Wirkung von Informationsstrategien zur Reduktion von Littering im Kino
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Wirkung von Informationsstrategien zur Reduktion von Littering im Kino Semesterarbeit Kathrin Rutishauser Martina Tognazzo Eliane Tresch Betreuung durch Dr. Ralf Hansmann Eidgenössische Technische Hochschule Zürich Departement Umweltwissenschaften Dezember 2005
Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort 1 2 Zusammenfassung 2 3 Einleitung 3 3.1 Littering . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3.2 Praxisrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3.3 Fragestellung und Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 3.4 Die vorliegende Arbeit im Bezug zum Gesamtprojekt . . . . . . . . . . . . 5 4 Methode 6 4.1 Setting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 4.2 Unabhängige Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 4.2.1 Zweistufige Experimentalbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4.2.2 Mehrstufige Experimentalbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4.3 Abhängige Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4.4 Störvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 4.5 Experimentelles Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 5 Theoretischer Hintergrund 10 5.1 Wirkmechanismen und Wirksamkeit persuasiver Werbebotschaften . . . . . 10 5.2 Elaboration Likelihood Model of Persuasion (Petty und Cacioppo, 1986) . 11 5.3 Mehrstufigkeit und Mehrdeutigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 5.4 Fokus-Theorie des normativen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 5.5 Reaktanz-Theorie (Brehm, 1966) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 5.6 Altruismus und prosoziales Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 5.7 Einfluss von Humor auf das Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 6 Synthese der theoretischen Grundlagen und Anwendung auf eigene Stu- die 15 6.1 Synthese der theoretischen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 6.2 Bezug der theoretischen Grundlagen zu den beiden Informationsstrategien 16 6.2.1 Bezug der theoretischen Grundlagen im Hinblick auf die zweistufige Informationsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 6.2.2 Bezug der theoretischen Grundlagen im Hinblick auf die mehrstufige Informationsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I
7 Resultate 18 7.1 Analysen der möglichen Störvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 7.1.1 Einfaktorielle Varianzanalysen der möglichen Störvariablen Wochen- tag und Vorstellungszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 7.1.2 Korrelation der möglichen Störvariable Besucherzahlen . . . . . . . 19 7.1.3 Zweiseitiger t-Test der möglichen Störvariable Sprache . . . . . . . 19 7.2 Analysen der Experimentalbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 7.2.1 Einfaktorielle Varianzanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 7.2.2 Nicht-parametrische Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 7.3 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 8 Diskussion 22 9 Rückblick 24 9.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 9.2 Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 9.3 Persönliche Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Literaturverzeichnis 26 A Anhang 28 A.1 Anleitung zum Wägevorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 A.2 Experimentaldesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 A.3 Protokollblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 A.4 Dias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 A.5 Resultate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 A.5.1 Analyse der möglichen Störvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 A.5.2 Analyse der Experimentalbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II
1 Vorwort Diese Semesterarbeitarbeit ist in einem Projekt der Professur für Umweltnatur- und Um- weltsozialwissenschaften UNS der ETH Zürich integriert, welches verschiedene Strategien zur Verbesserung des Abfallverhaltens prüfen will. Bei folgenden Personen und Institutionen möchten wir uns bedanken: Professor R.W. Scholz, in dessen Forschungsgruppe die vorliegende Studie durchgeführt wurde. Dr. Ralf Hansmann für die tatkräftige und vielseitige Unterstützung während der ganzen Semester- arbeit. Herr Zellweger, Marketing-Verantwortlicher und unser Ansprechpartner des Kinos Cinemax, der die Durchführung dieser Studie überhaupt ermöglicht hatte. Den Angestell- ten des Kino Cinemax, für die gute Kooperation und Mithilfe während der Datenerhebung. Fabian Rottmeier, der uns bei der Ausgestaltung der Dias mit seinem Grafiker-Fachwissen hilfreich zur Seite stand. Felix Bussmann, für die anwenderfreundliche Einführung ins Latex-Computerprogramm. Und zu guter Letzt dem UNS der ETH Zürich, für die Finan- zierung der Dias. Während der gesamten Semesterarbeit wurden wir betreut von Dr. phil. Ralf Hansmann (Dipl. Psych.), Oberassistent an der Professur für Umweltnatur- und Umweltsozialwis- senschaften (UNS) des Departements der Umweltnaturwissenschaften (D-UWIS) an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH-Z). 1
2 Zusammenfassung Als Littering wird das achtlose Wegwerfen oder Liegenlassen von Abfällen kleiner Grösse im öffentlichen Raum bezeichnet (BUWAL, 2003). In den letzten Jahren hat sich die Problematik des Litterings zunehmend verstärkt. Ziel dieser Arbeit war es, zwei Informa- tionsstrategien (zweistufig und mehrstufig) zur Reduktion von Littering auf ihre (unter- schiedliche) Wirksamkeit zu untersuchen. Als Untersuchungsort wurde ein grösseres Kino in der Stadt Zürich gewählt. Wie die Studie von Hansmann und Scholz (2003) gezeigt hat, bietet sich dieser Ort wegen seines klar abgegrenzten Raumes und der auf die Leinwand gerichteten Aufmerksamkeit der Kinobesucher besonders gut zur Durchführung solcher experimenteller Studien an. Die Information wurde in Form von Dias an die Kinoleinwand projeziert. Das Experiment beinhaltete zwei Experimentalbedingungen, eine zweistufige und eine mehrstufige Informationsstrategie. Sowohl die zweistufige als auch die mehrstufige Bedin- gung vermittelten dem Publikum Informationen, die es zum Nicht-Littern aufforderten. Im Gegensatz zur zweistufigen Strategie sollte die mehrstufige jedoch vom Publikum in- tensiver wahrgenommen und verarbeitet werden als die zweistufige, da sie rhetorische und mehrdeutige Fragen an das Publikum stellt und somit kognitive Motivation zu In- formationsverarbeitungsprozessen auslöst. Aus diesem Grund wurde bei der mehrstufigen Informationsstrategie mit einer effektiveren Verhaltenswirkung gerechnet. Bei beiden Strategien wurde das Sujet einer Berliner Abfallkampagne aus dem Jahre 1999, welche in der Arbeit von Brander und Pesch (2005) von Befragten als witzig und klar verständlich wahrgenommen wurde, verwendet. Als abhängige Variable wurde die während einer Filmvorstellung gelitterte Abfallmenge gewogen und daraus anhand der Be- sucherdaten das Pro-Kopf-Gewicht berechnet. Auch wurden als Kontrollbedingung Daten erhoben, bei denen dem Publikum keine Information gezeigt wurde, um die gesammelten, experimentellen Daten statistisch auswerten zu können. Statistisch ausgewertet ergaben die beiden Experimentalbedingungen (zweistufige und mehrstufige Strategie) zusammen gegen die Kontrollbedingung getestet einen signifikanten Effekt auf dem 95%- Niveau. Das Einblenden der Anti-Littering-Botschaft führte jedoch nicht wie erwartet zu einer Reduktion der pro Besucher gelitterten Abfallmenge, sondern animierte das Publikum offensichtlich zum Littern. Eine Möglichkeit mit welcher sich das beobachtete Phänomen erklären lässt, bietet die Reaktanz-Theorie (Brehm, 1966). Die psychologische Reaktanztheorie geht davon aus, dass Personen, welche ihre eigene Handlungsfreiheit durch externen Einfluss bedroht se- hen, versuchen, diese wieder herzustellen. Reaktanz kann durch eine Handlung, die direkt auf die Freiheitswiederherstellung (bzw. gegen die externe Beeinflussung) gerichtet ist, abgebaut werden. Im vorliegenden Fall versucht das Individuum seine Handlungsfreiheit wiederherzustellen, indem der Abfall entgegen der Aufforderung unsachgemäss entsorgt wird. 2
