise über süchtiges
Trinken hinwegzusehen, mit dem Partner zusammen zu trinken, negative Konse-
quenzen seines Trinkens auszubügeln, oder dem Partner Verantwortung abzunehmen
und ihn vor Konfrontationen zu schützen.24

20
   A – Connect e.V.: Alkoholismus als Familienkrankheit, Online, a.a.O.
21
   A – Connect e.V.: Alkoholismus als Familienkrankheit, Online, a.a.O.
22
   Psychosomatische Fachklinik Münchwies (Hrsg.): Münchwieser Hefte. Sonderheft Nr. 1, Informa-
tionen für Angehörige zu Sucht, Co-Abhängigkeit und Suchtbehandlung, St. Ingbert: Westpfälzische
Verlagsdruckerei, 3. Aufl. 2004, S. 26
23
   Das Online - Familienhandbuch: Mit einem suchtkranken Partner zusammenleben, URL:
http://www.familienhandbuch.de/cmain/f_Aktuelles/a_Partnerschaft/s_636.html (Stand: 22.05.06)
24
   Siehe: Psychosomatische Fachklinik Münchwies (Hrsg.): Münchwieser Hefte. Sonderheft Nr. 1,
Online, a.a.O.

                                                8
Diese Co-Abhängigkeit, zu der auch gehört, dass die Gefühle des Angehörigen an
die des Süchtigen gekoppelt sind, kann meistens nur durch Hilfe von Außen, wie
zum Beispiel durch die Teilnahme an Selbsthilfegruppen, in den Griff bekommen
werden.

3. Inhaltsangabe
3.1. Kurze Übersicht der Filmdaten

Deutscher Titel:               When a Man Loves a Woman - Eine fast perfekte Liebe
Originaltitel:                 When a Man Loves a Woman
Genre:                         Familiendrama
Produktionsland:               USA
Erscheinungsjahr:              1994
Länge (PAL-DVD):               120 Minuten
Originalsprache:               Englisch
Altersfreigabe:                FSK 12
Regie:                         Luis Mandoki
Drehbuch:                      Ronald Bass; Al Franken
Produktion:                    Jon Avnet; Jordan Kerner
Musik:                         Zbigniew Preisner
Kamera:                        Lajos Koltai
Schnitt:                       Garth Craven
Sozialpädagogisches
Arbeitsfeld:                   Sucht- und Drogenhilfe (Alkoholismus)

Besetzung:                     Meg Ryan (Alice Green)
                               Andy Garcia (Michael Green)
                               Ellen Byrsin (Emily)
                               Tina Majorino (Jess Green)
                               Mae Whitman (Casey Green)
                               Lauren Tom (Amy)
                               Philipp Seymour Hoffman (Gary)25

25
  Siehe: Wikipedia: When a Man Loves a Woman, URL:
http://de.wikipedia.org/wiki/When_a_Man_Loves_a_Woman (Stand: 22.05.2006)

