Im Herzen Kanadas Winnipeg
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nordamerika | Manitoba v Winnipeg Im Herzen Kanadas Winnipeg ist das Gegenteil von dem, was seine Lage inmitten der flachen PrärieProvinz Manitoba vermuten lässt. Sie avanciert zum Städte-Geheimtipp in Kanada. Marie Tysiak war zu Besuch in »The Peg«. 68 winter/frühjahr 2018
nordamerika | Manitoba W »Willkommen im Herzen Kanadas«, werde ich am internationalen Flug- hafen in Winnipeg begrüßt. Das ist allerdings nur fast richtig: Der ost-westliche geografische Mittel- punkt Kanadas liegt etwa 20 Kilo- meter östlich der Hauptstadt in der Prärie. Das stört die Symbolik aller- dings wenig – denn die historische Industriestadt vereint alten Rail- road-Charme mit Rock’n’Roll-Ge- schichte und jüngstem innovativen Unternehmergeist. Auch steckt die Metropole mitten im Strukturwan- del und zeigt sich dabei multikultu- rell und tolerant. Die Stadt im Her- zen Kanadas ist im Umbruch, das spürt man sofort. Neu, einzigartig und schon ein Wahrzeichen Seit 2014 schmückt noch ein anderes Gebäude den beliebten Treffpunkt »The Forks« aus Park, Shopping, Events und Kultur: das kanadische Museum für Menschenrechte, das erste seiner Art weltweit. Vorm Eintreten in das ein- drucksvolle Haus bleibe ich stehen und werfe den Kopf in den Nacken, um das Kunstwerk von Bauwerk in seiner ganzen Pracht bestaunen zu 70 reisen exclusiv winter/frühjahr 2018
tropisch | Queensland Die Winnipeger lieben ihr neues Wahrzeichen I Weltbewegend: Das kanadische Museum für Menschenrechte ist eine Ikone der Stadt – aber auch ein Vorbild für die ganze Welt. 71
nordamerika | Manitoba t K L Besitzer Sean schneidet plaudernd die handgemachte Pasta. Diese serviert er anschließend den Gästen in seinem Restaurant »The Mitchell Block«. Der Exchange District ist Food-Hotspot – genau wie die Markthallen am »The Forks«. 72 reisen exclusiv
Zephyra Vun, Geschäftsführerin vom Design Quarter, liebt die Kreativität ihrer Stadt, dem »Berlin of Canada«. N können. Kein Wunder, dass das helmartige Gebäude es schnell zur Ikone der Stadt geschafft hat. Es glitzert silbern in der Sonne und macht neugierig auf seinen Inhalt. In der dunklen, mit Lichtinstallationen bestückten Eingangshalle treffe ich Matthew McRae. Er arbeitet mit Leidenschaft für das Museum und führt mich durchs Haus. Die Mu- seumsbesucher arbeiten sich kreisförmig aus dem dunklen Rumpf in den hellen Turm des Gebäudes hinauf, quer durch die Geschichte der Menschenrechte. Auf dem Weg werden ihnen inspirierende Geschich- ten erzählt, herausragende Persönlichkeiten, aber auch Grausamkeiten der Vergangenheit und Gegenwart vorgestellt. Viele der Geschichten hat Matthew eigens mitrecherchiert. Wie die des Prom-Kleides auf der siebten Etage, das die Ereignisse des ersten, nicht nach Hautfar- be getrennten Abschlussballs der Wilcox High School in Georgia im Jahr 2013 erzählt. »Die Winnipeger lieben ihr neues Wahrzeichen«, erzählt mir Matthew voller Begeisterung und auch mit etwas Stolz in Nicht selten waren die Brüder nach zwei Stunden ausverkauft – sie der Stimme. Völlig zu Recht, wie ich finde. Das moderne Museum ist kamen mit dem Nachbacken einfach nicht hinterher. Mittlerweile ba- toll. Problemlos lässt sich ein ganzer Tag hier verbringen. Allein das cken sie ausreichend Donuts, der Laden ist halb leer, und ich bestelle bewegende und beeindruckende Videomaterial des Museums umfasst in dem modern und minimalistisch