Winterreise BALLETT VON ROBERTO SCAFATI - mit Musik von Franz Schubert und Jóhann Jóhannsson - Theater Trier
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Winterreise BALLETT VON ROBERTO SCAFATI Mit Musik von Franz Schubert und Jóhann Jóhannsson URAUFFÜHRUNG 17.10.2020 THEATER TRIER, GROSSES HAUS Aufführungsdauer ca. 1 Stunde 40 Minuten inklusive einer Pause „Das Herz ist Herrscher, der Geist soll es seyn. Nehmt die Menschen wie sie sind, nicht wie sie seyn sollen.“ Ausschnitt aus Franz Schuberts Tagebuch, 17.06.1816 In diesem Heft finden Sie verschiedene klickbare Symbole. Diese führen Sie zu weiteren Texten und zusätzlichen Quellen: = Video = Musik = Liedtext = Dokumente
BESETZUNG Bariton // Matthias Bein Klavier // Ketevan Rukhadze Ein Wanderer // Leonardo Germani Gruppe // Francesco Aversano, Sofia Emanuela Cappelli, Vittoria Carpegna, Peng Chen, Laura Evangelisti, Leonardo Germani, Damien Nazabal, Morgan Perez, Giulia Pizzuto, Giorgio Strano, Prima Tharathep, Madhav Davide Valmiki* Tonbandstimme // Giovanni Rupp Choreografie und Inszenierung // Roberto Scafati Bühne // Yoko Seyama Kostüme // Rosa Ana Chanzá Dramaturgie // Anna-Luella Zahner Ballettmeister und Assistent // Joe Monaghan Inspizienz // Juliane Hlawati * Bitte entnehmen Sie die aktuelle Besetzung den Aushängen. Alle Tänzerinnen und Tänzer, die sich während der Vorstellung berühren sind Teil eines Hausstands. STAB Technischer Direktor Alexander Roy | Produktionsleitung Joachim Schmitt | Leiterin der Beleuchtungsabteilung Anne-Kathrein Mier | Leiter der Tonabteilung Thomas Schilling Chefmaskenbildnerin Susanne Erbel | Leiterin der Requisite Jessica Beer | Leiterin der Kostümabteilung Carola Vollath | Stellv. Leiterin der Kostümabteilung Yvonne Wallitzer | Leiterin der Herrenschneiderei und Gewandmeisterin Monika Derleth | Leiterin der Damenschneiderei und Gewandmeisterin Monika Born | Modistin Christina Bartelmes Leiter der Schreinerei Franz-Josef Oberhausen | Schlosserei Christian Trampert | Leiter des Malersaals Manfred Zepf | Leiter der Dekorationsabteilung Christian Engeln | Haustechnik Siegfried Palzer
Die getanzte Winterreise Die Lieder von Schuberts Winterreise, gesungen von Bariton Matthias Bein und begleitet von Pianistin Ketevan Rukhadze, von denen bewusst nicht alle 24 ver- wendet wurden, wechseln sich in diesem Abend mit Kompositionen des erst kürz- lich verstorbenen isländischen Komponisten Jóhann Jóhannsson (1969−2018) ab. Die verwendete Musik schrieb er für die Filme The Miners’ Hymns (2011) und den Film Sicario (2015). Sie ergänzt die intime Kammermusik Schuberts mit tie- fem musikalischen Raum und rhythmischen Wogen. In Roberto Scafatis Ballett Winterreise folgen wir einem namenlosen Wanderer, getanzt von Leonardo Germani, durch verschiedenste Seelenzustände. Durch enttäuschte Liebe und Träume inmitten eines Winters. Von mehreren Wegweisern in verschiedenen Gewändern, wie einer Krähe (Damien Nazabal) und eines Boten (Peng Chen) verfolgt, sucht der Fremdling nach Erlösung. Unser Wanderer bleibt seinem Wanderstab treu: „nur weiter, nur weiter“ (aus Das Wirtshaus), sieht drei Sonnen, verkörpert von Vittoria Carpegna, Laura Evangelisti und Morgan Perez, vor sich und erkennt doch immer wieder, dass er schlussendlich sich und seiner Seele selbst gegenüber steht. Aus mehreren Liedern − wie etwa in Erstarrung − ist zu hören, wie sich der Erzähler den Schmerz geradezu wünscht, damit er sich an eine vergangene Liebe erinnern kann: „Wenn meine Schmerzen schweigen, wer sagt mir dann von ihr?“. So ist es auch ein Anlauf und gewollter Sturz in die eigene Empfindung, als Rebellion gegen Ordnung, Mäßigung und die Herrschaft des Verstandes. Ein Sich-Verstehen-Wollen aus tiefstem Herzen. Liedtexte Wilhelm Müller Winterreise 4