                                              9
3.2. Inhalt
Alice (Meg Ryan) und Michael Green (Andy Garcia) haben zwei süße Töchter und
führen eine dem Anschein nach glückliche Ehe. Doch von Anfang an wird deutlich,
dass sich ein immer größer werdender Schatten über ihr Familienglück ausbreitet:
Michael und Alice feiern zusammen ihren Hochzeitstag im Restaurant. Alice ist be-
trunken, doch beide genießen die Zeit und haben viel Spaß.
Doch schon am nächsten Tag kommt es zu den ersten Konflikten. Alice kommt zu
spät und völlig betrunken nach Hause, nachdem sie mit ihrer Arbeitskollegin Pam
ausgegangen war. Da Michael seine Kinder nicht alleine lassen konnte, musste er bei
der Arbeit absagen und zu Hause bleiben und macht Alice deswegen Vorwürfe. Nach
einigen Versuchen sich rauszureden gesteht Alice, dass es ihr schlecht geht: „Du
weißt nicht was ich durchmache. (…) Meinen Job zum Beispiel, unsere Kinder und
den Laden hier schmeißen. (…) Du fehlst mir wenn du weg gehst.“ Michael beruhigt
sich wieder und macht seiner Frau das Angebot einige Tage nach Mexiko zu fahren,
um dort gemeinsam etwas Zeit verbringen zu können. Doch dort kommt es zum Ek-
lat, als Alice am Abend betrunken vom Boot fällt und Michael sie aus dem Meer
retten muss.
In dem darauf folgenden Gespräch am nächsten Tag gesteht Michael ein, dass sie in
letzter Zeit viel Stress hätten, doch dass der verstärkte Alkoholgenuss von Alice der
„schon eine ganze Weile“ andauert, ein Problem sei. „Was ist los? Du hast mich ges-
tern Nacht erschreckt. Du dich nicht auch? Wie soll das weitergehen?“ Alice scheint
ihr Fehlverhalten einzusehen und schwört Besserung „Ich werde in Zukunft nicht
mehr so viel trinken. Das Ding gestern (…) war genau der Arschtritt, der mir gefehlt
hat. Ich versprech’s dir. Ich versprech’s mir.“
Doch zu Hause angekommen scheinen die Versprechungen wieder vergessen. Alice
schleicht mitten in der Nacht aus dem Haus um heimlich zu trinken, wobei sie sich
sogar aussperrt, so dass sie Michael aus dem Bett klingeln muss.
Am nächsten Morgen ist die Anspannung deutlich zu spüren. Michael hebt ein Ver-
bot, dass Alice ihrer 8-jährigen Tochter Jess (Tina Majorina) auferlegt hatte auf, oh-
ne es vorher mit seiner Frau abgesprochen zu haben. Ihr gegenüber lässt er nur ein
abwertendes Kommentar ab: „Schenk dir erstmal Kaffee ein und konzentrier ich aufs
umrühren, das reicht wohl fürs erste.“
Am folgenden Abend eskaliert die Situation. Während Michael beruflich unterwegs
ist, kommt Alice völlig betrunken mit dem Taxi nach Hause. Sie schickt das Kin-
dermädchen Amy (Lauren Tom) weg und schnauzt Jess, die ihr etwas zeigen will,
                                          10
an, sie solle ihre Hausaufgaben machen. Jess ist verwirrt, folgt ihrer Mutter und fragt
sie besorgt „Mum, bist du krank?“ Doch Alice schreit ihre Tochter nur an und trinkt
sogar vor ihr eine Mischung aus Wodka und Aspirin. Als Jess abermals weinend
fragt, ob sie krank sei, schlägt Alice zu. Während Jess sich daraufhin weinend in ih-
rem Zimmer zurückgezogen hat, fällt Alice beim Duschen durch die Glastür und
bleibt regungslos in den Scherben liegen. Jess findet sie und ruft daraufhin sofort
Michael an, dem sie erzählt „Mami ist tot.“
Am Krankenbett gesteht Alice sich und Michael ihr Alkoholproblem ein „Ich muss,
Michael, ich kann nicht mehr ohne.“ Beide kommen zu dem Entschluss, dass es das
Beste für Alice ist, in eine Klinik zu gehen.
Aus dem Krankenhaus entlassen bringt Michael sie dort hin. Während Alice mit ih-
rem Entzug kämpfen muss, übernehmen Michael und Jess die Rolle der Mutter. Jess
kocht sogar für ihre 4-jährige Schwester Casey mit der Bemerkung „Kinder sind ein-
fach unglaublich. Zuerst will sie überbackenen Toast, dann will sie Thunfisch“. Alle
leiden unter Alice Abwesenheit, vor allem Michael. Er weint alleine und schmeißt
voller Wut alle Alkoholvorräte in den Müll.
Als Alice ihren Entzug durch gestanden hat, gehen Michael und die Kinder sie besu-
chen. Casey ist überglücklich ihre Mutter endlich wieder zu sehen, doch Jess bleibt
distanziert.
Wieder zu Hause zeigen sich die Anspannungen in der Familie. Die Kinder leiden
unter der Abwesenheit ihrer Mutter. Sie streiten sich untereinander oder mit Michael.
Dieser ist völlig überfordert, Arbeit, Haushalt und Kinder unter einen Hut zu be-
kommen. Er ist angespannt und gereizt und auch Amy bekommt das zu spüren.
Dann ist es endlich soweit. Alice darf die Klinik verlassen. Bevor sie geht, schildert
sie ihrer Therapeutin ihre Ängste: „Ich weiß nicht mehr, wie ich mit allem umgehen
soll.“ Als Alice wieder zu Hause ist gehen die Auseinandersetzungen zwischen ihr
und Michael weiter. Er umsorgt sie zu sehr und übernimmt ihre Aufgaben, was sie
zunehmend stört. Nach einem weiteren Streit entscheiden sie sich zur Eheberatung
zu gehen. Doch auch dort finden sie keine Hilfe. Alice beschwert sich über Michaels
übersorgliches Verhalten und Michael konstatiert, er fühle sich „manipuliert (und)
irritiert“. Die Eheberaterin schlägt Michael einen Besuch bei einer Selbsthilfegruppe
vor.
Einige Tage später kommt es abermals zu einem Streit zwischen den Beiden, als Mi-
chael von der Arbeit nach Hause kommt und auf Alice trifft, die sich mit einem

