WIR SIND FREI, EVANGELISCH UND GEMEINDE - GERNE FEG
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Gerne FeG verändernder Gnade. Die Gemeinde sollte da- rum, so Grafe, ein „Terrain der freien Gnade sein“. Unbestritten ist jedoch auch, dass jede Ansgar Hörsting ist Präses des Freiheit vom Kirchenregiment und staatlicher Bundes Freier evangelischer Beeinflussung für Grafe und die Gründerväter Gemeinden. wichtig und eine direkte Folge der „freien Gna- de“ war. Kein Lehramt, keine Institution steht zwischen dem Menschen und Gott. Das „allge- meine Priestertum“ betont den „freien Zugang“ „Nomen est omen“, sagen die einen. für jeden Mann und jede Frau zu Gott. Das hat- Der Name sei „Schall und Rauch“ te Grafe in Frankreich und der Schweiz gelernt und als Modell nach Deutschland gebracht. In meinen die anderen. Ansgar Hörsting diesem Sinne steht das „frei“ für „independent“ orientiert sich auf der Suche nach der (englisch) oder auch „libre“ (französisch). Identität von Freien evangelischen Ich plädiere heute für einen bewussten Um- gang mit dieser Bezeichnung unseres Namens. Gemeinden an deren Namen. Wir sind frei! Freiwilligkeit besteht, das ist un- bestritten. Aber das ist nicht alles. Zumal durch eine einseitige Betonung der Freiwilligkeit der Eindruck entstehen kann, die Gemeinde basiere auf unseren freiwilligen Entschlüssen anstatt auf Gottes Handeln. Wir sind auch frei Wir sind frei von Staat und Kirche. Aber das ist heute nicht mehr so aufregend, denn in vielen Ländern gibt In vielen Kurzvorstellungen betonen Freie es gar nichts anderes als „Freikirchen“. Jedoch evangelische Gemeinden, dass dieser erste zu beschreiben, wovon und wofür wir frei sind, Teil des Namens besage, dass wir uns frei- das lohnt sich. Freiheit zuerst als geistliche willig versammeln, freiwillig Geld geben Realität zu entdecken, das ist bedeutsam für und freiwillig Mitglieder einer FeG werden. Menschen von heute. Da entsteht ein Bild von Andere unterstreichen, dass wir frei von Staat echtem, geistlichem Leben, das wir und unsere und Kirchensteuer seien. Eine eher selten zu Zeitgenossen brauchen. findende Interpretation hat der evangelische Zuerst sind wir frei von der Leben zerstö- Theologe Helmut Lenhardt formuliert: Da für renden Macht der Sünde. Gott hat uns in Jesus den Gründer der ersten Freien evangelischen von dem befreit, was uns kaputt macht, was Gemeinde, Hermann Heinrich Grafe, die „freie uns von ihm trennt. Sünde versklavt, Jesus be- Gnade“ Dreh- und Angelpunkt des Glaubens freit. Wir sind frei von der erdrückenden Last war, wurde diese zum Namensgeber der neu der Sorgen, weil wir an einen Gott glauben, entstandenen Gemeinde. Dabei handelte es der für uns sorgt. Sorgen treiben uns an, Jesus sich bei diesem „frei“ um eine Übersetzung des trägt uns. Wir sind frei von der Last, aus eige- französischen „gratuit“, was soviel heißt wie ner Anstrengung Frieden mit Gott zu schaffen. „gratis“, also „frei zugänglich“, „kostenfrei“. Genießen wir diese wunderbare Freiheit der Kinder Gottes. Es ist wie ein Fest. Da uns dieser Sprachgebrauch heute fremd Diese Freiheit hat auch eine Zielrichtung. ist, fällt es schwer, diese inhaltliche Füllung Wir sind frei, um Gott anzubeten. Freiheit sprachlich zu vermitteln. Jedoch lohnt es, sich führt nicht zur Grenzen- oder Orientierungs- mit dem zu beschäftigen, was für Grafe und losigkeit, sondern zu Gott, dem Ziel unseres seine Zeitgenossen dahinter stand. Die „freie Lebens. Wir sind frei, um Menschen zu dienen, Gnade“ war für viele Zeitgenossen Grafes die für unsere Stadt und unser Land da zu sein, Entdeckung schlechthin. Zunächst ist damit oder einfach für den Nachbarn. Wir sind frei, die „freie Gnadenzuwendung“ Gottes gemeint. um alles hinzugeben für andere. Damit sie Je- Er selbst ist frei