Im Herzen Kanadas Winnipeg

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Im Herzen Kanadas Winnipeg
nordamerika | Manitoba

                                  v
         Winnipeg
       Im Herzen
        Kanadas
              Winnipeg ist das Gegenteil von dem, was seine
                Lage inmitten der flachen PrärieProvinz
                 Manitoba vermuten lässt. Sie avanciert
                    zum Städte-Geheimtipp in Kanada.
                       Marie Tysiak war zu Besuch
                               in »The Peg«.

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Im Herzen Kanadas Winnipeg
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Im Herzen Kanadas Winnipeg
nordamerika | Manitoba

W              »Willkommen im Herzen Kanadas«,
               werde ich am internationalen Flug-
               hafen in Winnipeg begrüßt. Das
               ist allerdings nur fast richtig: Der
               ost-westliche geografische Mittel-
               punkt Kanadas liegt etwa 20 Kilo-
               meter östlich der Hauptstadt in der
               Prärie. Das stört die Symbolik aller-
               dings wenig – denn die historische
               Industriestadt vereint alten Rail-
               road-Charme mit Rock’n’Roll-Ge-
               schichte und jüngstem innovativen
               Unternehmergeist. Auch steckt die
               Metropole mitten im Strukturwan-
               del und zeigt sich dabei multikultu-
               rell und tolerant. Die Stadt im Her-
               zen Kanadas ist im Umbruch, das
               spürt man sofort.

               Neu, einzigartig und
               schon ein Wahrzeichen

               Seit 2014 schmückt noch ein anderes
               Gebäude den beliebten Treffpunkt »The
               Forks« aus Park, Shopping, Events und
               Kultur: das kanadische Museum für
               Menschenrechte, das erste seiner Art
               weltweit. Vorm Eintreten in das ein-
               drucksvolle Haus bleibe ich stehen
               und werfe den Kopf in den Nacken,
               um das Kunstwerk von Bauwerk in
               seiner ganzen Pracht bestaunen zu

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Im Herzen Kanadas Winnipeg
tropisch | Queensland

Die Winnipeger lieben ihr
neues Wahrzeichen

                                                I
            Weltbewegend: Das kanadische Museum für
     Menschenrechte ist eine Ikone der Stadt – aber auch
                           ein Vorbild für die ganze Welt.

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nordamerika | Manitoba

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 Besitzer Sean schneidet plaudernd die handgemachte Pasta. Diese serviert er anschließend den Gästen in seinem Restaurant
 »The Mitchell Block«. Der Exchange District ist Food-Hotspot – genau wie die Markthallen am »The Forks«.

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Im Herzen Kanadas Winnipeg
Zephyra Vun, Geschäftsführerin vom Design
                                                     Quarter, liebt die Kreativität ihrer Stadt,
                                                                      dem »Berlin of Canada«.

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können. Kein Wunder, dass das helmartige Gebäude es schnell zur
Ikone der Stadt geschafft hat. Es glitzert silbern in der Sonne und macht
neugierig auf seinen Inhalt. In der dunklen, mit Lichtinstallationen
bestückten Eingangshalle treffe ich Matthew McRae. Er arbeitet mit
Leidenschaft für das Museum und führt mich durchs Haus. Die Mu-
seumsbesucher arbeiten sich kreisförmig aus dem dunklen Rumpf in
den hellen Turm des Gebäudes hinauf, quer durch die Geschichte der
Menschenrechte. Auf dem Weg werden ihnen inspirierende Geschich-
ten erzählt, herausragende Persönlichkeiten, aber auch Grausamkeiten
der Vergangenheit und Gegenwart vorgestellt. Viele der Geschichten
hat Matthew eigens mitrecherchiert. Wie die des Prom-Kleides auf
der siebten Etage, das die Ereignisse des ersten, nicht nach Hautfar-
be getrennten Abschlussballs der Wilcox High School in Georgia im
Jahr 2013 erzählt. »Die Winnipeger lieben ihr neues Wahrzeichen«,
erzählt mir Matthew voller Begeisterung und auch mit etwas Stolz in            Nicht selten waren die Brüder nach zwei Stunden ausverkauft – sie
der Stimme. Völlig zu Recht, wie ich finde. Das moderne Museum ist          kamen mit dem Nachbacken einfach nicht hinterher. Mittlerweile ba-
toll. Problemlos lässt sich ein ganzer Tag hier verbringen. Allein das      cken sie ausreichend Donuts, der Laden ist halb leer, und ich bestelle
bewegende und beeindruckende Videomaterial des Museums umfasst              in dem modern und minimalistisch eingerichteten Lädchen einen Kür-
100 Stunden. Unzählige Fotografien, interaktive Spiele und Kunstins-        bis-Käsekuchen-Donut. Kein Wunder, dass die Leute anstanden – ich
tallationen der First Nations regen dazu an, sich mit dem so wichtigen      schaffe es mit dem riesigen und herzhaften Donut to-go kaum bis zur
Thema Menschenrechte auseinanderzusetzen. Matthew entlässt mich             Tür, da habe ich ihn schon fast verdrückt.
schließlich im sonnendurchfluteten »Tower of Hope«, dessen Glaswän-            Bitte setzen! Hinter dem Old Market Square – in der Mitte des
de einen grandiosen Ausblick auf Winnipeg bieten.                           Platzes prangt ein meterhoher abstrakter Aluminiumwürfel, der zu
    Hinunter blickt man auf die beschauliche Hochhäuser-Skyline der         einer Seite aufgeklappt ist und dessen Inneres sich im Sommer zur

