Stadtwerke-studie 2019 - Ecosystems und Konvergenz als Wachstumschancen für Stadtwerke - BDEW

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Stadtwerke-studie 2019 - Ecosystems und Konvergenz als Wachstumschancen für Stadtwerke - BDEW
Stadtwerke-
studie 2019
Ecosystems und Konvergenz als
Wachstumschancen für Stadtwerke
Stadtwerke-studie 2019 - Ecosystems und Konvergenz als Wachstumschancen für Stadtwerke - BDEW
Die Digitalisierung führt zu einer zunehmen-
den Vernetzung aller Lebensbereiche. In
der Wirtschaft werden traditionelle Grenzen
der einzelnen Industriezweige aufgeweicht
oder gebrochen. Neue Technologien ermög­
lichen die Vernetzung von Energieversorgern
untereinander, mit Kunden und mit anderen
Bran­chen. Daraus entwickeln sich neue
Ecosystems, die durch das enge Zusammen-
spiel vieler unterschiedlicher Marktakteure
neue Möglichkeiten in Form von Geschäfts-
modellen hervorbringen.

So werden beispielsweise der Ausbau der
Elektromobilität und die Nutzung von Smart
Meter Gateways als umfassende Kommu­ni-
kationsplattform im Gebäude nur erfolgreich
sein, wenn viele Marktakteure aus unter-
schiedlichen Branchen ihre Stärken ge­bündelt
einbringen. Hier bieten sich für Energie­
versorger als Betreiber von Ecosystems und
Plattformen vielfältige Chancen, die von
ihnen bereits heute zunehmend genutzt werden.
Stadtwerke-studie 2019 - Ecosystems und Konvergenz als Wachstumschancen für Stadtwerke - BDEW
1
                   Summary
                   Seite 4

    Die Lage der Energiewirtschaft

2
    Seite 8

    Neue Geschäftsmodelle durch Sektorkonvergenz

         igitalisierung als Katalysator für neue Geschäftsmodelle, Seite 14
    2.1 D
         ie Sektorkonvergenz in der Energie­wirtschaft, Seite 16
    2.2 D
    2.3 Geschäftsmodelle nahe dem Kern­geschäft, Seite 22

3
    2.4 Potenziale für Geschäftsmodelle außerhalb der Energieversorgung, Seite 27

    Die Ergebnisse für Österreich und die Schweiz

    3.1 Österreich, Seite 34
    3.2 Schweiz, Seite 36

4   Der Aufbau von Ecosystems zur
    Erschließung neuer Geschäftsfelder
    Seite 38
Stadtwerke-studie 2019 - Ecosystems und Konvergenz als Wachstumschancen für Stadtwerke - BDEW
SUMMARY
Stadtwerke-studie 2019 - Ecosystems und Konvergenz als Wachstumschancen für Stadtwerke - BDEW
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                                                                          Sektorkonvergenz
                                                                          Zusammenwachsen und Ver­
                                                                          netzung bislang weitestgehend
                                                                          autonom agierender Industrie-
                                                                          zweige, indem sich deren Wert-
                                                                          schöpfungsketten verbinden,
                                                                          ­sodass dem Endkunden neue
                                                                           ­Produkte und Erlebnisse gebo-
                                                                            ten werden können

Neue Technologien greifen in alle Lebensbereiche ein, stellen ganze Industrie-
zweige auf den Kopf und führen zu einem Zusammenwachsen und zur Vernetzung
von Branchen (Sektorkonvergenz). Dies gilt insbesondere für die Technologie-,
Telekommunikations- (TK), Medien- und Entertainmentindustrie, deren Konver-
genz Ende der 1990er-Jahre begann: So gehört es heute zum Alltag, über ein
Smartphone zu fotografieren. Im Musikgeschäft verdrängen Streamingdienste
mehr und mehr die klassischen Medien wie Schallplatten oder CDs und im Einzel-
handel kann der Kunde bequem über seine Smart Gadgets bezahlen.

Auch in der Energiewirtschaft ist eine fortschreitende Sektorkonvergenz zu beob-
achten: Über die Elektromobilität wachsen Automobilindustrie und Energiewirt-
schaft zusammen. Zudem engagieren sich TK-Anbieter, Paketdienstleister und
Wohnungsgesellschaften im Bereich der Elektromobilität, indem sie jeweils den
Aufbau einer bundesweiten Elektroladeinfrastruktur planen. Technologieanbieter
beschränken sich schon lange nicht mehr auf eine reine Zulieferrolle und werden
selbst in der dezentralen Energieerzeugung, im Energiemanagement und in der
Lieferung von Energie an Endkunden aktiv, ebenso wie große Marktakteure aus
der Mineralöl- und Automobilindustrie und dem Verkehrssektor.

Und die Energiewirtschaft? Sie ist bereits heute mit unterschiedlichen Geschäfts-
modellen mit anderen Sektoren eng verbunden und bewegt sich immer weiter
in andere Bereiche hinein. Die Übernahme der Nebenkostenabrechnung für Miet-
wohnungen, der Verkauf von Smart-Home-Produkten, die Bereitstellung von
Telekommunikationsdienstleistungen und die Ausdehnung kommunaler Aktivi-
täten über das Smart-City-Konzept sind nur einige Beispiele dafür.

                                                                                                       05
                                                                                      SUMMARY
                                                                           Stadtwerkestudie 2019
Stadtwerke-studie 2019 - Ecosystems und Konvergenz als Wachstumschancen für Stadtwerke - BDEW
!
       Ecosystems
       zeichnen sich vor allem durch zwei Eigenschaften aus:

       Kundenzentrierung: Zugang des Kunden zu einer
       ­Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen über
        eine gemeinsame Schnittstelle

       Plattformgedanke: Schaffung einer gemeinsamen
       Basis, auf der verschiedene Anbieter ihre Produkte
       und Dienstleistungen anbieten können

                    Um zu erfassen, wie die deutschen Energieversorger die Chancen, die mit der
                    Sektorkonvergenz entstehen, bewerten und welche Rolle die Digitalisierung dabei
                    spielt, haben wir Geschäftsführer und Vorstände von insgesamt 172 Unterneh-
                    men unterschiedlicher Größe und Struktur in Deutschland, Österreich und der
                    Schweiz befragt.1 Um dem Thema der Sektorkonvergenz gerecht zu werden, haben
                    wir diese Ergebnisse über Tiefeninterviews an der Sichtweise anderer Wirtschafts-
                    zweige gespiegelt. Dabei sind interessante Ergebnisse herausgekommen:

                    • Insgesamt ist die Stimmung in der Energiewirtschaft gut, denn sie wird zur
                      Wachstumsbranche, was sich in zahlreichen neuen Geschäftsmodellen wider-
                      spiegelt.

                    • Dazu trägt insbesondere die Sektorkonvergenz bei, die von der Energiewirt-
                      schaft als Chance eingestuft wird. Die größten Synergiepotenziale werden in
                      der Annäherung mit der Wohnungswirtschaft, dem Technologie- und dem
                      TK-Sektor gesehen.

                    • Dadurch eröffnen sich Chancen, vor allem in der dezentralen Stromerzeugung,
                      dem Smart Metering und der Elektromobilität. In diesen Bereichen sind heute
                      bereits die meisten Energieversorger und Stadtwerke aktiv.

                    • Die bestehenden Aktivitäten sind aber erst der Anfang: Stadtwerke und Ener-
                      gieversorger sehen sich zukünftig als umfassende Plattformbetreiber im Betrieb
                      von Smart-Meter-Gateways, der Ladeinfrastruktur oder im Gebäudemanage-
                      ment. Zudem bestehen noch weitere Entwicklungspotenziale in Bereichen wie
                      TK-Dienstleistungen, Quartierskonzepte sowie in Smart-Home- und Smart-­
                      Metering-­Ansätzen.

                     1 Die von EY gemeinsam mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW)
                        ­telefonisch durchgeführte Befragung fand im Februar/März 2019 anhand eines standardisierten
                         ­Fragebogens statt. Die folgende Darstellung der Ergebnisse legt den Schwerpunkt auf Deutschland
                        und zeigt die Ergebnisse für die 100 in Deutschland befragten Unternehmen. Eine Kurzdarstellung
                        der Ergebnisse für Österreich und die Schweiz findet sich in Kapitel 3.

