Stadtwerke-studie 2019 - Ecosystems und Konvergenz als Wachstumschancen für Stadtwerke - BDEW
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Die Digitalisierung führt zu einer zunehmen- den Vernetzung aller Lebensbereiche. In der Wirtschaft werden traditionelle Grenzen der einzelnen Industriezweige aufgeweicht oder gebrochen. Neue Technologien ermög lichen die Vernetzung von Energieversorgern untereinander, mit Kunden und mit anderen Branchen. Daraus entwickeln sich neue Ecosystems, die durch das enge Zusammen- spiel vieler unterschiedlicher Marktakteure neue Möglichkeiten in Form von Geschäfts- modellen hervorbringen. So werden beispielsweise der Ausbau der Elektromobilität und die Nutzung von Smart Meter Gateways als umfassende Kommuni- kationsplattform im Gebäude nur erfolgreich sein, wenn viele Marktakteure aus unter- schiedlichen Branchen ihre Stärken gebündelt einbringen. Hier bieten sich für Energie versorger als Betreiber von Ecosystems und Plattformen vielfältige Chancen, die von ihnen bereits heute zunehmend genutzt werden.
1 Summary Seite 4 Die Lage der Energiewirtschaft 2 Seite 8 Neue Geschäftsmodelle durch Sektorkonvergenz igitalisierung als Katalysator für neue Geschäftsmodelle, Seite 14 2.1 D ie Sektorkonvergenz in der Energiewirtschaft, Seite 16 2.2 D 2.3 Geschäftsmodelle nahe dem Kerngeschäft, Seite 22 3 2.4 Potenziale für Geschäftsmodelle außerhalb der Energieversorgung, Seite 27 Die Ergebnisse für Österreich und die Schweiz 3.1 Österreich, Seite 34 3.2 Schweiz, Seite 36 4 Der Aufbau von Ecosystems zur Erschließung neuer Geschäftsfelder Seite 38
! Sektorkonvergenz Zusammenwachsen und Ver netzung bislang weitestgehend autonom agierender Industrie- zweige, indem sich deren Wert- schöpfungsketten verbinden, sodass dem Endkunden neue Produkte und Erlebnisse gebo- ten werden können Neue Technologien greifen in alle Lebensbereiche ein, stellen ganze Industrie- zweige auf den Kopf und führen zu einem Zusammenwachsen und zur Vernetzung von Branchen (Sektorkonvergenz). Dies gilt insbesondere für die Technologie-, Telekommunikations- (TK), Medien- und Entertainmentindustrie, deren Konver- genz Ende der 1990er-Jahre begann: So gehört es heute zum Alltag, über ein Smartphone zu fotografieren. Im Musikgeschäft verdrängen Streamingdienste mehr und mehr die klassischen Medien wie Schallplatten oder CDs und im Einzel- handel kann der Kunde bequem über seine Smart Gadgets bezahlen. Auch in der Energiewirtschaft ist eine fortschreitende Sektorkonvergenz zu beob- achten: Über die Elektromobilität wachsen Automobilindustrie und Energiewirt- schaft zusammen. Zudem engagieren sich TK-Anbieter, Paketdienstleister und Wohnungsgesellschaften im Bereich der Elektromobilität, indem sie jeweils den Aufbau einer bundesweiten Elektroladeinfrastruktur planen. Technologieanbieter beschränken sich schon lange nicht mehr auf eine reine Zulieferrolle und werden selbst in der dezentralen Energieerzeugung, im Energiemanagement und in der Lieferung von Energie an Endkunden aktiv, ebenso wie große Marktakteure aus der Mineralöl- und Automobilindustrie und dem Verkehrssektor. Und die Energiewirtschaft? Sie ist bereits heute mit unterschiedlichen Geschäfts- modellen mit anderen Sektoren eng verbunden und bewegt sich immer weiter in andere Bereiche hinein. Die Übernahme der Nebenkostenabrechnung für Miet- wohnungen, der Verkauf von Smart-Home-Produkten, die Bereitstellung von Telekommunikationsdienstleistungen und die Ausdehnung kommunaler Aktivi- täten über das Smart-City-Konzept sind nur einige Beispiele dafür. 05 SUMMARY Stadtwerkestudie 2019
! Ecosystems zeichnen sich vor allem durch zwei Eigenschaften aus: Kundenzentrierung: Zugang des Kunden zu einer Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen über eine gemeinsame Schnittstelle Plattformgedanke: Schaffung einer gemeinsamen Basis, auf der verschiedene Anbieter ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten können Um zu erfassen, wie die deutschen Energieversorger die Chancen, die mit der Sektorkonvergenz entstehen, bewerten und welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt, haben wir Geschäftsführer und Vorstände von insgesamt 172 Unterneh- men unterschiedlicher Größe und Struktur in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt.1 Um dem Thema der Sektorkonvergenz gerecht zu