Zur Entstehung der Winterreise Im Namen der Werte der Französischen Revolution − Freiheit, Gleichheit, Brüder- lichkeit − erobert Napoleon 1789 zahlreiche Länder und Königreiche, darunter auch Gebiete in Deutschland und Österreich. Von nun an gilt das Credo der Auf- klärung: Ratio − der Verstand über Mystik und Religion! Säkularisierung von Bil- dung, Wissenschaft über Glaube. Durch die Abschaffung des „gottgegebenen“ Adels entstand eine neue Bürgerlichkeit, die sich hocharbeiten konnte. Addiert man hierzu die Anfänge der industriellen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts und das aufstrebende junge Amerika, so leuchtet der Anfang der heutigen Leis- tungsgesellschaft recht deutlich auf. Zur gleichen Zeit wurde Shakespeare erstmals ins Deutsche übersetzt und die Volksmärchen der Gebrüder Grimm aufgeschrieben. Das Volkslied wird aus seiner mündlichen Übertragung zum niedergeschriebenen Kunstlied erhoben. In Zeiten des Fortschritts entsteht ein Wille zur Erhaltung des Vergangenen, des „Unschrift- lichen“. Schubert selbst schreibt in seinen Tagebucheintrag am 29.3.1824: „O Phantasie! Du höchstes Kleinod des Menschen (...) O bleibe noch bey uns, wenn auch von Wenigen nur anerkannt und verehrt, um uns vor jener sogenannten Auf- klärung, jenem häßlichen Gerippe ohne Fleisch und Blut, zu bewahren!“ Fokussieren wir den Blick zu dieser Zeit auf diesen jungen Franz Schubert (1797−1828), vielleicht in einem Wiener Kaffeehaus sitzend, der den Gedicht- zyklus von dem ebenso jungen Wilhelm Müller (1794−1827) zum ersten Mal in dem „Urania − Taschenbuch auf das Jahr 1823“ liest. Er beschließt, sie unter dem Titel Winterreise für Stimme und Klavier zu vertonen und setzt sich eifrig an die Arbeit. Zu dem Zeitpunkt seiner Komposition war Schubert bereits an Syphilis erkrankt, einer Geschlechtskrankheit, die in mehreren Sta- dien verläuft. Zunächst mit milden Sympto- men und Ausschlag, breitet sie sich nach und nach im Körper aus. Mitunter verliert Schubert seine Haare und trägt eine Perü- cke, kann teils nur schwer sprechen, da die Krankheit auch die Nervenbahnen angreift. Unter häufigem Fieber und Schwindelanfäl- len verbringt er seine letzten Wochen. Gern Der junge Schubert, Anfang des 19. Jhd. Porträt von Josef Abel (1764−1818) 6
erinnert er sich an die „Schubertiaden“ − Abende, an denen er seinen Freun- den Kompositionen vorspielt, darunter auch der Dichter und Schauspieler Franz von Schober, dem er als Zusammenführung ihrer beiden Namen den Spitznamen „Schobert“ gibt. Ihm schreibt er auch seinen letzten Brief: Lieber Schober 12 November 1828 Ich bin krank. ich habe schon 11 Tage nichts gegessen und getrunken, und wandle matt und schwankend von Sessel zu Bett und zurück. Rinna behandelt mich. Wenn ich auch etwas genieße, so muß ich es gleich wieder von mir geben. Sey also so gut, mir in dieser verzweiflungsvollen Lage durch Lektüre zu Hülfe zu kommen. Von Cooper habe ich gelesen: den letzten der Mohikaner, den Spion, den Lootsen