Winterreise BALLETT VON ROBERTO SCAFATI - mit Musik von Franz Schubert und Jóhann Jóhannsson - Theater Trier

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Winterreise BALLETT VON ROBERTO SCAFATI - mit Musik von Franz Schubert und Jóhann Jóhannsson - Theater Trier
Winterreise
BALLETT VON ROBERTO SCAFATI
mit Musik von Franz Schubert und
Jóhann Jóhannsson

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Winterreise BALLETT VON ROBERTO SCAFATI - mit Musik von Franz Schubert und Jóhann Jóhannsson - Theater Trier
Winterreise
BALLETT VON ROBERTO SCAFATI
Mit Musik von Franz Schubert und Jóhann Jóhannsson

URAUFFÜHRUNG 17.10.2020
THEATER TRIER, GROSSES HAUS

Aufführungsdauer ca. 1 Stunde 40 Minuten
inklusive einer Pause

„Das Herz ist Herrscher, der Geist soll es seyn.
Nehmt die Menschen wie sie sind,
nicht wie sie seyn sollen.“

Ausschnitt aus Franz Schuberts Tagebuch, 17.06.1816

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Winterreise BALLETT VON ROBERTO SCAFATI - mit Musik von Franz Schubert und Jóhann Jóhannsson - Theater Trier
BESETZUNG
Bariton // Matthias Bein
Klavier // Ketevan Rukhadze

Ein Wanderer // Leonardo Germani
Gruppe // Francesco Aversano, Sofia Emanuela Cappelli,
Vittoria Carpegna, Peng Chen, Laura Evangelisti, Leonardo Germani,
Damien Nazabal, Morgan Perez, Giulia Pizzuto, Giorgio Strano,
Prima Tharathep, Madhav Davide Valmiki*
Tonbandstimme // Giovanni Rupp

Choreografie und Inszenierung // Roberto Scafati
Bühne // Yoko Seyama
Kostüme // Rosa Ana Chanzá
Dramaturgie // Anna-Luella Zahner
Ballettmeister und Assistent // Joe Monaghan
Inspizienz // Juliane Hlawati

* Bitte entnehmen Sie die aktuelle Besetzung den Aushängen.

 Alle Tänzerinnen und Tänzer, die sich während der Vorstellung berühren sind Teil
 eines Hausstands.

STAB
Technischer Direktor Alexander Roy | Produktionsleitung Joachim Schmitt |
Leiterin der Beleuchtungsabteilung Anne-Kathrein Mier |
Leiter der Tonabteilung Thomas Schilling

Chefmaskenbildnerin Susanne Erbel | Leiterin der Requisite Jessica Beer |
Leiterin der Kostümabteilung Carola Vollath | Stellv. Leiterin der Kostümabteilung
Yvonne Wallitzer | Leiterin der Herrenschneiderei und Gewandmeisterin Monika
Derleth | Leiterin der Damenschneiderei und Gewandmeisterin Monika Born |
Modistin Christina Bartelmes

Leiter der Schreinerei Franz-Josef Oberhausen | Schlosserei Christian Trampert |
Leiter des Malersaals Manfred Zepf | Leiter der Dekorationsabteilung Christian
Engeln | Haustechnik Siegfried Palzer
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Winterreise BALLETT VON ROBERTO SCAFATI - mit Musik von Franz Schubert und Jóhann Jóhannsson - Theater Trier
Die getanzte Winterreise
Die Lieder von Schuberts Winterreise, gesungen von Bariton Matthias Bein und
begleitet von Pianistin Ketevan Rukhadze, von denen bewusst nicht alle 24 ver-
wendet wurden, wechseln sich in diesem Abend mit Kompositionen des erst kürz-
lich verstorbenen isländischen Komponisten Jóhann Jóhannsson (1969−2018)
ab. Die verwendete Musik schrieb er für die Filme The Miners’ Hymns (2011) und
den Film Sicario (2015). Sie ergänzt die intime Kammermusik Schuberts mit tie-
fem musikalischen Raum und rhythmischen Wogen.