in seinem Handeln und nicht sus Christus kennenlernen. Wir sind frei, um Erfüllungsgehilfe menschlicher Vorstellungen. in dieser Welt zu leben, sie zu gestalten, Gottes Als direkte Folge davon ist gemeint: Wer diese Fülle zu entdecken und Gottes Reich mitten freie Gnade empfängt, ist frei von Selbstrecht- im Alltag zu feiern. Freiheit ist nie absolut, fertigung und kirchlich auferlegten Leistungen. sondern dient dem Leben, auch dem gemein- Heute würden wir das, was Grafe meinte, schaftlichen Leben. Freiheit hilft uns, klare wohl als ein authentisches, unverkrampftes, Positionen zu beziehen und nicht jeder Mode- von Gottes Geist erfülltes und verändertes welle hinterher zu schwimmen. Frei sind wir, Leben umschreiben, das hervorgerufen wird um als Gemeinde beweglich zu sein und nicht von Gottes eingreifender, befreiender und in althergebrachten Formen stecken zu bleiben. Christsein Heute 11/2008 9
Gerne FeG Freiheit entsteht, wenn wir mutig sind. Mutig zu betonen, seine göttliche und menschliche werden wir durch den Gehorsam gegenüber Natur zu lehren, seinen Anspruch allen an- Gottes Wort und dem Reden des Geistes. Und deren Heilsangeboten gegenüber aufrecht zu dies alles gründet in der Freiheit Gottes, in der erhalten. Größe und Souveränität Gottes und nicht in unserer Entscheidung. Allein die Gnade Freiheit – recht verstanden – ist der Dreh- und Angelpunkt für uns heute und vor allem Durch Gottes Gnade erkennen wir die Bedeu- für die Menschen unserer Zeit. Denn sie su- tung von Jesus Christus, empfangen Glauben chen nach Modellen, in denen sie einerseits als und darin neues Leben. Es ist Gott, der den Individuen ernst genommen werden und frei Menschen anspricht, führt, zum Glauben sind, andererseits jedoch Orientierung, Leit- bringt und Gemeinde gründet. Diese reforma- planken und Hilfen finden, wie sie leben kön- torische Betonung wurde von Grafe neu und nen. Freiheit in Jesus Christus als „geistliches mit einer besonderen Betonung der „freien Programm“ ist mehr als Freiwilligkeit und Frei- Gnade“ in den Mittelpunkt gestellt. Gnade darf heit von Institutionen. Freiheit in Christus ist nicht billig sein als eine Erteilung von Gnade, ein einzigartiges Leben, das auch heute Thema ohne dass danach gefragt wird. Jedoch auch ist. Freiheit, die nur in der Nähe und Nachfolge nicht zu teuer als eine Erteilung, die nur nach Jesu entsteht. Vorleistungen des Menschen gilt. Sie war teuer für Gott in Jesus Christus. Wer sie empfängt, Wir sind evangelisch erhält neues Leben. Von diesem geistlichen Aspekt aus gelangen Allein der Glaube wir im zweiten Schritt zu einem, den wir mit vielen Gemeinschaften und Werken, vor allem Glaube umfasst den richtigen Inhalt als auch mit den „Evangelischen Kirchen“ teilen. Auch das Vertrauen. Gesunde Lehre und persön- hier finden sich in der Geschichte verschiedene licher Bezug gehören zusammen. Der Glaube Begründungen. Oft ist zu lesen, dass wir uns stellt sich auf die Gnade in Jesus Christus evangelisch nennen, weil wir dem Evangelium aufgrund der Heiligen Schrift. Ein so verstan- gemäß leben wollen. Das wollen wir, jedoch dener Glaube rettet den Menschen und macht lohnt sich auch hier eine Rückbesinnung auf ihn zum Glied am Leib Christi und Teil der die Gründer der ersten Freien evangelischen Gemeinde. Deswegen gilt: Mitglied einer FeG Gemeinde. Evangelisch, das kann man mit den kann nur werden, wer an Jesus Christus glaubt. vier klassischen Schlagwörtern beschreiben Zugleich ist die Tür zu FeGs allen Glaubenden und zuspitzen. Sie beschreiben wesentliche offen. Identitätsmerkmale von FeGs. Vier Kernwörter, die mit dem Wort „allein“ beginnen und die ich Alle vier Kernwörter bezeichnen die Pfeiler un- hier nur andeuten kann: seres Glaubens. Wir sollten uns auf diese Weise zu unseren