werden, haben wir diese Ergebnisse über Tiefeninterviews an der Sichtweise anderer Wirtschafts- zweige gespiegelt. Dabei sind interessante Ergebnisse herausgekommen: • Insgesamt ist die Stimmung in der Energiewirtschaft gut, denn sie wird zur Wachstumsbranche, was sich in zahlreichen neuen Geschäftsmodellen wider- spiegelt. • Dazu trägt insbesondere die Sektorkonvergenz bei, die von der Energiewirt- schaft als Chance eingestuft wird. Die größten Synergiepotenziale werden in der Annäherung mit der Wohnungswirtschaft, dem Technologie- und dem TK-Sektor gesehen. • Dadurch eröffnen sich Chancen, vor allem in der dezentralen Stromerzeugung, dem Smart Metering und der Elektromobilität. In diesen Bereichen sind heute bereits die meisten Energieversorger und Stadtwerke aktiv. • Die bestehenden Aktivitäten sind aber erst der Anfang: Stadtwerke und Ener- gieversorger sehen sich zukünftig als umfassende Plattformbetreiber im Betrieb von Smart-Meter-Gateways, der Ladeinfrastruktur oder im Gebäudemanage- ment. Zudem bestehen noch weitere Entwicklungspotenziale in Bereichen wie TK-Dienstleistungen, Quartierskonzepte sowie in Smart-Home- und Smart- Metering-Ansätzen. 1 Die von EY gemeinsam mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) telefonisch durchgeführte Befragung fand im Februar/März 2019 anhand eines standardisierten Fragebogens statt. Die folgende Darstellung der Ergebnisse legt den Schwerpunkt auf Deutschland und zeigt die Ergebnisse für die 100 in Deutschland befragten Unternehmen. Eine Kurzdarstellung der Ergebnisse für Österreich und die Schweiz findet sich in Kapitel 3. 06 SUMMARY Stadtwerkestudie 2019
Beim Aufbau neuer Geschäftsmodelle sind Koope rationen, Partnerschaften und der Aufbau eines Ecosystem sinnvoll. Für Stadtwerke und Energie- versorgungsunternehmen (EVU) bietet sich hier die Möglichkeit, als Orchestrator die Angebote ver- schiedener Partner zu einem Produkt mit Mehrwert für einen Kunden zu kombinieren. Die gemeinsame Entwicklung von Plattformen und die Leistungser- Energieversorger haben bringung mit Partnern ermöglichen es, die gesam- ten Geschäftspotenziale in einem Bereich zu heben. mit ihrer Erfahrung im Energieversorger sind dabei vielfach in der Lage, auf- Aufbau und im Betrieb grund ihrer Erfahrungen mit komplexen regulato komplexer Infrastruktu- rischen Fragestellungen die Rolle eines Plattform- betreibers einzunehmen. ren die besten Voraus- setzungen, die Potenziale Dazu muss es gelingen, Win-win-Situationen für alle der Digitalisierung über Beteiligten zu konstruieren. EVU können dabei eine den Betrieb digitaler und treibende Rolle in Geschäftsfeldern wie der dezen tralen Stromerzeugung, dem Smart Metering und sektorübergreifender der Elektromobilität einnehmen. In Geschäftsfeldern, Plattformen zu heben. die weiter vom eigenen Kerngeschäft entfernt sind, Metin Fidan, Energy Sector Leader wie TK-Dienstleistungen, Smart Home und Smart Deutschland, Österreich und Schweiz, EY City, wird es schwieriger, als Plattformbetreiber zu agieren. Aber auch hier kann dies über die kommu- nale Verzahnung und die regionale Nähe gelingen. Digitalisierung und Sektorkonvergenz bergen jedoch auch Risiken. Das Tempo, in dem sich der disruptive Wandel vollzieht, ist enorm. Die Digitalisierung ganzer Wertschöpfungsketten stellt heute jedes Unterneh- men vor gewaltige Herausforderungen. Es ist zu erwar- ten, dass sich zukünftig vermehrt Marktakteure aus anderen Branchen in der Energiewirtschaft engagie- ren. Insbesondere im Vertrieb und im Kundengeschäft werden neue Marktakteure die Chancen nutzen und den etablierten Energieversorgern Konkurrenz machen. So kann die vermeintliche Chance und Gelegenheit für neue Geschäftsmodelle und nachhaltiges Wachs- tum auch zu einem Risiko werden, nämlich dann, wenn die Veränderung hin zu einer agilen und inno- vationsfördernden Unternehmenskultur bei Energie- versorgern nicht ganz oben auf der Agenda steht. 07 SUMMARY Stadtwerkestudie 2019