                                           11
Gruppenmitglied, Gary (Philipp Seymour Hoffman), unterhält. Alice: „Glaubst du
ernsthaft, dass zwischen Gary und mir was läuft?“ Michael: „Ich weiß nicht mehr
was ich glauben soll. (…) Ich weiß nicht mehr wann wir uns das letzte Mal so nah
waren.“
Einige Tage und ein Besuch Michaels bei der Al-Anon-Gruppe später, kommt es zu
einer Auseinandersetzung zwischen Michael und Alice, die soweit führt, dass Mi-
chael sich entschließt auszuziehen „Du bist trocken und dennoch hoffnungslos und
vollkommen verwirrt. Pfleg deine Macken, aber bitte allein. (…) Ich liebe dich und
jetzt kannst du mich mal.“
Einige Wochen vergehen. Michael hält nach vier Monaten sein erstes Gespräch bei
der Al-Anon Selbsthilfegruppe, in dem er erklärt, dass es seiner Frau zwar besser
gehen würde, ihm hingegen jedoch nicht, da er sie und seine Töchter vermisst.
Einige Tage darauf treffen Alice und Michael zufällig aufeinander. Sie unterhalten
sich und die Stimmung zwischen ihnen scheint entspannter. Alice lädt Michael zu
ihrer ‚Rede’ bei den Anonymen Alkoholikern ein. Michael freut sich darüber, muss
ihr doch daraufhin mitteilen, dass er sich, wenn sie damit einverstanden ist, versetzen
lässt, weil seine Stelle sonst gefährdet ist. Alice stimmt zu.
Eine Woche später hält Alice bei den ‚AA’ ihre Rede. Sie ist jetzt 184 Tage trocken.
In der Rede zieht sie ein Résumé über den Verlauf ihrer Abhängigkeit und gesteht
sich auch ihre Fehler, die sie ihrer Familie gegenüber gemacht hat, ein. Sie kommt zu
der Erkenntnis: „Es sind niemals die Anderen die uns soweit bringen, dafür sind wir
selbst verantwortlich.“
Nachdem Alice die Rede beendet hat, kommt Michael auf sie zu und entschuldigt
sich bei ihr in der dritten Person: Meine Frau „hat in der ganzen Zeit so viel durch-
gemacht und ich konnte ihr nicht dabei helfen (…) Ich habe alles versucht, außer ihr
wirklich zuzuhören. (…) Dadurch hab’ ich sie im Stich gelassen.“ Alice und Michael
gestehen sich ihre Liebe und versöhnen sich.

4. Sozialpädagogische Filmkritik
Der Film „When a Man Loves a Woman“ handelt von einer Familie, die mit der Al-
koholsucht der Mutter und deren Konsequenzen zu kämpfen hat und befasst sich
demzufolge mit Alkoholismus bei Frauen und dessen Auswirkungen auf die Familie.
In der Bundesrepublik Deutschland leben etwa 1,3 Millionen Menschen mit einem
alkoholabhängigen Partner zusammen. „Auf jeden Fall gibt es mehr Angehörige
(Kinder und Partner), die im Umfeld von Suchtkranken leben, als es Suchtkranke