3 Einleitung 3.1 Littering Unter Littering versteht man das achtlose Wegwerfen oder Liegenlassen von Abfällen klei- ner Grösse im öffentlichen Raum. Bei der wilden Entsorgung von grösseren Abfallmengen oder Sperrgut, beispielsweise im Wald, wird nicht von Littering, sondern von einer illega- len Entsorgung gesprochen (BUWAL, 2003). Diese kleinen Abfälle können in grösseren Mengen zum Problem werden. Vor allem in Städten, Agglomerationen und an Grossanlässen stören herumliegende Plastiksäcke, Fast- Food-Verpackungen und Zigarettenstummel das Landschaftsbild. Diese Abfälle, beispiels- weise Aludosen, Petflaschen oder Zeitungen, können auch nicht mehr umweltschonend entsorgt und rezikliert werden, sondern müssen in Verbrennungsanlagen beseitigt werden oder bleiben liegen. Der vollständige Abbau eines in der Natur ”entsorgten” Kaugum- mis benötigt beispielsweise fünf Jahre. Für den Abbau eines Plastikbechers werden schon mehr als 100 Jahre benötigt (BUWAL, 2003). Seit der Einführung der Abfallsackgebühren 1993 wurde die Menge des Hausmülls um 30% reduziert. Allerdings werden entsprechend mehr Mittel in der Strassenreinigung benötigt, um gelitterte Abfälle zu beseitigen und verunreinigte Sammelstellen zu säubern. Laut einer Studie des schweizerischen Städteverbandes werden in einer Gemeinde mit mehr als 10’000 Einwohnern jährlich 500 Mio. Franken für die Strassenreinigung benötigt. Für 20% davon ist alleine das Littering verantwortlich (BUWAL, 2003). Ein Grossteil der Schweizer Bürgerinnen und Bürger fühlt sich durch die herumliegenden Abfälle gestört. Somit werden nicht nur die Bereiche Umwelt und die Wirtschaft be- einträchtigt, sondern auch die Dimensionen Gesellschaft, Lebensqualität und Sicherheit tangiert. 3.2 Praxisrelevanz Das Littering ist heute weltweit zu einem Problem geworden, das einen enormen Personal- einsatz und somit einen beträchtliche Zeit- und Finanzaufwand erfordert. Daher müssen Strategien zur Vermeidung der Verschmutzung des öffentlichen Raumes entwickelt wer- den. Eine vielfältig angewandte Methode sind Informationsstrategien mittels Plakaten, Werbetexten und Slogans gegen das Abfallwegwerfen. Geschriebene Slogans erwiesen sich in vielen Studien als effektives Mittel um Littering zu reduzieren. Beispielsweise konnte in einer Universitätscafeteria mittels Slogans über Tischen das Littering vermindert werden (Durdan et al., 1985). Im Rahmen dieser Arbeit sollte die Wirksamkeit einer zwei-, sowie einer mehrstufigen In- formationsstrategie auf das Litteringverhalten getestet werden. Das Kino erwies sich als idealer Ort zur Durchführung dieser Studie. Einerseits eignete sich das Kino, da es sich dabei um einen abgeschlossenen Raum handelt, in dem die Aufmerksamkeit der Kinobe- sucher auf die Leinwand gerichtet ist. Die vermittelte Information sollte somit von den meisten Personen im Publikum wahrgenommen werden. Andererseits kann das Kino als ”öffentlicher”, annähernd anonymer Raum betrachtet werden, in dem unter kontrollierten Bedingungen Untersuchungen durchgeführt werden können. Das Liegenlassen von leeren 3
Getränkeflaschen und Essensverpackungen gehört hier genauso zum Alltagsbild wie auf öffentlichen Plätzen. Deshalb müssen die Kinos die mit Kosten verbundene Reinigung organisieren. Es ist demnach auch im Interesse der Kinobetriebe erfolgreiche Informati- onsstrategien zur Reduktion von Littering zu finden. 3.3 Fragestellung und Hypothesen Wie muss eine Informationsstrategie im Bereich Littering gestaltet sein, damit sie verhal- tenswirksam wird? Es gibt verschiedene Möglichkeiten Anti-Littering-Slogans und Infor- mationsstrategien darzustellen. Sie können beispielsweise über befehlend bis witzig und kreativ oder provozierend sein. Konkret stellt sich die Frage, in welcher Form eine Informa- tionsstrategie im Bereich Abfall eine Verhaltensänderung hin zu vermindertem Littering bewirkt. In dieser Studie wurden in zwei Kinosälen des Kino Cinemax in Zürich zwei verschiede- ne Informationsstrategien vergleichend auf ihre Wirksamkeit hin untersucht. Dabei wurde dem Kinopublikum die Information in Form von Dias vor der Filmvorstellung präsentiert. Das in dieser Studie verwendete Hauptsujet, aus welchem die beiden Informationsstra- tegien entworfen wurden, stammt aus einer Berliner Abfallkampagne aus dem Jahre 1999. Laut der Umfragearbeit von Brander und Pesch (2005) schätzte die Stadtzürcher Bevölkerung die Wirksamkeit dieses Sujets als hoch ein. Bei den getesteten beiden Informationsstrategien handelte es sich um eine zweistufige (Kap. 4.2.1) und eine mehrstufige (Kap. 4.2.2) Strategie. Eine Dritte sogenannte Kontroll- bedingung, bei der gar keine Intervention bzw. Veränderung zum Normalbetrieb erfolgte, sollte als zusätzliche Vergleichsbedingung genutzt werden, um die Wirkung der beiden Strategien an sich messen zu können. Einerseits galt es zu erkennen, ob sowohl die zweistufige als auch die mehrstufige Infor- mationsstrategie im Vergleich zu der Kontrollbedingung einen positiven Effekt auf das Litteringverhalten der Kinobesucher hat (d.h., dass weniger Abfall pro Kopf gelittert wird). Als weiteres Ziel des Vorhabens galt es zu erkennen, ob die mehrstufige Form der Informationsvermittlung verhaltenswirksamer ist als die zweistufige. Folgende (Alternativ-)Hypothesen wurden getestet: 1. Eine zweistufige Informationsstrategie, die in einem Kinosaal mittels Dias vermittelt wird und den Kinobesucher darauf aufmerksam macht den Abfall korrekt zu entsor- gen, bewirkt eine Verhaltensänderung und hat somit eine Reduktion der gelitterten Abfallmenge im Kinosaal zur Folge. 2. Eine mehrstufige Informationsstrategie, die in einem Kinosaal mittels Dias vermit- telt wird und den Kinobesucher darauf aufmerksam macht den Abfall korrekt zu entsorgen, bewirkt eine Verhaltensänderung und hat somit eine Reduktion der ge- litterten Abfallmenge im Kinosaal zur Folge. 3. Eine mehrstufige Informationsstrategie, die in einem Kinosaal anhand von Dias vermittelt wird und den Kinobesucher darauf aufmerksam macht den Abfall korrekt zu entsorgen, hat einen wirksameren Einfluss auf das Verhalten (eine Reduktion der Abfallmenge im Kinosaal) als eine zweistufige Informationsstrategie. Die zu verwerfenden Nullhypothesen sind komplementär zu den (Alternativ-)Hypothesen. 4