Die Lage der Energiewirtschaft Energiemanager schätzen die wirtschaftliche Lage ihres jeweiligen Unternehmens unverändert gut ein (siehe Abb. 1). Drei von vier Managern sind mit den Geschäftsergebnissen 2018 zufrieden oder sehr zufrieden. Gegenüber dem Vorjahr haben sich die Erwartungen für das laufende Geschäftsjahr sogar noch verbessert: 71 Prozent der Befragten erwarten gute oder sehr gute Geschäfte. Das sind 11 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Ein wichtiger Grund für die verbesserte Aber nicht immer gestalteten sich die Ausflüge Geschäftslage sind zusätzliche Angebote und in andere Bereiche und Branchen erfolgreich. Leistungen der Unternehmen. EVU probieren Viele Energieversorger haben sich von ihren seit Jahren neue Geschäftsmodelle aus: Mieter- Entsorgungsaktivitäten getrennt und ein Enga- strom, Quartierslösungen, Smart Home und gement im liberalisierten Telekommunikations- Breitbandausbau sind nur einige Beispiele. Das markt Ende der 1990er-Jahre schnell wieder Engagement in neuen Geschäftsfeldern zahlt beendet. Denn Erfolgsfaktoren in der Energie- sich für die Unternehmen allmählich aus. wirtschaft sind nicht unbedingt auf andere So gibt jeweils rund ein Viertel der Befragten Sektoren übertragbar. an, dass zusätzliche Einnahmen aus anderen Bereichen als der Energiewirtschaft bzw. Umgekehrt engagieren sich aber auch vermehrt zusätzliche Leistungen/Angebote Grund für ein Akteure aus anderen Branchen im Bereich der gutes Geschäftsjahr waren. Energiewirtschaft: Die Deutsche Telekom baut Abbildung 1: Geschäftserfolg und Geschäftserwartungen in der Energiewirtschaft Wie schätzen Sie den geschäftlichen E rfolg Ihres Welchen geschäftlichen Erfolg erwarten Unternehmens im Jahr 2018 bzw. 2017* ein? Sie für das Jahr 2019 bzw. 2018*? 74 % 72 % 71 % 60 % 7% 3% 3% 4% Sehr gut/Gut Ausreichend/Schlecht Sehr gut/Gut Ausreichend/Schlecht n = 101, Studie 2018 n = 100, Studie 2019 *Studie 2018 10 DIE LAGE DER ENERGIEWIRTSCHAFT Stadtwerkestudie 2019
Abbildung 2: Ausgewählte aktuelle Fragestellungen der Energieversorger Ich nenne Ihnen nun einige Themenbereiche, die in den nächsten 2 bis 3 Jahren für Stadtwerke besondere Bedeutung besitzen könnten. In welchem Maße werden sich Ihrer Meinung nach Stadtwerke mit diesen Themen auseinandersetzen? Bottom-2-Boxes Top-2-Boxes (Note 5 = Gar nicht auseinandersetzen | Note 4) (Note 2 | Note 1 = Sehr stark auseinandersetzen) Optimierung interner Prozesse 6 85 und betriebliche Reorganisation Digitalisierung 2 83 Absatz/Marketing/ 3 77 Kundenbetreuung/CRM Gewinnung von qualifiziertem 4 77 Nachwuchs und Personalentwicklung Smart Metering/Smart Grids/ 13 67 Netzintegration erneuerbarer Energien Strombeschaffung und 16 64 Portfoliomanagement Aufbau neuer Geschäftsfelder 14 60 Angaben in Prozent; n = 100 eine eigene Ladeinfrastruktur für Elektroautos Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern auf, Produktions- und Einzelhandelsunterneh- Der Aufbau neuer Geschäftsfelder ist daher in men erzeugen den Strom für ihre Standorte den kommenden zwei bis drei Jahren eine der und Filialen selbst und zahlreiche Marktakteure Hauptherausforderungen für alle EVU gewor- aus anderen Branchen bieten Endkunden Strom den. 60 Prozent werden sich mit dieser Aufgabe an, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch stark oder sehr stark auseinandersetzen. Dabei hier war nicht jeder Ausflug in die Energiewirt- spielt die Digitalisierung eine Hauptrolle. Sie schaft erfolgreich. So hat sich etwa die Deutsche wird von 89 Prozent als Haupttreiber für Verän- Telekom schnell wieder von der Endkunden- derungen der Geschäftsmodelle in der Energie- belieferung mit Strom verabschiedet. Viele wirtschaft eingestuft. Unternehmen haben erkennen müssen, dass die Energiewirtschaft nach anderen Regeln Gleichzeitig ist die Digitalisierung aber auch funktioniert, als sie sie aus der angestamm- ein wesentliches Instrument zur Bewältigung ten Branche kannten. Inzwischen setzt sich einer der momentan drängendsten Aufgaben mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass die in der Energiewirtschaft: Der Effizienzsteige- Erschließung von Wachstumspotenzialen nur rung durch die Optimierung von Geschäftspro- gemeinsam geht. Jede Seite muss ihre Rolle zessen. Weiter zugenommen hat die Bedeu- suchen und finden. Die Folge ist eine immer tung der Personalentwicklung und der Suche engere Zusammenarbeit in sog. Ecosystems: nach qualifiziertem Personal. Das ist sicher- Viele Marktakteure mit unterschiedlichen lich auch im Kontext der zunehmenden Digita Kompetenzen arbeiten eng zusammen, um lisierung und des Aufbaus neuer Geschäft gemeinsam ein unternehmerisches Ziel zu felder zu sehen, da das Fehlen von Know-how erreichen. Dabei können sich die Unternehmen und qualifiziertem Personal ein wesentliches in anderen Bereichen auch als Wettbewerber Hemmnis für die Entwicklung und den Ausbau gegenüberstehen. dieser beiden Bereiche darstellt. 11 DIE LAGE DER ENERGIEWIRTSCHAFT Stadtwerkestudie 2019
