White Paper SSTI Betrachtung möglicher Auswirkungen des Betriebes von HGÜ-Systemen im Netz auf die Wellenstränge von Turbosätzen in Kraftwerken ...
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White Paper SSTI Betrachtung möglicher Auswirkungen des Betriebes von HGÜ-Systemen im Netz auf die Wellenstränge von Turbosätzen in Kraftwerken 1. Ausgabe Oktober 2020 Erstellt von Kraftwerksbetreibern im VGB PowerTech und den deutschen Übertragungsnetzbetreibern unter Einbeziehung von Hochschulen sowie Herstellern Stand: 1. August 2021
Inhalt 1 Einleitung, Zielstellung .......................................................................................... 5 1.1 Geltungsbereich/Betrachtungsumfang ..................................................................... 5 2 Übersicht Netzumbau/Netzmodifikation durch HGÜ-Systeme ...................................... 6 3 Notwendiger Informationsaustausch (relevante HGÜ-Systeme, relevanter Übertragungsnetzbetreiber, relevante Kraftwerksanschlüsse) ......................................... 7 3.1 Zielsetzung......................................................................................................... 7 3.2 Informationsaustausch für den Netzanschlussprozess ................................................... 7 3.2.1 Informationsaustausch im Rahmen der notwendigen Studien ................................... 7 3.2.2 Informationsaustausch im Rahmen des Betriebserlaubnisverfahrens ........................... 8 3.3 Informationsaustausch während der gesamten Lebensdauer.......................................... 8 4 Notwendige Analysen zur Untersuchung von SSTI-Phänomenen im Zusammenhang mit HGÜ-Systemen ............................................................................................... 9 4.1 Nationale und Europäische Regelsetzungen.............................................................. 9 4.2 Analysen ........................................................................................................... 9 4.2.1 UIF – Screening .......................................................................................... 10 4.2.2 Detailanalysen ............................................................................................ 11 4.2.3 Anforderungen an die Modelle ...................................................................... 13 4.3 Fazit ............................................................................................................... 15 4.4 Kurzbeschreibung Modelle .................................................................................. 16 4.4.1 Wellenstrangmodelle ................................................................................... 16 4.4.2 Ersatzschaltbilder der Generatoren für die Berechnung von SSTI ........................... 18 5 Anforderungen an HGÜ-Regelung und HGÜ-Schutzsysteme ....................................... 20 5.1 Einleitung ......................................................................................................... 20 5.2 Definition der Grundlagen für die Klassifizierung von HGÜ-Systemen ........................... 21 5.2.1 Technischer Aufbau ..................................................................................... 21 5.2.2 Verwendete Regelungssysteme in Bezug auf die Anwendung und die verwendeten Regelmodi .................................................................... 22 5.2.3 Vorgaben aus dem Europäischen Regelwerk .................................................... 22 5.2.4 Angewendete Standards für den Betrieb von Turbomaschinen und Generatoren ...... 23 5.2.5 Aufgaben der Regelung und des Schutzes in Bezug auf die Vermeidung von Torsionsschwingungen ............................................................................ 23 5.3 Konzepte für den leittechnischen Aufbau der Regelung .............................................. 25 5.3.1 Eingesetzte Konzepte für Regelung.................................................................. 25 5.3.2 Überwachung der Regelung (z. B. Selbstüberwachung Hardwarefehler)................. 25 5.3.3 Fehlerannahmen und Randbedingungen für die Auslegung einer robusten Regelung . 25 5.4 Maßnahmen zur Prüfung der Robustheit der Regelung ............................................... 25 5.4.1 Notwendige Eingabekriterien ........................................................................ 25 5.4.2 Rahmenbedingungen für die Softwareprüfung (Szenarien und Fehlerannahmen) ....... 26 3
5.4.3 Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen verschiedenen HGÜ-Systemen ....... 26 5.4.4 Rahmenbedingungen für Hardwareprüfungen ................................................... 26 5.4.5 Rückwirkungen auf die Kraftwerksregelung ....................................................... 26 5.5 Klassifizierung und Empfehlungen zur Dämpfung subsynchroner Resonanzen ................. 27 5.5.1 Klassifizierung von HGÜ-Systemen .................................................................. 27 5.5.2 Definition der Empfehlungen zur Sicherstellung der Robustheit des Gesamtsystems .... 28 6 Literatur............................................................................................................ 29 7 Abkürzungsverzeichnis........................................................................................ 31 8 Abbildungsverzeichnis: ....................................................................................... 33 9 Anhang ........................................................................................................... 34 10 Autoren ........................................................................................................... 41 Stand: 1. August 2021: Ergänzung Liste „Kraftwerke“, Seite 38, sowie der Karten „HGÜ-Anschlussknoten“, Seiten 39 und 40. 4