3.4 Die vorliegende Arbeit im Bezug zum Gesamtprojekt Im Rahmen des seit 2001 bestehenden Forschungsverbunds zur Untersuchung der ”Ver- haltenswirksamkeit von Informationen im Bereich Abfall” wird versucht, die Wirksamkeit verschiedener Slogans und Informationsstrategien auf das Abfallverhalten wissenschaftlich zu untersuchen. Dieses Projekt wird von der Professur für Umweltsozial- und Umweltna- turwissenschaften der ETH Zürich (ETH UNS) gemeinsam mit dem Schweizer Bundesamt für Umwelt Wald und Landschaft (BUWAL), dem kantonalen Amt für Abfall, Wasser Energie und Luft (AWEL) , Entsorgung & Recycling Zürich (ERZ), INOBAT (Interes- senorganisation Batterieentsorgung), den SBB (SBB - Umwelt) und der Stadt Winterthur Departement Tiefbau durchgeführt. PUSCH (Praktischer Umweltschutz Schweiz) und die ETH Plattform ”Seed Sustainibility” sind weitere Projektpartner. Die vorliegende Arbeit wurde als Semesterarbeit innerhalb dieses Projektes an der Pro- fessur für Umweltsozial- und Umweltnaturwissenschaften der ETH Zürich durchgeführt. Das Projekt und somit auch die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, mittelfristig das Wis- sen über eine gute und effektive Kommunikation mit der Bevölkerung im Abfallbereich zu erhöhen und somit einen vielseitigen Nutzen zu erbringen. Konkret sollte diese Studie dazu beitragen die Litteringproblematik in Zukunft zu vermindern und als Entscheidungshilfe bei der Wahl von Informationsstrategien zu dienen. Dadurch sollen zukünftig Mehrauf- wendungen an Reinigungs- und Entsorgungsarbeiten und die damit verbundenen Kosten, sowie Umweltprobleme vermieden oder zumindest reduziert werden. 5
4 Methode 4.1 Setting Als Setting für die vorliegende Studie schien es sinnvoll, einen grossen Kinosaal zu wählen, um möglichst viele Personen gleichzeitig ansprechen zu können. Die meisten Zürcher Ki- nos werden von der Kitag Kino-Theater AG (Kinos ABC, Academy, Bellevue, Corso, Frosch, Metropol, Plaza) oder der Cinemax AG (Kinos Capitol und Cinemax) betrieben. Erst wurden beide telefonisch und dann per Brief angefragt. Die Kitag Kino-Theater AG erteilte eine Absage, während die Cinemax AG sich bereit erklärte, die Studie im Kino- komplex ”Cinemax” am Escher-Wyss Platz durchführen zu lassen. Dies ist derselbe Ort, an dem im Jahre 2001 eine Studie von Hansmann und Scholz (2003) durchgeführt wurde. Der ”Cinemax” Betrieb wird von Frau Widler und Herr Schmid geführt, wobei unser Ansprechpartner der Marketing-Verantwortliche, Herr Zellweger, war. In einer Schicht arbeiteten jeweils ein Supervisor als Hauptverantwortlicher, ein Operateur, der für das Abspielen der Filme und das Einblenden unserer Dias verantwortlich war, zwei Kassier- erInnen und zwei bis sechs Angestellte für die Ticketkontrolle, die Bedienung der Theken und das Säubern der Kinosäle nach den Vorstellungen. Fast täglich wechselte das Personal, welches somit immer wieder neuer Instruktionen und Erklärungen bedurfte. Die Studie wurde im Saal ”Abaton A”, der 501 Besucher fasst (366 Plätze im Parterre und 135 Plätze auf dem Balkon) und im Saal ”Cinemax 3”, der 244 Besucher fasst, parallel durchgeführt. Im Vorraum der Kinosäle befindet sich eine Theke, an der Getränke, Pop- corn, Glaces, Schokoriegel und sonstige Süssigkeiten verkauft werden und einige Bartische, an denen in den Pausen konsumiert wird. Es bestand somit die Möglichkeit, sich vor der Vorstellung oder auch in der Pause zu verpflegen, was anfallenden Abfall mit sich zog. Erwähnenswert sind die zahlreichen Abfalleimer, die jeweils an den Ein- und Ausgängen der Säle und im Vorraum für die ordnungsgemässe Entsorgung des anfallenden Abfalls standen. Der Ticketverkauf erfolgte an der Hauptkasse im Foyer. Die Studie sollte im Rahmen der Vorstellungen der Hollywoodproduktion ”Batman beg- ins” durchgeführt werden. Dieser Film wird dem Genre ”Action-Comic” und Psychothril- ler zugeordnet und hat eine Spielzeit von 140 Minuten. Da das Besucheraufkommen in den ”Batman”-Vorstellungen sehr gering war, wurde ein zweiter Film für die Datenerhebung in die Studie miteinbezogen. Hierbei handelt es sich um eine weitere Hollywoodproduk- tion mit dem Titel ”A lot like Love”, eine klassische Liebeskomödie mit Happy-End. Die Spielzeit beträgt 107 Minuten. 4.2 Unabhängige Variable Die beiden Informationsstrategien, d.h. die zweistufige Experimentalbedingung (Kap. 4.2.1), bei der zwei aufeinander folgende Dias gezeigt wurden, und die mehrstufige Bedin- gung (Kap. 4.2.2), bei der vier aufeinander folgende Dias eingeblendet wurden, galten als unabhängige Variablen. Bei der Kontrollbedingung wurden keine Dias gezeigt. Wie schon in der Einleitung angesprochen, handelte es sich bei dem in dieser Studie verwendeten Hauptsujet um ein Plakat einer Berliner Abfallkampagne aus dem Jahre 6
1999. Laut der Umfragearbeit von Brander und Pesch (2005) wurde diese als ”witzig” und ”kreativ”, aber auch ”klar verständlich” eingestuft. Wie die beiden Informationsstrategien im Einzelnen ausgesehen haben wird im nächsten Abschnitt erläutert. 4.2.1 Zweistufige Experimentalbedingung Bei der zweistufigen Informationsstrategie (Abb. 1) zeigte das erste Dia einen lachen- den Müllmann, der einen Mülleimer umarmt und mit der Überschrift ”Gemeinsammeln” versehen ist. Gefolgt wurde dieses Bild von einem Dia mit der Aufschrift ”Danke, Ihr Cinemax-Team”, welches durch das gebräuchliche Piktogramm unterstützt wurde, auf dem ein Strichmännchen ein Stück Abfall in einen Eimer wirft. Der Name ”Cinemax” wurde im firmeneigenen Logo dargestellt. Die Schrift präsentierte sich weiss auf orangem Hintergrund. Abbildung 1: Zweistufige Diaserie. 4.2.2 Mehrstufige Experimentalbedingung Bei der mehrstufigen Experimentalbedingung (Abb. 2) wurde das Wort ”Gemeinsam- meln” durch ein Wortspiel schrittweise aufgedeckt. Der zweistufigen Informationsstrategie (Kap. 4.2.1) wurden dazu die beiden Bilder ”Einsam?” und ”Gemeinsam?” vorgeschoben. Auch hier wurde eine weisse Schrift auf orangem Hintergrund verwendet. Abbildung 2: Mehrstufige Diaserie. 7