Neue Geschäfts- modelle durch Sektorkonvergenz Die Digitalisierung in Verbindung mit dem fortschrei- tenden Ausbau der erneuerbaren Energien und der zunehmenden Bedeutung des Klimaschutzes verändert die Energiewirtschaft fundamental. Traditionelle Geschäftsmodelle wie die zentrale Stromerzeugung in Großkraftwerken verlieren zunehmend an Bedeutung. Dafür gewinnen Geschäftsmodelle, die auf der dezen tralen Erzeugung mithilfe erneuerbarer Energien und der KWK beruhen, an Bedeutung. Größter Treiber der Veränderungen ist dabei aus Sicht der befragten Unternehmen die Digitalisierung. 12 | KAPITELBEZEICHNUNG Stadtwerkestudie 2019
2.1 Digitalisierung als Katalysator für neue kompetenzen investiert und u. a. durch Inno Geschäftsmodelle vationhubs und Start-up-Kooperationen den Raum für die sektorübergreifende Entwicklung Mit fortschreitender Nutzung digitaler Techno- neuer Geschäftsmodelle geschaffen. logien in der Energiewirtschaft wird die Digitali sierung vermehrt als Chance gesehen (Anstieg Bedeutung digitaler Technologien für die der Zustimmung von 51 Prozent 2018 auf 65 Pro- Energiewirtschaft zent 2019). Die Digitalisierung bietet nach Auf- Aus technologischer Sicht haben Smart Meters, fassung der Energieversorger ein erhebliches wie Abbildung 3 zeigt, eine herausragende Potenzial für Effizienzsteigerungen wie auch für Relevanz für die Befragten, da einerseits die Produkt- und Geschäftsmodellinnovationen. erzeugten Messdaten und andererseits das Bemerkenswert ist die Geschwindigkeit der zu- Smart Meter Gateway (SMGW) Grundlage für nehmenden Bedeutung von Innovationsthemen, eine Vielzahl neuartiger Produkte und Dienst- die vor wenigen Jahren bei vielen Energie leistungen sind. Die Verzögerungen bei der versorgern noch eine untergeordnete Rolle ge- Zertifizierung der SMGWs einerseits und der spielt haben. Mittlerweile haben insbesondere regulatorische Ansatz des Smart-Meter-Rollouts große EVU in den Aufbau von Innovations- andererseits führen aber auch zu Vorbehalten Abbildung 3: Relevanz digitaler Technologien Für wie relevant stufen Sie folgende Technologien bzw. Instrumente der digitalen Transformation aus der Sicht der Energiewirtschaft ein? Bottom-2-Boxes Top-2-Boxes (Note 5 = Stimme überhaupt nicht zu | Note 4) (Note 2 | Note 1 = Stimme voll und ganz zu) 9 71 Smart Metering 5 80 17 60 Internet of Things (IoT) 13 48 Robotics bzw. 16 52 Robotic Process Automation 19 41 Analytics/Big-Data-Anwendungen 26 45 zur Entscheidungsunterstützung* 31 33 Künstliche Intelligenz (KI) 41 20 24 24 Blockchain 20 32 Angaben in Prozent n = 100, Studie 2019 n = 101, Studie 2018 *neu in Studie 2019 14 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
und Skepsis.2 Dies drückt sich auch in der rück- Abbildung 4: Stand der Digitalisierung im läufigen Bedeutungstendenz dieser Technologie Vergleich zu anderen Energieversorgern gegenüber dem Vorjahr aus. (Vorjahresvergleich) Wie bewerten Sie den heutigen Stand der Digitalisierung Internet of Things (IoT), künstliche Intelligenz in Ihrem Unternehmen im Vergleich zu anderen Energie- versorgern? (KI) wie auch Robotics haben gegenüber der letzten Befragung signifikant an Bedeutung 16 34 25 13 gewonnen, wobei KI die höchste Zuwachsrate aller Technologien besitzt. Inwieweit die Block- 57 chain-Technologie zukünftig im energiewirt- schaftlichen Umfeld eingesetzt wird, bleibt ab- zuwarten, denn nach dem anfänglichen Hype 48 messen nur noch 24 Prozent der Energiever- sorger (2018: 32 Prozent) dieser Technologie eine entscheidende Bedeutung bei. Stand der digitalen Transformation Ob EVU in der Lage sind, diese Technologien als Katalysator für neue Geschäftsmodelle zu nutzen, hängt dabei vom Fortschritt der digi 26 talen Transformationen im jeweiligen Unterneh- 23 men ab. Die Selbsteinschätzung der EVU lässt erkennen, dass sich im Vergleich zum Vorjahr der Anteil der Unternehmen, die sich als Vorrei- 14 ter einschätzen, halbiert hat (siehe Abbildung 4). 12 Der Anteil der Nachzügler hat sich hingegen von 8 13 auf 25 Prozent fast verdoppelt. 