In Roberto Scafatis Ballett Winterreise folgen wir einem namenlosen Wanderer,
getanzt von Leonardo Germani, durch verschiedenste Seelenzustände. Durch
enttäuschte Liebe und Träume inmitten eines Winters. Von mehreren Wegweisern
in verschiedenen Gewändern, wie einer Krähe (Damien Nazabal) und eines Boten
(Peng Chen) verfolgt, sucht der Fremdling nach Erlösung. Unser Wanderer bleibt
seinem Wanderstab treu: „nur weiter, nur weiter“ (aus Das Wirtshaus), sieht drei
Sonnen, verkörpert von Vittoria Carpegna, Laura Evangelisti und Morgan Perez,
vor sich und erkennt doch immer wieder, dass er schlussendlich sich und seiner
Seele selbst gegenüber steht. Aus mehreren Liedern − wie etwa in Erstarrung −
ist zu hören, wie sich der Erzähler den Schmerz geradezu wünscht, damit er sich
an eine vergangene Liebe erinnern kann: „Wenn meine Schmerzen schweigen,
wer sagt mir dann von ihr?“. So ist es auch ein Anlauf und gewollter Sturz in die
eigene Empfindung, als Rebellion gegen Ordnung, Mäßigung und die Herrschaft
des Verstandes. Ein Sich-Verstehen-Wollen aus tiefstem Herzen.

                                    Liedtexte
                            Wilhelm Müller Winterreise

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Zur Entstehung der Winterreise
Im Namen der Werte der Französischen Revolution − Freiheit, Gleichheit, Brüder-
lichkeit − erobert Napoleon 1789 zahlreiche Länder und Königreiche, darunter
auch Gebiete in Deutschland und Österreich. Von nun an gilt das Credo der Auf-
klärung: Ratio − der Verstand über Mystik und Religion! Säkularisierung von Bil-
dung, Wissenschaft über Glaube. Durch die Abschaffung des „gottgegebenen“
Adels entstand eine neue Bürgerlichkeit, die sich hocharbeiten konnte. Addiert
man hierzu die Anfänge der industriellen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts
und das aufstrebende junge Amerika, so leuchtet der Anfang der heutigen Leis-
tungsgesellschaft recht deutlich auf.
Zur gleichen Zeit wurde Shakespeare erstmals ins Deutsche übersetzt und die
Volksmärchen der Gebrüder Grimm aufgeschrieben. Das Volkslied wird aus seiner
mündlichen Übertragung zum niedergeschriebenen Kunstlied erhoben. In Zeiten
des Fortschritts entsteht ein Wille zur Erhaltung des Vergangenen, des „Unschrift-
lichen“. Schubert selbst schreibt in seinen Tagebucheintrag am 29.3.1824: „O
Phantasie! Du höchstes Kleinod des Menschen (...) O bleibe noch bey uns, wenn
auch von Wenigen nur anerkannt und verehrt, um uns vor jener sogenannten Auf-
klärung, jenem häßlichen Gerippe ohne Fleisch und Blut, zu bewahren!“
Fokussieren wir den Blick zu dieser Zeit auf diesen jungen Franz Schubert
(1797−1828), vielleicht in einem Wiener Kaffeehaus sitzend, der den Gedicht-
zyklus von dem ebenso jungen Wilhelm Müller (1794−1827) zum ersten Mal in
dem „Urania − Taschenbuch auf das Jahr
1823“ liest. Er beschließt, sie unter dem
Titel Winterreise für Stimme und Klavier zu
vertonen und setzt sich eifrig an die Arbeit.
Zu dem Zeitpunkt seiner Komposition war
Schubert bereits an Syphilis erkrankt, einer
Geschlechtskrankheit, die in mehreren Sta-
dien verläuft. Zunächst mit milden Sympto-
men und Ausschlag, breitet sie sich nach
und nach im Körper aus. Mitunter verliert
Schubert seine Haare und trägt eine Perü-
cke, kann teils nur schwer sprechen, da die
Krankheit auch die Nervenbahnen angreift.
Unter häufigem Fieber und Schwindelanfäl-
len verbringt er seine letzten Wochen. Gern
                                                        Der junge Schubert,
                                                  Anfang des 19. Jhd. Porträt von
                                                      Josef Abel (1764−1818)
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erinnert er sich an die „Schubertiaden“ − Abende, an denen er seinen Freun-
den Kompositionen vorspielt, darunter auch der Dichter und Schauspieler Franz
von Schober, dem er als Zusammenführung ihrer beiden Namen den Spitznamen
„Schobert“ gibt.
Ihm schreibt er auch seinen letzten Brief:

Lieber Schober
12 November 1828

Ich bin krank. ich habe schon 11 Tage nichts gegessen und getrunken, und
wandle matt und schwankend von Sessel zu Bett und zurück.
Rinna behandelt mich. Wenn ich auch etwas genieße, so muß ich es gleich
wieder von mir geben. Sey also so gut, mir in dieser verzweiflungsvollen Lage
durch Lektüre zu Hülfe zu kommen. Von Cooper habe ich gelesen: den letzten
der Mohikaner, den Spion, den Lootsen und die Ansiedler. Solltest Du viel-
leicht noch was von ihm haben, so beschwöre ich Dich, mir solches bei der
Frau F. von Bogner im Kaffeehs. zu deponieren. mein bruder, die Gewissen-
haftigkeit selbst, wird solches am gewissenhaftigsten mir überbringen. Oder
auch etwas anderes.

Dein Freund Schubert.
(Anm: Rechtschreibung vom Original übernommen)

Dass Schubert sowohl Frauen als auch Männer liebte, bleibt bis heute eine Ver-
mutung, ist jedoch beim Lesen vieler seiner Briefe auch nicht auszuschließen.
Ob der Urheber der Gedichte, Wilhelm Müller, der selbst mit 33 Jahren starb, die
Lieder je gehört hat, ist unklar. Bestimmt hatten weder Dichter noch Komponist
absichtlich vor, jung zu sterben. Er hatte sich allerdings gewünscht, dass die Lie-
der vertont werden. Dem ist Franz Schubert auf brillante Weise nachgekommen.

                                Ausgewählte Briefe
                                von Franz Schubert

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ROMANTIK ALS
WIEDERKEHRENDE REBELLION
Die Romantik, zu der die Winterreise eindeutig gehört, vereint viele
Aspekte, die seitdem in der Kunst immer wieder auftauchen: das Stre-
ben nach Natur und Reise, Rebellion der Jugend über das Alter, eine
Faszination für das Übernatürliche und das Unbewusste, den Tod und
das Unendliche, eine Hinwendung zum Mittelalter und Volkstümlichen,
Leidenschaft über Verstand, Individuelles Erleben − aber vor allem:
Aufbegehren gegen Recht und Ordnung.

„Wake me up when it's all over“ − diese Zeilen, gesungen von Avicii,
dem jungen schwedischen Pop-Sänger, der sich erst vor zwei Jahren
das Leben nahm, verkörpern ein Lebensgefühl, das nicht immer akzep-
tiert wurde. Die Innenwelt der Gefühle zu besingen − vor allem, wenn
es um Einsamkeit und Entfremdung geht − scheint uns heute recht
normal. Das war es aber nicht immer. Die Epoche der Romantik (Ende
des 18. bis Ende des 19. Jahrhunderts) brach sich auf künstlerischer
Ebene ein Tor zum inneren Seelenleben und suchte geradezu nach
dem verdrängten Schmerz und Gefühl, der gesellschaftlich gesehen
„unerwünscht“ war. Auch das „Etabliert sein“, wie es die aufstrebende
Bürgerlichkeit verlangte, verursachte einen Widerwillen, vor allem in
den jungen Generationen. Auf der Suche nach dem „einfachen“ Leben,
fernab der Gesellschaft und dem Zwang des
Geldes, flüchtete man sich in eine Welt voller
Wunder und Mythen.

Vorbilder finden sich vor allem im Mittelalter,
unmittelbar vor dem Siegeszug der rational
eingestellten Aufklärung, in der die Welt durch
Aberglaube und Religion geradezu unschul-
dig wirkte. Warum nicht von Ort zu Ort zie-
hen und von seinen verlorenen Lieben sin-
gen, wie etwa der Minnesänger und -dichter
Walther von der Vogelweide? Auch er besang
schon damals den Lindenbaum, wie er auch
in der Winterreise vorkommt.
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                                                         Der „Träumer“
                                                  Walther von der Vogelweide
                                                       (ca. 1170−1230)
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ROMANTIK ALS WIEDERKEHRENDE REBELLION