4.3 Abhängige Variable Als abhängige Variable galt das Gewicht des gelitterten Abfalls pro Kinobesucher während einer bestimmten Kinovorstellung im entsprechenden Kinosaal. Dies wurde wie folgt er- mittelt: der gelitterte Abfall, d.h. Abfall, der nicht ordnungsgemäss in die Abfalleimer entsorgt wurde, sondern im jeweiligen Kinosaal auf dem Boden oder auf den Sitzen lie- gen blieb, wurde auf 50 Gramm genau gewogen und durch die Anzahl Kinobesucher des jeweiligen Saals dividiert. 4.4 Störvariablen Zur Vermeidung von Verzerrungen der Resultate in dieser Studie war es wichtig, ausser den Experimentalbedingungen keine weiteren Variablen systematisch zu verändern. Im Folgenden sind die möglichen Störvariablen kurz beschrieben: • Wochentag: Es können grundsätzliche Unterschiede in den Werthaltungen des Publi- kums an den verschschiedenen Wochentagen bestehen. Deshalb kann es sein, dass die Wirksamkeit der beiden Informationsstrategien (und somit das Litteringverhalten und die Litteringmenge) an verschiedenen Wochentagen unterschiedlich ausfallen. • Vorstellungszeiten: Im Allgemeinen werden Abendvorstellungen besser besucht als Vorabendvorstellungen. Es besteht die Möglichkeit, dass diese beiden Vorstellungs- zeiten ein grundsätzlich anderes Publikum ins Kino locken. • Besucherzahl: Die Zahl der im Saal anwesenden Besucher könnte auch einen Einfluss auf das Litteringverhalten und somit auf die Messergebnisse gehabt haben. Zum Beispiel sind bei grösserem Besucheraufkommen die Abfalleimer schwerer zugänglich als bei kleinerem Besucheraufkommen, was die Leute eher zum Littern veranlassen mag. • Film: Je nach Genre des Filmes werden verschiedene Publikumsgruppen angespro- chen, welche auch Unterschiede im Litteringverhalten zeigen können. • Sprache: Darauf, dass die Filmsprache die Abfallmenge massgebend beeinflussen könnte, wurden wir vom Kinopersonal hingewiesen. Es wurde von ihrer Seite her festgestellt, dass bei Filmen, die in Englisch gezeigt werden, im Schnitt weniger Zeit in die Saalreinigung investiert werden muss, als bei Filmen, die in Deutscher Version gespielt werden. 4.5 Experimentelles Design Die Messungen fanden während knapp zweier Wochen, vom Donnerstag 16. Juni bis Diens- tag 28. Juni 2005, statt. Es wurde in zwei Kinosälen parallel gemessen. Untersucht wurden dabei jeweils die zwei Hauptvorstellungen am Vorabend um 17.00 Uhr (bzw. 16.45 Uhr im ”Cinemax 3”) und am Abend um 20.15 Uhr (bzw. 20.00 Uhr). In der ersten Woche wurde in beiden Sälen der ”Batman”-Film (im ”Abaton A” die englische Version und im ”Cinemax 3” die deutsche Version) gezeigt. Wegen mangelndem Besucheraufkommen 8
wurde die deutsche Version des ”Batman”-Filmes nach nur einer Woche Spielzeit in einen kleineren Saal verlegt. So musste das Experiment mit einem anderen Film (”A lot like Love”) fortgesetzt werden. Somit konnte der Film im ”Cinemax 3” über die zwei Wochen nicht konstant gehalten werden. Die englische Version des ”Batman”-Filmes im ”Abaton A” wurde jedoch durchgehend gezeigt. Beim Erstellen des Messplans wurde darauf geachtet, dass jede der drei Bedingungen gleich oft an bestimmten Wochentagen durchgeführt wurde. Durch diese Ausbalancie- rung (Zuteilung der Bedingungen auf die Wochentage) sollte eventuellen Effekten unter- schiedlichen Besuchergruppenaufkommens ausgewichen werden. Es wurde ein Experimen- taldesign (Anhang A.2) ausgearbeitet, nach dem sich die Bedingungen gemäss folgendem Muster wiederholten: zweistufige Bedingung, mehrstufige Bedingung, Kontrollbedingung. Dieses Muster wurde mittels einer Zufallszuordnung festgelegt. Eine Bedingung galt je- weils für einen ganzen Tag, das heisst für beide Vorstellungszeiten eines Kinosaals. Es wurde darauf geachtet, dass in den beiden Kinosälen am selben Tag nicht die gleiche Bedingung galt. Die Dias der Informationsstrategie konnten folgendermassen in den Programmablauf ein- gebettet werden: Bevor die Dias der jeweiligen Experimentalbedingungen (zwei- oder mehrstufig, je nach Messplan) an die Kinoleinwand projeziert wurden, wurden Werbungen und Hinweise der Kinobetreiber gezeigt (ebenfalls in Form von Dias). Die Einblendezeit pro Dia betrug vier Sekunden. Danach folgten Werbungen in bewegten Bildern und Film- vorschauen, bevor der Hauptfilm abgespielt wurde. Bei der Kontrollbedingung wurden die Anti-Littering-Dias nicht gezeigt. Nach der Vorstellung wurden alle gelitterten Abfallstücke vom Kinopersonal gesammelt und mit einer Waage der Marke ”Kern” Typ CH50K50 gewogen. Der Wägebereich die- ser Waage liegt zwischen 50 Gramm und 50 Kilogramm, wobei sie auf 50 Gramm genau wägt. Diese Waage eignete sich ideal für diese Art von Messung, da der Abfallsack an den an der Waage vorhandenen Haken gehängt werden konnte und das Gewicht nach 5 Se- kunden auf der digitalen Anzeige abgelesen werden konnte (Anhang A.1). Das angezeigte Gewicht wurde in ein Protokollblatt eingetragen (Anhang A.3). Zusätzlich zur gewogenen Abfallmenge wurde die Anzahl Kinobesucher pro Vorstellung notiert, welche durch den Verkauf der Tickets vom Kinobetreiber bereits erfasst und zur Verfügung gestellt wurde. Um die Messwerte miteinander vergleichen zu können, wurde die jeweilige Abfallmenge (in Gramm) durch die Anzahl Besucher des Saals dividiert. So erhielt man Werte in Gramm pro Besucher. Die Auswertung der Daten erfolgte anhand des Statistik-Programms SPSS (Statistical Package for the Social Sciences) (Kap. 7). 9
5 Theoretischer Hintergrund Zur Litteringproblematik und zur Wahrnehmung von Werbebotschaften bestehen bereits eine Vielzahl von Studien und Theorien. Im Folgenden soll eine Übersicht über diese vermittelt werden. 5.1 Wirkmechanismen und Wirksamkeit persuasiver Werbebot- schaften Persuasive Botschaften (lat. persuadere = überreden) können als zielbewusste Anstren- gung zur Änderung von Einstellungen und Verhalten betrachtet werden. McGuire (1985) zeigt in seinem Modell den charakteristischen Prozess der Verarbeitung einer persuasiven Kommunikation (Abb. 3). Abbildung 3: Wirksamkeitsebenen der persusiven Kommunikation nach McGuire (1985). Dem Modell ist zu entnehmen, dass eine persuasive Botschaft nur dann wirken kann, wenn die Aufmerksamkeit und das Interesse der Zielpersonen gewonnnen werden. Weiter ist darauf zu achten, dass die Botschaft verständlich ist. Alter, Geschlecht, Ausbildung, In- telligenz und Persönlichkeitsvariablen spielen dabei und bei der weiteren Verarbeitung der Information eine entscheidende Rolle. Deshalb sollte bei der Gestaltung einer Botschaft stark auf diese Faktoren geachtet werden, um überhaupt das Zielpublikum erreichen zu 10
können. Das Modell geht soweit, dass auch die langfristige Wirkung als Charakter der Persuasion betrachtet wird (Konsolidierung des Verhaltensmusters). Rost (1994) hat acht Wirkfaktoren zusammengefasst auf denen eine erfolgreiche Persua- sion basiert. Die acht Wirkfaktoren umfassen: 1. die individuelle, situative Befindlichkeit des Rezipienten, 2. das Image des Kommunikators, 3. die Relevanz des Themas für den Rezipienten, 4. den Inhalt der Botschaft, 5. die Kodierung der Botschaft, 6. die Wirkungsweise der verschiedenen Medien, 7. der Einfluss konkurrierender Botschaften und 8. die soziale Verarbeitung der Botschaft. Nach Rost (1994) liegt das Kernstück einer effektiven Botschaft in deren Inhalt (Faktor 4). Er vermag beim Empfänger einen kognitiven Prozess auszulösen und kann somit einen Einfluss auf sein Verhalten ausüben (in eine vom Verfasser erwünschte Richtung). Dies setzt wiederum voraus, dass die Botschaft für den Rezipienten verständlich ist. Das Inter- esse und die Aufmerksamkeit des Empfängers kann durch gezielte Kodierung (Faktor 5) gestützt werden. Eine effektive Art und Weise eine verständliche Botschaft zu gestalten, ist die Nutzung mehrerer Informationskanäle gleichzeitig (Bsp. Bild und Text). Bei genauer Betrachtung dieser acht Faktoren zeigt sich, dass der Verfasser einer Wer- bebotschaft nur auf die Faktoren (4), (5) und (6) direkt Einfluss nehmen kann (Wey, 2004). 5.2 Elaboration Likelihood Model of Persuasion (Petty und Ca- cioppo, 1986) Das Elaboration-Likelihood-Modell (Abb. 4) unterscheidet zwei Wege, auf denen Ein- stellungsänderungen (durch das Verarbeiten einer persuasiven Botschaft) hervorgerufen werden können: den zentralen und den peripheren Weg. Der zentrale Weg bezeichnet Umstände, unter denen Menschen motiviert und fähig sind, sorgfältig über persuasive Kommunikation nachzudenken. Eine Einstellungsänderung hängt demnach von der Stärke der Argumente und von der persönlichen Relevanz der Thematik ab. Verhaltensteinstellungen, die über den zentralen Weg hervorgerufen werden, weisen eine hohe Persistenz über die Zeit, eine hohe Resistenz gegenüber anderen Meinungen und eine hohe Verhaltenswirksamkeit auf (aktive Verarbeitung). Der periphere Weg bezeichnet Umstände, unter denen Menschen sich nicht kritisch mit der Botschaft auseinandersetzen, sondern auf oberflächliche Hinweisreize in der Situati- on reagieren. Die Botschaft weist demnach schwache Argumente auf und wird oft mit 11