06     SUMMARY
       Stadtwerkestudie 2019
Stadtwerke-studie 2019 - Ecosystems und Konvergenz als Wachstumschancen für Stadtwerke - BDEW
Beim Aufbau neuer Geschäftsmodelle sind Koope­
rationen, Partnerschaften und der Aufbau eines
Ecosystem sinnvoll. Für Stadtwerke und Energie-
versorgungsunternehmen (EVU) bietet sich hier
die Möglichkeit, als Orchestrator die Angebote ver-
schiedener Partner zu einem Produkt mit Mehrwert
für einen Kunden zu kombinieren. Die gemeinsame
Entwicklung von Plattformen und die Leistungser-
                                                          Energieversorger haben
bringung mit Partnern ermöglichen es, die gesam-
ten Geschäftspotenziale in einem Bereich zu heben.        mit ihrer Erfahrung im
Energieversorger sind dabei vielfach in der Lage, auf-    Aufbau und im Betrieb
grund ihrer Erfahrungen mit komplexen regulato­           komplexer Infrastruktu-
rischen Fragestellungen die Rolle eines Plattform-
betreibers einzunehmen.
                                                          ren die besten Voraus-
                                                          setzungen, die Potenziale
Dazu muss es gelingen, Win-win-Situationen für alle       der Digitalisierung über
Beteiligten zu konstruieren. EVU können dabei eine
                                                          den Betrieb digitaler und
treibende Rolle in Geschäftsfeldern wie der dezen­
tralen Stromerzeugung, dem Smart Metering und             sektorübergreifender
der Elektromobilität einnehmen. In Geschäftsfeldern,      Plattformen zu heben.
die weiter vom eigenen Kerngeschäft entfernt sind,
                                                          Metin Fidan, Energy Sector Leader
wie TK-Dienstleistungen, Smart Home und Smart             Deutschland, Österreich und Schweiz, EY
City, wird es schwieriger, als Plattformbetreiber zu
agieren. Aber auch hier kann dies über die kommu-
nale Verzahnung und die regionale Nähe gelingen.

Digitalisierung und Sektorkonvergenz bergen jedoch
auch Risiken. Das Tempo, in dem sich der disruptive
Wandel vollzieht, ist enorm. Die Digitalisierung ganzer
Wertschöpfungsketten stellt heute jedes Unterneh-
men vor gewaltige Herausforderungen. Es ist zu erwar-
ten, dass sich zukünftig vermehrt Marktakteure aus
anderen Branchen in der Energiewirtschaft engagie-
ren. Insbesondere im Vertrieb und im Kundengeschäft
werden neue Marktakteure die Chancen nutzen und
den etablierten Energieversorgern Konkurrenz machen.

So kann die vermeintliche Chance und Gelegenheit
für neue Geschäftsmodelle und nachhaltiges Wachs-
tum auch zu einem Risiko werden, nämlich dann,
wenn die Veränderung hin zu einer agilen und inno-
vationsfördernden Unternehmenskultur bei Energie-
versorgern nicht ganz oben auf der Agenda steht.

                                                                                               07
                                                                              SUMMARY
                                                                   Stadtwerkestudie 2019
Stadtwerke-studie 2019 - Ecosystems und Konvergenz als Wachstumschancen für Stadtwerke - BDEW
Die Lage der
Energiewirtschaft
Energiemanager schätzen die wirtschaftliche Lage
ihres jeweiligen Unternehmens unverändert gut
ein (siehe Abb. 1). Drei von vier Managern sind mit
den Geschäftsergebnissen 2018 zufrieden oder sehr
zufrieden. Gegenüber dem Vorjahr haben sich
die Erwartungen für das laufende Geschäftsjahr
sogar noch verbessert: 71 Prozent der Befragten
erwarten gute oder sehr gute Geschäfte. Das sind
11 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Stadtwerke-studie 2019 - Ecosystems und Konvergenz als Wachstumschancen für Stadtwerke - BDEW
Stadtwerke-studie 2019 - Ecosystems und Konvergenz als Wachstumschancen für Stadtwerke - BDEW
Ein wichtiger Grund für die verbesserte                   Aber nicht immer gestalteten sich die Ausflüge
Geschäftslage sind zusätzliche Angebote und               in andere Bereiche und Branchen erfolgreich.
Leistungen der Unternehmen. EVU probieren                 Viele Energieversorger haben sich von ihren
seit Jahren neue Geschäftsmodelle aus: Mieter-            Entsorgungsaktivitäten getrennt und ein Enga-
strom, Quartierslösungen, Smart Home und                  gement im liberalisierten Telekommunikations-
Breitbandausbau sind nur einige Beispiele. Das            markt Ende der 1990er-Jahre schnell wieder
Engagement in neuen Geschäftsfeldern zahlt                beendet. Denn Erfolgsfaktoren in der Energie-
sich für die Unternehmen allmählich aus.                  wirtschaft sind nicht unbedingt auf andere
So gibt jeweils rund ein Viertel der Befragten            Sektoren übertragbar.
an, dass zusätzliche Einnahmen aus anderen
Bereichen als der Energiewirtschaft bzw.                  Umgekehrt engagieren sich aber auch vermehrt
zusätzliche Leistungen/Angebote Grund für ein             Akteure aus anderen Branchen im Bereich der
gutes Geschäftsjahr waren.                                Energiewirtschaft: Die Deutsche Telekom baut

Abbildung 1: Geschäftserfolg und Geschäftserwartungen in der Energiewirtschaft

Wie schätzen Sie den geschäftlichen E
                                    ­ rfolg Ihres             Welchen geschäftlichen Erfolg erwarten
Unternehmens im Jahr 2018 bzw. 2017* ein?                     Sie für das Jahr 2019 bzw. 2018*?

                  74 %
     72 %                                                                     71 %

                                                                   60 %

                                                                                          7%
                                3%          3%                                                         4%

        Sehr gut/Gut          Ausreichend/Schlecht                   Sehr gut/Gut       Ausreichend/Schlecht

     n = 101, Studie 2018      n = 100, Studie 2019 *Studie 2018

10      DIE LAGE DER ENERGIEWIRTSCHAFT
        Stadtwerkestudie 2019
Abbildung 2: Ausgewählte aktuelle Fragestellungen der Energieversorger
Ich nenne Ihnen nun einige Themenbereiche, die in den nächsten 2 bis 3 Jahren für Stadtwerke besondere Bedeutung besitzen
könnten. In welchem Maße werden sich Ihrer Meinung nach Stadtwerke mit diesen Themen auseinandersetzen?

                                                Bottom-2-Boxes        Top-2-Boxes
                  (Note 5 = Gar nicht auseinandersetzen | Note 4)     (Note 2 | Note 1 = Sehr stark auseinandersetzen)

Optimierung interner Prozesse
                                                          6                                                                               85
und betriebliche Reorganisation

Digitalisierung                                                   2                                                                      83

Absatz/Marketing/
                                                              3                                                                     77
Kundenbetreuung/CRM
Gewinnung von qualifiziertem
                                                              4                                                                     77
Nachwuchs und Personalentwicklung
Smart Metering/Smart Grids/
                                                   13                                                                          67
Netzintegration erneuerbarer Energien
Strombeschaffung und
                                                16                                                                            64
Portfoliomanagement

Aufbau neuer Geschäftsfelder                      14                                                                     60

Angaben in Prozent; n = 100

eine eigene Ladeinfrastruktur für Elektroautos                             Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern
auf, Produktions- und Einzelhandelsunterneh-                               Der Aufbau neuer Geschäftsfelder ist daher in
men erzeugen den Strom für ihre Standorte                                  den kommenden zwei bis drei Jahren eine der
und Filialen selbst und zahlreiche Marktakteure                            Hauptherausforderungen für alle EVU gewor-
aus anderen Branchen bieten Endkunden Strom                                den. 60 Prozent werden sich mit dieser Aufgabe
an, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch                                stark oder sehr stark auseinandersetzen. Dabei
hier war nicht jeder Ausflug in die Energiewirt-                           spielt die Digitalisierung eine Hauptrolle. Sie
schaft erfolgreich. So hat sich etwa die Deutsche                          wird von 89 Prozent als Haupttreiber für Verän-
Telekom schnell wieder von der Endkunden-                                  derungen der Geschäftsmodelle in der Energie-
belieferung mit Strom verabschiedet. Viele                                 wirtschaft eingestuft.
Unternehmen haben erkennen müssen, dass
die Energiewirtschaft nach anderen Regeln                                  Gleichzeitig ist die Digitalisierung aber auch
funktioniert, als sie sie aus der angestamm-                               ein wesentliches Instrument zur Bewältigung
ten Branche kannten. Inzwischen setzt sich                                 einer der momentan drängendsten Aufgaben
mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass die                               in der Energiewirtschaft: Der Effizienzsteige-
Erschließung von Wachstumspotenzialen nur                                  rung durch die Optimierung von Geschäftspro-
gemeinsam geht. Jede Seite muss ihre Rolle                                 zessen. Weiter zugenommen hat die Bedeu-
suchen und finden. Die Folge ist eine immer                                tung der Personalentwicklung und der Suche
engere Zusammenarbeit in sog. Ecosystems:                                  nach qualifiziertem Personal. Das ist sicher-
Viele Marktakteure mit unterschiedlichen                                   lich auch im Kontext der zunehmenden Digita­
Kompetenzen arbeiten eng zusammen, um                                      lisierung und des Aufbaus neuer Geschäft­
gemeinsam ein unternehmerisches Ziel zu                                    felder zu sehen, da das Fehlen von Know-how
erreichen. Dabei können sich die Unternehmen                               und qualifiziertem Personal ein wesentliches
in anderen Bereichen auch als Wett­bewerber                                Hemmnis für die Entwicklung und den Ausbau
gegenüberstehen.                                                           dieser beiden Bereiche darstellt.