                               M
multikulturellen Provinzhauptstadt, deren Bewohner zu etwa zehn             abendlichen Konzertbühne verwandelt – biege ich links ab, und keine
Prozent den Stämmen der First Nations angehören. Die Stadt möchte           fünf Bummelminuten später kann ich nicht widerstehen, und das Ein-
mit ihrem einzigartigen Museum ein Zeichen für die Welt setzen und          gangsglöckchen zu einem kleinen Möbelladen klingelt, als ich eintrete.
sich bewusst tolerant präsentieren – im Herzen Kanadas.                        In dem großen Verkaufsraum befinden sich Stühle, Tische und Lam-
                                                                            pen in buntesten Farben und ungewöhnlichsten Formen, besonders die
                                                                            grün-metallenen Barhocker im Schaufenster haben es mir angetan. Hut
Winnipegs Altstadt im Umbruch                                               K ist ein Möbeldesign-Label von jungen Designstudenten der Univer-
                                                                            sität in Manitoba, das sie vor gut fünf Jahren in Winnipeg gegründet
Ich habe ein Lieblingsviertel in Winnipeg gefunden: den Exchange            haben. Eine junge Frau begrüßt mich und stellt sich als Nina vor, sie
District. Aus Alt mach Neu: Viele der historischen Gebäude aus der          designe die Möbel. Leider passt keines dieser tollen Möbelstücke in
Zeit der Industrialisierung stehen im Exchange District. Dort reihen        meinen kleinen Koffer, und ich verabschiede mich.
sich auf 20 Häuserblocks verteilt mehr als 150 von ihnen aneinander.           Eine verrückte Nudel kommt selten allein: Fürs Abendessen ent-
Dieses Viertel ist damit die größte Altstadt Nordamerikas. Das Beste        scheide ich mich für Pasta im The Mitchell Block. Auf der McDer-
ist, dass sich in den alten Fabrikgebäuden in den letzten Jahren tren-      mot Avenue fertigt Sean seine Pasta per Hand mit einer ganz klas-
dige Restaurants, hippe Dachterrassen-Bars, Ateliers und innovative         sischen Nudelwalze an; seine stark tätowierten Arme drehen fleißig
Design- und Modeunternehmen niedergelassen haben. Noch ist der              an der Handkurbel, während die dunklen Macaroni mit Auberginen-
Strukturwandel in vollem Gange und versprüht eine kreative, ausge-          geschmack auf den Tisch purzeln. Serviert wird mit viel Liebe zum
lassene Atmosphäre in den alten Backsteinblöcken. Fast schon hipster,       Detail, das Essen schmeckt himmlisch.
aber doch einzigartig kreativ. Kleine Beispiele gefällig?
    Backe, backe, Donut: Ich spaziere nicht lange durch die Hochhaus-
schluchten, als ich vom ersten Jungunternehmens-Juwel angezogen
werden. Immer der Nase nach, lande ich vor den Glastüren von Bro-
nuts, durch die der herrliche Duft nach frischen Donuts auf die King
Street hinauszieht. Seit 2015 backen hier zwei Brüder die köstlichen           M wie Mö-
Teigteilchen – acht verschiedene Kringel stehen zur Auswahl, jeden           beldesign –
Monat wechselt das Special. Anfangs standen die Winnipeger Schlan-          Design made
ge für die rasch stadtbekannten Donuts aus dem Exchange District.            in Winnipeg

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Im Herzen Kanadas Winnipeg
nordamerika | Toronto

träumten von einer
Eishockeykarriere.
Nur in Winnipeg
                       A
Alle kanadischen Teenies
                                   Wimmelbild: Guide John Einarson verrät, welche Plattencover in
                                   dem Graffity zu Ehren der Band »Guess Who« versteckt sind.