6 Eine mögliche Erklärung für diese Verschie- 2 2 2 1 bungen ist, dass der überwiegende Teil der EVU in der nahen Vergangenheit in Digitalisie- 1 2 3 4 5 6 rungsmaßnahmen investiert und dadurch 1 Deutlich weiter als der Durchschnitt eine realistischere Sicht auf den eigenen Stand 2 Weiter als der Durchschnitt 3 Durchschnitt und die tatsächlichen Potenziale der Digitali- 4 Rückständig gegenüber dem Durchschnitt sierung erhalten hat. 5 Deutlich rückständig gegenüber dem Durchschnitt 6 Weiß nicht/Keine Angabe Angaben in Prozent n = 100, Studie 2019 n = 101, Studie 2018 2 Ausführlicheres zum Stand der Digitalisierung der Energiewende im „Barometer Digitalisierung der Energiewende“, Januar 2019 (EY im Auftrag des BMWi) 15 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
Digitalisierung: zwischen Effizienzsteigerung zunehmenden Vernetzung bisher separierter und neuen Geschäftsmodellen Produkte, Dienstleistungen und Branchen. Offen- Noch wird die Digitalisierung eher als ein Instru- sichtich wird dies beim Smart Meter Gateway, ment zur Steigerung der Effizienz gesehen, wie das vom Gesetzgeber als sektorübergreifende die offene Frage nach dem Begriff der Digitali- Kommunikationsplattform für die Digitalisie- sierung und danach, was man damit verbindet, rung der Energiewende konzipiert wurde. Aber zeigt. Die Entwicklung neuer Geschäftsfelder auch andere Querschnittstechnologien wie IoT und Produkte verbindet ungestützt gefragt nur oder KI ebnen den Weg für EVU und Unterneh- etwa jeder Fünfte mit der Digitalisierung. men anderer Branchen, ihre Engagements in kerngeschäftsfremden Bereichen zu forcieren. Dieser Aspekt der Digitalisierung wird jedoch in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Denn digi- 2.2 Die Sektorkonvergenz in der tale Technologien führen zwangsläufig zu einer Energiewirtschaft Die Sektorkonvergenz beschreibt das Zusam- menwachsen bisher getrennt agierender Sekto- ren zu einer wertschöpfenden Einheit. Die Digi- talisierung ist dabei eine zentrale Antriebskraft dieser Entwicklung, da digitale Technologien die Sektorgrenzen aufweichen und durchbrechen. Über digitale, internetbasierte Kundenschnitt- stellen wie z. B. das Smartphone sowie digi- tale Verkaufsplattformen wie Amazon und eBay werden heute nahezu alle Endkunden direkt erreicht. Die hinter dem Produkt stehenden Bran- chen werden für den Endkunden zunehmend uninteressant. Strom und Gas lassen sich über digitale Technologien genauso vermarkten und erwerben wie Konsumgüter und Nahrungsmit- tel. Die Folge: Vertriebsstrategien müssen ange- passt und ggf. in bestehende Ecosystems inte- griert werden. Bereits heute bestehen zahlreiche Überschnei- dungen und Annäherungen zwischen der Ener- giewirtschaft und anderen Branchen und Sekto- ren (siehe Abbildung 5). Diese Überschneidungen bilden die Grundlage für das weitere Zusammen- wachsen der Sektoren und für neue Geschäfts- modelle. 16 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
Dezentrale Breitband- Erzeugungs- Speicher ausbau anlagen at i o n lagenhe n ik An r TK-Dienst- u st ekomm leistungen Technische eller Dienst- Tel leistungen Intelligente Messsysteme d PV Netzplanung n -S ba und -betrieb pe t ei ich Br er Kunde Elek me tro Ho ob ar m t il itä t Sm Öffentliche Lade- Commodity- infrastruktur Vertrieb E-Mobility Au tomotive nzelhande Ei Smart Home l Carsharing Öffentliche Lade- Autonomes infrastruktur Fahren Speicher- Dezentrale Vertrieb Energie- vermarktung erzeugung Netzbetrieb Messwesen EVU Commodity- Vertrieb Ablesung Smart Home Erz eug u n g chnologie Te ngswirtsc Abrechnung nu Energie- ha h Wo ft management- systeme Energie- management- IT-Dienst- systeme leistungen licher Sek nt Daten- e Dezentrale to Öff vermarktung r Energie- Straßen- Smart City erzeugung beleuchtung Abbildung 5: Parkraum- Sektorkonvergenz in der bewirtschaftung ÖPNV/Mobility as a Service Energiewirtschaft