Wurzeln bekennen. Es sind Wur- Allein die Schrift zeln, die uns mit dem lebendigen Wasser und guten Nährstoffen versorgen. Sie zeigen uns Die Bibel ist verbindliche Grundlage für Glau- und anderen unsere Identität. Nicht zu eng und ben, Lehre und Leben im Bund Freier evange- nicht zu weit. Und sie sind hier nur angedeutet. lischer Gemeinden. Sie ist aller Auslegung und Es lohnt sich, weiter zu graben. Überlieferung vorgeordnet. Bei einzelnen Aus- Da es in der evangelischen Theologie und legungsfragen gibt es Gewissensfreiheit. Diese den evangelischen Kirchen manches gibt, was Freiheit bedeutet nicht Beliebigkeit, denn sie ist in Freien evangelischen Gemeinden kritisch an die Schrift gebunden. Nicht das Gewissen gesehen wird, hat für viele das „Gütezeichen ist verbindliche Grundlage, sondern die Schrift. evangelisch“ in den letzten Jahren gelitten. Dass allein die Schrift gilt, hat Martin Luther „Evangelisch“ ist für manche zum Synonym nicht davon abgehalten, in Christus die Mitte von „beliebig“ geworden. Die Entfernung von der Schrift zu sehen und die Bedeutung einzel- den beschriebenen vier Pfeilern ist zum Teil ner Schriften verschieden zu gewichten. mit Händen zu greifen. Aus diesem und an- deren Gründen hat sich das neue Wort „evan- Allein Christus gelikal“ etabliert. Damit soll eine Haltung beschrieben werden, die unter anderem an der Christus und sein Werk sind unser Leben. Nicht Autorität der Heiligen Schrift und der zentralen der Glaube des Menschen ist der Grund unseres Bedeutung Christi festhält. Es ist hier nicht Lebens und der Gemeinde, sondern Christus der Raum, diesen Begriff und die dahinter ste- selber. Seine einzigartige Stellung gilt es hende Bewegungen zu beschreiben. Wenn sich 10 Christsein Heute 11/2008
Gerne FeG Christen in unseren Gemeinden als „evangeli- Für uns gilt: Glaubende sind Menschen, die von kal“ bezeichnen, so definieren sie damit, wie sie Gottes Geist erweckt sind und in denen „evangelisch“ verstehen. In jedem Fall gilt: Wir Glauben an Jesus Christus wach gerufen sind evangelisch. wurde. Sie folgen Jesus Christus und gehören deswegen zu seiner Gemeinde. Aus diesem Wir sind Gemeinde Gemeindeverständnis und der zentralen Bedeu- tung des Glaubens heraus ergeben sich für uns Die Frage nach dem Verständnis von Gemeinde einige Folgerungen. war von den ersten Tagen an entscheidend. Dass Gemeinde Gottes nach dem Zeugnis der Bibel Das Abendmahl bzw. Mahl des Herrn ist „Gemeinde der Glaubenden“ ist und zugleich Tischgemeinschaft der an Christus Glau- alle Glaubenden Zugang zur Gemeinde haben benden mit ihrem Herrn und miteinander. sollen, ist eins der grundlegenden Merkmale der Diese Gemeinschaft hat eine hohe Bedeu- Freien evangelischen Gemeinden. Der Wunsch tung und wird von den FeGs gepflegt. war, durch diese Definition die Einheit der Kinder Gottes darstellen zu können. Als Folge Die Erkenntnis in Tauffragen soll einerseits dessen hat der Glaube und die Frage, wie er zu nicht trennend wirken, andererseits verstehen ist, bei uns höchste Bedeutung. Das taufen wir nur Glaubende, die die Taufe darf allerdings nicht dazu führen, den Glauben aufgrund ihres Glaubens wünschen. als menschliche Tat oder Leistung anzusehen. Kennzeichnend für unsere Tradition ist zwar, Es gibt besondere Dienste in der Gemeinde dass mehr Wert auf den Vollzug des Glaubens aber keinen besonderen oder lebenslangen (Vertrauen, Beziehung) als auf den Inhalt (Be- Stand bzw. Klerus. Solche hierarchischen kenntnis, rechte Lehre) gelegt wird. Das hat aber und religiösen Systeme schaffen eine künst- nie dazu geführt, dass die Inhalte aus dem Blick liche Distanz zu Gott und sind uns fremd. gerieten. Christsein Heute 11/2008 11