                                           12
selbst gibt. Dieses oft übersehene Faktum unterstreicht die Notwendigkeit einer ver-
tieften Beschäftigung mit der Lebenssituation und den notwendigen Hilfen für diese
Personengruppe.“26 Auch der von dem Film behandelte Alkoholismus bei Frauen
erfährt in der heutigen Zeit immer mehr Zuwachs. Aufgrund dessen müssen sich So-
zialarbeiter, Sozialpädagogen und andere Berufsgruppen, die in diesem Bereich tätig
sind, immer mehr mit diesem Thema auseinandersetzen. Ob Eheberater, Therapeuten
oder Leiter von Selbsthilfegruppen, sie alle werden tagtäglich mit dem Alkoholismus
bei Frauen und den ‚Folgeschäden’ bei Abhängigen sowie Angehörigen konfrontiert.
Aufgrund dieser steigenden Präsenz der Suchtproblematik ist es von enormer Bedeu-
tung, dass die Gesellschaft, ob betroffen oder nicht, mit diesem Thema in Berührung
kommt und so gut wie möglich darüber informiert wird, um richtig damit umgehen
zu können und somit möglicherweise Betroffenen zu helfen.
Der Film stellt dazu eine sehr gut geeignete Möglichkeit dar, da er sehr realitätsnah
den Verlauf einer Alkoholsucht und die daraus resultierenden sozialen Probleme
innerhalb der Familie darstellt. „Der Film versucht zu zeigen, wie die Therapie und
vor allem das Leben nach der Therapie das Leben in der Familie schwer belastet und
an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führt. Es wird nicht versucht den Kampf gegen
den Alkohol in düsteren Bildern zu malen; das klingt nur am Rande an. Das Haupt-
augenmerk des Films liegt auf den zwischenmenschlichen Problemen und Konflikten
innerhalb der Familie in der Situation.“27
Das Drama zeigt den Alkoholismus in keiner Weise in einer klischeehaften Form.
Ganz im Gegenteil werden die Konflikte und Emotionen der Beteiligten klar und
realistisch dargestellt. So ist auch der Verlauf / die Entstehung der Alkoholsucht bei
Alice der Realität sehr nahe, wobei man hier auch beachten muss, dass jede Sucht
zwar in Grundzügen einem Schema nachzuzeichnen ist, doch immer auch einen sehr
individuellen Charakter aufweist. Bei Alice ist, wie meistens der Fall, der Alkohol zu
Beginn nur ein Mittel um Spaß zu haben. Wenn Alice und Michael ausgehen, trinken
sie beide gerne und genießen die Zeit zusammen. Gerade Michael macht den Ein-
druck, als ob er die spontane und spritzige Art, die seine Frau zeigt, wenn sie getrun-
ken hat, zu genießen scheint. Doch fällt auf, dass er, im Gegensatz zu Alice, nie rich-
tig betrunken ist. Nach und nach wird der Alkoholkonsum bei Alice immer ausge-
prägter. Es geht sogar soweit, dass sie beginnt verantwortungslos zu werden und ihre
Pflichten vernachlässigt. Entschuldigen tut sie sich mit der Begründung: „Du weißt
26
     Das Online Familienhandbuch: Mit einem suchtkranken Partner zusammenleben, Online, a.a.O.
27
     Wikipedia: When a Man Loves a Woman, Online, a.a.O.