1 Einleitung, Zielstellung Mit zunehmender Einspeisung aus erneuerbaren Energien nimmt auch die Anzahl leistungselektroni- scher Stellglieder in Europa und insbesondere in Deutschland zu und die Energieerzeugung durch thermische Kraftwerke verringert sich. Der Stromtransport per Hochspannungs-Gleichstrom- Übertragung (HGÜ) wird mit der wachsenden Nutzung sowohl von Offshore- als auch von On- shore-Windenergieanlagen immer wichtiger. Entsprechend verändert sich auch die Netztopologie. Im Weiteren werden die o. g. technischen Einrichtungen als „HGÜ-Systeme“ zusammengefasst, sofern keine bewusste Unterscheidung erfolgen soll. Bestehende Erzeugungsanlagen, z. B. thermische Kraftwerke und deren Regelungssysteme, intera- gieren mit Regelungen der HGÜ-Systeme. Thermische Kraftwerke haben rotierende (träge) Massen mit den dazugehörigen Regelsystemen. HGÜ-Systeme können Regelvorgänge schnell umsetzen. Die Wechselwirkung von Torsionsschwingungen des Wellenstranges eines Kraftwerkes und der über das Übertragungsnetz verbundenen anderen Betriebsmittel, wie z. B. HGÜ-Systeme, wird als Sub- Synchronous Torsional Interaction (SSTI) bezeichnet. Berücksichtigt die Auslegung und Parametrie- rung der im Eingriff befindlichen Regelsysteme nicht die Charakteristika der jeweils anderen Kom- ponenten, können u. a. unzulässige Belastungen am Wellenstrang von Kraftwerken auftreten. Daher sind die HGÜ-Systeme so sicher zu konzipieren, dass keine zusätzlichen negativen Belastungen für einen Wellenstrang von Kraftwerken durch Torsionsschwingungen entstehen können. Damit die HGÜ-Technik sicher und einheitlich in das Netz eingebunden werden kann, hat VDE|FNN im August 2018 in Umsetzung des geltenden Europäischen Network Code High Voltage Direct Current (NC HVDC) die Anwendungsregel „Technische Anschlussregeln für HGÜ-Systeme und über HGÜ-Systeme angeschlossene Erzeugungsanlagen“ veröffentlicht. Das vorliegende White Paper wurde gemeinsam zwischen den deutschen Übertragungsnetzbetrei- bern (ÜNB) und Kraftwerksbetreibern unter Einbeziehung von Hochschulen und Herstellern erstellt. Es gibt eine Übersicht bezüglich der derzeitigen Netzmodifikationen im deutschen Übertragungs- netz. Weiterhin werden Abläufe sowie Vorgehensweisen zur Einbindung von HGÜ-Systemen durch Informationsaustausch und Zusammenarbeit zwischen ÜNB, HGÜ-Betreibern und Kraftwerksbetrei- bern vorgestellt. Es werden notwendige Analysen zur Absicherung der HGÜ-Reglerauslegung be- schrieben und erläutert. Abschließend wird ein kurzer Überblick über Anforderungen an HGÜ- Regelungen und Schutzsysteme gegeben. Das vorliegende White Paper stellt die grundsätzlichen Zusammenhänge dar und gibt gemeinsame Empfehlungen zur Vorgehensweise zur Vermeidung unzulässiger SSTI-Beanspruchungen. Dies schafft eine Basis, auf der die beteiligten Partner (HGÜ-Betreiber, Übertragungsnetzbetreiber und Kraftwerksbetreiber) projektspezifische Vereinbarungen treffen sollten, um die zukünftige Energiever- sorgung mit den kommenden Veränderungen robust und sicher zu gestalten und einen entsprechen- den Erfahrungsrückfluss beim Betrieb der HGÜ-Systeme zu ermöglichen. Durch die Anwendung des White Papers ggf. entstehende kommerzielle Aufwendungen werden in diesem nicht geregelt und sind bei Bedarf in dem Projekt zwischen den beteiligten Parteien zu vereinbaren. 1.1 Geltungsbereich/Betrachtungsumfang Durch elektrische Störmomente, z. B. verursacht durch Schalthandlungen, Kurzschlüsse oder Stör- größen im elektrischen System, können die Wellenstränge von Kraftwerksturbosätzen zu Torsions- schwingungen angeregt werden. Die damit verbundene mechanische Beanspruchung der Welle hängt sowohl von der Höhe, Art und Dauer der Anregung als auch von deren Abklingverhalten, d. h. von den Eigenschaften des gekoppelten elektromechanischen Schwingungssystems, ab. 5
Bei Torsionseigenfrequenzen des Turbosatzes im subsynchronen Frequenzbereich sind unter gewis- sen Bedingungen Wechselwirkungen des HGÜ-Systems mit dem Kraftwerksturbosatz über das um- gebende Netz möglich: In Übertragungsnetzen mit Reihenkompensation kann es zu dem Phänomen der Subsyn- chronen Resonanz (SSR) kommen, wenn die durch die subsynchrone Torsionsschwingung induzierten Ankerspannungskomponenten in der Nähe einer Eigenfrequenz des reihenkom- pensierten Übertragungsnetzes liegen. Durch aktive Netzelemente bzw. Regelungseinrichtungen (z. B. Spannungsregler und Pen- deldämpfungsgerät, Turbinenregler, HGÜ-Regelung usw.) kann es zu dem Phänomen der SSTI kommen, wobei die aktiven Netzelemente das Dämpfungsverhalten der Torsions- schwingungen beeinflussen. Im Folgenden wird das Phänomen SSTI im Zusammenhang mit HGÜ-Systemen betrachtet und auf- gezeigt, welche Analysen zur Vermeidung von negativen SSTI-Phänomenen notwendig sind. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass: das Phänomen SSTI nicht ausschließlich im Zusammenhang mit HGÜ-Systemen zu sehen ist, sondern im Allgemeinen durch aktive Netzelemente entstehen kann. Beispiele sind u. a. in [1] aufgeführt. aktive Netzelemente das Dämpfungsverhalten der Torsionsschwingungen sowohl positiv als auch negativ beeinflussen können, wobei ausschließlich negative Wechselwirkungen zu vermeiden sind. 2 Übersicht Netzumbau/Netzmodifikation durch HGÜ-Systeme Die im Anhang 1 beigefügte Gesamtübersicht (Karte und Auflistung) mit Stand Oktober 2020 der installierten und geplanten HGÜ-Systeme und Flexible AC Transmission Systems (FACTS) vermittelt einen Eindruck, wie die örtliche Verteilung der genannten Systeme zu erwarten ist und ermöglicht eine erste Einschätzung, welche Kraftwerke von einer Wechselwirkung betroffen sein könnten. Die präzise Einzeichnung des Wirkradius jedes HGÜ-Systems, in dem eine Wechselwirkung zwi- schen den im Radius liegenden Kraftwerken und dem HGÜ-Systems eintreten kann, war im Rahmen der Bearbeitung nicht möglich. Diese Aussage setzt konkrete Untersuchungen im Sinne von projekt- spezifischen Studien voraus. Die Spannungsebenen 380 kV und 220 kV werden betrachtet. Sollte eine Relevanz für Kraftwerke an der unterlagerten Spannungsebene 110 kV bestehen, werden diese in die Analysen einbezo- gen. Für technische Erläuterungen wird auf Kapitel 4 „Notwendige Analysen zur Untersuchung von SSTI- Phänomenen im Zusammenhang mit HGÜ-Systemen“ verwiesen. Anmerkungen: Die Netzanbindung von Onshore-Windparks unterliegt im Gegensatz zu den anderen betrachteten HGÜ-Systemen nicht der VDE-AR-N 4131, sondern der VDE-AR-N 4130 für den Anschluss von Erzeugungsanlagen. Die FACTS werden eigenverantwortlich durch die Übertragungsnetzbetreiber nach gültigen VDE- Vorschriften und Normen errichtet und betrieben. Notwendige Studien werden im Bedarfsfall in Abstimmung zwischen dem relevanten Übertragungsnetzbetreiber und den relevanten Kraftwerken durchgeführt. 6