                                                                                                                                          11
                                                                                               DIE LAGE DER ENERGIEWIRTSCHAFT
                                                                                                             Stadtwerkestudie 2019
Neue Geschäfts-
modelle durch
Sektorkonvergenz
Die Digitalisierung in Verbindung mit dem fortschrei-
tenden Ausbau der erneuerbaren Energien und der
zunehmenden Bedeutung des Klimaschutzes verändert
die Energiewirtschaft fundamental. Traditionelle
Geschäftsmodelle wie die zentrale Strom­erzeugung in
Großkraftwerken verlieren zunehmend an Bedeutung.
Dafür gewinnen Geschäftsmodelle, die auf der dezen­
tralen Erzeugung mithilfe erneuerbarer Energien
und der KWK beruhen, an Bedeutung. Größter Treiber
der Veränderungen ist dabei aus Sicht der befragten
Unternehmen die Digitalisierung.

12 | KAPITELBEZEICHNUNG
     Stadtwerkestudie 2019
2.1 Digitalisierung als Katalysator für neue                            kom­petenzen investiert und u. a. durch Inno­
Geschäftsmodelle                                                        vationhubs und Start-up-Kooperationen den
                                                                        Raum für die sektorübergreifende Entwicklung
Mit fortschreitender Nutzung digitaler Techno-                          neuer Geschäftsmodelle geschaffen.
logien in der Energiewirtschaft wird die Digi­tali­
sierung vermehrt als Chance gesehen (Anstieg                             Bedeutung digitaler Technologien für die
der Zustimmung von 51 Prozent 2018 auf 65 Pro-                           Energiewirtschaft
zent 2019). Die Digitalisierung bietet nach Auf-                         Aus technologischer Sicht haben Smart Meters,
fassung der Energieversorger ein erhebliches                             wie Abbildung 3 zeigt, eine herausragende
Potenzial für Effizienzsteigerungen wie auch für                         ­Relevanz für die Befragten, da einerseits die
Produkt- und Geschäftsmodellinnovationen.                                 ­erzeugten Messdaten und andererseits das
Bemerkenswert ist die Geschwindigkeit der zu-                              Smart Meter Gateway (SMGW) Grundlage für
nehmenden Bedeutung von Innova­tions­themen,                               eine Vielzahl neuartiger Produkte und Dienst-
die vor wenigen Jahren bei vielen Energie­                              leistungen sind. Die Verzögerungen bei der
versorgern noch eine untergeordnete Rolle ge-                           Zertifizierung der SMGWs einerseits und der
spielt haben. Mittlerweile haben insbesondere                           ­regulatorische Ansatz des Smart-Meter-Rollouts
große EVU in den Aufbau von Innovations-                                 andererseits führen aber auch zu Vorbehalten

Abbildung 3: Relevanz digitaler Technologien
Für wie relevant stufen Sie folgende Technologien bzw. Instrumente der digitalen Transformation
aus der Sicht der Energiewirtschaft ein?

                                                    Bottom-2-Boxes      Top-2-Boxes
                        (Note 5 = Stimme überhaupt nicht zu | Note 4)   (Note 2 | Note 1 = Stimme voll und ganz zu)

                                                             9                                                                   71
Smart Metering
                                                                 5                                                                    80

                                                   17                                                                       60
Internet of Things (IoT)
                                                        13                                                        48

Robotics bzw.                                          16                                                              52
Robotic Process Automation                        19                                                       41

Analytics/Big-Data-Anwendungen              26                                                                  45
zur Entscheidungsunterstützung*

                                       31                                                           33
Künstliche Intelligenz (KI)
                               41                                                        20

                                             24                                               24
Blockchain
                                                  20                                                32

Angaben in Prozent            n = 100, Studie 2019           n = 101, Studie 2018       *neu in Studie 2019

14      NEUE  GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
        Stadtwerkestudie 2019
und Skepsis.2 Dies drückt sich auch in der rück-                 Abbildung 4: Stand der Digitalisierung im
läufigen Bedeutungstendenz dieser Technologie                    Vergleich zu anderen Energieversorgern
gegenüber dem Vorjahr aus.                                       (Vorjahresvergleich)
                                                                 Wie bewerten Sie den heutigen Stand der Digitalisierung
Internet of Things (IoT), künstliche Intelligenz                 in Ihrem Unternehmen im Vergleich zu anderen Energie-
                                                                 versorgern?
(KI) wie auch Robotics haben gegenüber der
letzten Befragung signifikant an Bedeutung                           16          34                  25       13
gewonnen, wobei KI die höchste Zuwachsrate
aller Technologien besitzt. Inwieweit die Block-
                                                                                          57
chain-Technologie zukünftig im energiewirt-
schaftlichen Umfeld eingesetzt wird, bleibt ab-
zuwarten, denn nach dem anfänglichen Hype
                                                                                               48
messen nur noch 24 Prozent der Energiever-
sorger (2018: 32 Prozent) dieser Technologie
eine entscheidende Bedeutung bei.

Stand der digitalen Transformation
Ob EVU in der Lage sind, diese Technologien
als Katalysator für neue Geschäftsmodelle zu
nutzen, hängt dabei vom Fortschritt der digi­                                        26
talen Transformationen im jeweiligen Unterneh-
                                                                                                    23
men ab. Die Selbsteinschätzung der EVU lässt
erkennen, dass sich im Vergleich zum Vorjahr
der Anteil der Unternehmen, die sich als Vorrei-
                                                                                14
ter einschätzen, halbiert hat (siehe Abbildung 4).                                                       12
Der Anteil der Nachzügler hat sich hingegen von
                                                                            8
13 auf 25 Prozent fast verdoppelt.
                                                                                                                                  6

Eine mögliche Erklärung für diese Verschie-                         2                                         2           2
                                                                                                                      1
bungen ist, dass der überwiegende Teil der
EVU in der nahen Vergangenheit in Digitalisie-                          1        2         3         4            5           6

rungsmaßnahmen investiert und dadurch                            1 Deutlich weiter als der Durchschnitt
eine realistischere Sicht auf den eigenen Stand                  2 Weiter als der Durchschnitt
                                                                 3 Durchschnitt
und die tatsächlichen Potenziale der Digitali-                   4 Rückständig gegenüber dem Durchschnitt
sierung erhalten hat.                                            5 Deutlich rückständig gegenüber dem Durchschnitt
                                                                 6 Weiß nicht/Keine Angabe

                                                                 Angaben in Prozent
                                                                     n = 100, Studie 2019           n = 101, Studie 2018

2 Ausführlicheres zum Stand der Digitalisierung der Energiewende im „Barometer Digitalisierung der Energiewende“,
   Januar 2019 (EY im Auftrag des BMWi)

                                                                                                                              15
                                                            NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
                                                                                         Stadtwerkestudie 2019
Digitalisierung: zwischen Effizienzsteigerung        zunehmenden Vernetzung bisher separierter
und neuen Geschäftsmodellen                          Produkte, Dienstleistungen und Branchen. Offen-
Noch wird die Digitalisierung eher als ein Instru-   sichtich wird dies beim Smart Meter Gateway,
ment zur Steigerung der Effizienz gesehen, wie       das vom Gesetzgeber als sektorübergreifende
die offene Frage nach dem Begriff der Digitali-      Kommunikationsplattform für die Digitalisie-
sierung und danach, was man damit verbindet,         rung der Energiewende konzipiert wurde. Aber
zeigt. Die Entwicklung neuer Geschäftsfelder         auch andere Querschnittstechnologien wie IoT
und Produkte verbindet ungestützt gefragt nur        oder KI ebnen den Weg für EVU und Unterneh-
etwa jeder Fünfte mit der Digitalisierung.           men anderer Branchen, ihre Engagements in
                                                     kerngeschäftsfremden Bereichen zu forcieren.
Dieser Aspekt der Digitalisierung wird jedoch
in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Denn digi-         2.2 Die Sektorkonvergenz in der
tale Technologien führen zwangsläufig zu einer       Energiewirtschaft

                                                     Die Sektorkonvergenz beschreibt das Zusam-
                                                     menwachsen bisher getrennt agierender Sekto-
                                                     ren zu einer wertschöpfenden Einheit. Die Digi-
                                                     talisierung ist dabei eine zentrale Antriebskraft
                                                     dieser Entwicklung, da digitale Technologien die
                                                     Sektorgrenzen aufweichen und durchbrechen.
                                                     Über digitale, internetbasierte Kundenschnitt-
                                                     stellen wie z. B. das Smartphone sowie digi-
                                                     tale Verkaufsplattformen wie Amazon und eBay
                                                     werden heute nahezu alle Endkunden direkt
                                                     erreicht. Die hinter dem Produkt stehenden Bran-
                                                     chen werden für den Endkunden zunehmend
                                                     uninteressant. Strom und Gas lassen sich über
                                                     digitale Technologien genauso vermarkten und
                                                     erwerben wie Konsumgüter und Nahrungsmit-
                                                     tel. Die Folge: Vertriebsstrategien müssen ange-
                                                     passt und ggf. in bestehende Ecosystems inte-
                                                     griert werden.