                                                 13
nicht was ich durchmache. (…) Meinen Job zum Beispiel, unsere Kinder und den
Laden hier schmeißen. (…) Du fehlst mir wenn du weg gehst.“ Wie typisch für Al-
koholabhängige findet sie genug Gründe ihren Konsum zu rechtfertigen. Anderer-
seits ist aber auch zu beachten, dass die von ihr genannten Gründe zu den heute häu-
figsten Ursachen, die alkoholabhängige Frauen für die Motivation zum Trinken an-
geben, gehören.
Im gemeinsamen Urlaub wird nach einem weiteren Zwischenfall das Problem zum
ersten Mal konkret angesprochen und Alice verspricht sich zu bessern. Michael be-
findet sich hier in der typischen „Anfangsphase“28 eines Co-Abhängigen. Er merkt,
dass seine Frau zu viel trinkt und ermahnt sie den Konsum einzuschränken.
Doch natürlich kann Alice ihr Versprechen nicht halten. Zu Hause trinkt sie weiter.
Der Realität entsprechend trinkt sie jetzt heimlich. Sie zeigt alle typischen Verhal-
tensweisen eines Abhängigen seine Sucht zu vertuschen. Sie trinkt nur Wodka, damit
es keiner riecht, trinkt dann, wenn es keiner bemerkt, beispielsweise wenn ihr Mann
und ihre Kinder schlafen, sie nutzt ein Versteck im Haus, damit keiner den Alkohol
findet und sie packt sogar die leeren Flaschen in Papier, bevor sie diese in den Müll
wirft. Auch bei Michael schreitet die Co-Abhängigkeit fort, was sich zeigt, als er
beginnt über Alice Kopf hinweg zu entscheiden um ihr dadurch Verantwortung ab-
zunehmen. Obwohl Alice ihrer Tochter verboten hat, ihre Freundin zu besuchen,
ignoriert Michael dies und erlaubt es ihr. Alice hingegen ist damit nicht geholfen.
Am folgenden Tag eskaliert die Situation. Alice kommt so betrunken nach Hause,
dass sie sich kaum aufrecht halten kann. Vor ihrem Kindermädchen Amy versucht
sie ihre Trunkenheit vergeblich zu vertuschen, in dem sie ihr erzählt, sie hätte wohl
etwas Schlechtes gegessen. Besonders zu spüren bekommt den Zustand von Alice an
diesem Abend Jess. Alice schreit und schnauzt sie nur an, was das Mädchen verwirrt.
Sie versteht nicht recht, was mit ihrer Mutter los ist und sorgt sich um sie „Mum, bist
du krank?“ Doch Alice ist so betrunken, dass sie nicht mehr klar denken kann. Sie
trinkt sogar vor ihrer Tochter und schlägt sie. Jess zieht sich zurück und weint und
muss ihre Mutter später noch regungslos am Boden liegend sehen, nachdem diese
durch die Glastür der Dusche gefallen ist. Jess hat ungeheure Angst und sie glaubt
sogar ihre Mutter wäre tot. Diese Situation ist zwar in Anbetracht des Unfalls indivi-
duell, doch in der Regel sind es die Kinder, welche die Launen der Betrunkenen er-

28
     Siehe: A – Connect e.V.: Alkoholismus als Familienkrankheit, Online, a.a.O.

                                                   14
tragen müssen, Gewalt erfahren und, meistens auch alleine, Zeuge der Zusammen-
brüche des Süchtigen werden.
Erst nach diesem Vorfall kann sich Alice ihre Krankheit eingestehen. „Ich muss Mi-
chael, ich kann nicht mehr ohne.“ Dieses Phänomen ist auch sehr typisch. Erst als
sie, wie Therapeuten es gerne umgangssprachlich ausdrücken, „auf die Schnauze
gefallen ist“, wird ihr die Ernsthaftigkeit der Lage bewusst. Der Abhängige muss erst
selbst zu der Erkenntnis gekommen sein, dass er ein Problem hat, bevor er dagegen
kämpfen kann.
Auch die Umstände in der Entzugsklinik spiegeln die Realität wider. Alice bekommt
bei der Begrüßung ihre Taschen durchsucht und darf auch der Wirklichkeit entspre-
chend während des Entzugs keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Auch wenn die
Phase des Entzugs nur sehr kurz in einer Szene angeschnitten wird, zeigt er die harte
Realität. Man sieht Alice ihren schlechten körperlichen Zustand an und auch ihre
Hysterie und Aggressivität sind typische Folgen eines Entzugs.
Während Alice alleine mit ihrem Entzug zu kämpfen hat, zeigt der Film sehr klar und
realistisch mit welchen Problemen die Angehörigen zu Hause zu kämpfen haben.
Besonders die Situation der Kinder wird verdeutlicht. Die 8-jährige Jess verfällt in
die in Fachkreisen bezeichnete Rolle des „Heldenkindes“29. Sie übernimmt die Auf-
gaben im Haushalt und fühlt sich für ihre kleine 4-jährige Schwester Casey verant-
wortlich. Besonders deutlich zeigt sich die Übernahme dieser Rolle, als Michael auf
seine Tochter trifft, die auf einem Hocker am Herd sitzt und meint: „Kinder sind ein-
fach unglaublich. Zuerst will sie überbackenen Toast, dann will sie Thunfisch“. Ob-
wohl sie selbst noch ein Kind ist, spricht sie wie eine Erwachsene.
Im darauf folgenden Gespräch zwischen Michael und seinen Töchtern wird klar, dass
die Kinder die Sucht ihrer Mutter auch schon zu Anfang bemerkt haben. Casey kann
zwar im Gegensatz zu Jess noch nicht richtig verstehen, was ein Alkoholiker ist,
doch zeigt sich, dass auch sie gemerkt hat, wenn ihre Mutter geweint hat oder, wie
Jess sagt, ihre Mutter so geredet hat, „als wäre sie ganz doll müde“. Der Film zeigt,
wie es wirklich ist. Auch wenn die Kinder noch klein sind, heißt das nicht, dass sie
nicht merken, was um sie herum geschieht.
Auch Michaels Situation, als Partner der Alkoholkranken, wird deutlich. Er weint,
wenn er alleine ist und schmeißt voller Wut die Alkoholflaschen, die er im Haus fin-
det, in den Eimer.