3 Notwendiger Informationsaustausch (relevante HGÜ-Systeme, relevanter Übertra- gungsnetzbetreiber, relevante Kraftwerksanschlüsse) 3.1 Zielsetzung Dieser Berichtsteil beschäftigt sich mit dem notwendigen Informationsaustausch zwischen HGÜ- Systemen, Kraftwerken und ggf. anderen Netzanschlüssen zur Gewährleistung eines sicheren Netzbetriebes in Bezug auf SSTI. 3.2 Informationsaustausch für den Netzanschlussprozess Mit der VDE-Anwendungsregel VDE-AR-N 4131 wurden die Anforderungen an HGÜ-Systeme aus der „Verordnung (EU) 2016/1447 der Kommission vom 26. August 2016 zur Festlegung eines Netzkodex mit Netzanschlussbestimmungen für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungssysteme und nichtsynchrone Stromerzeugungsanlagen mit Gleichstromanbindung“ (NC HGÜ) national um- gesetzt. Der NC HGÜ regelt u. a. den Nachweis der Einhaltung der allgemeinen technischen Mindestan- forderungen und den notwendigen Informationsaustausch zwischen Anschlussnehmer und An- schlussgeber sowie den zweckgebundenen Informationsaustausch zu relevanten Parteien. 3.2.1 Informationsaustausch im Rahmen der notwendigen Studien Der notwendige Informationsaustausch bei Netzstudien bezüglich Interaktionen ist in der VDE-AR-N 4131 in Kapitel 10.1.19 ausführlich beschrieben. Der notwendige Informationsaustausch bei Netzstudien zur Dämpfung subsynchroner Schwingun- gen ist in der VDE-AR-N 4131 in Kapitel 10.1.21 ausführlich beschrieben. Der relevante Netzbetreiber stellt den für den neu zu errichtenden HGÜ-Anschluss relevanten Kraft- werken (gemäß VDE-AR-N 4131 „Erzeugungsanlagen Typ 1“) die folgenden Informationen im Rahmen der Anschlussstudien bereit und stellt die Mitwirkung der relevanten Kraftwerksbetreiber sicher: Information über die Ergebnisse des UIF-Screenings an die relevanten Kraftwerke, mit denen die detaillierte SSTI-Studie durchgeführt wird. Diese Information soll möglichst frühzeitig an die betroffenen Kraftwerke übergeben werden, um die erforderlichen Aktivitäten des Kraft- werksbetreibers einplanen zu können. Aktive Einbeziehung der gemäß UIF-Screening relevanten Kraftwerke bezüglich der Arbeits- punkte und Kraftwerksdaten für die detaillierte SSTI-Studie. Zeitpunkt für die Übergabe der relevanten Arbeitspunkte und Kraftwerksdaten durch den Kraftwerksbetreiber für SSTI-Untersuchungen. Dabei ist zu beachten, dass die Beschaffung der relevanten Daten bis zu 18 Monate in Anspruch nehmen kann. Aktive Einbeziehung der gemäß UIF-Screening relevanten Kraftwerke an Gesprächen zu wesentlichen Ergebnissen der SSTI-Studie. Informationsaustausch bezüglich der Netzstudien (das HGÜ-System muss laut VDE-AR-N 4131 im gesamten Betriebsbereich die Anforderungen erfüllen): o Betriebsbereich und der Rahmen der Nutzungsfälle o Arbeitspunkte relevante Kraftwerke und HGÜ-Systeme o Die Auswahl relevanter Netz- und Kraftwerkssituationen ist weitgehend dem Exper- ten zugeordnet, der die Studie durchführt. 7
Zeitpunkt und Einladung zur Vorstellung und Übergabe der Ergebnisse der SSTI-Studie. Da- bei ist zu beachten, dass ggf. Maßnahmen durch den Kraftwerksbetreiber abgeleitet wer- den, deren Umsetzung einen entsprechenden zeitlichen Vorlauf vor IBN des HGÜ-Systems erfordern. Verzahnung mit Kapitel Netzumbau/Netzmodifikation durch HGÜ-Systeme (siehe Kapitel 2): Die relevanten Informationen zu den Standorten von HGÜ-Systemen sind über den Netzentwick- lungsplan Strom und den Offshore-Netzentwicklungsplan Strom in der jeweiligen gültigen Fassung öffentlich verfügbar: http://www.netzentwicklungsplan.de/de Diese Informationen wurden in dem vorliegenden White Paper ergänzt und geeignet aufbereitet. Verzahnung mit Kapitel Netzanalysen (siehe Kapitel 4): Der für die beschriebenen Netzanalysen notwendige Informationsaustausch ist bereits über die Vor- gaben der VDE-AR-N 4131 Kapitel 10.1.21 abgedeckt. 3.2.2 Informationsaustausch im Rahmen des Betriebserlaubnisverfahrens Der notwendige Informationsaustausch bei Inbetriebnahme von HGÜ-Systemen ist in der VDE-AR-N 4131 in Kapitel 4.2.1 ausführlich beschrieben. Folgende Zeitpunkte des Betriebserlaubnisverfahrens sind ca. 3 Monate vorab zu kommunizieren: Zeitpunkt der Erlaubnis zur Zuschaltung (EZZ) - Zuschaltung der Eigenbedarfseinrichtungen Zeitpunkt der vorübergehenden Betriebserlaubnis (VBE) - Beginn der aktiven Nutzung Folgende Zeiten des Betriebserlaubnisverfahrens sind vorab zu kommunizieren: voraussichtlicher Zeitpunkt der endgültigen Betriebserlaubnis (EBE) - Beginn Aufnahme be- stimmungsgemäßer Betrieb Dauer der beschränkten Betriebserlaubnis (BBE) - Abweichungen vom bestimmungsgemäßen Betrieb 3.3 Informationsaustausch während der gesamten Lebensdauer Der notwendige Informationsaustausch bei Wiederholung von Teilen des Konformitätsnachweises von HGÜ-Systemen ist in der VDE-AR-N 4131 in Kapitel 11.4 ausführlich beschrieben. 8
4 Notwendige Analysen zur Untersuchung von SSTI-Phänomenen im Zusammenhang mit HGÜ-Systemen Das Regelungssystem einer HGÜ wirkt unter anderem im Frequenzbereich der subsynchronen Torsi- onsschwingungen und kann daher auf die Dämpfung der Schwingungen Einfluss nehmen. Es ist gemäß VDE-AR-N 4131 die Aufgabe von Netzbetreibern und Systemtechnikherstellern sicher- zustellen, dass kein negativer Einfluss des Regelungssystems der HGÜ auf die Dämpfung der sub- synchronen Torsionsschwingungen entsteht. Die Kraftwerkshersteller und Kraftwerksbetreiber liefern die notwendigen Eingangsdaten und bringen ihre Erfahrungswerte in die Untersuchungen ein. Durch die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten sollen negative Auswirkungen des HGÜ-Systems auf die relevanten Kraftwerke vermieden werden. Die Ausführungen in diesem Kapitel 4 beziehen sich ausschließlich auf den subsynchronen Fre- quenzbereich. Anmerkung: Untersuchungen haben gezeigt, dass elektrische Störmomente im Allgemeinen – z. B. verursacht durch Kurzschlüsse – Torsionsschwingungen auch im supersynchronen Frequenzbereich sowie infol- gedessen Schaufelschwingungen anregen können. Eine Anregung durch HGÜ-Systeme ist nach heutigem Wissensstand in diesem Frequenzbereich nicht bekannt. Sollte eine Anregung durch HGÜ-Systeme nachgewiesen werden (z. B. durch Simulationen oder Messungen), wird das Doku- ment entsprechend erweitert. 4.1 Nationale und Europäische Regelsetzungen Die Art und der Umfang der im Zusammenhang mit SSTI durchzuführenden Analysen sind festgelegt in: Commission Regulation (EU) 2016/1447 of 26 August 2016 establishing a network code on requirements for grid connection of high voltage direct current systems and direct current- connected power park modules (NC HVDC) [2] Deutsch: Verordnung (EU) 2016/1447 der Kommission vom 26. August 2016 zur Festle- gung eines Netzkodex mit Netzanschlussbestimmungen für Hochspannungsgleichstrom- Übertragungssysteme und nichtsynchrone Stromerzeugungsanlagen mit Gleichstromanbin- dung (NC HGÜ) [2] Der Network Code ist wiederum Basis der nationalen Regelsetzung und Anwendungsregel: VDE-AR-N 4131, Technische Anschlussregeln für HGÜ-Systeme und über HGÜ-Systeme angeschlossene Erzeugungsanlagen [3] Die in diesen Regelwerken aufgeführten Anforderungen sind nach Inkrafttreten bindend. 4.2 Analysen Die Netzanalysen zur Vermeidung von SSTI-Phänomenen werden grundsätzlich in zwei Schritten durchgeführt: 1. Screening, d. h. Identifikation der relevanten Kraftwerksblöcke, die einer Detailanalyse bedürfen 2. Detailanalyse der relevanten Kraftwerksblöcke 9