Abbildung 4: Elaboration-Likelihood-Modell modifiziert nach Petty und Cacioppo (1986). Gefühlen gekoppelt. Einstellungsänderungen, die über den peripheren Weg hervorgerufen werden, sind weniger resistent, persistent und verhaltenswirksam (passive Verarbeitung). Ob jemand die zentrale oder periphere Route der Informationsverarbeitung einschlägt, hängt grösstenteils von seiner Motivation bezüglich der Botschaft ab. Dies ist wiederum abhängig von der persönlichen Relevanz und der Übereinstimmung zwischen der Art der Einstellung und der Art des vermittelten Arguments. Auch spielen die Verarbeitungs- präferenz und die Fähigkeit der Person, Information zu verarbeiten, eine zentrale Rolle. Vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit der Menschen im peripheren Modus arbeiten (”lazy thinkers”), sind Werbespots und -plakate arm an Argumenten und reich an ober- flächlichen Hinweisreizen, so dass eine passive Verarbeitung die Folge ist. Bei Informa- tionsstrategien im Litteringbereich ist es jedoch erstrebenswert die Botschaft so zu ge- stalten, dass der zentrale Weg eingeschlagen wird (persönliche Relevanz). So kann das Verhalten über längere Zeit wirksam verändert werden. 5.3 Mehrstufigkeit und Mehrdeutigkeit Horsley (1988) zeigte in einer Studie, dass die Formulierung und die Gestaltung von Bot- schaften im Antilitteringbereich klar verständlich und weder strafend noch mehrdeutig sein sollte. Diese Schlussfolgerungen bezüglich der Verständlichkeit und Mehrdeutigkeit gelten nach Hansmann und Scholz (2003) jedoch nur für zweistufige Informationsstra- tegien. Wird die Antilittering-Botschaft in mehreren Stufen gezeigt, kann mehrdeutige Information das erwünschte Verhalten verstärken. Diese Wirkung kann dadurch erklärt werden, dass die Mehrdeutigkeit der ersten Informationsstufe zu einer kognitiven Erre- gung führt, welche die Personen motiviert, aktiv über deren Bedeutung nachzudenken. Die anschliessende Auflösung der Mehrdeutigkeit zeigt den beabsichtigten Sachverhalt auf und löst somit die kognitive Spannung. Die durch diese Methode induzierte intensivierte kognitive Verarbeitung der Information stellt nicht nur einen wichtigen Schlüsselfaktor für die zielgerichtete Haltungs- und Verhaltensänderung dar, sondern spricht auch für eine bessere Persistenz (zentrale Verarbeitung). 5.4 Fokus-Theorie des normativen Verhaltens Menschen wollen von anderen gemocht, akzeptiert und geschätzt werden (Normeinfluss) und sie wollen sich korrekt verhalten (Informationseinfluss). Sie neigen dazu das zu tun, was andere tun, oder das, wozu sie aufgefordert werden, um sozial akzeptiert und geschätzt zu werden (Zimbardo, 1999). 12
Die Forschungsarbeiten von Cialdini et al. (1990) haben gezeigt, dass soziale Normen einen starken Einfluss auf das Litteringverhalten haben. Sie unterscheiden dabei zwischen zwei verschiedenen Typen von sozialen Normen, den deskriptiven und den injunktiven Normen. Deskriptive Normen beschreiben, was normalerweise in einer bestimmten Situa- tion von den meisten Personen getan wird. Injunktive Normen hingegen beschreiben, was in einer bestimmten Situation getan werden sollte (was wird akzeptiert). Die Theorie des normativen Verhaltens besagt, dass je nach Situation einer der beiden Typen von Normen dominiert und somit den kognitiven Fokus einer Person auf sich richtet. Diese ”aktive” Norm induziert einen Effekt auf das Verhalten der jeweiligen Person. Cialdini et al. (1990) und Reno et al. (1993) zeigten, dass wenn der Fokus einer Person auf eine injunktive aniti- littering Norm gerichtet wird, das Litteringverhalten sowohl in einer sauberen, als auch in einer verschmutzten Umgebung reduziert werden kann. Wird der kognitive Fokus hinge- gen auf eine deskriptive Norm gerichtet, kann Littering nur in einer sauberen Umgebung (deskriptive Norm: nicht littern) reduziert werden. Damit eine Antilitteringkampagne ef- fektiv ist, sollte demnach eine injunktive Norm angesprochen werden. Cialdini et al. (1990) und Reno et al. (1993) nehmen in ihren Studien keinen direkten Bezug zu Kommunikati- onsstrategien, sondern betrachten viel mehr die Dominanzen und Wechselwirkungen der beiden Typen von Normen. Die Studien von Reich und Robertson (1979), welche in ei- nem öffentlichen Schwimmbad durchgeführt wurden, zeigen hingegen, dass eine injunktive Norm nicht effektive Kommunikation garantiert. Andere Faktoren wie zum Beispiel die Reaktanz (Kap. 5.5) spielen bei der Formulierung ebenfalls eine wichtige Rolle. 5.5 Reaktanz-Theorie (Brehm, 1966) Individuen haben die Freiheit, bestimmte Verhaltensweisen auszuführen. Bemerkt eine Person, dass ihre Aktionsfreiheit gefährdet oder gar verunmöglicht wird, entsteht psycho- logische Reaktanz. Dies ist ein motivationaler Zustand, der das Individuum animiert die verlorene oder bedrohte Freiheit wiederherzustellen. Die Stärke der Reaktanz hängt von folgenden drei Bedingungen ab: der Wichtigkeit der Freiheit für die Person, dem Umfang der bedrohten oder eliminierten Freiheit und der Stärke der Freiheitseinengung. Die Viel- falt, in der sich ein Reaktanz-Abbau im Verhalten eines Individuums ausdrücken kann, wird von Brehm (1972) in zwei Klassen geteilt: In subjektive Effekte und in Verhaltens- Effekte. Subjektive Effekte sind kognitive Umstrukturierungen, die nicht im offenen Ver- halten ausgedrückt werden. Verhaltens-Effekte hingegen sind im offenen Verhalten sicht- bar (Trotzeffekte, Aggressionen etc.). Nach Brehm liegt die effektivste Art, Freiheit wie- derherzustellen und Reaktanz abzubauen in einer Aktion, die direkt auf die Freiheitswie- derherstellung gerichtet ist. Reich und Robertson (1979) haben in einem Feldexperiment in einem öffentlichen Schwimm- bad gezeigt, dass Befehle gegen Littering (externe, repressive Botschaft) mehr Littering provozieren als Botschaften, die auf soziale Normen hinweisen (interner Druck, z.B. ei- ne Bitte). Bei der Vermittlung von Information ist demnach darauf zu achten, dass diese beim Publikum keinen freiheitseinschränkenden Eindruck erweckt, was Reaktanz auslösen könnte. Auf ähnliche Erkenntnisse sind auch Durdan et al. (1985) mit einer Littering-Studie in einer Universitätscafeteria sowie Geller et al. (1976) mit einer Studie in einem Kaufhaus gestossen. 13