Höchstes Potenzial bei Geschäftsfeldern Über ein Drittel der Befragten sieht daneben nahe am Kerngeschäft auch ökonomisches Potenzial für Geschäfts- Aus Sicht der Energiewirtschaft werden die felder, die eine geringere Schnittmenge zum Produkte und Dienstleistungen aus den Ge- klassischen Leistungsangebot eines Energie- schäftsfeldern dezentrale Stromerzeugung in- versorgers aufweisen. Dies sind vor allem Smart- klusive Stromspeicherung, Smart Metering/ City- und Smart-Home-/Connected-Home- digitales Messwesen und Elektromobilität am Ansätze. stärksten zusammenwachsen (Abbildung 6). Dies ist insoweit nicht verwunderlich, als diese Aufbau von Win-win-Gemeinschaften Geschäftsfelder eine große Nähe zum beste- notwendig henden Kerngeschäft aufweisen. Zudem sind Mit der Sektorkonvergenz verändern sich die technologische Hürden dieser Geschäftsfel- geschäftlichen Strukturen zwischen den Unter- der prinzipiell überwunden, wodurch Potenziale nehmen von einer sequenziellen Wertschöp- der Konvergenz klarer erkennbar und Risiken fung (Lieferant-Abnehmer-Beziehung) über quantifizierbar sind. Allerdings bestehen noch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit vielfältige regulatorische Hemmnisse, die einer wenigen bis hin zu einem Netzwerk von vielen schnellen Marktverbreitung heute vielfach ent- Partnern (ggf. auf Zeit), die gemeinsam wirt- gegenstehen.3 schaftliche Interessen verfolgen. Dies ist aus Abbildung 6: Geschäftsfelder mit größter Konvergenz Bei welchen Geschäftsfeldern besteht aus Ihrer Sicht die größte Konvergenz, d. h., bei welchen Produkten und Leistungen wachsen Sektoren am meisten zusammen? Bottom-2-Boxes Top-2-Boxes (Note 5 = Gar keine Konvergenz | Note 4) (Note 2 | Note 1 = Sehr hohe Konvergenz) Dezentrale Stromerzeugung inkl. Stromspeicherung 3 73 Smart Metering/Digitales Messwesen 7 68 Elektromobilität 5 66 TK-Infrastruktur/TK-Dienstleistungen/Breitband 13 55 Quartierskonzepte 21 49 Smart Home/Connected Home 13 47 Vermarktung von Flexibilitäten 20 39 IT-Dienstleistungen 30 37 Smart-City-Ansätze 21 35 Angaben in Prozent; n = 100 3 Dies gilt vor allem für die Themen des Smart Metering und der Elektromobilität. 18 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
Sicht der befragten Energieversorger zwingend zu fokussieren. Dies haben viele Energieversor- notwendig, da neue, digitale Geschäftsfelder ger erkannt. Nur ein Drittel der Unternehmen nur mit einer Vielzahl von Partnern erschlossen will möglichst die gesamte Wertschöpfung digi- werden können. Denn die Komplexität der Fra- taler Geschäftsmodelle im eigenen Unterneh- gestellungen kombiniert mit einer hohen Ver- men behalten. Die übrigen Energieversorger änderungsgeschwindigkeit macht es notwendig, handeln dagegen mehr nach dem Prinzip von sich auf die eigenen Kompetenzen und Stärken Win-win-Gemeinschaften. Neue, digitale Geschäfts- felder können nur mit einer Vielzahl von Partnern erschlossen werden. 19 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
In der Energiebranche wachsen Aufbruchstimmung und Optimismus. Die Unternehmen entwickeln neue Geschäftsmodelle, setzen verstärkt auf Kooperationen sowohl mit Nachbar branchen als auch mit anderen Energie- unternehmen. Die Energiebranche kann so wieder zur Wachstumsbranche werden. Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung
Enge kommunale Verzahnung als Elektromobilität. Hinsichtlich der Automobil- Wettbewerbsvorteil industrie stellt sich ein anderes Bild dar. Ein 74 Prozent der Befragten geben ihre enge kom- signifikanter Anteil der Befragten sieht hier munale Verzahnung als Wettbewerbsvorteil an keine größeren Synergien. Die Ursachen hier- und sehen sich aus diesem Grund in e iner aus- für sind vielfältig. Zum einen befindet sich die sichtsreichen Position, um attraktive Partner- Elektromobilität noch in einem frühen Markt- schaften eingehen zu können. Es ist daher nicht stadium, zum anderen könnten die teils ver- verwunderlich, dass die EVU das größte Syner- schiedenen Unternehmenskulturen, die insbe- giepotenzial (Abbildung 7) in Verbindung mit sondere zwischen kleinen und mittelgroßen der Wohnungswirtschaft sehen, die ebenfalls Stadtwerken, die einen starken regionalen häufig regional verankert ist. Darüber hinaus Fokus haben, und den international agierenden bietet die Wohnungswirtschaft einen großen Automobilkonzernen auftreten, dazu führen, Absatzmarkt für die drei Geschäftsfelder dezen- dass man glaubt, nicht voneinander profitieren trale Stromerzeugung, Smart Metering und zu können. Abbildung 7: Synergiepotenziale mit anderen Sektoren und Branchen Mit welchen anderen Sektoren/Branchen können EVU die größten Synergiepotenziale heben? Bottom-2-Boxes Top-2-Boxes (Note 5 = Gar kein Synergiepotenzial | Note 4) (Note 2 | Note 1 = Sehr hohes Synergiepotenzial) Wohnungswirtschaft 6 68 Technologie und IT 11 64 TK-Infrastruktur/ 20 56 TK-Dienstleistungen/Breitband Automobilindustrie 26 47 Handel 29 21 Angaben in Prozent; n = 100 21 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