4.2.1 UIF – Screening Von hoher Wichtigkeit für die Bewertung der Gefahr von SSTI ist die relative Größe (Bemessungs- leistung) des HGÜ-Systems am Anschlusspunkt im Vergleich zur Bemessungsleistung des zu untersu- chenden Kraftwerksblockes: . ெಹೇವ ௌಸೠ ଶ ܷ ܨܫൌ ቀͳ െ ቁ ெಸಶಿ ௌಸ MVAHVDC : Bemessungsscheinleistung der HGÜ MVAGEN : Bemessungsscheinleistung des zu untersuchenden Generators/Kraftwerksblocks SCGOUT : Kurzschlussleistung am HGÜ-Anschlusspunkt ohne den untersuchten Generator SCGIN: Kurzschlussleistung am HGÜ-Anschlusspunkt mit dem untersuchten Generator Einen wesentlichen Einfluss hat die „elektrische Entfernung“ zwischen dem HGÜ-System und dem Kraftwerksblock. Diese Faktoren werden durch das Verhältnis der Kurzschlussleistungen am Netzan- schlusspunkt des HGÜ-Systems ohne und mit dem betreffenden Kraftwerksblock bewertet und hie- raus der sogenannte „Unit Interaction Factor“ (UIF) ermittelt. Mit Hilfe des UIF kann das Risiko für das Auftreten von SSTI in Abhängigkeit des Netzzustandes (Topologie, Einspeise- und Lastszenarien) für Kraftwerksblöcke bewertet werden. Gemäß [4] gilt für netzgeführte HGÜ-Systeme ein UIF kleiner als 0,1 als unkritisch, so dass der entsprechende Kraftwerksblock keiner Detailanalyse unterzogen werden muss. Die UIF-Analyse ist unter Berücksichtigung verschiedener Netzzustände (Matrix der Netzzustände aufstellen) durchzu- führen. Für selbstgeführte HGÜ-Systeme ist derzeit kein Referenzwert definiert. In die o. g. Formel zur Be- rechnung des UIF gehen jedoch keine spezifischen (Regelungs-)Eigenschaften des HGÜ-Systems ein, so dass für selbstgeführte HGÜ-Systeme zunächst der gleiche Referenzwert verwendet werden kann. Im Sinne einer Worst-Case-Betrachtung wird ein Sicherheitsfaktor von 10 aufgeschlagen, d. h. ein UIF kleiner als 0,01 wird derzeit als unkritisch bewertet und erfordert keine weitergehen- den Detailanalysen. Sobald bzgl. dieser Fragestellungen neue Erkenntnisse vorliegen, wird das Dokument entsprechend angepasst. Das Screening mittels UIF ist Stand der Technik und die Basis zur Identifikation der Kraftwerksblö- cke, die einer Detailanalyse bedürfen (siehe u. a. [1, 4]). Das Screening sollte die Entwicklung der Netzkurzschlussleistung der nächsten Jahre mit einbezie- hen und die Untersuchung sollte im Sinne einer Worst Case Abschätzung erfolgen. Wenn es nach einer bereits erfolgten SSTI-Studie zu einer Schwächung der Netzkurzschlussleistung am HGÜ-Anschlusspunkt kommt, die in der vorliegenden Untersuchung noch nicht erfasst ist, ist das Screening erneut durchzuführen und ggf. erforderliche Maßnahmen zu ergreifen. 10
4.2.2 Detailanalysen Für die Detailanalyse der identifizierten Kraftwerksblöcke können unterschiedliche Verfahren zur Anwendung kommen. Deren Wichtigste sind: Untersuchung des Kleinsignalverhaltens (Small Signal Pertubation Analysis) im Zeit- und/oder Frequenzbereich Untersuchung des Großsignalverhaltens im Zeitbereich (Momentan-Wertbereich) für definier- te Störszenarien und Anregungen Small Signal Pertubation Analysis (Frequenzscreening) Bei der Untersuchung des Kleinsignalverhaltens wird das System ausgehend von einem definierten Arbeitspunkt mit einer Schwingung angeregt. In der Literatur wird diese Methodik häufig als „Small Signal Perturbation Analysis (SSPA)“ bzw. ΔMe/Δω-Analyse bezeichnet. Das Kleinsignalverhalten kann sowohl im Frequenzbereich als auch im Zeitbereich analysiert werden. Die Anregung erfolgt durch das Einprägen monofrequenter Signale im Drehzahlregler (Sollwertaufschaltung) des zu ana- lysierenden Kraftwerkblocks. Im Anschluss wird die dämpfende Komponente im Luftspaltmoment ausgewertet, welche durch das elektrische Netz entsteht. Die dämpfende Komponente des elektri- schen Moments ist derjenige Anteil, welcher in Phase mit der Drehzahlabweichung ist (siehe Abbil- dung 1). Das elektrische Netz wird hierbei sowohl mit als auch ohne HGÜ-System (bei gleichen Arbeitspunkten und Lastflüssen) modelliert. Durch den Vergleich der Ergebnisse kann der Einfluss des HGÜ-Systems auf die elektrische Dämpfung im interessierenden Frequenzbereich bewertet werden. Für die ΔMe/Δω-Analyse wird kein detailliertes Wellenstrangmodell benötigt. Die Untersuchung wird klassischerweise mit einem 1-Massen-Schwinger durchgeführt, wobei die inhärente mechani- sche Dämpfung der Maschine vernachlässigt wird. Hinweis: Die Eliminierung der subsynchronen Anteile aus dem polyfrequenten Signal ist im niedrigen subsynchronen Frequenzbereich nur als Screeningmethode geeignet. Bei Analysen im Frequenzbereich muss ein vom Systemtechnikhersteller validiertes, lineares Modell des HGÜ-Systems im relevanten subsynchronen Frequenzbereich verwendet werden. Für Kleinsig- nalanregungen im subsynchronen Frequenzbereich muss eine ausreichend hohe Genauigkeit des linearen HGÜ-Modells sichergestellt sein. Der Einfluss der HGÜ auf die subsynchronen Schwingun- gen kann auch mit der Übertragungsfunktion der HGÜ isoliert analysiert werden. Die Auswertung des Realteils entspricht der Dämpfung durch das HGÜ-System auf eine Schwingung im Dreh- stromsystem. Das erlaubt eine grundsätzliche Aussage, welcher Frequenzbereich kritisch ist, bzw. in welchem Frequenzbereich noch Handlungsbedarf besteht. Die Analyse des Kleinsignalverhaltens kann als Vorstudie oder im Planungsstadium eines HGÜ- Systems durchgeführt werden. Sie ersetzt nicht vollständig die Analyse im Zeitbereich (Großsignal- verhalten). Die Analyse des Kleinsignalverhaltens kann auch als Frequenz-Screening-Methode ge- nutzt werden. 11