5.6 Altruismus und prosoziales Verhalten Verhaltensweisen, die mit dem Ziel ausgeführt werden anderen zu helfen, werden als pro- sozial bezeichnet. Bei Altruismus handelt es sich um eine prosoziale Verhaltensform, die ein Mensch im Extremfall ohne Rücksicht auf seine eigene Sicherheit und seine eigenen Interessen ausübt (Zimbardo, 1999). Gruppen sind eine Mehrzahl von Personen, die direkt interagieren und sich gegenseitig be- einflussen. Eine Gruppe strebt gemeinsam nach einem Ziel und der Bedürfnisbefriedigung ihrer Mitglieder. Die Mitglieder der Gemeinschaft entwickeln durch diese Gemeinschaft- lichkeit ein Gefühl der Verbundenheit (Gemeinschaftsgefühl), was die Bindung an die Gemeinschaft aufrecht hält. Kinobesucher bilden während der Filmvorstellung in gewissem Sinne eine Gruppe (anony- me Masse), da sie eine klar abgeschlossene Menge von Personen sind, die zumindest teil- weise miteinander kommunizieren und sich gegenseitig beeinflussen. Das Ziel, sich einen bestimmten Film anzusehen ist ihnen allen gemein. Der Kinobesuch kann also als ein gemeinschaftlicher Anlass betrachtet werden. Damit der Besuch zu einem angenehmen Erlebnis wird, ist das Publikum auf ”anständiges” Verhalten aller Mitbesucher angewie- sen (Ruhe im Kinosaal, keine Kaugummis auf Polster kleben etc.). Was die Leute unter ”anständig” verstehen, kann jedoch sehr variieren. 5.7 Einfluss von Humor auf das Verhalten 97% der amerikanischen PR-Verantwortlichen sind davon überzeugt, dass mit Humor die Aufmerksamkeit der Bevölkerung zu einem bestimmten Thema gewonnen werden kann. Dies ergab eine Umfragearbeit von Madden und Weinberger (1984). 38% der befragten Personen waren überzeugt, dass Humor zu einem besseren Verständnis der Problematik beiträgt. Weinberger und Gulas (1992) zeigten, dass mit Humor zwar die Aufmerksamkeit verstärkt werden kann, jedoch nicht notwendigerweise mit einem verbesserten Verständnis und einer stärkeren Überzeugungskraft der vermittelten Botschaft gerechnet werden darf. Eine weitere Studie von Cline und Kellaris (1999) zeigt, dass Humor bei Botschaften mit starken Argumenten einen negativen Effekt haben kann. 14
6 Synthese der theoretischen Grundlagen und An- wendung auf eigene Studie Um eine effektive Verhaltensänderung zu erzielen, sollte die Gestaltung von Informations- sujets auf den bisher bekannten Theorien, die im Kapitel 5 erläutert wurden, basieren. Die wesentlichen Inhaltspunkte dieser Theorien werden im Folgenden zusammenfassend wiederholt: 6.1 Synthese der theoretischen Grundlagen • Der Inhalt der Botschaft ist das Kernstück einer Persuasion. Er vermag beim Em- pfänger einen kognitiven Prozess auszulösen und kann somit einen Einfluss auf sein Verhalten haben. Die Aufmerksamkeit und das Interesse der Zielpersonen soll mit gezieltem Design auf die Botschaft gerichtet werden (Kap. 5.1). • Damit eine Botschaft eine Verhaltensänderung über längere Zeit gewährleistet (Per- sistenz, Wirksamkeit, Resistenz), soll die Information so gestaltet werden, dass die- se zentral (aktiv) verarbeitet wird. Dies erreicht man, indem die Botschaft vom Empfänger persönlich als relevant eingestuft wird (Kap. 5.2). • Mehrstufige Informationsstrategien können eingesetzt werden, um Spannung zu er- zeugen und damit die zentrale Informationsverarbeitung zu intensivieren. Damit die Aufmerksamkeit gewährleistet ist, sollte bei der ersten Informationsstufe darauf geachtet werden, dass diese als persönlich relevant (zentraler Weg) betrachtet wird (Kap. 5.3). • Laut der ”Fokus Theorie des normativen Verhaltens” sollte eine injunktive Norm (was wird von der Gesellschaft akzeptiert, was sollte getan werden) angesprochen werden, da diese eine effektivere Wirkung erzielt als deskriptive Normen (Kap. 5.4). • Die Reaktanztheorie besagt, dass bei der Vermittlung von Information darauf zu achten ist, dass diese beim Publikum keinen freiheitseinschränkenden Eindruck hin- terlässt (Kap. 5.5). • Ein verstärktes Gemeinschaftsgefühl kann die Effektivität von Informationen stei- gern, wenn es sich dabei um einen gemeinschaftlichen Sachgehalt handelt (Kap. 5.6). • Humor kann die Aufmerksamkeit des Publikums auf eine Botschaft richten und zu einem besseren Verständnis beitragen. Bei starken Argumenten ist jedoch der Einsatz von humorvollen Botschaften fraglich (Kap. 5.7). Damit eine Kommunikationsstrategie effektiv ist, ist vor allem die Passung zwischen der Strategie, den internen Normen der Empfänger und der resultierenden Motivation der Empfänger ausschlaggebend (Hansmann und Scholz, 2003). Dieser Fit ist schwer vorher- sehbar. Deshalb sind experimentelle Studien in diesem Bereich notwendig. 15
6.2 Bezug der theoretischen Grundlagen zu den beiden Infor- mationsstrategien Wie die erwähnten Theorien auf die beiden Informationsstrategien angewendet werden können, wird im Folgenden erläutert. 6.2.1 Bezug der theoretischen Grundlagen im Hinblick auf die zweistufige Informationsstrategie • Die Aufmerksamkeit und das Interesse werden einerseits durch die auffällige Farbe der Dias und andererseits durch das witzige Bild mit dem Abfallmann geweckt. Die Information ist verständlich (Piktogramm) indem klar aufgezeigt wird, wo der Abfall hingehört (Kap. 5.1). • Die zweistufige Informationsstrategie sollte peripher verarbeitet werden, da sie die Wenigsten persönlich anspricht. Den zentralen Weg schlagen nur solche ein, die sich besonders stark mit dem ersten Bild (und somit mit der Abfallproblematik) identi- fizieren können. Die Information wird demnach von der Mehrheit nur oberflächlich verarbeitet, was zu einer geringen Persistenz, Resistenz und Verhaltensänderung führt (Kap. 5.2). • Die Mehrstufigkeit, zwei aufeinanderfolgende Dias, wird in dieser Informationsstra- tegie nicht als spannungsinduzierendes Moment gebraucht. Das erste Bild spricht für sich alleine und wirft keine rhetorische Frage auf. Das zweite Bild wird lediglich aus dem Grund nachgeschoben, um das Verständnis der Information abzusichern und um ein Dankeschön auszusprechen. Die Vorteile einer mehrstufigen Strategie werden hierbei jedoch nicht genutzt, sie kann somit als einstufig betrachtet werden (Kap. 5.3). • Indem durch das Piktogramm klar aufgezeigt wird, wo der Abfall hingehört, wird direkt eine injunktive Norm angesprochen (was sollte getan werden!) (Kap. 5.4). • Bei den beiden Informationsstrategien wurden bewusst keine Befehle eingesetzt. Auch enthalten sie keine freiheitseinschränkende Elemente, damit das Risiko auf Reaktanz minimiert werden kann (Kap. 5.5). • Ein Gemeinschaftsgefühl wird dem Publikum in dem Sinne vermittelt, als dass mit der Aufschrift ”Gemeinsammeln” direkt auf die Gemeinschaft angesprochen wird. Die Abfallproblematik erhält dadurch einen ”sozialen” Charakter, indem eine ganze Gemeinschaft aktiv involviert ist (Kap. 5.6). • Das Dia mit dem Abfallmann wurde als ”witzig” eingestuft und zieht demnach die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich und kann mitunter zu einem besseren Verständnis beitragen (Kap. 5.7). 16