Energiewirtschaft sieht sich für sektorüber- zu bezeichnenden Geschäftsfeld besteht einer- greifenden Wettbewerb gewappnet seits eine hohe Kundennachfrage und anderer- Geschäftsfeldüberschneidungen zwischen der seits eine hohe Bereitschaft zur Kooperation. Energiewirtschaft und anderen Branchen sind In erster Linie wird eine Zusammenarbeit mit nicht nur durch Partnerschaften geprägt, son- Partnern aus dem Energiesektor, mit Komponen- dern auch durch das Auftreten einer beacht tenlieferanten und dem Endkunden eingegan- lichen Anzahl neuer Wettbewerber. Der über- gen. Insgesamt kommt in diesem Geschäftsseg- wiegende Anteil der EVU sieht sich jedoch für ment eine Vielzahl von Partnern infrage, die den sektorübergreifenden Wettbewerb in digi- zusammen mit dem Energieversorger ein Eco- talen Geschäftsfeldern gewappnet. Dies gilt system bilden. Entsprechend beträgt der eigene insbesondere für Geschäftsfelder, die durch Wertschöpfungsanteil in diesem Geschäftsfeld für eine inkrementelle Erweiterung des aktuellen die Energieversorger rund 30 Prozent. Kerngeschäfts erschlossen werden. Aus Sicht der Befragten sind insbesondere die 2.3 Geschäftsmodelle nahe dem regionale Nähe zum Kunden und das technische Kerngeschäft Know-how in Bezug auf Anlagen sowie deren Zusammenwirken ein Wettbewerbsvorteil. Dies Der Großteil der Energieversorger erwartet in spiegelt sich im aktuellen Produktportfolio den nächsten drei bis fünf Jahren eher eine evo- wider. Rund ein Drittel der Energieversorger, lutionäre Entwicklung der Geschäftsmodelle in vorwiegend mittelgroße und große EVU, bietet der Energiewirtschaft. Dies drückt sich auch in bereits heute eine Direktvermarktung an. dem seit einigen Jahren etablierten Geschäfts- feld der Energiedienstleistungen aus, das eine Vielzahl von Geschäftsmodellen im Kontext der Energieversorgung umfasst (z. B. Contracting, Wärmedienstleistungen, Energieberatung).4 Das größte Potenzial im Zuge einer Sektoren- 31,5% kopplung weisen die Befragten den folgenden drei Geschäftsfeldern mit großer Nähe zur Ener- gieversorgung zu: 1. Dezentrale Stromerzeugung inkl. Stromspeicherung Dezentrale Stromerzeugung inklusive Strom- speicherung wird als bedeutendstes Geschäfts- Im Bereich der dezentralen Stromerzeugung ist die Sektorkonvergenz am weitesten vorangeschritten. feld im Zuge der Digitalisierung und Sektor- 31,5 Prozent der Erneuerbare-Energien-Anlagen sind konvergenz angesehen. In diesem als etabliert in privater Hand. 4 Im Rahmen der Studie werden diese weitestgehend auf den Energiebereich beschränkten Geschäftsfelder nicht näher betrachtet. 22 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
1,0 5,4 10,3 Abbildung 8: Eigentumsverhältnisse bei Erneuerbare-Energien-Anlagen 31,5 (installierte Leistung) Private Eigentümer 13,4 Landwirtschaft Fonds und Banken Projektentwickler Handel und Gewerbe Andere EVU Große EVU 14,4 10,5 Sonstige Angaben in Prozent 13,4 Quelle: Trend Research 12/2017 Mit fortschreitender technologischer und regu- 2. Smart Metering/Digitales Messwesen latorischer Entwicklung wird die Vermarktung Das Geschäftsfeld „Smart Metering/Digitales von Kleinsterzeugungsanlagen und Speichern, Messwesen“ befindet sich im Wesentlichen auf- auch im Peer-to-Peer-Bereich, an Bedeutung grund regulatorischer Vorgaben auf der Agenda gewinnen. Die Kenntnis spezifischer Gegeben- vieler Energieversorger. Die Zusammenarbeit heiten (z. B. Netzstruktur) wird in diesem Ge- mit anderen EVU, IT-Dienstleistern und Kompo- schäftsfeld für regional verankerte Energiever- nentenlieferanten wie Zähler- und SMGW-Her- sorger ein Wettbewerbsvorteil sein. Darüber stellern ist aus Sicht der Teilnehmer essenziell hinaus haben 55 Prozent der Befragten ein An- und bereits weit fortgeschritten. In Zukunft wird gebot für Mieterstrommodelle oder planen diese Zusammenarbeit noch weiter zunehmen. deren Einführung in den nächsten zwei Jahren. Dies gilt insbesondere, wenn der gesetzliche An- Hieran zeigt sich deutlich die fortschreitende satz greift, das SMGW als sichere, sektorüber- Vernetzung mit der Wohnungswirtschaft. greifende Kommunikationsplattform für die Digi- talisierung der Energiewende