29
     Siehe: A – Connect e.V.: Alkoholismus als Familienkrankheit, Online, a.a.O.

                                                   15
Der Besuch der Familie in der Klinik zeigt ebenso realistische Szenen. Die kleine
Casey ist überglücklich, ihre Mutter zu sehen, Jess hingegen, die hautnah den Zu-
sammenbruch der Mutter miterlebt hat, ist distanziert. Auch wird dargestellt, dass die
Gruppenmitglieder für Alice sehr wichtig sind: „Ich brauch’ die Leute hier ganz
dringend.“ Es ist meistens bei Süchtigen der Fall, dass Gleichgesinnte eine entschei-
dende Rolle spielen, da sie besser als jeder andere wissen, wie es einem geht, der mit
einer Sucht zu kämpfen hat. Das zeigt sich in dem Film auch in der folgenden Szene.
Als Alice die Klinik verlässt, spricht sie mit ihrer Therapeutin, die selbst zwei Thera-
pien hinter sich hat. Ihr, einer Person, die dasselbe durchgemacht hat wie sie, kann
sie sich anvertrauen und gestehen: „Ich weiß nicht mehr, wie ich mit allem umgehen
soll. (…) Ich werde ihn bestimmt enttäuschen. Ich bin nicht mehr die, die er mal ge-
heiratet hat und wer ich jetzt bin, das weiß ich auch nicht.“ Sogar die Tatsache, dass
die Therapeutin selbst trockene Alkoholikerin ist, spiegelt die Realität wider. So ist
es heutzutage immer häufiger der Fall, dass die Therapeuten von Süchtigen selbst
einmal mit der Sucht kämpfen mussten, die sie dann bei ihren Patienten behandeln.
Wieder zu Hause wird Michaels Co-Abhängigkeit immer deutlicher. Er will seiner
Frau Belastung und Verantwortung abnehmen. Er übernimmt alle Aufgaben im
Haushalt und geht sogar dazwischen, als Alice einen Streit zwischen den Kinder
schlichten will: „Egal worum es geht, ihr müsst Mami nicht damit behelligen.“ Die-
ses Verhalten führt folglich zu einem Streit zwischen Alice und Michael. Doch Mi-
chael verfällt weiter in co-abhängiges Handeln, als er ihr anbietet, ein paar Tage
wegzufahren, um den Stress hinter sich zu lassen. Wieder will er sie vor weiteren
Belastungen schützen. Doch Alice hält das für unangebracht, da sie erst versuchen
will, den Alltag zu bewältigen, statt vor ihm zu fliehen.
Auch in der Eheberatung, zu der sie sich entschieden haben, kommen sie nicht wei-
ter. Einige Tage und einige Streitereien später, kommt es zu einer Auseinanderset-
zung, in der sich zeigt, dass Michael die letzte Phase, die „kritische Phase“30, der Co-
Abhängigkeit erreicht hat. Er sieht eigenes Fehlverhalten ein und erkennt, auch eige-
ne Bedürfnisse zu haben. Er merkt, dass es an der Zeit ist loszulassen. Er trennt sich.
Doch auch Alice Gefühle kommen in diesem Streit genauer zum Vorschein: „Ich bin
kein Problem, das du lösen musst (…) Du gibst mir das Gefühl, als wäre ich ein
dummes, wertloses, schwaches Tier, Michael. (…) Ich kann mir vorstellen, dich
wieder zu lieben, wenn du doch nur einmal ‚ich weiß nicht’ sagen könntest.“ Auch