eingerichteten Lädchen einen Kür- 100 Stunden. Unzählige Fotografien, interaktive Spiele und Kunstins- bis-Käsekuchen-Donut. Kein Wunder, dass die Leute anstanden – ich tallationen der First Nations regen dazu an, sich mit dem so wichtigen schaffe es mit dem riesigen und herzhaften Donut to-go kaum bis zur Thema Menschenrechte auseinanderzusetzen. Matthew entlässt mich Tür, da habe ich ihn schon fast verdrückt. schließlich im sonnendurchfluteten »Tower of Hope«, dessen Glaswän- Bitte setzen! Hinter dem Old Market Square – in der Mitte des de einen grandiosen Ausblick auf Winnipeg bieten. Platzes prangt ein meterhoher abstrakter Aluminiumwürfel, der zu Hinunter blickt man auf die beschauliche Hochhäuser-Skyline der einer Seite aufgeklappt ist und dessen Inneres sich im Sommer zur M multikulturellen Provinzhauptstadt, deren Bewohner zu etwa zehn abendlichen Konzertbühne verwandelt – biege ich links ab, und keine Prozent den Stämmen der First Nations angehören. Die Stadt möchte fünf Bummelminuten später kann ich nicht widerstehen, und das Ein- mit ihrem einzigartigen Museum ein Zeichen für die Welt setzen und gangsglöckchen zu einem kleinen Möbelladen klingelt, als ich eintrete. sich bewusst tolerant präsentieren – im Herzen Kanadas. In dem großen Verkaufsraum befinden sich Stühle, Tische und Lam- pen in buntesten Farben und ungewöhnlichsten Formen, besonders die grün-metallenen Barhocker im Schaufenster haben es mir angetan. Hut Winnipegs Altstadt im Umbruch K ist ein Möbeldesign-Label von jungen Designstudenten der Univer- sität in Manitoba, das sie vor gut fünf Jahren in Winnipeg gegründet Ich habe ein Lieblingsviertel in Winnipeg gefunden: den Exchange haben. Eine junge Frau begrüßt mich und stellt sich als Nina vor, sie District. Aus Alt mach Neu: Viele der historischen Gebäude aus der designe die Möbel. Leider passt keines dieser tollen Möbelstücke in Zeit der Industrialisierung stehen im Exchange District. Dort reihen meinen kleinen Koffer, und ich verabschiede mich. sich auf 20 Häuserblocks verteilt mehr als 150 von ihnen aneinander. Eine verrückte Nudel kommt selten allein: Fürs Abendessen ent- Dieses Viertel ist damit die größte Altstadt Nordamerikas. Das Beste scheide ich mich für Pasta im The Mitchell Block. Auf der McDer- ist, dass sich in den alten Fabrikgebäuden in den letzten Jahren tren- mot Avenue fertigt Sean seine Pasta per Hand mit einer ganz klas- dige Restaurants, hippe Dachterrassen-Bars, Ateliers und innovative sischen Nudelwalze an; seine stark tätowierten Arme drehen fleißig Design- und Modeunternehmen niedergelassen haben. Noch ist der an der Handkurbel, während die dunklen Macaroni mit Auberginen- Strukturwandel in vollem Gange und versprüht eine kreative, ausge- geschmack auf den Tisch purzeln. Serviert wird mit viel Liebe zum lassene Atmosphäre in den alten Backsteinblöcken. Fast schon hipster, Detail, das Essen schmeckt himmlisch. aber doch einzigartig kreativ. Kleine Beispiele gefällig? Backe, backe, Donut: Ich spaziere nicht lange durch die Hochhaus- schluchten, als ich vom ersten Jungunternehmens-Juwel angezogen werden. Immer der Nase nach, lande ich vor den Glastüren von Bro- nuts, durch die der herrliche Duft nach frischen Donuts auf die King Street hinauszieht. Seit 2015 backen hier zwei Brüder die köstlichen M wie Mö- Teigteilchen – acht verschiedene Kringel stehen zur Auswahl, jeden beldesign – Monat wechselt das Special. Anfangs standen die Winnipeger Schlan- Design made ge für die rasch stadtbekannten Donuts aus dem Exchange District. in Winnipeg winter/frühjahr 2018 73