                                                     Bereits heute bestehen zahlreiche Überschnei-
                                                     dungen und Annäherungen zwischen der Ener-
                                                     giewirtschaft und anderen Branchen und Sekto-
                                                     ren (siehe Abbildung 5). Diese Überschneidungen
                                                     bilden die Grundlage für das weitere Zusammen-
                                                     wachsen der Sektoren und für neue Geschäfts-
                                                     modelle.

16      NEUE  GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
        Stadtwerkestudie 2019
Dezentrale
                  Breitband-                                                                                               Erzeugungs-
                                                                                                                                                        Speicher
                   ausbau                                                                                                    anlagen

                                    at i o n                                                                                               lagenhe
                                n ik                                                                                                  An          r
 TK-Dienst-

                            u

                                                                                                                                                   st
                       ekomm
 leistungen                                                                                                                                                        Technische

                                                                                                                                                     eller
                                                                                                                                                                     Dienst-
                    Tel                                                                                                                                            leistungen

          Intelligente
         Messsysteme                                                                d           PV                                                     Netzplanung
                                                                                n                 -S
                                                                             ba                                                                        und -betrieb

                                                                                                   pe
                                                                      t
                                                                    ei

                                                                                                       ich
                                                                  Br

                                                                                                          er
                                                                                        Kunde

                                                                 Elek

                                                                                                         me
                                                                     tro

                                                                                                       Ho
                                                                        ob
                                                                                                   ar

                                                                         m

                                                                                                   t
                                                                           il   itä
                                                                                   t             Sm

                       Öffentliche
                          Lade-
                                                                                                                                                   Commodity-
                      infrastruktur
                                                                                                                                                    Vertrieb

       E-Mobility

                            Au
                                  tomotive                                                                                              nzelhande
                                                                                                                                      Ei                       Smart Home

                                                                                                                                                   l
 Carsharing

                                                                                                                                                                Öffentliche
                                                                                                                                                                   Lade-
   Autonomes                                                                                                                                                   infrastruktur
     Fahren

                       Speicher-                                                                                                                  Dezentrale
                                                                                        Vertrieb                                                   Energie-
                      vermarktung
                                                                                                                                                  erzeugung
                                                   Netzbetrieb

                                                                                                               Messwesen

                                                                                    EVU
                        Commodity-
                         Vertrieb
                                                                                                                                                 Ablesung

      Smart Home                                                              Erz
                                                                                 eug u n g
                              chnologie
                            Te                                                                                                             ngswirtsc               Abrechnung
                                                                                                                                      nu
  Energie-
                                                                                                                                                   ha
                                                                                                                                  h
                                                                                                                                Wo

                                                                                                                                                      ft

management-
  systeme
                                                                                                                                                                 Energie-
                                                                                                                                                               management-
     IT-Dienst-
                                                                                                                                                                 systeme
    leistungen
                                                                                      licher Sek
                                                                                    nt
                         Daten-
                                                                         e

                                                                                                                                               Dezentrale
                                                                                                 to
                                                                      Öff

                      vermarktung
                                                                                                    r

                                                                                                                                                Energie-
                                                 Straßen-                                                      Smart City
                                                                                                                                               erzeugung
                                               beleuchtung

                                                                                                                                  Abbildung 5:
                                                         Parkraum-                                                                Sektorkonvergenz in der
                                                       bewirtschaftung                           ÖPNV/Mobility
                                                                                                  as a Service                    Energiewirtschaft
Höchstes Potenzial bei Geschäftsfeldern                                Über ein Drittel der Befragten sieht daneben
nahe am Kerngeschäft                                                   auch ökonomisches Potenzial für Geschäfts-­
Aus Sicht der Energiewirtschaft werden die                             fel­der, die eine geringere Schnittmenge zum
Produkte und Dienstleistungen aus den Ge-                              klassischen Leistungsangebot eines Energie-
schäftsfeldern dezentrale Stromerzeugung in-                           versorgers aufweisen. Dies sind vor allem Smart-­
klusive Stromspeicherung, Smart Metering/                              City- und Smart-Home-/Connected-Home-
digitales Messwesen und Elektromobilität am                            Ansätze.
stärksten zusammenwachsen (Abbildung 6).
Dies ist insoweit nicht verwunderlich, als diese                       Aufbau von Win-win-Gemeinschaften
Geschäftsfelder eine große Nähe zum beste-                             notwendig
henden Kerngeschäft aufweisen. Zudem sind                              Mit der Sektorkonvergenz verändern sich die
technologische Hürden dieser Geschäftsfel-                             geschäftlichen Strukturen zwischen den Unter-
der prinzipiell überwunden, wodurch Potenziale                         nehmen von einer sequenziellen Wertschöp-
der Konvergenz klarer erkennbar und Risiken                            fung (Lieferant-Abnehmer-Beziehung) über
quantifizierbar sind. Allerdings bestehen noch                         eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit
vielfältige regulatorische Hemmnisse, die einer                        wenigen bis hin zu einem Netzwerk von vielen
schnellen Marktverbreitung heute vielfach ent-                         Partnern (ggf. auf Zeit), die gemeinsam wirt-
gegenstehen.3                                                          schaftliche Interessen verfolgen. Dies ist aus

Abbildung 6: Geschäftsfelder mit größter Konvergenz
Bei welchen Geschäftsfeldern besteht aus Ihrer Sicht die größte Konvergenz, d. h., bei welchen Produkten und Leistungen
­wachsen Sektoren am meisten zusammen?

                                                   Bottom-2-Boxes      Top-2-Boxes
                           (Note 5 = Gar keine Konvergenz | Note 4)    (Note 2 | Note 1 = Sehr hohe Konvergenz)

Dezentrale Stromerzeugung inkl. Stromspeicherung                   3                                                               73

Smart Metering/Digitales Messwesen                         7                                                                  68

Elektromobilität                                               5                                                             66

TK-Infrastruktur/TK-Dienstleistungen/Breitband 13                                                                       55

Quartierskonzepte                           21                                                                     49

Smart Home/Connected Home                           13                                                            47

Vermarktung von Flexibilitäten               20                                                            39

IT-Dienstleistungen                 30                                                                  37

Smart-City-Ansätze                          21                                                        35

Angaben in Prozent; n = 100

3 Dies gilt vor allem für die Themen des Smart Metering und der Elektromobilität.

18     NEUE  GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
       Stadtwerkestudie 2019
Sicht der befragten Energieversorger zwingend     zu fokussieren. Dies haben viele Energieversor-
notwendig, da neue, digitale Geschäftsfelder      ger erkannt. Nur ein Drittel der Unternehmen
nur mit einer Vielzahl von Partnern erschlossen   will möglichst die gesamte Wertschöpfung digi-
werden können. Denn die Komplexität der Fra-      taler Geschäftsmodelle im eigenen Unterneh-
gestellungen kombiniert mit einer hohen Ver-      men behalten. Die übrigen Energieversorger
änderungsgeschwindigkeit macht es notwendig,      handeln dagegen mehr nach dem Prinzip von
sich auf die eigenen Kompetenzen und Stärken      Win-win-Gemeinschaften.

                                                        Neue, digitale Geschäfts-
                                                        felder können nur mit
                                                        einer Vielzahl von Partnern
                                                        erschlossen werden.