und die Ansiedler. Solltest Du viel- leicht noch was von ihm haben, so beschwöre ich Dich, mir solches bei der Frau F. von Bogner im Kaffeehs. zu deponieren. mein bruder, die Gewissen- haftigkeit selbst, wird solches am gewissenhaftigsten mir überbringen. Oder auch etwas anderes. Dein Freund Schubert. (Anm: Rechtschreibung vom Original übernommen) Dass Schubert sowohl Frauen als auch Männer liebte, bleibt bis heute eine Ver- mutung, ist jedoch beim Lesen vieler seiner Briefe auch nicht auszuschließen. Ob der Urheber der Gedichte, Wilhelm Müller, der selbst mit 33 Jahren starb, die Lieder je gehört hat, ist unklar. Bestimmt hatten weder Dichter noch Komponist absichtlich vor, jung zu sterben. Er hatte sich allerdings gewünscht, dass die Lie- der vertont werden. Dem ist Franz Schubert auf brillante Weise nachgekommen. Ausgewählte Briefe von Franz Schubert 7
ROMANTIK ALS WIEDERKEHRENDE REBELLION Die Romantik, zu der die Winterreise eindeutig gehört, vereint viele Aspekte, die seitdem in der Kunst immer wieder auftauchen: das Stre- ben nach Natur und Reise, Rebellion der Jugend über das Alter, eine Faszination für das Übernatürliche und das Unbewusste, den Tod und das Unendliche, eine Hinwendung zum Mittelalter und Volkstümlichen, Leidenschaft über Verstand, Individuelles Erleben − aber vor allem: Aufbegehren gegen Recht und Ordnung. „Wake me up when it's all over“ − diese Zeilen, gesungen von Avicii, dem jungen schwedischen Pop-Sänger, der sich erst vor zwei Jahren das Leben nahm, verkörpern ein Lebensgefühl, das nicht immer akzep- tiert wurde. Die Innenwelt der Gefühle zu besingen − vor allem, wenn es um Einsamkeit und Entfremdung geht − scheint uns heute recht normal. Das war es aber nicht immer. Die Epoche der Romantik (Ende des 18. bis Ende des 19. Jahrhunderts) brach sich auf künstlerischer Ebene ein Tor zum inneren Seelenleben und suchte geradezu nach dem verdrängten Schmerz und Gefühl, der gesellschaftlich gesehen „unerwünscht“ war. Auch das „Etabliert sein“, wie es die aufstrebende Bürgerlichkeit verlangte, verursachte einen Widerwillen, vor allem in den jungen Generationen. Auf der Suche nach dem „einfachen“ Leben, fernab der Gesellschaft und dem Zwang des Geldes, flüchtete man sich in eine Welt voller Wunder und Mythen. Vorbilder finden sich vor allem im Mittelalter, unmittelbar vor dem Siegeszug der rational eingestellten Aufklärung, in der die Welt durch Aberglaube und Religion geradezu unschul- dig wirkte. Warum nicht von Ort zu Ort zie- hen und von seinen verlorenen Lieben sin- gen, wie etwa der Minnesänger und -dichter Walther von der Vogelweide? Auch er besang schon damals den Lindenbaum, wie er auch in der Winterreise vorkommt. ↓ Der „Träumer“ Walther von der Vogelweide (ca. 1170−1230) 9
ROMANTIK ALS WIEDERKEHRENDE REBELLION Diese Idee findet sich auch in den folgenden Jahrhunderten wie- der − nicht zuletzt in der Pop-Kultur: In einem Ausschnitt des Films The Song Remains the Same von Led Zeppelin wird etwa die − wenn auch etwas holprig wirkende − Hinwendung zu Mythos und Magie der Hippie-Generation besonders deutlich. Ein weite- res Beispiel ist Bob Dylan, der sich gar als „fahrender Geselle“ der 60er Jahre mit Mundharmonika inszenierte. Ian Bostridge, Opern- sänger und Autor des Buches Schuberts Winterreise - Lieder von Liebe und Schmerz, das auch den Prozess dieser Choreografie begleitete, vergleicht