Abb. 1: Prinzip der ΔMe/Δω-Analyse. Der Turbosatz wird über die Aufschaltung eines monofre- quenten Störsignals im Drehzahlregler zu Schwingungen angeregt und anschließend wird die Komponente des elektrischen Moments in Phase mit der Drehzahlabweichung ausgewertet [u. a. 4]. Untersuchung des Großsignalverhaltens im Zeitbereich Bei der Analyse des Großsignalverhaltens wird ein detailliertes Simulationsmodell des vollständigen Systems (HGÜ-System, Kraftwerksblock, relevante elektrische Netzumgebung) verwendet und für definierte Störfälle und Anregungen im Zeitbereich (Momentanwertbereich) analysiert. Für diese Analyse wird ein mechanisches Wellenstrangmodell benötigt, welches die dominierenden Eigen- formen des Wellenstrangs wiedergibt (siehe Kapitel 4.4.1). Die Analyse im Zeitbereich berücksichtigt definierte Systemkonfigurationen (Einspeise- und Lastsze- narien, Netztopologie, Kurzschlussleistung, Arbeitspunkte des HGÜ-Systems etc.). Es ist zu zeigen, dass der Parallelbetrieb von Generator und HGÜ auch unter ungünstigsten Rahmenbedingungen (minimale Kurzschlussleistung, radiale Verbindung von Kraftwerk und HGÜ, ungünstigste Arbeits- punkte und Schaltzustände, etc.) im Hinblick auf SSTI stabil und nicht kritisch ist. Als Störung bzw. Anregung werden u. a. Netzkurzschlüsse im AC-Netz, Schalthandlungen im AC-Netz oder Arbeits- punktwechsel des HGÜ-Systems zugrunde gelegt. Indem die Analyse sowohl mit als auch ohne HGÜ-System (bei gleichen Arbeitspunkten und Lastflüssen) durchgeführt wird, kann der Einfluss des HGÜ-Systems auf die Dämpfung der Torsionsmomente bewertet werden. Die Bewertung der Dämpfung der im Zeitbereich berechneten Torsionsmomente ist durch die Über- lagerung unterschiedlicher Moden schwierig. Es ist deshalb sinnvoll, die Torsionsmomente zwischen den einzelnen Massen des Wellenstrangs in den Modalbereich zu transformieren und die modalen Torsionsmomente bzw. die modale Dämpfung zu analysieren. Sofern ein negativer Einfluss des HGÜ-Systems auf die Dämpfung von Torsionseigenfrequenzen festgestellt wird, müssen Maßnahmen ergriffen werden, z. B. kann ein Dämpfungsregler vorgesehen werden. Ziel ist es, die Regelung des HGÜ-Systems derart zu designen, dass ein positiver Dämp- fungsbeitrag im gesamten subsynchronen Frequenzbereich von vorneherein erreicht wird. Des Weiteren kann grundsätzlich eine Regelungsfunktionalität vorgesehen werden, die das HGÜ- System bei Erkennen von (schwach bzw. negativ gedämpften) subsynchronen Schwingungen ab- schaltet oder die Wirkleistungsübertragung schrittweise reduziert. 12
Diese Maßnahme ist im Einzelfall zu prüfen: Sie wäre kontraproduktiv, wenn das HGÜ-System zuvor einen positiven Dämpfungsbeitrag geliefert hat und die Ursache einer unzureichend gedämpften subsynchronen Schwingung woanders liegt. In diesem Fall würde sich die Dämpfung weiter verschlechtern. Es besteht die Gefahr, dass die Abregelung eines HGÜ-Systems/mehrerer HGÜ-Systeme netztechnisch nicht beherrscht wird. Dem Gegenüber zu stellen ist die Abschaltung eines Kraftwerksblocks. Schutzeinrichtungen müssen selektiv, sicher und zuverlässig arbeiten und das zu schützende Objekt bei unzulässigen Beanspruchungen schnellstmöglich trennen. Da das zu schützende Objekt der Turbosatz ist, sollte der Kraftwerksbetreiber den Einsatz entspre- chender Schutzeinrichtungen für den Turbosatz bewerten. In diese Bewertung werden die Ergebnis- se der durchgeführten Analysen (Analysen des Kraftwerksbetreibers und SSTI-Analysen) einbezogen. 4.2.3 Anforderungen an die Modelle 4.2.3.1 Elektrisches Netz Für die unter 4.2.2 beschriebenen Detailanalysen sollte ein ausreichend großer detaillierter Aus- schnitt des AC-Netzes betrachtet werden. Dieser Ausschnitt wird durch die Screening-Studie, die im Originalmodell durchgeführt wird, bestimmt (nachfolgend Detailnetzmodell genannt). Dieses Detail- netzmodell muss durch ein geeignetes reduziertes dynamisches Randnetzmodell in EMT-Darstellung abgeschlossen werden. Das zusätzlich zu berücksichtigende Randnetzmodell bildet das nicht im Detail modellierte Verbundnetz so nach, dass die Netzkurzschlussleistungen in dem Detailausschnitt richtig wiedergegeben werden. Weiterhin ist sicherzustellen, dass im Hinblick auf die gegenseitige Beeinflussung zwischen HGÜ-Systemen die Anforderungen gemäß VDE-AR-N 4131 Kap. 10.1.19 einzuhalten sind. Alle relevanten Netzbetriebsmittel sind im Detailnetzmodell entsprechend des zu betrachtenden Frequenzbereichs unter Berücksichtigung von z. B. möglicher Sättigung, Resonanz, usw. zu model- lieren. 4.2.3.2 Kraftwerksmodelle Generatoren: Generatoren werden durch ihr vollständiges Ersatzschaltbild nach Park model- liert (siehe Kapitel 4.4.2). Wellenstrangmodelle: Die Wellenstrangmodelle müssen alle relevanten subsynchronen Ei- genfrequenzen und zugehörigen Eigenformen mit ausreichend hoher Genauigkeit nachbil- den können (siehe Kapitel 4.4.1). Eine genaue Bestimmung der Dämpfung ist nur mit ho- hem Aufwand möglich. Die konservativ abgeschätzten modalen mechanischen Dämp- fungswerte sind daher vom Kraftwerksbetreiber anzugeben. Die Robustheit des HGÜ- Verhaltens ist für die Eigenfrequenzen des Wellenstrangs gemäß Kapitel 4.4.1 sicherzustel- len. Dadurch werden Abweichungen zwischen theoretischer Modellierung und den tatsäch- lichen Werten der Eigenfrequenzen und der Dämpfung berücksichtigt. Eine Validierung des Wellenstrangmodells durch geeignete Messungen an dem betroffenen Wellenstrang vor Durchführung der SSTI Studie wird empfohlen. 13
Regelungsmodelle von Kraftwerken, die im betrachteten Netzausschnitt angeschlossen sind: o Wenn möglich, sollten für die zu untersuchenden Kraftwerke, die nahe zum HGÜ- Anschlusspunkt liegen, die genauen Turbosatzreglermodelle (Spannungsregelung und Turbinenregelung) verwendet werden. Diese sind herstellerabhängig und ver- traulich und liegen auch in der Praxis nicht für alle Kraftwerke vor. o Eine SSTI-Studie kann nach Prüfung mit geeigneten, neueren IEEE-Modellen der zu untersuchenden Kraftwerke, z. B. ST6B-Modellen und dem entsprechenden PSS- Modell (PSS - Power System Stabilizer) durchgeführt werden. Die Anwendbarkeit der IEEE-Modelle für SSTI-Studien sollte vom Hersteller des Reglers bestätigt werden. Gegebenenfalls sind genauere Eingangsfilter der Spannungsmessung, Drehzahl- messung und Wirkleistungsmessung in den Regelungsmodellen zu berücksichtigen. Dies muss mit dem Hersteller abgeklärt werden. o Nicht alle Begrenzungen in den Reglern, wie z. B. die Übererregungsbegrenzung, Untererregungsbegrenzung oder Ständerstrombegrenzung, spielen bei SSTI- Untersuchungen eine Rolle. In sehr detaillierten Studien wird auch der Eingriff einer Begrenzung im Spannungsregler bei einer SSTI-Anregung mit geprüft. o Bei den Turbinenreglern ist das grundsätzliche Drehzahlreglerverhalten mit den Zeit- konstanten der Turbinen und Turbinenventile zu modellieren. Lastabwurferkennungen in der Turbinenregelung spielen bei SSTI-Studien in der Regel keine Rolle. Auch hier sollte der Hersteller die Modelle liefern und die Anwendbarkeit für SSTI-Studien be- stätigen. o Die Regelungsmodelle müssen fähig sein, im Momentanwertbereich zu simulieren (z. B. geeignete Nachbildung der Istwertaufbereitung; Anmerkung: Die meisten Modelle sind für klassische Stabilität im RMS-Modus entwickelt). 4.2.3.3 HGÜ-Modelle Es ist ein detailliertes EMT-Modell einschließlich aller relevanten Regelungsfunktionen zu verwenden. Dies beinhaltet u. a.: Überlagerte Regelschleifen: o Wirkleistungsregelung o Blindleistungsregelung bzw. AC-Spannungsregelung o … Unterlagerte Regelschleifen bzw. stromrichternahe Regelung: o AC-Stromregelung o Ggf. Energie- bzw. Bilanzierungsregelung o Modulator o … Messwerterfassung und -aufbereitung: o Phasenregelschleifen (PLL) o Filter o … Ggf. sind unterschiedliche Regelungsmodi (z. B. für Netzparallelbetrieb und Netzwiederaufbau) zu betrachten. 14