                                                                                                       19
                                              NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
                                                                           Stadtwerkestudie 2019
In der Energiebranche wachsen
Aufbruchstimmung und Optimismus.
Die Unternehmen entwickeln neue
Geschäftsmodelle, setzen verstärkt auf
Kooperationen sowohl mit Nachbar­
branchen als auch mit anderen Energie-
unternehmen. Die Energiebranche
kann so wieder zur Wachstumsbranche
werden.
Stefan Kapferer, Vorsitzender der
BDEW-Hauptgeschäftsführung
Enge kommunale Verzahnung als                                         Elektromobilität. Hinsichtlich der Automobil-
Wettbewerbsvorteil                                                    industrie stellt sich ein anderes Bild dar. Ein
74 Prozent der Befragten geben ihre enge kom-                         ­signifikanter Anteil der Befragten sieht hier
munale Verzahnung als Wettbewerbsvorteil an                            keine größeren Synergien. Die Ursachen hier-
und sehen sich aus diesem Grund in e ­ iner aus-                       für sind vielfältig. Zum einen befindet sich die
sichtsreichen Position, um attraktive Partner-                         Elektromobilität noch in einem frühen Markt-
schaften eingehen zu können. Es ist daher nicht                        stadium, zum anderen könnten die teils ver-
verwunderlich, dass die EVU das größte Syner-                          schiedenen Unternehmenskulturen, die insbe-
giepotenzial (Abbildung 7) in Verbindung mit                           sondere zwischen kleinen und mittelgroßen
der Wohnungswirtschaft sehen, die ebenfalls                            Stadtwerken, die einen starken regionalen
häufig regional verankert ist. Darüber hinaus                          Fokus haben, und den international agierenden
bietet die Wohnungswirtschaft einen großen                             Automobilkonzernen auftreten, dazu führen,
Absatzmarkt für die drei Geschäftsfelder dezen-                        dass man glaubt, nicht voneinander profitieren
trale Stromerzeugung, Smart Metering und                               zu können.

Abbildung 7: Synergiepotenziale mit anderen Sektoren und Branchen
Mit welchen anderen Sektoren/Branchen können EVU die größten Synergiepotenziale heben?

                                                  Bottom-2-Boxes      Top-2-Boxes
                     (Note 5 = Gar kein Synergiepotenzial | Note 4)   (Note 2 | Note 1 = Sehr hohes Synergiepotenzial)

Wohnungswirtschaft                                         6                                                                         68

Technologie und IT                                  11                                                                          64

TK-Infrastruktur/
                                           20                                                                             56
TK-Dienstleistungen/Breitband

Automobilindustrie                   26                                                                              47

Handel                            29                                                       21

Angaben in Prozent; n = 100

                                                                                                                                   21
                                                                  NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
                                                                                               Stadtwerkestudie 2019
Energiewirtschaft sieht sich für sektorüber-                    zu bezeichnenden Geschäftsfeld besteht einer-
greifenden Wettbewerb gewappnet                                 seits eine hohe Kundennachfrage und anderer­-
Geschäftsfeldüberschneidungen zwischen der                      seits eine hohe Bereitschaft zur Kooperation.
Energiewirtschaft und anderen Branchen sind                     In erster Linie wird eine Zusammenarbeit mit
nicht nur durch Partnerschaften geprägt, son-                   Partnern aus dem Energiesektor, mit Komponen-
dern auch durch das Auftreten einer beacht­                     tenlieferanten und dem Endkunden eingegan-
lichen Anzahl neuer Wettbewerber. Der über-                     gen. Insgesamt kommt in diesem Geschäftsseg-
wiegende Anteil der EVU sieht sich jedoch für                   ment eine Vielzahl von Partnern infrage, die
den sektorübergreifenden Wettbewerb in digi-                    zusammen mit dem Energieversorger ein Eco-
talen Geschäftsfeldern gewappnet. Dies gilt                     system bilden. Entsprechend beträgt der eigene
insbesondere für Geschäftsfelder, die durch                     Wertschöpfungsanteil in diesem Geschäftsfeld für
eine inkrementelle Erweiterung des aktuellen                    die Energieversorger rund 30 Prozent.
Kerngeschäfts erschlossen werden.
                                                                Aus Sicht der Befragten sind insbesondere die
2.3 Geschäftsmodelle nahe dem                                   regionale Nähe zum Kunden und das technische
Kerngeschäft                                                    Know-how in Bezug auf Anlagen sowie deren
                                                                Zusammenwirken ein Wettbewerbsvorteil. Dies
Der Großteil der Energieversorger erwartet in                   spiegelt sich im aktuellen Produktportfolio
den nächsten drei bis fünf Jahren eher eine evo-                wider. Rund ein Drittel der Energieversorger,
lutionäre Entwicklung der Geschäftsmodelle in                   vorwiegend mittelgroße und große EVU, bietet
der Energiewirtschaft. Dies drückt sich auch in                 bereits heute eine Direktvermarktung an.
dem seit einigen Jahren etablierten Geschäfts-
feld der Energiedienstleistungen aus, das eine
Vielzahl von Geschäftsmodellen im Kontext der
Energieversorgung umfasst (z. B. Contracting,
Wärmedienstleistungen, Energieberatung).4

Das größte Potenzial im Zuge einer Sektoren-

                                                                       31,5%
kopplung weisen die Befragten den folgenden
drei Geschäftsfeldern mit großer Nähe zur Ener-
gieversorgung zu:

1. Dezentrale Stromerzeugung inkl.
Stromspeicherung
Dezentrale Stromerzeugung inklusive Strom-
speicherung wird als bedeutendstes Geschäfts-                            Im Bereich der dezentralen Stromerzeugung ist die
                                                                         Sektorkonvergenz am weitesten vorangeschritten.
feld im Zuge der Digitalisierung und Sektor-                             31,5 Prozent der Erneuerbare-Energien-Anlagen sind
konvergenz angesehen. In diesem als etabliert                            in privater Hand.

4 Im Rahmen der Studie werden diese weitestgehend auf den Energiebereich beschränkten Geschäftsfelder nicht näher betrachtet.

22     NEUE  GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
       Stadtwerkestudie 2019
1,0

                 5,4

        10,3                                          Abbildung 8: Eigentumsverhältnisse
                                                      bei Erneuerbare-Energien-Anlagen
                                         31,5
                                                      (installierte Leistung)
                                                               Private Eigentümer
13,4
                                                               Landwirtschaft
                                                               Fonds und Banken
                                                               Projektentwickler
                                                               Handel und Gewerbe
                                                               Andere EVU
                                                               Große EVU
       14,4                           10,5
                                                               Sonstige

                                                      Angaben in Prozent
                       13,4
                                                      Quelle: Trend Research 12/2017

Mit fortschreitender technologischer und regu-     2. Smart Metering/Digitales Messwesen
latorischer Entwicklung wird die Vermarktung       Das Geschäftsfeld „Smart Metering/Digitales
von Kleinsterzeugungsanlagen und Speichern,        Messwesen“ befindet sich im Wesentlichen auf-
auch im Peer-to-Peer-Bereich, an Bedeutung         grund regulatorischer Vorgaben auf der Agenda
gewinnen. Die Kenntnis spezifischer Gegeben-       vieler Energieversorger. Die Zusammenarbeit
heiten (z. B. Netzstruktur) wird in diesem Ge-     mit anderen EVU, IT-Dienstleistern und Kompo-
schäftsfeld für regional verankerte Energiever-    nentenlieferanten wie Zähler- und SMGW-Her-
sorger ein Wettbewerbsvorteil sein. Darüber        stellern ist aus Sicht der Teilnehmer essenziell
hinaus haben 55 Prozent der Befragten ein An-      und bereits weit fortgeschritten. In Zukunft wird
gebot für Mieterstrommodelle oder planen           diese Zusammenarbeit noch weiter zunehmen.
­deren Einführung in den nächsten zwei Jahren.     Dies gilt insbesondere, wenn der gesetzliche An-
 Hieran zeigt sich deutlich die fortschreitende    satz greift, das SMGW als sichere, sektorüber-
 Vernetzung mit der Wohnungswirtschaft.            greifende Kommunikationsplattform für die ­­Digi-
                                                   talisierung der Energiewende zu etablieren. Noch
Ein Blick auf die Eigentumsverhältnisse bei den    wird der Rollout intelligenter Messsysteme von
erneuerbaren Energien verdeutlicht, dass bei       den Unternehmen vielfach auf das Smart Mete-
der dezentralen Stromerzeugung die Sektor-         ring reduziert. Mit der Erweiterung auf Smart
konvergenz insgesamt bereits weit fortgeschrit-    Grid, Smart Mobility, Smart Home/Building und
ten ist. Lediglich 16 Prozent der installierten    Smart-Service-Anwendungen ist eine Vielzahl
Leistung im Bereich der erneuerbaren Energien      anderer Sektoren vom Rollout der SMGWs be-
befinden sich im Eigentum von Stadtwerken          troffen. Gerade in diesen Bereichen drängt sich
und EVU (siehe Abbildung 8).                       daher die Etablierung von Ecosystems auf.

                                                                                                         23
                                                NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
                                                                             Stadtwerkestudie 2019
Abbildung 9: Geschäftsmodelle im Bereich Smart Metering
                                                                                                          Nur wenn Smart
bzw. digitales Messwesen
                                                                                                          Metering eine hohe
Ist Ihr Unternehmen in dem folgenden Geschäftsmodell im Bereich Smart Metering bzw.
im digitalen Messwesen bereits aktiv oder plant es, in den nächsten 1–2 Jahren, zu einem                  oder sehr hohe
späteren Zeitpunkt oder gar nicht einzusteigen?                                                           Bedeutung hat.