das letzte Lied des Leiermanns mit Dylans Mr Tambourine Man von 1965. Beide sind überall und nirgends zuhause und singen „dem Volk“ ihre Lieder vor. Auch heute erleben Folk Music und neue psychedelische Musikrichtungen − hier auch wie- der die Verbindung zu dem Unbewussten − seit einigen Jahren ein Comeback und das nicht ohne Grund: Auch die digitale Lebensweise verursacht eine Sehnsucht nach Einfachheit und Flucht vor der Bere- chenbarkeit des Lebens. Dass die Mittelklasse, aus der Schubert wie Dylan stammten, Inspiration in dem „einfachen Leben“ sucht, bleibt allerdings kein neues Phänomen. Die Romantik und ihre Nostalgie der Vergangenheit hat Spuren hinter- lassen, die bis heute zu finden − und zu hören − sind. Die jugendli- chen Rebellionen Anfang des 19. und des 20. Jahrhunderts, die explo- dierende Leichtigkeit der 1920er Jahre und später in den sechziger Jahren bis heute ähneln sich in ihren Grundfesten und bilden einen Gegenentwurf zu Normgesellschaft der Fünfziger oder der zunehmen- den Entfremdung durch die Digitalisierung heute. 10
DER WOHLIGE SCHAUER DES DÜSTEREN Zu diesen Sehnsüchten gesellt sich die Verehrung der Nacht als die Zeit des Traumes und damit des Unbewussten − die zu Hauf ja auch in der Winterreise vorkommt − und eröffnet eine Faszination für das Düstere und Unbekannte. Krähen, Friedhöfe bzw. ein „Totenacker“, wie er im Lied Das Wirtshaus vorkommt, sind Symbole für die Sehnsucht nach dem Überschreiten der Schwelle in das Reich der Unendlichkeit. Auch diese findet man spätestens seit den 80er Jahren wieder. Von der Gothic Subkultur − die sich nicht zufällig auf die Gotik bezieht − haben auch diese selbsternannten „Kinder der Nacht“ Seiten, die man ohne Weiteres in anderen Schubert-Liedern wie dem Erlkönig wie- derfinden kann. Die mittelalterliche Drehleiher, wie sie im letzten Lied Der Leiermann besungen wird, kommt heutzutage wohl kaum häufiger vor als im Gothic Genre und in Teilen der Metal Musik. Als Beispiel hier zu hören ist eine moderne Version von Der Leiermann von der Band The Covenant. Werbeplakat der 80er Jahre Band The Cure zu deutsch die Heilung für ihre Single Boys Don't Cry bzw. Jungs weinen nicht 11
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Die Sehnsucht nach Vergangenheit AUS DIE DEUTSCHE ROMANTIK VON ECKART KLESSMANN „Die Französische Revolution und die mit ihr verbundenen Kriege hat- ten die Gesellschaft bis tief in ihre Fundamente erschüttert und bisher nie bezweifelte Werte in Frage gestellt. Die Sehnsucht nach einem all- umfassenden Reich des Friedens und der Völkergemeinschaft wuchs, zugleich das Bedürfnis nach verbindlichen Werten, die den Menschen einen geistigen Halt geben konnten. Für Novalis (Anm. Deutscher Dichter (1772−1801), einer der Begründer der deutschen Romantik) war die Französische Revolution die natürliche Konsequenz eines rati- onalistischen Zeitalters der Aufklärung, dem er vorwarf, „die unend- liche schöpferische Musik des Weltalls zum einförmigen Klappern einer ungeheuren Mühle“ entstellt zu haben. Einer eher philologischen Beschäftigung mit dem Mittelalter, einer Auseinandersetzung mit goti- schen Formelementen, stellten die Romantiker nun ihr Mittelalter- bild als eigene schöpferische und heilkräftige Konzeption entgegen, wobei sie besonders die Kraft der Gemeinschaft und der Fruchtbarkeit künstlerischer Schöpfung hervorhoben. Der herrschende Klassizismus berief sich auf die griechisch-römische Antike, die europäische Zivili- sation war französisch geprägt; ihnen stellte die Romantik, die sich auf ihre deutsche Vergangenheit berief, ein nationales Leitbild entgegen, das zunächst noch völlig frei von nationalistischer Verengung war.