Die in dem HGÜ-System implementierten Regelungsfunktionen sind stark abhängig von den spezifi- zierten Anforderungen und deren herstellerspezifischer Umsetzung, so dass an dieser Stelle keine weiteren Aussagen bzgl. der Modellierung des HGÜ-Systems möglich sind. Für die relevanten Regelungsfunktionen wird empfohlen, den entsprechenden Regelungscode, der auf die Regelungshardware implementiert wird, auch in die Offline-Simulationsstudien einzubinden (über dll-Schnittstelle). Hinweis: ENTSO-E hat hierfür ein Standard-Control-Interface für HGÜ-Systeme entwickelt, das zusätzlich zur getreuen Abbildung des in der Anlage verwendeten Regelungscodes erlaubt, relevante Signale innerhalb der HGÜ-Regelung bei Bedarf bis auf Sub-Modulebene zu analysieren [18]. Hierdurch kann eine hohe Vorhersagezuverlässigkeit des Simulationsmodells im Hinblick auf das reale Anlagenverhalten sichergestellt werden. Es sollte eine Modellverifizierung im Rahmen der FPT/DPT (Functional Performance Test, Dynamic Performance Test) durchgeführt und die SSTI-Analyse für ausgewählte Szenarien wiederholt werden. Bei FPT/DPT werden die realen Regelungsschränke mittels Hardware-In-the-Loop (HIL) in eine Echt- zeitsimulations-Umgebung eingebunden. 4.2.3.4 Arbeitspunkte, Lastfälle und Fehlerfälle Es sind verschiedene Arbeitspunkte und Szenarien zu betrachten, u. a.: Starklast-, Schwachlastfälle im Netz Topologie-Änderungen am Anschlusspunkt, Freischaltungen von Stromkreisen, Entkupplung von gekuppelten Sammelschienen, minimale Kurzschlussleistung, ggf. Variation des Kurz- schlussniveaus Über-/untererregter Betrieb des Generators Richtungswechsel der HGÜ-Leistung Fehlerfälle im Netz (Ausfallsituationen von Netzbetriebsmitteln wie Stromkreisen, ggf. bis zu dem Extremfall: HGÜ verbleibt ohne Netz am Kraftwerksanschluss) Kraftwerksausfälle in der Nähe des HGÜ-Anschlusses Reglermodi der HGÜ bei Fehlerfällen Netzwiederaufbauuntersuchungen ggf. gesondert betrachten 4.3 Fazit Unter gewissen Randbedingungen können HGÜ-Systeme mit den Turbosätzen von Kraftwerksblö- cken im umgebenden Netz wechselwirken, wobei durch die Regelungseinrichtungen des HGÜ- Systems die Dämpfung von Torsionsschwingungen beeinflusst wird. Dieses Phänomen wird als Sub- Synchronous Torsional Interaction“ (SSTI) bezeichnet. Das Phänomen SSTI kann jedoch auch durch andere aktive (regelnde) Elemente (z. B. fehlerhaftes PSS im Spannungsregler [1], fehlerhafte Turbi- nenregler, oder durch Umrichter für große Motorantriebe im Kraftwerkseigenbedarfsnetz) entstehen. In diesem Kapitel 4 werden notwendige Netzanalysen mit dem Ziel der Vermeidung negativer SSTI- Phänomene aufgezeigt, die durch HGÜ-Systeme ausgelöst werden können. In einem ersten Schritt werden Kraftwerksblöcke identifiziert, die einer Detailanalyse zu unterziehen sind. Dieses Screening wird nach dem heutigen Stand der Technik mittels UIF-Analyse durchgeführt. In einem zweiten 15
Schritt wird für die identifizierten Kraftwerksblöcke eine Detailanalyse im EMT-Bereich unter Ver- wendung des reduzierten1 Torsionsschwingungsmodells und eines detaillierten HGÜ-Modells durch- geführt. Es wird in der SSTI-Studie nachgewiesen, dass das HGÜ-System die Dämpfung von Torsi- onsschwingungen für die zu untersuchenden Fälle nicht verschlechtert. 4.4 Kurzbeschreibung Modelle 4.4.1 Wellenstrangmodelle Ein detailliertes Berechnungsmodell eines zu analysierenden Wellenstrangs besteht in der Regel aus sehr vielen Einzelabschnitten (bis zu 300) mit materialspezifischen und temperaturabhängigen Stei- figkeiten, Trägheitsmomenten und verschiedenen modalen Dämpfungen. Diese detaillierten Modelle gestatten eine tiefgehende Untersuchung der subsynchronen Torsionsschwingungen im Wel- lenstrang, bis hin zu einer Lebensdaueranalyse. Für die Untersuchung subsynchroner Phänomene im Zeitbereich einschließlich elektrischem Netz und HGÜ-System ist eine Reduktion des detaillierten Wellenstrangmodells auf wenige Torsionsmassen notwendig. Das reduzierte Wellenstrangmodell wird in der Regel aus dem detaillierten Wellenstrangmodell abgeleitet. Ziel bei der Erstellung eines reduzierten Wellenstrangmodells ist es, die Massenträgheitsmomente der zusammengefassten Wellenstrangabschnitte konstant zu halten und die reduzierten Modelle durch eine Anpassung der Drehfedersteifigkeiten auf die Ergebnisse der detaillierten Wellenstrang- modelle zu optimieren, wobei der Fokus auf denen aus dem Bereich des Generatorballens leicht anregbaren Torsionseigenformen liegt. Abbildung 2 zeigt das Ergebnis einer solchen Reduktion [5] Abb. 2: Vergleich einer Eigenform (detailliertes Modell, reduziertes Modell) Der Verlauf der berechneten Torsionseigenformen gibt Aufschluss darüber, welche Eigenfrequenzen und die zugehörigen Eigenformen durch das elektrische System (über den Generator) theoretisch überhaupt angeregt werden können. Sollte sich bei der Reduktion herausstellen, dass die relevanten Eigenformen und Eigenfrequenzen des detaillierten Wellenstrangmodells nicht hinreichend genau abgebildet werden können, so ist eine weitere Unterteilung der Torsionsmassen vorzunehmen. 1 Auf die höchste relevante Torsionseigenfrequenz/Torsionseigenform angepasstes Wellenstrangmodell 16
Ein auf wenige Torsionsmassen reduziertes Wellenstrangmodell ist in der Regel nicht dazu geeig- net, Ermüdungsberechnungen mit akzeptabler Genauigkeit durchzuführen. Sollte sich in einer Zeit- bereichssimulation einschließlich relevantem Netzausschnitt und HGÜ-System herausstellen, dass sich die Dämpfung einzelner oder aller subsynchronen Eigenwerte durch den Einfluss der HGÜ- Regelung verringert, wird die Regelung des HGÜ-Systems angepasst, um keinerlei negativen Ein- fluss auf die Dämpfung zuzulassen. Die genauen Auswirkungen auf den Wellenstrang können in einer isolierten Berechnung anhand eines detaillierten Wellenstrangmodells durch den Kraftwerksbetreiber betrachtet werden. Die im Folgenden aufgeführten Daten des reduzierten Wellenstrangmodells werden mindestens benötigt und sind vom Kraftwerksbetreiber zur Verfügung zu stellen (abweichende Anzahl an Turbi- nenmassen je nach Kraftwerk möglich). Dabei sind die erforderlichen Zeiträume für deren Beschaf- fung gemäß Abschnitt 3.2.1 zu beachten: Masse Beschreibung Inertia Teil des Antriebsmoments Nr. [kg m2] [%]* M1 Hochdruck-Turbine (HD) M2 Mitteldruck-Turbine (MD) M3 Niederdruck-A-Turbine (NDA) M4 Niederdruck-B-Turbine (NDB) M5 Generator (GEN) -100 M6 Erreger (ERR) 0 Kupplung Beschreibung Federkonstante von-zu [Nm/rad] M1-M2 HD-MD M2-M3 MD-NDA M3-M4 NDA-NDB M4-M5 NDB-GEN M5-M6 GEN-ERR 17