Diese Idee findet sich auch in den folgenden Jahrhunderten wie-
der − nicht zuletzt in der Pop-Kultur: In einem Ausschnitt des
Films The Song Remains the Same von Led Zeppelin wird etwa
die − wenn auch etwas holprig wirkende − Hinwendung zu Mythos
und Magie der Hippie-Generation besonders deutlich. Ein weite-
res Beispiel ist Bob Dylan, der sich gar als „fahrender Geselle“ der
60er Jahre mit Mundharmonika inszenierte. Ian Bostridge, Opern-
sänger und Autor des Buches Schuberts Winterreise - Lieder von
Liebe und Schmerz, das auch den Prozess dieser Choreografie
begleitete, vergleicht das letzte Lied des Leiermanns mit Dylans
Mr Tambourine Man von 1965. Beide sind überall und nirgends
zuhause und singen „dem Volk“ ihre Lieder vor. Auch heute erleben
Folk Music und neue psychedelische Musikrichtungen − hier auch wie-
der die Verbindung zu dem Unbewussten − seit einigen Jahren ein
Comeback und das nicht ohne Grund: Auch die digitale Lebensweise
verursacht eine Sehnsucht nach Einfachheit und Flucht vor der Bere-
chenbarkeit des Lebens. Dass die Mittelklasse, aus der Schubert wie
Dylan stammten, Inspiration in dem „einfachen Leben“ sucht, bleibt
allerdings kein neues Phänomen.

Die Romantik und ihre Nostalgie der Vergangenheit hat Spuren hinter-
lassen, die bis heute zu finden − und zu hören − sind. Die jugendli-
chen Rebellionen Anfang des 19. und des 20. Jahrhunderts, die explo-
dierende Leichtigkeit der 1920er Jahre und später in den sechziger
Jahren bis heute ähneln sich in ihren Grundfesten und bilden einen
Gegenentwurf zu Normgesellschaft der Fünfziger oder der zunehmen-
den Entfremdung durch die Digitalisierung heute.

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DER WOHLIGE SCHAUER
DES DÜSTEREN
Zu diesen Sehnsüchten gesellt sich die Verehrung der Nacht als die
Zeit des Traumes und damit des Unbewussten − die zu Hauf ja auch
in der Winterreise vorkommt − und eröffnet eine Faszination für das
Düstere und Unbekannte. Krähen, Friedhöfe bzw. ein „Totenacker“, wie
er im Lied Das Wirtshaus vorkommt, sind Symbole für die Sehnsucht
nach dem Überschreiten der Schwelle in das Reich der Unendlichkeit.
Auch diese findet man spätestens seit den 80er Jahren wieder.
Von der Gothic Subkultur − die sich nicht zufällig auf die Gotik bezieht
− haben auch diese selbsternannten „Kinder der Nacht“ Seiten, die
man ohne Weiteres in anderen Schubert-Liedern wie dem Erlkönig wie-
derfinden kann. Die mittelalterliche Drehleiher, wie sie im letzten Lied
Der Leiermann besungen wird, kommt heutzutage wohl kaum häufiger
vor als im Gothic Genre und in Teilen der Metal Musik.
Als Beispiel hier zu hören ist eine moderne Version von Der Leiermann
von der Band The Covenant.

                                              Werbeplakat der 80er Jahre
                                              Band The Cure zu deutsch
                                              die Heilung für ihre Single
                                              Boys Don't Cry bzw. Jungs
                                              weinen nicht

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Die Sehnsucht nach
          Vergangenheit
AUS DIE DEUTSCHE ROMANTIK VON ECKART KLESSMANN

 „Die Französische Revolution und die mit ihr verbundenen Kriege hat-
 ten die Gesellschaft bis tief in ihre Fundamente erschüttert und bisher
 nie bezweifelte Werte in Frage gestellt. Die Sehnsucht nach einem all-
 umfassenden Reich des Friedens und der Völkergemeinschaft wuchs,
 zugleich das Bedürfnis nach verbindlichen Werten, die den Menschen
 einen geistigen Halt geben konnten. Für Novalis (Anm. Deutscher
 Dichter (1772−1801), einer der Begründer der deutschen Romantik)
 war die Französische Revolution die natürliche Konsequenz eines rati-
 onalistischen Zeitalters der Aufklärung, dem er vorwarf, „die unend-
 liche schöpferische Musik des Weltalls zum einförmigen Klappern
 einer ungeheuren Mühle“ entstellt zu haben. Einer eher philologischen
 Beschäftigung mit dem Mittelalter, einer Auseinandersetzung mit goti-
 schen Formelementen, stellten die Romantiker nun ihr Mittelalter-
 bild als eigene schöpferische und heilkräftige Konzeption entgegen,
 wobei sie besonders die Kraft der Gemeinschaft und der Fruchtbarkeit
 künstlerischer Schöpfung hervorhoben. Der herrschende Klassizismus
 berief sich auf die griechisch-römische Antike, die europäische Zivili-
 sation war französisch geprägt; ihnen stellte die Romantik, die sich auf
 ihre deutsche Vergangenheit berief, ein nationales Leitbild entgegen,
 das zunächst noch völlig frei von nationalistischer Verengung war.“