                                   Gleich nebenan im Forth gönne ich mir noch einen letzten Drink.
                                Hier treffen sich abends Jung und Alt auf einen Feierabend-Drink in
                                der lampengeschmückten Rooftop-Bar. Auf der winzigen und doch
                                gemütlichen Terrasse zwischen den historischen Backsteingebäuden
                                werden leckere Cocktails serviert; die Kulisse ist unschlagbar.
                                   Ganz, ganz neu: das Design Quarter. Der Exchange District ist toll.
                                Damit man bei den ganzen innovativen Lädchen und Restaurants noch
                                den Überblick behält, haben sich knapp 50 lokale Unternehmen der
                                Szeneviertel Exchange District, Downtown und The Forks Anfang des
                                Jahres zum The Design Quarter zusammengeschlossen. Auf der In-
wünschten sich die              ternetseite oder dem Stadtplan vom Design Quarter werden einem, je

Jugendlichen                x   nach Interessen, verschiedene Bummelrouten durch das Viertel vorge-
                                schlagen. Jeden ersten Freitag im Monat öffnen übrigens im Viertel die
                                Ateliers und Galerien ihre Türen für Kunstliebhaber.

E-Gitarren.           x            Es finden regelmäßige Stadtführungen durch den Exchange District
                                statt, jeden Freitagabend gibt es auch eine Design Quarter Tour! Wei-
                                tere Inspiration fürs Shoppen, Schlemmen und Bummeln durch Win-

M                           x   nipegs flairreiche Altstadt und alle Unternehmen des Design Quarters
                                von Winnipeg finden sich unter den Links im Infokasten.

                                Rock Around Winnipeg

                                Alle kanadischen Teenies träumten von einer Eishockeykarriere. Nur
                                in Winnipeg wünschten sich die Jugendlichen E-Gitarren. Gute Wahl,
                                denn einige wurden zu Weltstars.
                                   Ein verschmitztes Lächeln umspielt John Einarsons Mund, als er
                                mit Ehrfurcht seine alte Schallplatte von Neil Young den neugierigen

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x                  J
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                                                                                                                                                    n
Musikfans zeigt, die an der heutigen Magical Musical Tour durch Win-      einzige Musikgröße Kanadas, die der Präriestaat hervorgebracht hat.
nipeg teilnehmen. Was nach einem kitschigen Musik-Event klingt, ist          Obwohl in Manitoba nur drei Prozent der Gesamtbevölkerung Ka-
vielmehr eine Zeitreise in die Rock’n’Roll-Ära der Stadt. In die Sech-    nadas wohnen, kommt mehr als jeder zehnte Musiker des Landes aus
ziger, in denen sich John als Teenie in verrauchte Kellerclubs schlich,   der Provinz. Jeder Kanadier kannte ihre Stimmen und Gesichter in den
um seinen großen Idolen Neil Young, Burton Cummings und Randy             Sechzigern. Einige von ihnen wurden Weltstars, wie die Bandmitglie-
Bachman zu lauschen.                                                      der von The Guess Who und später in den Achtzigern die Crash Test
    Heute, fünfzig Jahre später, ist John Musikhistoriker und Autor und   Dummies. Und der »Father of Grunge« natürlich, Neil Young.
mit den meisten Musikergrößen aus Winnipeg bekannt. Er trifft den            Vor dessen altem Wohnhaus erzählt John die Geschichte, wie einst
Old-Man-Sänger privat in Kalifornien und bringt ihm dessen Lieb-          Bob Dylan den jetzigen Bewohnern einen Besuch abstattete. Abends
lings-Donut aus dem Salisbury House Restaurant mit. Neil Young be-        gab der Weltstar aus den USA ein Konzert in der Stadt und nutzte
sucht die Stadt regelmäßig – und hat sogar seinen Hund nach Winni-        den Tag, um auf den Spuren seines Idols die Stadt zu erkunden. Wei-
peg benannt. John erwähnt gerne frech, einmal als Ersatzgitarrist mit     tere Stopps von Bob Dylan waren Neil Youngs Highschool und längst
Neil Young auf der Bühne gespielt zu haben. Aber das sei lange her,       geschlossene Rock’n’Roll-Clubs aus der Zeit, die wir auch besuchen.
winkt er beiläufig ab.                                                       Aber wer weiß, wohin er muss, findet Spuren der großen Musiker
    Im Salisbury House Restaurant auf dem Pembina Highway präsen-         überall in der Stadt verteilt. Und John kennt sie, die Wandgemälde zu
tiert eine Glasvitrine am Eingang Musik aus Manitoba. Auch wir ma-        Ehren von The Guess Who oder das verstaubte St. Vital Museum, in
chen hier Halt. Aus den unzähligen Schwarzweißfotografien und alten,      dem in einer Ecke an der Wand die von Jim Kale gesponserten golde-
teils signierten Gitarren wird schnell klar – Neil Young ist nicht die    nen Schallplatten hängen.