Torsionseigen- Berechnete Modale Dämpfung frequenz Nr. Frequenz [Darstellung durch logarithmisches [Hz] Dekrement]* 1 2 3 4 5 … * Die bereitgestellten modalen Dämpfungen für alle relevanten Torsionseigenfrequenzen eines Wellenstrangs sind ggf. anhand entsprechender Messungen zu validieren Verifikation des reduzierten Wellenstrangmodells gegenüber dem detaillierten Wellenstrangmodell: Subsynchrone Eigenwerte und -vektoren sollen mit größtmöglicher Genauigkeit gegenüber dem detaillierten Modell abgebildet sein. Die maximale Abweichung der Eigenfrequenzen darf in Einzel- fällen höchstens ± 0,5 Hz für die ersten 3 Eigenformen, bei höheren Eigenformen höchstens ±1 Hz betragen. Ein Vergleich zwischen dem reduzierten und dem detaillierten Modell wird bereitgestellt. Bei der Auslegung der Regelung sind die genannten Abweichungen der Eigenfrequenzen infolge der Reduzierung des Wellenstrangmodells zu beachten. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass Ab- weichungen der Eigenfrequenzen durch Ungenauigkeiten bei der Erstellung des detaillierten Wel- lenstrangmodells nicht zu verhindern sind. Sofern dafür keine Werte durch den Hersteller angege- ben werden können, ist diese zusätzliche Abweichung mit ± 0,5 Hz anzusetzen. 4.4.2 Ersatzschaltbilder der Generatoren für die Berechnung von SSTI Das bekannteste Modell zur analytischen Beschreibung des Synchrongenerators ist das Modell nach Park [6] bzw. das erweiterte Modell nach Park (Feld- und Dämpferkreis in der d-Achse, zwei Dämpferkreise in der q-Achse), welches das Betriebsverhalten des Synchrongenerators zum Netz für stationäre und elektromagnetische Ausgleichsvorgänge ausreichend genau beschreibt. Die Parameter der Ersatzschaltbilder nach Park werden analytisch aus den geometrischen Abmes- sungen und den Materialdaten des Generators vorausberechnet und durch Stoßkurzschlussversuche verifiziert. Im Fokus dieser Modellierung sind die Vorgänge mit einfacher und doppelter Netzfre- quenz, die bei den meisten transienten Vorgängen überwiegen. Das Modell ist jedoch auch gültig für von 50 Hz und 100 Hz abweichende Frequenzen und damit für SSTI-Untersuchungen geeignet [7]. Canay zeigt in [8], dass die Annahme gleicher magnetischer Kopplung zwischen der Ständerwick- lung und den Dämpfer- und Feldwicklungen zu einer teilweise ungenauen Berechnung der Läufer- ströme bezüglich der Aufteilung der Wechselanteile zwischen Dämpfer- und Feldwicklung bei Aus- gleichsvorgängen führt. Canay erweiterte das ursprüngliche Modell durch Einfügen von zusätzli- chen „Canay-Induktivitäten“ zwischen den Ständer- und Läuferkreisen, siehe Abbildung 3. 18
Die Berücksichtigung der Canay-Reaktanz ist Stand der Technik. Falls das entsprechende Ersatz- schaltbild von dem Generatorhersteller zur Verfügung gestellt werden kann, sollte dieses auch ver- wendet werden. Falls die Canay-Reaktanz nicht verfügbar ist, kann das erweiterte Park-Modell für SSTI-Untersuchungen genutzt werden. Die Canay-Reaktanz hat auf das Klemmenverhalten des Ge- nerators im Allgemeinen einen vernachlässigbaren Einfluss. Abb. 3: Ersatzschaltbilder eines Synchrongenerators mit zwei Dämpferkreisen mit der Erweiterung nach Canay: a) d-Achse, b) q-Achse (Quelle: NETOMAC-Theoriebuch) 19
5 Anforderungen an HGÜ-Regelung und HGÜ-Schutzsysteme 5.1 Einleitung Torsionsschwingungen an Turbosätzen von Kraftwerken können durch unterschiedliche Szenarien ausgelöst bzw. angeregt werden und sind aus der Literatur bekannt [4, 9, 10]: Mögliche Einflüsse des Kraftwerkes auf Torsionsschwingungen des Turbosatzes: Fehlsynchronisation von Kraftwerksgeneratoren Lastabwurf auf Eigenbedarf Wechselwirkungen mit Antriebs-Stromrichtern im Eigenbedarf eines Kraftwerkes Gleichrichter mit statischer Erregung Fehler im Spannungsregler bzw. Pendeldämpfungsgerät Fehler in einer Asynchronmaschine im Eigenbedarf Mögliche Einflüsse des Übertragungsnetzes auf Torsionsschwingungen von Turbosätzen: Fehler oder Kurzschlüsse im Netz Schalthandlungen im Netz (geplant oder ungeplant) Wechselwirkungen mit Längskompensationen langer Leitungen Unsymmetrische Phasen im Netz Wechselwirkungen mit HGÜ-Systemen Blitzeinwirkungen im Netz Erhöhte Frequenzänderungsgeschwindigkeiten (RoCoF) Grundsätzlich können Resonanzanregungen an Turbosätzen durch Modelle berechnet bzw. auch gemessen werden [7, 11]. Die nachfolgenden Betrachtungen behandeln ausschließlich mögliche Wechselwirkungen zwischen HGÜ-Systemen und Turbosätzen in Kraftwerken. HGÜ-Systeme verwenden Stromrichter zur Kopplung zwischen Drehstrom- und Gleichstromsystemen. Die Stromrichter können unter Berücksichtigung der technischen Ausführung in beide Richtungen als Gleich- bzw. Wechselrichter betrieben werden. Durch die Generierung des Drehstroms über leis- tungselektronische Bauelemente (z. B. Thyristoren oder IGBTs) können Stromrichter im Vergleich zu Synchrongeneratoren flexibler und schneller regelbar sein. Die in den Stromrichtern eingesetzten Regelungssysteme haben die Aufgabe, entsprechend den Erfordernissen der Übertragungsnetze den Lastfluss zwischen Drehstromnetz und Gleichstromnetz sicherzustellen. Stromrichter können bei nicht richtig ausgelegter oder fehlerhaft parametrierter Rege- lung oder bei Fehlern in der Regelung, in der Ansteuerung oder in der Leistungselektronik durch daraus resultierende negative Dämpfung Wechselwirkungen mit dem Drehstromnetz und dem Tur- bosatz erzeugen, die außerhalb des Netzfrequenzbereiches (47 Hz bis 52 Hz) liegen. Diese Wechselwirkungen können in Erzeugungsanlagen mit Synchrongeneratoren, die im Einflussbereich eines solchen fehlerhaften Stromrichters liegen, zu verstärkter Ermüdung oder Schädigung an Kom- ponenten des Turbosatzes führen [4, 7, 9, 10]. 20