 (…)

 Zu dieser Zeit (Anm. um 1800) hatte Napoleon sich längst zum Herren
 von ganz Deutschland gemacht. Hatten ihn die Romantiker anfangs
 noch bewundert und gefeiert, so wurde er jetzt zunehmend zum
 Abbild des Antichristen.

 (…)

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Die deutsche Romantik gewann die Volksbücher und Volkslieder
zurück, sie eroberte sich erneut und endlich auch dauerhaft die deut-
sche Dichtung des Mittelalters zurück, sie gewann aber dazu auch die
arabische und provençalische Dichtung, die Texte des Sanskrit und
die romanische Barockdichtung. Sie holte Werte herein, als sie sich
zugleich nationalistisch verengte. Reaktionär und weltoffen, in die-
sem Dualismus bewegt sie sich, aber dieser Dualismus macht auch ihr
widersprüchliches Wesen aus.

Ein wahres romantisches Zauberwort wird „Wandern“. Die Helden der
romantischen Romane und Erzählungen sind fast ununterbrochen
unterwegs, und daß dieses Wandern nicht nur „selig“ genannt wer-
den darf, bezeugt die tiefste Auseinandersetzung mit diesem Thema:
Franz Schuberts Liederzyklus Winterreise, der stärker denn sonst alle
Romane, alle Erzählungen und Gedichte die rastlose Umgetriebenheit
des romantischen Menschen bezeugt.

                        Der Begriff der „blauen
                        Blume“ in der Romantik

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BIOGRAFIEN

JÓHANN JÓHANNSSON (1969−2018)
Berlin, 12.02.2018. Der isländische Filmmusikkomponist Johann Johannsson ist
tot. Er starb im Alter von 48 Jahren in Berlin. Mehrere seiner Filmmusiken waren
nominiert für den Musikpreis Grammy sowie für den Oscar. 2015 erhielt er für die
Musik zu dem Film Die Entdeckung der Unendlichkeit den Golden Globe. Seinen
ersten internationalen Erfolg brachte ihm die Musik zu dem Thriller Prisoners ein.
Neben den zahlreichen Filmmusiken spielte Johannsson zwei Alben mit eige-
nen Werken ein. (…) Jóhann Jóhannsson wurde 1969 im isländischen Reykjavik
geboren. Seine musikalische Ausbildung führte ihn über Klavier und Posaune in
Richtung Popularmusik. Er spielte als Jugendlicher in mehreren Bands. Über den
intensiven Kontakt mit dem Theater fand Jóhannsson zur Musik mit szenisch-
illustrierenden Funktionen und zur Filmmusik. Seine Musik zu Sicario war für den
Oscar sowie den Bafta nominiert. Stilistisch zeigte sich Jóhannsson als Eklek-
tizist, der Orchesterarrangements mit minimalistischen Einflüssen, barockem
Spielfigurenwerk und elektronischen Klängen verband.

WILHELM MÜLLER (1794−1827)
Die Winterreise von Franz Schubert: das sagt sich so, dabei ist es eigentlich die
Winterreise des Wilhelm Müller, aber der ist einer der großen Unbekannten der
deutschen Literaturgeschichte.
1794 als Sohn eines Dessauer Schneiders geboren, studierte Müller klassische
Philologie, Germanistik und Englisch in Berlin. Während des Studiums nimmt er
als freiwilliger Gardejäger an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil und
wird zum Leutnant ernannt. Bereits mit 22 Jahren veröffentlicht er Gedichte und
bereits mit 23 Jahren Italien.
Wilhelm Müller wird Lehrer für Latein und Griechisch an der Herzoglichen Gelehr-
tenschule in Dessau und wird herzoglicher Bibliothekar. Die Winterreise und
Die schöne Müllerin wird die Nachwelt erst durch die Vertonungen Franz Schu-
berts wirklich kennenlernen. Verheiratet, als Vater zweier Kinder und zum Hofrat
ernannt, stirbt Wilhelm Müller 1827, vermutlich infolge eines Herzinfarkts.