30
     Siehe: A – Connect e.V.: Alkoholismus als Familienkrankheit, Online, a.a.O.

                                                   16
bei Alice wird hier deutlich, dass sie jetzt Zeit für sich braucht, um ihr Leben wieder
in den Griff zu bekommen. Auch in der realen Welt kommt es in den meisten Fami-
lien, in denen ein Partner mit einer Sucht zu kämpfen hat, zu einer Trennung, wobei
diese oft schon vor der Therapie, also in der noch ‚aktiven Phase’ des Abhängigen,
vollzogen wird.
In einem Gespräch am nächsten Tag zwischen Alice und Jess wird die Aufmerksam-
keit wieder den verwirrten und absolut nachvollziehbaren Gefühlen des Kindes ge-
schenkt. Jess kann nicht verstehen, warum Michael fort ist: „Hat er uns verlassen?“
Alice: „Gib nicht ihm die Schuld.“ Jess: „Aber warum tut er dann so was?“
Einige Wochen vergehen. Michael besucht weiterhin die Selbsthilfegruppe für An-
gehörige von Alkoholikern, ‚Al-Anon’, die es auch in Wirklichkeit gibt, und meldet
sich nach vier Monaten zum ersten Mal zu Wort.
Zur Versöhnung der Beiden, die ich als einziges am Film als etwas unrealistisch an-
sehe, kommt es, nachdem Alice ihre Rede bei den Anonymen Alkoholikern gehalten
hat. In der Rede, die auch in Wirklichkeit nach sechs Monaten der ‚Trockenheit’
stattfindet, sieht Alice ihre Fehler ein. Nicht untypisch ist auch, dass sie im Rück-
blick auf die Entstehung ihrer Abhängigkeit die Alkoholsucht ihres Vaters erwähnt.
So ist laut wissenschaftlichen Untersuchungen Alkoholismus zu einem Großteil erb-
lich bedingt. Goodwin et al. gehen sogar davon aus, dass 90 % der Alkoholikertöch-
ter im Vergleich zu 50 % der Alkoholikersöhne selbst alkoholkrank werden.31
Nach der Rede kommt der etwas übertriebene Part des Films. Michael kommt auf
Alice zu und entschuldigt sich in einer Art „Meine Frau ist Alkoholikerin“-
Ansprache in der dritten Person bei seiner Frau und gesteht ihr vor den um sie herum
stehenden Personen seine Liebe. Sie fallen sich in die Arme und küssen sich leiden-
schaftlich.
Das Ende ist zwar insofern geschlossen, das klar ist, dass sie wieder zueinander ge-
funden haben, doch bleibt offen, wie es jetzt weiter geht. Aber das ist dann pragma-
tischerweise der Fantasie des Zuschauers überlassen.

5. Persönliche Einschätzung
Nach meiner Meinung ist der Film sehr gut gelungen. Er stellt in realistischer Weise
den Verlauf und die Probleme des Alkoholismus dar. Es wird nicht klischeehaft eine