nordamerika | Toronto träumten von einer Eishockeykarriere. Nur in Winnipeg A Alle kanadischen Teenies Wimmelbild: Guide John Einarson verrät, welche Plattencover in dem Graffity zu Ehren der Band »Guess Who« versteckt sind. Gleich nebenan im Forth gönne ich mir noch einen letzten Drink. Hier treffen sich abends Jung und Alt auf einen Feierabend-Drink in der lampengeschmückten Rooftop-Bar. Auf der winzigen und doch gemütlichen Terrasse zwischen den historischen Backsteingebäuden werden leckere Cocktails serviert; die Kulisse ist unschlagbar. Ganz, ganz neu: das Design Quarter. Der Exchange District ist toll. Damit man bei den ganzen innovativen Lädchen und Restaurants noch den Überblick behält, haben sich knapp 50 lokale Unternehmen der Szeneviertel Exchange District, Downtown und The Forks Anfang des Jahres zum The Design Quarter zusammengeschlossen. Auf der In- wünschten sich die ternetseite oder dem Stadtplan vom Design Quarter werden einem, je Jugendlichen x nach Interessen, verschiedene Bummelrouten durch das Viertel vorge- schlagen. Jeden ersten Freitag im Monat öffnen übrigens im Viertel die Ateliers und Galerien ihre Türen für Kunstliebhaber. E-Gitarren. x Es finden regelmäßige Stadtführungen durch den Exchange District statt, jeden Freitagabend gibt es auch eine Design Quarter Tour! Wei- tere Inspiration fürs Shoppen, Schlemmen und Bummeln durch Win- M x nipegs flairreiche Altstadt und alle Unternehmen des Design Quarters von Winnipeg finden sich unter den Links im Infokasten. Rock Around Winnipeg Alle kanadischen Teenies träumten von einer Eishockeykarriere. Nur in Winnipeg wünschten sich die Jugendlichen E-Gitarren. Gute Wahl, denn einige wurden zu Weltstars. Ein verschmitztes Lächeln umspielt John Einarsons Mund, als er mit Ehrfurcht seine alte Schallplatte von Neil Young den neugierigen 74 winter/frühjahr 2018
x J nordamerika | Manitoba n Musikfans zeigt, die an der heutigen Magical Musical Tour durch Win- einzige Musikgröße Kanadas, die der Präriestaat hervorgebracht hat. nipeg teilnehmen. Was nach einem kitschigen Musik-Event klingt, ist Obwohl in Manitoba nur drei Prozent der Gesamtbevölkerung Ka- vielmehr eine Zeitreise in die Rock’n’Roll-Ära der Stadt. In die Sech- nadas wohnen, kommt mehr als jeder zehnte Musiker des Landes aus ziger, in denen sich John als Teenie in verrauchte Kellerclubs schlich, der Provinz. Jeder Kanadier kannte ihre Stimmen und Gesichter in den um seinen großen Idolen Neil Young, Burton Cummings und Randy Sechzigern. Einige von ihnen wurden Weltstars, wie die Bandmitglie- Bachman zu lauschen. der von The Guess Who und später in den Achtzigern die Crash Test Heute, fünfzig Jahre später, ist John Musikhistoriker und Autor und Dummies. Und der »Father of Grunge« natürlich, Neil Young. mit den meisten Musikergrößen aus Winnipeg bekannt. Er trifft den Vor dessen altem Wohnhaus erzählt John die Geschichte, wie einst Old-Man-Sänger privat in Kalifornien und bringt ihm dessen Lieb- Bob Dylan den jetzigen Bewohnern einen Besuch abstattete. Abends lings-Donut aus dem Salisbury House Restaurant mit. Neil Young be- gab der Weltstar aus den USA ein Konzert in der Stadt und nutzte sucht die Stadt regelmäßig – und hat sogar seinen Hund nach Winni- den Tag, um auf den Spuren seines Idols die Stadt zu erkunden. Wei- peg