                                                                                                                                                        MEIERS WELTREISEN • Eine Marke der DER Touristik Deutschland GmbH • 60424 Frankfurt • AN-1734/17
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                                                                                          Selbstfahrer-Rundreise
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                                                                                          Highlights: Calgary und Edmonton, Nationalparks
                                                                                          Banff, Jasper, Waterton und die Badlands
                                                                                          14 Nächte
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                                                                                                                   Pro Person im DZ ab € 1.145
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Im Herzen Kanadas Winnipeg
nordamerika | Manitoba

                                                                                                                                       Fotos: Marie Tysiak (8), Maximillian Muench, Canadian Museum for Human Rights, The John Einarson Collection, Tourism Winnipeg/Grajewski Fotograph
                                                              In einem weißen Mini-Van führt John Einarson die 20-köpfige
                                                           Teilnehmer-Crew leidenschaftlich durch seine Musik-Lieblingsstadt.
                                                           Größtenteils Winnipeger Musikfans in ausgewaschenen Rock-Print-
                                                           shirts, die in den Sechzigern aufgewachsen sein müssten sind mit von
                                                           der Partie – mit Ausnahme von mir ist noch ein weiterer extra an-
                                                           gereister Tourist dabei. Auf einem zum Thema authentischen alten
                                                           Fernseher zeigt John unterwegs Aufnahmen der Stadt und Musiker
                                                           aus der damaligen Zeit. Viele von den vergilbten Fotografien haben
                                                           ihm die Musiker eigens zur Verfügung gestellt. Natürlich werden seine
                                                           Erzählungen immer wieder mit Musik untermalt.
                                                              Nach drei Stunden Zeitreise ist die Tour beendet. Mit Witz und
                                                           Wissen hat John es geschafft, die fetzigen Sechziger lebendig zu erhal-
                                                           ten und für die Rocklegenden der Stadt zu begeistern. Selbst für mich
                                                           war es ein nostalgischer Spaß, dabei war ich zu den Wirkzeiten von
                                                           Neil Young nicht einmal geboren. Young sagte einst, »Rock’n’Roll is
                                                           here to stay.« Wie recht er in Winnipeg doch hat.

                                                           info
                                                                  Human Rights Museum www.humanrights.ca
                                                                  Design Quarter Tour www.designquarterwinnipeg.ca
                                                                  http://bit.ly/2yx38Mt
                                                                  Magical Musical Tour Seit 2012 findet die Tour an ausgewählten
                                                                  Donnerstagabenden und Sonntagvormittagen von Juli bis
Augenschmaus: Wenn die Sonne am Red River versinkt,               September statt. Die Tour kann online über Heartland Travel and
versammeln sich stille Beobachter am Ufer – und genießen          Tours gebucht werden. http://heartlandtravel.ca/book-a-tour/
andächtig.                                                        magical-musical-history-tour/

                                                                                        Bx
                                                                  Mehr Infos gibt es unter: https://kanadastisch.de und unter:
                                                                  www.travelmanitoba.com/de

                                                                                                   Lecker

                                                                                                            Leibspeise: Im siebten
                                                                                                            Donut-Himmel wähnen
                                                                                                            sich die Besucher des
                                                                                                            Exchange District. Wie
                                                                                                            das duftet!

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Im Herzen Kanadas Winnipeg
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