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FRANZ PETER SCHUBERT (1797−1828)
Geboren in Wien am 31. Januar 1797, lernt Franz Schubert Klavier-
spielen bei seinem Bruder Ignaz und komponiert bereits im Alter von
14 Jahren. Mit 21 wird er unter anderem Musiklehrer beim Grafen
Esterházy in Zseliz (heutiges Ungarn). Bis er im Alter von nur 31 Jah-
ren an den Folgen einer Syphilis-Erkrankung stirbt, vergehen noch
weitere zehn Jahre, in denen er als einer der ersten freischaffenden
Musiker arbeitet und einen Freundeskreis mit Gleichgesinnten findet.
Mit einigen dieser Freunde lebt er zeitweise auch zusammen. Schu-
bert lebte in der Zeit unter dem österreichischen Minister Clemens
Fürst von Metternich, die im Zeichen von Zensur und Unterdrückung
revolutionärer Gedanken stand und 20 Jahre nach Schuberts Tod in
der deutschen Revolution von 1848 gipfelte.
Als er stirbt, hinterlässt der junge Wiener Komponist der Welt fast
1.000 Werke, darunter Symphonien, Streichquartette und um die 700
Lieder, darunter auch den Zyklus der Winterreise.

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HINWEIS
Das Fotografieren sowie Film- und Tonaufnahmen während der Vorstellung dür-
fen wir aus rechtlichen Gründen leider nicht gestatten. Bitte schalten Sie Ihre
Mobiltelefone vor Beginn der Vorstellung aus. Vielen Dank!

TEXTNACHWEISE                                      BILDNACHWEISE

Die getanzte Winterreise, Romantik als             Die Produktionsfotos wurden während der
wiederkehrende Revolution und Der woh-             ersten Hauptprobe am 12. Oktober 2020
lige Schauer des Düsteren sind Original-           von Bettina Stöß aufgenommen.
beiträge von Anna-Luella Zahner für dieses
Programmheft unter Einbezug folgender              S. 5: Christoph Traxel
Quellen:                                           S. 6: Walther von der Vogelweide, Miniatur
Ian Bostridge, Schuberts Winterreise, Lieder von   aus der Manessischen Liederhandschrift,
Liebe und Schmerz, Ausg. 2015, Verlag: C.H.        fol124 r, Universitätsbibliothek Heidelberg
Beck.                                              S. 9: Der junge Schubert, Kunsthistori-
Eckart Klessmann, Die deutsche Romantik, Ausg.     sches Museum Wien, Sammlung alter
1997, Verlag: DuMont.                              Musikinstrumente. https://www.khm.at/
Die schönsten Schubert Briefe, Erich Valentin,     de/object/f6ada47e77/
Ausg. 1982, Verlag: Langen-Müller.                 S. 11: The Cure, Boys Don’t Cry
S. 12-13: Die Sehnsucht nach Vergangenheit.        https://www.closeup-shop.com/buy/
Auszug aus Die deutsche Romantik, Eckart           the-cure-poster-13517
Klessmann.
S. 14-15: Biografien zusammengestellt von Anna-
Luella Zahner zit. nach:
https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/
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nist-100.html.
                                                   antwortlich. Gleiches gilt für die Daten-
https://www.aerzteblatt.de/archiv/8619/Franz-
                                                   schutzmaßnahmen der entsprechenden
Schubert-Toedliche-Krankheit-unsterbliche-Musik.
                                                   Webseitenbetreibern.
https://www.deutschlandfunkkultur.
de/der-dichter-der-winterreise.950de.
html?dram:article_id=135582.

IMPRESSUM
                                                     DAS ENSEMBLE WIRD BETREUT VON
Theater Trier Spielzeit 2020/21
Am Augustinerhof 3 | 54290 Trier
Intendant Manfred Langner
Verwaltungsdirektor Herbert Müller

Redaktion Anna-Luella Zahner
Design Leila Abdalla
www.theater-trier.de
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