Kombinierte Energielieferung
                                         33                             32                           12     23
und Messung

Intelligente Messsysteme als Element
                                         21                   26                   33                        21
umfassender Energieautarkielösungen

Spartenübergreifende Bündel­
                                         19                  38                            19              21              3
ablesungen, ggf. inkl. Submetering

Variable Tarife                          16             45                                      21               15        3

Mehrwertdienste über den
                                         15             12         15         55                                           3
Energiebereich hinaus

Verbrauchsvisualisierung                 10        49                                       29                        12

Disaggregierte Messung                   4    14         30                        41                                      11

Datenvermarktung an Dritte               15             84                                                                  1

Angaben in Prozent; n = 73                    Bereits heute aktiv                           Gar nicht
                                              Planen in den nächsten 1–2 Jahren             Weiß nicht/Keine Angabe
                                              Planen zu einem späteren Zeitpunkt

Noch stehen „evolutionäre“ Entwicklungen (z. B.                    hierfür sind vor allem datenschutzrechtliche
variable Tarife, Verbrauchsvisualisierung) im                      Risiken bzw. Bedenken und der Vertrauensvor-
Fokus der Energiewirtschaft (Abbildung 9).                         schuss, den gerade Stadtwerke heute besitzen.
Ansätze zur stärkeren Sektorkonvergenz fin-                        Mit der „freizügigen“ Handhabung datenschutz-
den sich jedoch schon in der spartenübergrei-                      rechtlicher Vorschriften würde man aus Sicht
fenden Bündelablesung (19 Prozent sind hier                        der Energiewirtschaft die Vertrauensbasis, die
heute bereits aktiv) und im Angebot von Mehr-                      man heute bei den meisten Endkunden besitzt,
wertdiensten über den Energiebereich hinaus                        gefährden.
(15 Prozent).
                                                                   Zudem gibt es bislang in der Energiewirtschaft
Datenvermarktung an Dritte                                         wenig bewährte Konzepte zur Vermarktung
Keines der befragten Unternehmen plant in                          von Daten. Trotzdem sollte dieses Geschäfts-
näherer Zukunft die Erschließung des Geschäfts-                    feld nicht vollständig ignoriert werden. Ener-
felds „Datenvermarktung an Dritte“. Ursachen                       gieversorger können hier von der Erfahrung

24     NEUE  GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
       Stadtwerkestudie 2019
anderer profitieren. So haben andere Sektoren         a Service, Flottenmanagement). Diese Bestre-
beachtliche Potenziale mit „scheinbar wertlo-         bungen, in ein Geschäft mit nur wenig Bezug
sen“ Nutzerdaten heben können (z. B. soziale          zum Stromgeschäft zu investieren, sind u. a.
Netzwerke). Mit der Smart-Meter-Einführung            darauf zurückzuführen, dass ein Teil der Befrag-
werden enorme Datenmengen verfügbar sein,             ten in einem Querverbund mit dem ÖPNV agiert
die genutzt werden können, um Kundenver­­             und Synergieeffekte nutzen kann.
halten zu analysieren und ggf. zu steuern (z. B.
­Anreiz für Stromverbrauch bei überschüssi-           Die Zukunft der Elektromobilität benötigt
 ger Erzeugung). Bislang setzt nur eine Minder-       eine stärkere bundesweite Kooperation­
 heit der Energieversorger etwa mithilfe der          Der Ausbau der Elektromobilität nimmt erst
 dis­aggregierten Messung, d. h. der Zerlegung        langsam an Fahrt auf. Bislang kooperiert man
 des gesamten Lastverlaufs eines Haushalts            vor allem mit anderen EVU, IT-Dienstleistern
 über einen Zeitraum auf einzelne Anwendun-           und dem Handwerk. Mit der Automobilindus­trie
 gen und Geräte, auf dieses Geschäftsfeld.            arbeiten heute lediglich 8 Prozent der b
                                                                                             ­ efragten
                                                      Unternehmen zusammen. In der­­Zukunft wird
3. Elektromobilität                                   es auf die Etablierung umfassender Ecosystems
Der Ausbau der Elektromobilität ist eine wich-        und die Schaffung entsprechender gesetzlicher
tige Maßnahme zur Erreichung der Klimaschutz-         Rahmenbedingungen ankommen, um die politi-
ziele in Deutschland. Neben der Automobilin-          schen Ziele eines massiven Zuwachses der Elek-
dustrie ist insbesondere die Energiewirtschaft        tromobilität zu erreichen.
davon betroffen. EVU versprechen sich vor
allem zusätzliche, nicht unerhebliche Umsätze

                                                            80%
aufgrund einer neuen Stromanwendung sowie
zusätzlicher Dienstleistungen rund um die Elek-
tromobilität. Daneben sehen sie die regionale
Nähe und Ortskenntnisse, die beim Ausbau der
Ladeinfrastruktur unerlässlich sind, in Kombi-
nation mit dem technischen Know-how und der
Nähe zum Stromgeschäft als Wettbewerbsvor-
teile an.

Entsprechend betreiben bereits heute 80 Pro-                  Die Elektromobilität hat das Potenzial zum Wachs-
                                                              tumstreiber der Energiewirtschaft zu werden. 80 Pro-
zent der Befragten, die der Elektromobilität                  zent der Energieversorger, die der Elektromobilität
eine hohe oder sehr hohe Bedeutung zumes-                     eine hohe Bedeutung beimessen, sind heute schon im
                                                              Bereich der Elektroladeinfrastruktur aktiv.
sen, eine Ladeinfrastruktur (Abbildung 10).
Zudem ist ein Großteil dieser Unternehmen
bereits in Verkauf und Abrechnung von Lade-
strom aktiv. Währenddessen steckt die Ver-
marktung der Speicherkapazität noch in den
Kinderschuhen. Ein signifikanter Anteil der
EVU plant einen Einstieg in das Geschäftsfeld
Mobilitätsdienstleistungen (z. B. Mobility as

                                                                                                              25
                                                   NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
                                                                                Stadtwerkestudie 2019
Vorteile der Entwicklung von Geschäftsfeldern
Evolutionäre Geschäftsfelder bieten zusätzliche
Erlösmöglichkeiten, die durch die EVU mit einem
verhältnismäßig niedrigen Ressourceneinsatz
und einem geringen Risiko erschlossen werden
können. Da diese Chance von Unternehmen aller
Sektoren erkannt wurde, ist ein Konkurrenzkampf
um Marktanteile unausweichlich. Energiever­sorger
haben jedoch in den genannten Geschäftsfeldern
aufgrund ihrer regionalen Nähe und der Nähe
dieser Geschäftsfelder zum Kerngeschäft der
Energieversorgung eine gute Ausgangsposition.
Nur wenn Elektro­-
Abbildung 10: Geschäftsmodelle im Bereich der Elektromobilität
                                                                                                             mobilität eine
Ist Ihr Unternehmen in dem folgenden Geschäftsmodell im Bereich der Elektromobilität
bereits aktiv oder plant es, in den nächsten 1–2 Jahren, zu einem späteren Zeitpunkt oder                    hohe oder sehr hohe
gar nicht einzusteigen?                                                                                      Bedeutung hat.

Betrieb öffentlicher Ladeinfrastruktur   80                                                                        8       2 11

Verkauf von Ladestrom                    62                                                        20                  8        11

Abrechnung Elektroladestrom              57                                                  20                9           14

Verkauf und Installation privater
                                         57                                                  8       14         22
Ladeinfrastruktur

Betrieb digitaler
                                         19                 14          22                  45                                           2
Mobilitätsplattformen

Mobility as a Service                    8        5    32                        51                                                      5

Vermarktung der Speicherkapazität
                                         2 8          25                  59                                                             8
von Elektromobilen

Flottenmanagement                        6      26                      63                                                               5

Angaben in Prozent; n = 65                     Bereits heute aktiv                               Gar nicht
                                               Planen in den nächsten 1–2 Jahren                 Weiß nicht/Keine Angaben
                                               Planen zu einem späteren Zeitpunkt

Der Auto fahrende Endkunde will bundesweit                          von Kundenkenntnissen, der regionalen Nähe
mit einer einheitlichen Ladeinfrastruktur sein                      und der Nähe zum eigenen Stammgeschäft prä-
Fahrzeug problemlos an jedem beliebigen Ort                         destiniert für ein Engagement in diesen Berei-
elektrisch laden können. Die Abrechnungspro-                        chen zu sein. Hierbei rücken serviceorientierte
zesse müssen für ihn im Hintergrund ablaufen.                       Dienstleistungen in den Vordergrund, die im
Dazu bedarf es einer stärkeren bundesweiten                         Gegensatz zu vielen energiewirtschaftlichen
Kooperation bzw. Koordination.                                      Geschäftsmodellen nicht primär auf physischen
                                                                    Assets basieren.
2.4 Potenziale für Geschäftsmodelle
­außerhalb der Energieversorgung                                    Diese Geschäftsmodelle haben geringere Anknüp-
                                                                    fungspunkte zum bestehenden Kerngeschäft der
EVU sehen in den Geschäftsfeldern Telekommu-                        Energiewirtschaft. Dadurch nimmt der eigene Wert-
nikation, Smart Home und Smart City wichtige                        schöpfungsanteil ab, eine intensive Zusammenar-
Zukunftsmärkte. Sie gehen davon aus, aufgrund                       beit mit anderen Sektoren ist zwingend notwendig.