Gerne FeG Bundesstruktur schwächt langfristig die Entwicklung von starken Strukturen und Persönlichkeiten auf Ortsebene. I n unseren Gemeinden gibt es Gemeinde- zucht, denn es gibt die Grenze der Gemeinde. Diese Grenze muss beachtet wer- den, damit deutlich bleibt, •dass nur Glaubende zu Freien evange- lischen Gemeinden gehören, •dass alle Glaubenden Zugang zu Freien evangelischen Gemeinden haben und • dass dieser Glaube jedoch nicht beliebig, sondern verbindlich und als Nachfolge Jesu verstanden wird. G emeinde ist Lebensraum, in den der Glau- E ntscheidend ist, was man unter Gemeinde bende von Gott hineingestellt ist. Dort wird versteht und wie man sie beschreibt. Neben er geprägt und verändert. den schon erwähnten Stichworten ist festzu- halten, dass Gemeinde-Sein und Jünger-Sein D ie Ortsgemeinde ist selbstständig und einander entsprechen. Deswegen zugleich mit den anderen Gemeinden ver- bunden. Sie braucht die anderen Gemeinden, • ist Gemeinde von Jesus gesandt, wie er um Mängel auszugleichen, Gemeinschaft zu vom Vater gesandt war, erleben, Stärken zu bündeln und Freude zu • soll sie die Welt, in der sie lebt, erleben. Der Bund ist laut Verfassung eine gestalten, „verpflichtende Gemeinschaft“. Verbind- •soll sie relevant sein für die Menschen lichkeit ist für FeGs Ausdruck geistlichen ihrer Zeit und Lebens. In unserer Verfassung heißt es: „Der •wartet sie auf Jesus, den wiederkom- Bund Freier evangelischer Gemeinden ist menden Herrn. eine geistliche Lebens- und Dienstgemein- schaft selbstständiger Ortsgemeinden“. Er W eil Gott Gemeinde baut und sie ihm drückt die Balance aus, in der das Verhältnis wichtig ist, wollen wir Gemeinde gründen, von Ortsgemeinde und Bund zueinander von pflegen und bauen. Sie ist der Ort, an dem uns gehalten wird. Dabei ist nicht klar, inwie- Menschen leben lernen. Das betonen wir in fern und ob überhaupt der Bund und seine allem, was wir tun. Organe „Gemeinde“ sind. Im Allgemeinen wird dieses Verständnis eher abgelehnt. Der Wir sind Gemeinde. Manches, was wir als Iden- Bund ist eine geistliche Gemeinschaft und tität von Freien evangelischen Gemeinden anse- Institution, aber nicht Gemeinde – wenn, hen, teilen wir mit anderen Kirchen und Traditi- dann nur als abgeleitete Größe. Bestimmend onen: das Bekenntnis zu Gott, dem ist die Ortsgemeinde. Daraus leitet sich auch Vater, Sohn und Heiligen Geist; das apostolische das Verständnis der Bundesleitung ab: Sie Glaubensbekenntnis, die Bezugnahme auf ist kein Ältestenkreis, sondern geistliches die Bibel als Richtschnur für unser Leben. In Leitungsgremium für den Bund, wobei nicht meinen Gedanken habe ich mich auf Aspekte klar definiert ist, worin der Unterschied unseres Namens beschränkt, um stärker das besteht. Außerdem sagt die Verfassung des Spezifische unseres Gemeindebundes heraus- Bundes, der Bund trage zur Einheit der welt- stellen zu können und damit das Profil, das sich weiten Christusgemeinde bei. Das kann er eben von anderen Gemeindebünden und Kir- eigentlich nur tun, wenn er wesenhaft Ge- chen unterscheidet. Das geschieht nicht, um sich meinde ist. Vor dieser Aussage scheuen wir unnötig abzugrenzen, sondern um erkennbar zu jedoch aus verschiedenen Gründen zurück. sein. Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft da- ran arbeiten müssen, damit der wachsende Bund D ie Selbstständigkeit der Ortsgemeinde ist Freier evangelischer Gemeinden ein positives, grundlegend für unser Gemeindeverständ- erkennbares Profil hat, das zum gemeinsamen nis. Sie bringt die Notwendigkeit mit sich, Handeln fähig macht. dass vor Ort geglaubt, gedacht und über Wir sind frei, evangelisch und Gemeinde. Wir wichtige Angelegenheiten entschieden wird. sind FeG. Da lässt sich noch viel entdecken und Mein Eindruck ist: Der Ruf nach der starken mit Leben füllen. 12 Christsein Heute 11/2008
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