6.2.2 Bezug der theoretischen Grundlagen im Hinblick auf die mehrstufige Informationsstrategie • Die Aufmerksamkeit und das Interesse werden einerseits durch die auffällige Farbe der Dias und andererseits durch das witzige Bild mit dem Abfallmann geweckt. Die Information ist verständlich (Piktogramm) indem klar aufgezeigt wird, wo der Abfall hingehört (Kap. 5.1). • Das erste Dia spricht die meisten Personen persönlich an, da dieses direkt eine rhetorische Frage an sie stellt (”einsam?”). Durch die persönliche Relevanz dieser Frage werden die Leute motiviert, den zentralen Weg einzuschlagen. Die Botschaft wird somit intensiv hinterfragt. Eine persistente, resistente und wirksame Verhal- tensänderung kann die Folge dieses Verarbeitungsweges sein (Kap. 5.2). • Im Gegensatz zu der zweistufigen Strategie wird hier die Mehrstufigkeit als span- nungsinduzierendes Instrument gebraucht. Die rhetorische Frage: ”einsam?” bewirkt eine kognitive Spannung, da es für die meisten unangebracht scheint, im Kino nach ihrem Wohlbefinden zu fragen. Demnach wird über einen anderen Sinn der Frage nachgedacht (Ambiguität der Frage). Auch das zweite Dia (”Gemeinsam?”) wirft eine Frage auf, deren Sinn nicht recht verstanden wird und somit zum Denken an- regt. Diese beiden mehrdeutigen Fragen induzieren kognitive Motivation für zentrale Prozesse. Die beiden letzten Dias lösen die Spannung auf und zeigen den gemein- ten Sachverhalt auf. Sie enthalten Informationen, die das Antilittering-Verhalten unterstützen und direkt eine injunktive Norm aktivieren. Die Verständlichkeit wird auch hier durch das letzte Dia der Reihe unterstützt (Kap. 5.3). • Indem durch das Piktogramm klar aufgezeigt wird, wo der Abfall hingehört, wird direkt eine injunktive Norm (was sollte getan werden?) angesprochen (Kap. 5.4). • Auch bei dieser Informationsstrategie wurde auf befehlende und freiheitseinschrän- kende Elemente verzichtet, damit das Risiko auf Reaktanz minimiert werden kann (Kap. 5.5). • Durch die Auflösung der Steigerung von ”einsam?” zu ”Gemeinsam?” und schlus- sendlich ”Gemeinsammeln” soll dem Publikum ein positives und verstärktes Ge- meinschaftsgefühl vermittelt werden. Die Abfallproblematik erhält dadurch einen noch ”sozialeren” Charakter als bei der zweistufigen Informationsstrategie. Es wird klar, dass die Litteringproblematik alle betrifft und die Mithilfe aller benötigt wird, um sie zu lösen (Kap. 5.6). • Das Dia mit dem Abfallmann wurde als ”witzig” eingestuft und zieht demnach die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich und kann mitunter zu einem besseren Verständnis beitragen (Kap. 5.7). 17
7 Resultate Die erhobenen Daten wurden mit dem Statistikprogramm SPSS ausgewertet. Diese Aus- wertung erfolgte in mehreren Schritten. In einem ersten Schritt wurden die Einflüsse möglicher Störvariablen auf die gelitterte Abfallmenge untersucht. Anschliessend wur- de getestet, ob die zwei- und mehrstufige Informationsstrategie (einzeln betrachtet) ge- genüber der Kontrollbedingung einen signifikanten Einfluss auf die Menge des gelitterten Abfalls hatte. Zum Schluss wurden statistische Tests durchgeführt, welche einerseits die Wirksamkeit der beiden Experimentalbedingungen gegeneinander und andererseits die beiden Experimentalbedingungen zusammengefasst gegen die Kontrollbedingungen teste- ten. Die SPSS-Outputs sind im Anhang dokumentiert. 7.1 Analysen der möglichen Störvariablen Zuerst wurde untersucht, ob das Verhalten der Kinobesucher durch Faktoren beeinflusst wurde, die nicht mit den eingeblendeten Dias in Verbindung zu bringen waren. Dabei wurden mögliche Störvariablen (Kap. 4.4) wie Wochentag, Vorstellungszeit, englische oder deutsche Version des Filmes, systematisch auf ihren Einfluss getestet. Auf einen statisti- sche Vergleich der zwei Film-Genres wurde verzichtet, da der Liebesfilm ”A lot like Love” meistens zu wenig Besucher hatte und eine separate statistische Auswertung daher nicht möglich war. 7.1.1 Einfaktorielle Varianzanalysen der möglichen Störvariablen Wochentag und Vorstellungszeit In den einfaktoriellen Varianzanalysen wurden nur diejenigen Kinovorstellungen berück- sichtigt, die von mindestens zehn Personen besucht wurden. Diese Grenze schien sinnvoll, da somit keine Ausreisser im Datensatz vorkommen sollten. Wochentag Mittelwert Standardabweichung Anzahl Gelittertes [g/P erson] Gelittertes [g/P erson] Vorstellungen Mo-Do 29.066 3.460 17 Fr-So 29.025 3.362 18 Tabelle 1: Gelitterte Menge [g/Person] im Vergleich zwischen Werktagen und Wochenenden. Wochentag Das Pro-Kopf-Gewicht zeigte, dass im Schnitt an jedem Wochentag un- gefähr gleich viel gelittert wurde (Tab. 1). Mittels der einfaktoriellen Varianzanalyse stell- te sich heraus, dass der Wochentag keinen signifikanten Einfluss auf die Littermenge hatte, p=0.993. 18
Vorstellungszeit Mittelwert Standardabweichung Anzahl Gelittertes [g/P erson] Gelittertes [g/P erson] Vorstellungen Vorabend 24.91 1.280 12 Abend 31.20 1.610 23 Tabelle 2: Gelitterte Menge [g/Person] im Vergleich zwischen Vorabend- und Abendvorstellungen. Vorstellungszeit Eine weitere potentielle Störvariable, welche einen Einfluss auf die gelitterte Abfallmenge haben konnte, war die Vorstellungszeit. Hierbei wurden die Unter- schiede zwischen den Vorabend- (16.45 Uhr, bzw. 17.00 Uhr) und den Abendvorstellungen (20.00 Uhr, bzw. 20.15 Uhr) auf Signifikanz getestet. Auch hier zeigte die einfaktorielle Varianzanalyse, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen den Vorstellungszeiten und dem Littering bestand, p=0.213 (Tab. 2). 7.1.2 Korrelation der möglichen Störvariable Besucherzahlen Besucherzahlen Mittels einer Korrelation wurde ein allfälliger Einfluss der Anzahl Kinobesucher auf die Litteringmenge pro Person auf Signifikanz getestet. Es stellte sich keine Signifikanz heraus, r=0.84. 7.1.3 Zweiseitiger t-Test der möglichen Störvariable Sprache Sprache Im Folgenden wurde geprüft, ob die Sprache, in welcher der Film gezeigt wurde, einen Zusammenhang mit der gelitterten Abfallmenge hatte. Dazu wurden die Mittelwerte der gelitterten Pro-Kopf-Abfallmenge für die Kinovorstellungen in Deutsch und Englisch berechnet. Es wurden die Daten der ”Batman begins”-Filmvorstellungen in Deutsch gegen die Daten der ”Batman begins”-Filmvorstellungen in Englisch mittels zweiseitigem t-Test gegeneinander auf Signifikanz getestet. Der Test zeigte keine Signifi- kanz (p=0.06), jedoch zeichnet sich zumindest eine Tendenz hin zu vermehrtem Littering in deutschsprachigen Kinovorstellungen ab. 7.2 Analysen der Experimentalbedingungen 7.2.1 Einfaktorielle Varianzanalysen Bei den einfaktoriellen Varianzanalysen wurden nur jene Datensätze miteinbezogen, wel- che eine Mindestbesucherzahl von zehn aufwiesen. Dadurch konnten die Auswertungen gegen Ausreisser robust gemacht werden. Kontrollbedingung versus zweistufige Informationsstrategie Zuerst wurde mit- tels einer einfaktoriellen Varianzanalyse die Kontrollbedingung gegen die zweistufige In- formationsstrategie getestet. Die Analyse zeigte keinen signifikanten Unterschied zwischen der Kontrollbedingung und der zweistufigen Experimentalbedingung, p=0.539. 19