Die nachfolgenden Betrachtungen sollen sowohl einen Einblick in die unterschiedlichen technischen Ausführungen der HGÜ-Systeme und der eingesetzten Stromrichter geben als auch eine Risikobe- wertung hinsichtlich der beschriebenen Wechselwirkungen für HGÜ-Betreiber, Übertragungsnetzbe- treiber und Kraftwerksbetreiber ermöglichen. 5.2 Definition der Grundlagen für die Klassifizierung von HGÜ-Systemen Aus der Literatur sind verschiedene HGÜ-Stromrichterprinzipien bekannt [12]. Derzeit sind folgende HGÜ-Systeme in Deutschland für folgende Zwecke im Einsatz bzw. geplant: HGÜ-Systeme zur Verbindung zwischen verschiedenen asynchronen Übertragungsnetzen (Interconnector) HGÜ-Systeme zur Anbindung von Offshore-Windparks an das Drehstromnetz (Offshore-Windpark) HGÜ-Systeme, die an eine Gleichstromübertragungsstrecke oder an ein Gleichstromnetz in- nerhalb eines Übertragungsnetzes angeschlossen sind (Overlayverbindung) Multiterminal-Kombinationen der verschiedenen Anbindungen an einem HGÜ-System (Interconnector & Offshore-Windpark; Interconnector & Overlayverbindung) In Kapitel 2 (siehe auch 7 Anhang) ist eine Übersicht über bestehende und geplante HGÜ-Systeme aufgezeigt. 5.2.1 Technischer Aufbau Nachfolgende Technologien für Stromrichter können unterschieden werden: Stromrichter in LCC-Technologie (Line Commutated Converter) Die Stromrichter mit LCC-Technologie bestehen aus üblicherweise 12-pulsigen thyristorgesteuerten Brückenschaltungen, die in entsprechenden Sequenzen (Phasenanschnitt) zugeschaltet werden, um entweder die Gleich- oder die Wechselrichterfunktion auszuführen. Diese Stromrichter sind netzge- führt und sind somit auf eine vorhandene Spannung des Drehstromnetzes angewiesen. Eingeführt wurde diese Technologie mit Thyristoren vor ca. 45 Jahren und ist daher seit Jahrzehnten erprobt. Stromrichter in VSC-Technologie (Voltage Source Converter) Die Stromrichter mit VSC-Technologie nutzen abschaltbare Leistungshalbleiter wie z. B. IGBTs. Die- se selbstkommutierenden Stromrichter weisen eine intern eingeprägte Gleichspannung auf und kön- nen durch eine geeignete Ansteuerung eine Wechselspannung modulieren. Sie sind somit schwarz- startfähig und bieten u. a. höhere Schaltfrequenzen, wodurch der notwendige Bedarf an passiven Filtern gegenüber der LCC-Technologie erheblich reduziert werden kann. Eingeführt wurde diese Technologie 1997 (in Deutschland seit 2010 in Betrieb), so dass keine langfristige Betriebserfah- rung vorliegt. Aktuelle VSC-Stromrichter für große HGÜ-Systeme sind modular in MMC-Technologie (Modular Multilevel Converter) aufgebaut [13] (in Deutschland seit 2015 in Betrieb). 21
5.2.2 Verwendete Regelungssysteme in Bezug auf die Anwendung und die verwendeten Regelmodi Entsprechend der eingesetzten Technik unterscheiden sich die Möglichkeiten der Regelung und damit auch die technischen Lösungsansätze zur Vermeidung von unerwünschten Wechselwirkungen durch Frequenzen außerhalb des Netzfrequenzbereiches. Gemäß VDE-AR-N 4131 muss bei der Durchführung der SSTI-Studie immer die vollständige Rege- lung einschließlich aller vorgesehenen Regelmodi des HGÜ-Systems berücksichtigt werden. Der Einfluss einzelner Regelmodi auf die Reaktion der HGÜ-Anlage im relevanten subsynchronen Frequenzbereich ist nachzuweisen. Alle Regelmodi, die das Anlagenverhalten in Bezug auf subsyn- chrone Interaktion beeinflussen (können), sind in der detaillierten Studie zu berücksichtigen. Folgende Charakteristiken können den einzelnen Technologien zugeordnet werden [12, 14]: Stromrichterstation in LCC-Technologie: Erfassung des Referenzsignals über Phasenregelschleifen (PLL: Phase-Locked Loop) Gleichstrom im Zwischenkreis Stromeinprägende Regelung Für die Wirkleistungsumkehr wird die Ausgangsspannung auf der Gleichstromseite genutzt (Stromflussrichtung bleibt gleich) Ansteuerung des Zündwinkels, Kommutierung durch gezielte Zuschaltung der Thyristoren und Regelung durch symmetrische Taktung der Thyristoren (EPC - Equidistant Pulse Control) Stromrichterstation in VSC-Technologie: Erfassung des Referenzsignals über Phasenregelschleifen (PLL) Gleichspannung im Zwischenkreis Spannungsorientierte Stromregelung Wirk- und Blindleistungssteuerung möglich Schnelle Leistungsflussumkehrung durch Umkehrung des Stromflusses möglich Erzeugung einer Wechselspannung durch kontrolliertes Ein- und Ausschalten der Ventile Taktfrequenzen bis zu 2 kHz möglich Schwarzstartfähigkeit möglich 5.2.3 Vorgaben aus dem Europäischen Regelwerk Die geltenden Vorgaben wurden bereits in Kapitel 4.1 benannt. 22
5.2.4 Angewendete Standards für den Betrieb von Turbomaschinen und Generatoren An den Betrieb von Turbomaschinen und Generatoren in Kraftwerken und Industrieanlagen werden hohe Anforderungen gestellt. In diesem Zusammenhang wurden und werden vom VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.), unter Berücksichtigung der Maschinenrichtlinie, har- monisierter Normen IEC 62061, ISO 13849 und Standards der Prozessindustrie IEC 61508 be- ziehungsweise IEC 61511, nachfolgende VDMA Dokumente erstellt: VDMA 4315 Turbomaschinen und Generatoren – Anwendung der Prinzipien der funktionalen Si- cherheit – Teil 1: 4315-1 Verfahren zur Ermittlung der notwendigen Risikoreduktion Teil 2: 4315-2 Bestandsanlagen Teil 5: 4315-5 Risikobeurteilung Dampfturbinen Teil 8: 4315-8 Risikobeurteilung H2-gekühlte Kraftwerksgeneratoren Teil 9: 4315-9 Risikobeurteilung luftgekühlter Kraftwerksgeneratoren Zusammenfassend werden grundsätzlich SIL-Betrachtungen (SIL – Safety Integrity Level) zur Bewer- tung des Risikos durchgeführt und es wird entsprechend qualifizierte Technik für die Schutzeinrich- tungen eingesetzt. 5.2.5 Aufgaben der Regelung und des Schutzes in Bezug auf die Vermeidung von Tor- sionsschwingungen Die HGÜ-Stromrichter auf der Übertragungsnetzseite haben die Aufgabe, entsprechend den Rand- bedingungen und Vorgaben des Übertragungsnetzes die elektrische Leistung bzw. Frequenz zu regeln. Die Regelungen von LCC- und VSC-Stromrichterstationen sind kontinuierlich im Eingriff. Regelung von Stromrichtern in LCC-Technologie Wechselwirkungen können bei der LCC-Technologie zur Verstärkung von Torsionsinteraktionen füh- ren, wenn durch fehlerhaft erzeugte Leistungspendelungen im subsynchronen Frequenzbereich die Torsionseigenfrequenzen eines im Einflussbereich eines HGÜ-Systems befindlichen Turbosatzes ge- troffen werden und keine Dämpfungsregelung implementiert ist [4, 9, 10, 14, 15, 16]. Eine Änderung des Polradwinkels führt zu entsprechenden Spannungsänderungen über die Netz- einspeisung. Die Regelung des netzgeführten LCC-Stromrichters versucht die Änderung auszuglei- chen. Folgende Parameter können subsynchrone Wechselwirkungen verstärken bzw. beeinflussen: Betriebsmodus bzw. Regelmodus, insbesondere Stromregelung Betriebspunkt des HGÜ-Systems höhere Zündwinkel Ansteuerung des Zündwinkels Steifigkeit der Spannung am Netzanschlusspunkt des Stromrichters 23
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