“ (…) Zu dieser Zeit (Anm. um 1800) hatte Napoleon sich längst zum Herren von ganz Deutschland gemacht. Hatten ihn die Romantiker anfangs noch bewundert und gefeiert, so wurde er jetzt zunehmend zum Abbild des Antichristen. (…) 13
Die deutsche Romantik gewann die Volksbücher und Volkslieder zurück, sie eroberte sich erneut und endlich auch dauerhaft die deut- sche Dichtung des Mittelalters zurück, sie gewann aber dazu auch die arabische und provençalische Dichtung, die Texte des Sanskrit und die romanische Barockdichtung. Sie holte Werte herein, als sie sich zugleich nationalistisch verengte. Reaktionär und weltoffen, in die- sem Dualismus bewegt sie sich, aber dieser Dualismus macht auch ihr widersprüchliches Wesen aus. Ein wahres romantisches Zauberwort wird „Wandern“. Die Helden der romantischen Romane und Erzählungen sind fast ununterbrochen unterwegs, und daß dieses Wandern nicht nur „selig“ genannt wer- den darf, bezeugt die tiefste Auseinandersetzung mit diesem Thema: Franz Schuberts Liederzyklus Winterreise, der stärker denn sonst alle Romane, alle Erzählungen und Gedichte die rastlose Umgetriebenheit des romantischen Menschen bezeugt. Der Begriff der „blauen Blume“ in der Romantik 14
BIOGRAFIEN JÓHANN JÓHANNSSON (1969−2018) Berlin, 12.02.2018. Der isländische Filmmusikkomponist Johann Johannsson ist tot. Er starb im Alter von 48 Jahren in Berlin. Mehrere seiner Filmmusiken waren nominiert für den Musikpreis Grammy sowie für den Oscar. 2015 erhielt er für die Musik zu dem Film Die Entdeckung der Unendlichkeit den Golden Globe. Seinen ersten internationalen Erfolg brachte ihm die Musik zu dem Thriller Prisoners ein. Neben den zahlreichen Filmmusiken spielte Johannsson zwei Alben mit eige- nen Werken ein. (…) Jóhann Jóhannsson wurde 1969 im isländischen Reykjavik geboren. Seine musikalische Ausbildung führte ihn über Klavier und Posaune in Richtung Popularmusik. Er spielte als Jugendlicher in mehreren Bands. Über den intensiven Kontakt mit dem Theater fand Jóhannsson zur Musik mit szenisch- illustrierenden Funktionen und zur Filmmusik. Seine Musik zu Sicario war für den Oscar sowie den Bafta nominiert. Stilistisch zeigte sich Jóhannsson als Eklek- tizist, der Orchesterarrangements mit minimalistischen Einflüssen, barockem Spielfigurenwerk und elektronischen Klängen verband. WILHELM MÜLLER (1794−1827) Die Winterreise von Franz Schubert: das sagt sich so, dabei ist es eigentlich die Winterreise des Wilhelm Müller, aber der ist einer der großen Unbekannten der deutschen Literaturgeschichte. 1794 als Sohn eines Dessauer Schneiders geboren, studierte Müller klassische Philologie, Germanistik und Englisch in Berlin. Während des Studiums nimmt er als freiwilliger Gardejäger an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil und wird zum Leutnant ernannt. Bereits mit 22 Jahren veröffentlicht er Gedichte und bereits mit 23 Jahren Italien. Wilhelm Müller wird Lehrer für Latein und Griechisch an der Herzoglichen Gelehr- tenschule in Dessau und wird herzoglicher Bibliothekar. Die Winterreise und Die schöne Müllerin wird die Nachwelt erst durch die Vertonungen Franz Schu- berts wirklich kennenlernen. Verheiratet, als Vater zweier Kinder und zum Hofrat ernannt, stirbt Wilhelm Müller 1827, vermutlich infolge eines Herzinfarkts. 15