                                                                                                                                    27
                                                                 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
                                                                                              Stadtwerkestudie 2019
1. Telekommunikation — Infrastruktur/                             konstanten Erlösstrom ermöglichen. Zudem
       TK-Dienstleistungen/Breitband                                     kann die selbst betriebene TK-Infrastruktur als
       Moderne Telekommunikationstechnologien sind                       Basis für weitere digitale Geschäftsfelder etwa
       eine zentrale Grundlage für eine Vielzahl digi-                   in den Bereichen Smart Metering, Smart Grid,
       taler Geschäftsmodelle und daher ein attraktiver                  Smart Home oder Smart City dienen.
       Zukunftsmarkt. Energieversorger, die bereits
       in diesem Geschäftsfeld aktiv sind, fokussieren                   Aufgrund des globalen Charakters des TK-Mark-
       sich derzeit mehrheitlich auf den Infrastruktur-                  tes einerseits und der regional begrenzten Akti-
       ausbau (z. B. das Verlegen von Glasfaserkabeln).                  vitäten der Energieversorger andererseits steht
       Bei konsequenter Fortführung der Pläne wird                       eine Zusammenarbeit mit TK-Unternehmen an
       etwa die Hälfte dieser EVU in den nächsten zwei                   erster Stelle. Insgesamt ist jedoch zu erkennen,
       Jahren zusätzliche TK- und Internetdienstleis-                    dass sich das heutige Engagement der Energie-
       tungen wie Breitband oder digitales Fernsehen                     versorger im Bereich der Telekommunikation
       anbieten (Abbildung 11).5                                         noch vielfach durch einen eher isolierten Angang
                                                                         kennzeichnen lässt. EVU sehen hier Potenziale,
       Diese Entwicklung ist sehr positiv zu werten, da                  beim eigenen Kundenstamm Zusatzerlöse zu
       TK-Dienstleistungen einen langfristigen und                       generieren.

       Abbildung 11: TK- und Internetdienste für Endkunden
       Ist Ihr Unternehmen in dem folgenden Geschäftsmodell im           Welche TK-Dienstleistungen für Endkunden bieten Sie an
       Bereich der TK-Infrastruktur und von TK-Dienstleistungen          bzw. planen Sie anzubieten?
       bereits aktiv oder plant es, in den nächsten 1–2 Jahren, zu
       einem späteren Zeitpunkt oder gar nicht einzusteigen?

       Sind darin bereits aktiv    22                                    Highspeed Internet        73

       Planen es in den
                                        6                                Telefon/Mobilfunk         50
       nächsten 1–2 Jahren

       Planen es zu einem
                                   20                                    Digitales Fernsehen       39
       späterem Zeitpunkt

                                   52                                    Haustechnik               15
                                   gar nicht

                                                                         Sonstiges                   4
                                  Angaben in Prozent; n = 54

Nur wenn TK-Infra-                                                       Weiß nicht/
                                                                                                   27
struktur/-Dienstleistung                                                 Keine Angabe
eine hohe oder sehr
                                                                                                 Angaben in Prozent; n = 26
hohe Bedeutung hat.

                                                                     5 Dies entspricht etwa einem Viertel aller befragten Unternehmen.

       28     NEUE  GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
              Stadtwerkestudie 2019
Die größten Synergiepotenziale
werden in der Annäherung
mit der Wohnungswirtschaft,
dem Technologie- und dem
TK-Sektor gesehen.

                                                                       29
              NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
                                           Stadtwerkestudie 2019
2. Smart Home                                                      Markt keine einheitliche Plattform durchset-
Das Geschäftsfeld Smart Home, in das u. a. Pro-                    zen. Es gibt eine Vielzahl Standards und Tech-
dukte wie Hausautomation und Energiemanage-                        nologien neben­einander, die i. d. R. nicht mit­
ment fallen, wird von den Befragten mit einer                      einander kompatibel und interoperabel sind.
mittleren Sektorkonvergenz bewertet. Dennoch                       Insofern besteht auch bei diesem Geschäfts-
sind vereinzelte EVU in diesen Markt eingetre-                     feld noch erhebliches Potenzial zum Aufbau
ten und bieten erste Produkte an bzw. haben                        von Ecosystems, mit dem Ziel, eine Plattform
Pilotprojekte gestartet (siehe Abbildung 12).                      zur umfassenden Erbringung von Smart-Home-
Mit einem eigenen Wertschöpfungsanteil von                         Produkten und -­ Dienstleistungen zu schaffen.
lediglich ca. 7 Prozent dienen Smart-Home-Pro-
dukte der Energiewirtschaft heute vor allem                        3. Smart City
zur Kundenbindung und tragen (noch) nicht zur                      Mithilfe von Smart-City-Ansätzen sollen Städte
Ertragskraft des Unternehmens bei.                                 effizienter und nachhaltiger gestaltet werden.
                                                                   Dabei werden physische und digitale Infrastruk-
Im Smart-Home-Bereich arbeiten EVU vornehm-                        turen sowie Algorithmen miteinander vernetzt,
lich mit Lieferanten und Komponentenherstel-                       um z. B. Auslastungsprobleme im Parkplatz-
lern zusammen. Insgesamt ist der Vernet-                           management effizient und ressourcensparend
zungsgrad mit anderen Sektoren heute jedoch                        zu lösen. Aufgrund des frühen Entwicklungs-
noch sehr gering. Dies liegt u. a. an der Viel-                    stadiums dieses Geschäftsfeldes sieht die Ener-
zahl proprietärer Systeme, die heute im Markt                      giewirtschaft hier zurzeit nur ein geringes
angeboten werden. Bislang konnte sich im                           Synergiepotenzial.

Abbildung 12: Status der eingeführten Produkte und
Dienstleistungen im Bereich Smart Home                                                       Nur wenn Smart
Handelt es sich dabei um ein in den Markt eingeführtes Produkt/eine Dienstleistung
                                                                                             Home eine hohe
oder um ein oder mehrere Pilotprojekte?                                                      oder sehr hohe
                                                                                             Bedeutung hat.

Energiemanagement                        10         13        3   74

Hausautomation und Komfort               10         7    84

Gesundheit/Ambient                       7         94
Assisted Living/Wellness

                                        3     97
Entertainment und Kommunikation

                                         100
Gebäude- und Wohnungssicherheit

Angaben in Prozent; n = 31                    Am Markt eingeführtes Produkt/Dienstleistung       Weiß nicht/Keine Angaben
                                              Pilotprojekt                                       Noch nicht aktiv

30     NEUE  GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ
       Stadtwerkestudie 2019
Die intelligente Straßenbeleuchtung stellt das
heute am stärksten verbreitete Produkt bzw.
die am stärksten verbreitete Dienstleistung dar,
da sie sich nahe an der Energieversorgung
bewegt. In Zukunft wird sich das Angebot stär-
ker von der klassischen Energieversorgung
wegbewegen. Intelligente Parkraumbewirt-
schaftung, Umweltüberwachung über Echtzeit-
daten und digitales Verkehrsmanagement sind
nur einige Bereiche, in denen zukünftig EVU
aktiv werden.

Rund drei Viertel der Befragten gehen davon
aus, dass Smart-City-Ansätze nur in Zusam-
menarbeit mit verschiedenen Partnern erfolg-
reich umgesetzt werden können. Es muss
­daher eine Instanz geben, die diese Anbieter
 identi­fiziert, Ausschreibungen rechtssicher
 veröffentlicht und eine ganzheitliche Betrach-
 tung gewährleisten kann. In dieser Rolle kön-
 nen sich Stadtwerke als unabhängige lokale
 Instanz mit umfassendem Know-how in einem
 Ecosystem aus kommunaler Hand und Tech-
 nologieanbietern beweisen.