31
   Siehe: Mauthe, Karin: Zur Bedeutung wahrgenommener sozialer Unterstützung bei Frauenalkoho-
lismus. a.a.O., S. 9

                                              17
Familie der unteren sozialen Schicht dargestellt, sondern der Realität entsprechend,
eine Familie, in der beide Elternteile in gut angesehenen Berufen tätig sind.
Die Schauspieler tragen zu einem großen Teil zu der Glaubwürdigkeit der Thematik
bei. Alle Hauptdarsteller sind überzeugend und können mit absoluter Echtheit die
Gefühle, die eine Sucht mit sich bringt, zum Ausdruck bringen. Besonders beeindru-
ckend ist die Leistung von Tina Majorino (Jess), die sogar in ihren Augen mit einer
unglaublichen Echtheit die Trauer, Angst, Verzweiflung und Wut, die sie in den je-
weiligen Situationen empfindet, widerspiegelt. Auch die Dialoge sind meines Erach-
tens sehr gelungen, da sie klar, verständlich und realistisch die Gefühle und Proble-
me der Familie wiedergeben und durch ihre Echtheit, wiederum Dank der Leistung
der Schauspieler, die Herzen der Zuschauer berühren.
Es gibt lediglich zwei Punkte, bei denen ich der Ansicht bin, dass sie nicht unbedingt
der ‚Normalität’ entsprechen. So wird zum einen in keiner Weise deutlich, ob Alice
Probleme bei der Arbeit bekommt. Es scheint eher ganz selbstverständlich zu sein,
dass sie nach der Therapie wieder zu Hause weiterarbeitet. In der Realität ist das je-
doch ein entscheidendes Kriterium, das die Familie zusätzlich belastet, da der Ab-
hängige entweder die Arbeitsstelle verliert oder darum kämpfen muss, dort wieder
Fuß zu fassen.
Zum anderen erscheint mir, wie schon erwähnt, die Schluss-Szene nicht sehr realis-
tisch. Ein positives Ende gibt es leider nur selten und auch die Art der Versöhnung
scheint mir eher realitätsfern und ist wohl normalerweise nur in der fiktiven Welt zu
finden. Jedoch ist das zu verzeihen, da ein solch dramatischer Film, wenn auch rea-
listisch, immer noch zum Großteil der Unterhaltung dient und daher ein ausge-
schmücktes Happy End nicht zu verurteilen ist.
Abschließend bleibt nur zu sagen, dass der Film, meiner Meinung nach, auch gut
geeignet wäre, um ihn bei der Ausbildung von Sozialpädagogen und Sozialarbeitern
einzusetzen, da er die Thematik des Alkoholismus nicht übertrieben, klischeehaft
oder gar beschönigend darstellt, sondern klar zeigt, dass Alkoholismus eine Krank-
heit ist, die der Behandlung bedarf und deren Auswirkungen auf die Familie und die
damit verbundenen Konsequenzen, Themengebiete sind, mit denen sich jeder Sozial-
pädagoge auseinandersetzen sollte.
Zum Abschluss möchte ich ein Zitat von Alice aus ihrer Abschlussrede aufgreifen,
dass sich jeder Süchtige und Angehörige zu Herzen nehmen sollte: „Es sind niemals
die Anderen, die uns soweit bringen, dafür sind wir selbst verantwortlich.“

                                          18
Literaturverzeichnis

   -   A – Connect e.V.: Alkoholismus als Familienkrankheit, URL:
       http://www.a-connect.de/familie.htm
       (Stand: 22.05.06)

   -   Das Online – Familienhandbuch: Mit einem suchtkranken Partner zusammen-
       leben, URL:
       http://www.familienhandbuch.de/cmain/f_Aktuelles/a_Partnerschaft/s_636.ht
       ml (Stand: 22.05.06)

   -   Fichter, Manfred M. / Frick, Ulrich: Therapie und Verlauf von Alkoholab-
       hängigkeit. Auswirkungen auf Patient und Angehörige, Berlin Heidelberg:
       Springer–Verlag 1992

   -   Jerabek, Petr: Flucht in die Sucht, URL:
       http://www.lichtblick-newsletter.de/theabh3.html
       (Stand: 22.05.06)

   -   Mauthe, Karin: Zur Bedeutung wahrgenommener sozialer Unterstützung bei
       Frauenalkoholismus, Phil. Diss. Tübingen 1996

   -   Mayer, Karl C.: Alkoholismus – Folgen, URL:
       http://www.neuro24.de/alkholismus.htm
       (Stand: 22.05.06)

   -   Psychosomatische Fachklinik Münchwies (Hrsg.): Münchwieser Hefte. Son-
       derheft Nr. 1, Informationen für Angehörige zu Sucht, Co-Abhängigkeit und
       Suchtbehandlung, St. Ingbert: Westpfälzische Verlagsdruckerei, 3. Aufl.
       2004

   -   Schmidt, Lothar: Alkoholkrankheit und Alkoholmißbrauch. Definitionen –
       Ursachen – Folgen – Behandlung, Stuttgart: Kohlhammer 1986

   -   Wikipedia: When a Man Loves a Woman, URL:
       http://de.wikipedia.org/wiki/When_a_Man_Loves_a_Woman
       (Stand: 22.05.2006)

                                        19
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