benannt. John erwähnt gerne frech, einmal als Ersatzgitarrist mit tere Stopps von Bob Dylan waren Neil Youngs Highschool und längst Neil Young auf der Bühne gespielt zu haben. Aber das sei lange her, geschlossene Rock’n’Roll-Clubs aus der Zeit, die wir auch besuchen. winkt er beiläufig ab. Aber wer weiß, wohin er muss, findet Spuren der großen Musiker Im Salisbury House Restaurant auf dem Pembina Highway präsen- überall in der Stadt verteilt. Und John kennt sie, die Wandgemälde zu tiert eine Glasvitrine am Eingang Musik aus Manitoba. Auch wir ma- Ehren von The Guess Who oder das verstaubte St. Vital Museum, in chen hier Halt. Aus den unzähligen Schwarzweißfotografien und alten, dem in einer Ecke an der Wand die von Jim Kale gesponserten golde- teils signierten Gitarren wird schnell klar – Neil Young ist nicht die nen Schallplatten hängen. MEIERS WELTREISEN • Eine Marke der DER Touristik Deutschland GmbH • 60424 Frankfurt • AN-1734/17 Die Schönheit Kanadas erleben! Selbstfahrer-Rundreise Alberta Highlights Highlights: Calgary und Edmonton, Nationalparks Banff, Jasper, Waterton und die Badlands 14 Nächte Rundreise ab/bis Calgary, Eintritt Royal Tyrrell Museum in Drumheller, Mietwagen der Kategorie Economy Pro Person im DZ ab € 1.145 Flug ab/bis Deutschland mit Air Canada, Rail&Fly Pro Person ab € 870 Weitere Informationen und Buchung in Ihrem Reisebüro und auf www.meiers-weltreisen.de DER SPEZIALIST FÜR ALLES FERNE. reisen exclusiv 75
nordamerika | Manitoba Fotos: Marie Tysiak (8), Maximillian Muench, Canadian Museum for Human Rights, The John Einarson Collection, Tourism Winnipeg/Grajewski Fotograph In einem weißen Mini-Van führt John Einarson die 20-köpfige Teilnehmer-Crew leidenschaftlich durch seine Musik-Lieblingsstadt. Größtenteils Winnipeger Musikfans in ausgewaschenen Rock-Print- shirts, die in den Sechzigern aufgewachsen sein müssten sind mit von der Partie – mit Ausnahme von mir ist noch ein weiterer extra an- gereister Tourist dabei. Auf einem zum Thema authentischen alten Fernseher zeigt John unterwegs Aufnahmen der Stadt und Musiker aus der damaligen Zeit. Viele von den vergilbten Fotografien haben ihm die Musiker eigens zur Verfügung gestellt. Natürlich werden seine Erzählungen immer wieder mit Musik untermalt. Nach drei Stunden Zeitreise ist die Tour beendet. Mit Witz und Wissen hat John es geschafft, die fetzigen Sechziger lebendig zu erhal- ten und für die Rocklegenden der Stadt zu begeistern. Selbst für mich war es ein nostalgischer Spaß, dabei war ich zu den Wirkzeiten von Neil Young nicht einmal geboren. Young sagte einst, »Rock’n’Roll is here to stay.« Wie recht er in Winnipeg doch hat. info Human Rights Museum www.humanrights.ca Design Quarter Tour www.designquarterwinnipeg.ca http://bit.ly/2yx38Mt Magical Musical Tour Seit 2012 findet die Tour an ausgewählten Donnerstagabenden und Sonntagvormittagen von Juli bis Augenschmaus: Wenn die Sonne am Red River versinkt, September statt. Die Tour kann online über Heartland Travel and versammeln sich stille Beobachter am Ufer – und genießen Tours gebucht werden. http://heartlandtravel.ca/book-a-tour/ andächtig. magical-musical-history-tour/ Bx Mehr Infos gibt es unter: https://kanadastisch.de und unter: www.travelmanitoba.com/de Lecker Leibspeise: Im siebten Donut-Himmel wähnen sich die Besucher des Exchange District. Wie das duftet! 76 reisen exclusiv winter/frühjahr 2018
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