Höhere Risiken bei Geschäftsfeldern
­außerhalb der Energieversorgung
 Geschäftsfelder außerhalb der Energieversor-
 gung sind von hohen Risiken (u. a. Vorfinanzie-
 rung, geringere Synergiepotenziale, fehlendes
 eigenes Know-how) geprägt, bieten jedoch die
 Möglichkeit, eine Vorreiterrolle einzunehmen
 und langfristige Erlösströme zu generieren.
 Bisher scheut sich die Mehrheit der Befragten
 vor diesem Schritt. Ursächlich hierfür ist unter
 anderem, dass rund 70 Prozent der Teilnehmer
 den klassischen Commodity-Vertrieb auch in
 Zukunft als werthaltig einstufen. Die Notwen-
 digkeit und Dringlichkeit, in neue Geschäftsfel-
 der einzusteigen, wird daher als eher gering
 eingestuft.
Die Ergebnisse
für Österreich
und die Schweiz
80%
3.1 Österreich

Die österreichischen Energieversorger blicken
erneut auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zu-
rück: 80 Prozent der Energieversorger beurtei-
len den Geschäftserfolg 2018 als gut oder sehr
gut. Dagegen bereitet der Blick in die Zukunft                     der Energieversorger beurteilen den ­Geschäftserfolg
                                                                   2018 als gut oder sehr gut. Dagegen bereitet der Blick
dem ein oder anderen etwas Sorge. Nur 65 Pro-                      in die Zukunft dem ein oder anderen etwas Sorge.
zent erwarten einen guten oder sehr guten
Erfolg im laufenden Geschäftsjahr. Ein Grund
dafür dürfte in einem zunehmenden Mangel an                        Daneben bestimmen Digitalisierungsthemen die
Know-how und Personal liegen. Neun von zehn                        Agenda der Vorstände und Geschäftsführer.
Befragten werden sich in den kommenden Jah-                        Auch wenn die Digitalisierung primär noch zur
ren intensiv mit der Suche nach qualifiziertem                     Automatisierung und zur Verbesserung von
Personal und der Personalentwicklung aus­                          Geschäftsprozessen genutzt wird, so verändert
einandersetzen. Hinzu kommt die Unsicher-                          sie doch zunehmend auch die Geschäftsmo-
heit, die sich durch die Einführung zweier unter-                  delle der Energieversorger. Höchste Relevanz
schiedlicher Strompreiszonen für Österreich                        besitzen dabei das Smart Metering und die
und Deutschland zum 1. Oktober 2018 erge-                          Elektromobilität, gefolgt von der dezentralen
ben hat. Damit ist die Volatilität der Strompreise                 Stromerzeugung.
in Österreich stark gestiegen, die Prognose der
weiteren Entwicklung hat sich deutlich erschwert.                  Bis Ende 2018 sind 1.060.000 intelligente Mess-
                                                                   systeme in Österreich ausgerollt worden. Dies
                                                                   entspricht einer Rolloutquote von 17 Prozent,
                                                                   womit die gesetzliche Vorgabe von 80 Prozent
                                                                   bis Ende 2020 kaum flächendeckend erreicht
                                                                   werden dürfte.6 Entsprechend ist der Stand der
                                                                   heute angebotenen Geschäftsmodelle auf der
                                                                   Basis von Smart Meters noch recht übersicht-
                                                                   lich. Nur etwa 10 bis 15 Prozent der Unterneh-
                                                                   men können heute ihren Kunden bereits Ange-
                                                                   bote auf Smart-Meter-Basis unterbreiten. Dabei
                                                                   dominieren variable Tarife und die Verbrauchs-
                                                                   visualisierung.

                                                                   Anders verhält es sich im zweiten wichtigen
                                                                   Geschäftsfeldbereich, der Elektromobilität. In
                                                                   diesem von den Energieversorgern als Zukunfts-
                                                                   markt eingeschätzten Geschäftsfeld, das vor

6 Vgl. dazu auch E-Control, Bericht zur Einführung intelligenter Messgeräte in Österreich 2018, S. 9.

34     DIE ERGEBNISSE FÜR ÖSTERREICH UND DIE SCHWEIZ
       Stadtwerkestudie 2019
ÖSTERREICH
allem aufgrund seiner Nähe zum Stromge-
schäft interessant ist, platziert bereits eine
Mehrheit der Unternehmen aktiv Angebote
im Markt. Dabei handelt es sich überwiegend
um den Verkauf und Betrieb privater Elektro­
ladeinfrastruktur, den Betrieb öffentlicher L
                                            ­ ade-
infrastruktur, den Verkauf von Ladestrom und
um die Abrechnung des Ladestroms.

Die dezentrale Stromerzeugung profitiert vor
allem im Bereich der erneuerbaren Energien
durch die ersten Entwürfe zum „Erneuerbaren
Ausbau Gesetz 2020“. Diese sehen u. a. deut-
lich verbesserte Rahmenbedingungen für einen
beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Ener-
gien in Österreich vor.7 Österreichs Energie-
versorger engagieren sich daher zunehmend
in diesem Geschäftsfeld, um Kundenwünschen
nachzukommen und Kundenverluste zu ver-
meiden. An erster Stelle der Geschäftsmodelle
steht die Direktvermarktung. Mieterstrommo-
delle und Quartierskonzepte stehen vor allem
für die kommenden Jahre auf der Agenda der
Unternehmen.

Ähnlich wie in Deutschland sehen auch die
österreichischen Energieversorger ein Zusam-
menwachsen der Energiewirtschaft mit ande-
ren Sektoren aufgrund der Digitalisierung. Mehr-
heitlich wird davon ausgegangen, dass neue
Geschäftsmodelle auch nur mit einer Vielzahl
von Partnern entwickelt werden können. An
vorderster Front stehen dabei die Wohnungs-
wirtschaft, der Technologiesektor und die TK-
Industrie. Die Hälfte der Unternehmen will die
Sektorkonvergenz auch dazu nutzen, in andere
Bereiche hineinzuwachsen. Die Sorge, dass man
selbst von anderen Sektoren verdrängt wird,
besteht nur bei einem Drittel der Befragten.

7 Siehe dazu E-Control, Tätigkeitsbericht 2018, S. 47 f.

                                                            KAPITELBEZEICHNUNG
                                                             Stadtwerkestudie 2019   | 35
3.2 Schweiz

Die Ergebnisse der Schweizer Teilnehmer zei-
gen gegenüber dem Vorjahr eine deutlich posi-
tivere Beurteilung der aktuellen wie auch der
künftig erwarteten Geschäftslage (81 Prozent
vs. 60 Prozent im Vorjahr). Dies liegt zum einen
an den zwischenzeitlich wieder gestiegenen
Stromgroßhandelspreisen, die zu erhöhten Um-
satzerlösen geführt haben, und zum anderen
an zusätzlichen Einnahmen aus anderen Berei-
chen sowie neuen Leistungen und Angeboten.

Unter den derzeit relevanten Themen findet
sich neuerdings „Absatz/Marketing/Kunden-              71 Prozent sind der Meinung, dass die Digitali-
betreuung“, womit sich 77 Prozent der Ener-            sierung den größten Einfluss auf die Verände-
gieversorger stark auseinandersetzen. Eben-            rung der Geschäftsmodelle und die Entwick-
falls stark an Bedeutung gewonnen hat die              lung der Energiebranche hat. Jedoch spielen
Thematik der „Gewinnung von qualifiziertem             die Entwicklung und der Aufbau neuer Ge-
Nachwuchs“. Dieser Bedeutungszuwachs                   schäftsmodelle in der Schweiz eine geringere
dürfte Ergebnis der StromVG8-Diskussion sein,          Rolle als in Deutschland. Dies liegt vor allem
die eine Wettbewerbseinführung im Klein­               an der noch nicht vollzogenen Liberalisierung
kundenbereich wieder etwas wahrscheinlicher            des Energiemarktes im Kleinkundengeschäft in
werden lässt.                                          der Schweiz. Dadurch ist einerseits die Notwen-

71%
                                                       digkeit für die Energiewirtschaft, sich nach
                                                       neuen Geschäftsmöglichkeiten umzusehen, ge-
                                                       ring, andererseits bestehen deutlich weniger in-
                                                       teressante Möglichkeiten für andere Sektoren,
                                                       sich im Energiegeschäft zu engagieren.

                                                       Gesetzliche Vorgaben und Zukunftsmärkte
                                                       als Treiber für neue Geschäftsmodelle
sind der Meinung, dass die Digitali-                   An erster Stelle neuer, digitaler Geschäftsmo-
sierung den größten Einfluss auf
                                                       delle steht Smart Metering, gefolgt von der
die Veränderung der Geschäfts-
modelle und die Entwicklung der                        dezentralen Stromerzeugung und der Elektro-
Energiebranche hat.                                    mobilität. Hauptmotiv für das Engagement im
                                                       Bereich Smart Metering sind die gesetzlichen
                                                       Vorgaben. Ein Großteil der Schweizer EVU
                                                       sieht ihre Rolle in der kombinierten Energie­
                                                       lieferung und Messung. Mehrwertdienste über
                                                       den Energiebereich hinaus spielen nahezu
8 Stromversorgungsverordnung

36     DIE ERGEBNISSE FÜR ÖSTERREICH UND DIE SCHWEIZ
       Stadtwerkestudie 2019
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