FRANZ PETER SCHUBERT (1797−1828) Geboren in Wien am 31. Januar 1797, lernt Franz Schubert Klavier- spielen bei seinem Bruder Ignaz und komponiert bereits im Alter von 14 Jahren. Mit 21 wird er unter anderem Musiklehrer beim Grafen Esterházy in Zseliz (heutiges Ungarn). Bis er im Alter von nur 31 Jah- ren an den Folgen einer Syphilis-Erkrankung stirbt, vergehen noch weitere zehn Jahre, in denen er als einer der ersten freischaffenden Musiker arbeitet und einen Freundeskreis mit Gleichgesinnten findet. Mit einigen dieser Freunde lebt er zeitweise auch zusammen. Schu- bert lebte in der Zeit unter dem österreichischen Minister Clemens Fürst von Metternich, die im Zeichen von Zensur und Unterdrückung revolutionärer Gedanken stand und 20 Jahre nach Schuberts Tod in der deutschen Revolution von 1848 gipfelte. Als er stirbt, hinterlässt der junge Wiener Komponist der Welt fast 1.000 Werke, darunter Symphonien, Streichquartette und um die 700 Lieder, darunter auch den Zyklus der Winterreise. 16
HINWEIS Das Fotografieren sowie Film- und Tonaufnahmen während der Vorstellung dür- fen wir aus rechtlichen Gründen leider nicht gestatten. Bitte schalten Sie Ihre Mobiltelefone vor Beginn der Vorstellung aus. Vielen Dank! TEXTNACHWEISE BILDNACHWEISE Die getanzte Winterreise, Romantik als Die Produktionsfotos wurden während der wiederkehrende Revolution und Der woh- ersten Hauptprobe am 12. Oktober 2020 lige Schauer des Düsteren sind Original- von Bettina Stöß aufgenommen. beiträge von Anna-Luella Zahner für dieses Programmheft unter Einbezug folgender S. 5: Christoph Traxel Quellen: S. 6: Walther von der Vogelweide, Miniatur Ian Bostridge, Schuberts Winterreise, Lieder von aus der Manessischen Liederhandschrift, Liebe und Schmerz, Ausg. 2015, Verlag: C.H. fol124 r, Universitätsbibliothek Heidelberg Beck. S. 9: Der junge Schubert, Kunsthistori- Eckart Klessmann, Die deutsche Romantik, Ausg. sches Museum Wien, Sammlung alter 1997, Verlag: DuMont. Musikinstrumente. https://www.khm.at/ Die schönsten Schubert Briefe, Erich Valentin, de/object/f6ada47e77/ Ausg. 1982, Verlag: Langen-Müller. S. 11: The Cure, Boys Don’t Cry S. 12-13: Die Sehnsucht nach Vergangenheit. https://www.closeup-shop.com/buy/ Auszug aus Die deutsche Romantik, Eckart the-cure-poster-13517 Klessmann. S. 14-15: Biografien zusammengestellt von Anna- Luella Zahner zit. nach: https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/ Für die Inhalte der verlinkten Webseiten johann-johannsson-tot-gestorben-filmkompo- zeichnet sich das Theater Trier nicht ver- nist-100.html. antwortlich. Gleiches gilt für die Daten- https://www.aerzteblatt.de/archiv/8619/Franz- schutzmaßnahmen der entsprechenden Schubert-Toedliche-Krankheit-unsterbliche-Musik. Webseitenbetreibern. https://www.deutschlandfunkkultur. de/der-dichter-der-winterreise.950de. html?dram:article_id=135582. IMPRESSUM DAS ENSEMBLE WIRD BETREUT VON Theater Trier Spielzeit 2020/21 Am Augustinerhof 3 | 54290 Trier Intendant Manfred Langner Verwaltungsdirektor Herbert Müller Redaktion Anna-Luella Zahner Design Leila Abdalla
www.theater-trier.de
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