Kontrollbedingung versus mehrstufige Informationsstrategie Weiter wurde mit- tels einer einfaktoriellen Varianzanalyse die Kontrollbedingung gegen die mehrstufige In- formationsstrategie getestet. Auch diese Analyse zeigte keinen signifikanten Unterschied, p=0.984. Kontrollbedingung versus Experimentalbedingungen (zwei- und mehrstufige Informationsstrategie) Da sowohl zwischen der Kontrollbedingung und der zweistufi- gen Experimentalbedingung als auch zwischen der Kontrollbedingung und der mehrstufi- gen Experimentalbedingung mittels einfaktorieller Varianzanalyse keine Signifikanz ausge- macht werden konnte, wurden die beiden Experimentalbedingung (zwei- und mehrstufige Informationsstrategie) zusammen gegen die Kontrollbedingung getestet. Die einfaktorielle Varianzanalyse fiel auch hier nicht signifikant aus, p=0.28. 7.2.2 Nicht-parametrische Tests In der anschliessenden statistischen Auswertung wurden nicht-parametrische Tests ver- wendet. Diese haben den Vorteil, dass die abhängige Variable in eine Rangordnung ge- bracht wird und somit allfällige Ausreisser keine Rolle mehr spielen. Dies machte es möglich, die gesamte Stichprobe auszuwerten und nicht nur diejenigen Vorstellungen mit mindestens zehn Besuchern. Kontrollbedingung versus zweistufige Informationsstrategie Mit dem Mann- Whitney Test wurde die gelitterte Abfallmenge als abhängige Variable in Bezug auf die Kontrolle und die zweistufige Informationsstrategie getestet. Mittelwert Anzahl Gelittertes [g/P erson] Vorstellungen Kontrollbedingung 20.19 14 Zweistufige Bedingung 37.58 18 Tabelle 3: Vergleich der gelitterten Menge [g/Person] zwischen Kontrollbedingung und zweistu- figen Experimentalbedingung. Die Signifikanz (p-Wert) beträgt 0.018. Die zweistufige Informationsstrategie wies eine signifikant grössere Litteringmenge auf als die Kontrolle, p=0.018 (Tab. 3). Kontrollbedingung versus mehrstufige Informationsstrategie Im Gegensatz zu der zweistufigen Informationsstrategie zeigte die Analyse der Kotrollbedingung gegen die mehrstufige Informationsstrategie keine signifikante Vergrösserung der gelitterten Abfall- menge p=0.173 (Tab. 4). Kontrollbedingung versus Experimentalbedingung (zwei- und mehrstufige In- formationsstrategie) Mit dem Mann-Whitney Test wurde die Kontrollbedingung ge- gen die beiden Informationsstrategien (zwei- und mehrstufig) zusammen auf Signifikanz getestet. 20
Mittelwert Anzahl Gelittertes [g/P erson] Vorstellungen Kontrollbedingung 20.19 14 Mehrstufige Bedingung 28.39 17 Tabelle 4: Vergleich der gelitterten Menge [g/Person] zwischen Kontrollbedingung und mehrstu- figen Experimentalbedingung. Mittelwert Anzahl Gelittertes [g/P erson] Vorstellungen Kontrollbedingung 20.19 14 Experimentalbedingung 33.12 35 Tabelle 5: Vergleich der gelitterten Menge [g/Person] zwischen Kotrollbedingung und Experimen- talbedingung (zweistufig sowie mehrstufig). Die Signifikanz (p-Wert) beträgt 0.033. Das Ergebnis der Analyse zeigte einen deutlich signifikanten Unterschied zwischen der Abfallmenge bei den Vorstellungen mit und den Vorstellungen ohne Dias auf, p=0.033 (Tab. 5). Zweistufige versus mehrstufige Informationsstrategie Die zweistufige gegen die mehrstufige Informationsstrategie getestet (mit dem Mann-Whitney Test) zeigte keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der gelitterten Abfallmenge p=0.483 (p>0.05). 7.3 Fazit Der Einfluss möglicher Störvariablen (Kap. 7.1) auf die Litteringmenge konnte durch einfaktorielle Analysen ausgeschlossen werden. Bei der Analyse der Experimentalbedin- gungen konnte mit der nicht-parametrischen Auswertung gezeigt werden, dass sich eine Signifikanz ergab, wenn die beiden Experimentalbedingungen zusammen gegen die Kon- trollbedingung getestet wurden. Dieselbe Beobachtung wurde auch beim Testen der zwei- stufigen Informationsstrategie gegen die Kontrollbedingung gemacht. Diese Signifikanz fiel entgegen den Erwartungen aus. Das bedeutet, dass die Anwendung der Experimental- bedingungen (d. h. das Einblenden der Dias) eine Erhöhung der gelitterten Abfallmenge nach sich zog. 21
8 Diskussion Die statistische Auswertung der gesammelten Daten hat gezeigt, dass durch das Einblen- den von zwei resp. vier aufeinander folgenden und aufeinander abgestimmten Dias im Kino mehr gelittert wurde als bei der Kontrollbedingung, in der keine Dias gezeigt wurden. Pa- rameter wie Wochentag, Vorstellungszeit, Film, Sprache und Besucherzahl hatten keinen signifikanten Einfluss auf die gelitterte Abfallmenge. Aus diesem Grund kann davon aus- gegangen werden, dass der entscheidende Faktor für die beobachtete Verhaltensänderung, das Einblenden der Dias war. Der Unterschied der Pro-Kopf-Abfallmenge zwischen den beiden Experimentalbedingungen zusammen und der Kontrollbedingung war auf dem 95% Niveau signifikant (p=0.03). Die Resultate der Studie, die entgegen den Erwartungen ausgefallen sind, können als Reaktanz-Phänomen erklärt werden. Die psychologische Reaktanztheorie geht davon aus, dass Personen, die ihre eigene Freiheit durch externen Einfluss bedroht sehen, alles versu- chen, ihre Freiheit wieder herzustellen. Die effektivste Art, Freiheit wiederherzustellen und Reaktanz abzubauen liegt in einer Aktion, die direkt auf die Freiheitswiederherstellung gerichtet ist (Brehm, 1966). Bei der Gestaltung der Informationsstrategien wurde allerdings bewusst darauf geachtet, dass die Möglichkeit, Reaktanz zu provozieren, minimiert wird. Freiheitseinschränkende Elemente, wie z.B. Befehle, wurden gemieden. Reaktanz kann aber auch entstehen, wenn direkt nach Hilfe gebeten wird. Dadurch fühlt sich die um Hilfe gebetene Person in ih- rer freien Entscheidung eingeengt (Berkowitz, 1970). Der Müllmann, der als Hauptsujet auf den Dias zu sehen war, bittet das Publikum um Mithilfe und könnte so ein entschei- dungseinengendes Moment auslösen. Um die Freiheit wieder herzustellen und Reaktanz abzubauen, wird durch das Publikum bewusst gelittert. Ob eine Informationsstrategie Reaktanz auszulösen vermag, ist stark Publikums- und Settingsabhängig. Da jeder Film ein anderes Publikum anlockt und jedes Publikum andere interne Normen besitzt, vermag nicht jede Informationsstrategie jedes Publikum gleich anzusprechen. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass wenn das Experiment in einem anderen Kino oder zu einem anderen Film durchgeführt worden wäre, andere Ergebnisse resultiert wären. So könnte es gut sein, dass die Wahl des Untersuchungsortes die Resultate dieser Studie stark beeinflusste. Beispielsweise könnte es sein, dass das Publikum denkt, die Abfallaufräumarbeiten zählen zu den Dienstleistungen des Kinos. Durch diese Einstellung, wird die Wahrscheinlichkeit einer Reaktanz-Reaktion erhöht. Auf die Bitte, den anfallenden Abfall richtig zu entsorgen, geht das Publikum somit absichtlich nicht ein. Wenn dem so ist, kann das Kino nicht als ”öffentlicher Raum” betrachtet werden. Das bedeutet, dass Kinobesucher in ”freier Natur” (d.h. in wirklich öffentlichem Raum) anderes Verhalten bezüglich Littering aufzeigen würden als im Kino. Die Vorgängerstudie von Hansmann und Scholz (2003), die ebenfalls im Kino Cinemax durchgeführt wurde, zeigte, dass durch mehrstufige Informationsstrategien Littering re- duziert werden kann. In ihrer Studie passte die Art der Kommunikation zu den inter- nen Normen des Publikums. In der vorliegenden Studie war dies anscheinend nicht der Fall. Die Passung zwischen einer Kommunikationsstrategie und den internen Normen der Empfänger, was nach Hansmann und Scholz (2003) für eine effektive Antilitteringkampa- gne ausschlaggebend ist, wurde nicht erreicht. Die resultierende Motivation äusserte sich sogar in einer Antireaktion. 22
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