zu etablieren. Noch Ein Blick auf die Eigentumsverhältnisse bei den wird der Rollout intelligenter Messsysteme von erneuerbaren Energien verdeutlicht, dass bei den Unternehmen vielfach auf das Smart Mete- der dezentralen Stromerzeugung die Sektor- ring reduziert. Mit der Erweiterung auf Smart konvergenz insgesamt bereits weit fortgeschrit- Grid, Smart Mobility, Smart Home/Building und ten ist. Lediglich 16 Prozent der installierten Smart-Service-Anwendungen ist eine Vielzahl Leistung im Bereich der erneuerbaren Energien anderer Sektoren vom Rollout der SMGWs be- befinden sich im Eigentum von Stadtwerken troffen. Gerade in diesen Bereichen drängt sich und EVU (siehe Abbildung 8). daher die Etablierung von Ecosystems auf. 23 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
Abbildung 9: Geschäftsmodelle im Bereich Smart Metering Nur wenn Smart bzw. digitales Messwesen Metering eine hohe Ist Ihr Unternehmen in dem folgenden Geschäftsmodell im Bereich Smart Metering bzw. im digitalen Messwesen bereits aktiv oder plant es, in den nächsten 1–2 Jahren, zu einem oder sehr hohe späteren Zeitpunkt oder gar nicht einzusteigen? Bedeutung hat. Kombinierte Energielieferung 33 32 12 23 und Messung Intelligente Messsysteme als Element 21 26 33 21 umfassender Energieautarkielösungen Spartenübergreifende Bündel 19 38 19 21 3 ablesungen, ggf. inkl. Submetering Variable Tarife 16 45 21 15 3 Mehrwertdienste über den 15 12 15 55 3 Energiebereich hinaus Verbrauchsvisualisierung 10 49 29 12 Disaggregierte Messung 4 14 30 41 11 Datenvermarktung an Dritte 15 84 1 Angaben in Prozent; n = 73 Bereits heute aktiv Gar nicht Planen in den nächsten 1–2 Jahren Weiß nicht/Keine Angabe Planen zu einem späteren Zeitpunkt Noch stehen „evolutionäre“ Entwicklungen (z. B. hierfür sind vor allem datenschutzrechtliche variable Tarife, Verbrauchsvisualisierung) im Risiken bzw. Bedenken und der Vertrauensvor- Fokus der Energiewirtschaft (Abbildung 9). schuss, den gerade Stadtwerke heute besitzen. Ansätze zur stärkeren Sektorkonvergenz fin- Mit der „freizügigen“ Handhabung datenschutz- den sich jedoch schon in der spartenübergrei- rechtlicher Vorschriften würde man aus Sicht fenden Bündelablesung (19 Prozent sind hier der Energiewirtschaft die Vertrauensbasis, die heute bereits aktiv) und im Angebot von Mehr- man heute bei den meisten Endkunden besitzt, wertdiensten über den Energiebereich hinaus gefährden. (15 Prozent). Zudem gibt es bislang in der Energiewirtschaft Datenvermarktung an Dritte wenig bewährte Konzepte zur Vermarktung Keines der befragten Unternehmen plant in von Daten. Trotzdem sollte dieses Geschäfts- näherer Zukunft die Erschließung des Geschäfts- feld nicht vollständig ignoriert werden. Ener- felds „Datenvermarktung an Dritte“. Ursachen gieversorger können hier von der Erfahrung 24 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
anderer profitieren. So haben andere Sektoren a Service, Flottenmanagement). Diese Bestre- beachtliche Potenziale mit „scheinbar wertlo- bungen, in ein Geschäft mit nur wenig Bezug sen“ Nutzerdaten heben können (z. B. soziale zum Stromgeschäft zu investieren, sind u. a. Netzwerke). Mit der Smart-Meter-Einführung darauf zurückzuführen, dass ein Teil der Befrag- werden enorme Datenmengen verfügbar sein, ten in einem Querverbund mit dem ÖPNV agiert die genutzt werden können, um Kundenver und Synergieeffekte nutzen kann. halten zu analysieren und ggf. zu steuern (z. B. Anreiz für Stromverbrauch bei überschüssi- Die Zukunft der Elektromobilität benötigt ger Erzeugung). Bislang setzt nur eine Minder- eine stärkere bundesweite Kooperation heit der Energieversorger etwa mithilfe der Der Ausbau der Elektromobilität nimmt erst disaggregierten Messung, d. h. der Zerlegung langsam an Fahrt auf. Bislang kooperiert man des gesamten Lastverlaufs eines Haushalts vor allem mit anderen EVU, IT-Dienstleistern über einen Zeitraum auf einzelne Anwendun- und dem Handwerk. Mit der Automobilindustrie gen und Geräte, auf dieses Geschäftsfeld. arbeiten heute lediglich 8 Prozent der b efragten Unternehmen zusammen. In derZukunft wird 3. Elektromobilität es auf die Etablierung umfassender Ecosystems Der Ausbau der Elektromobilität ist eine wich- und die Schaffung entsprechender gesetzlicher tige Maßnahme zur Erreichung der Klimaschutz- Rahmenbedingungen ankommen, um die politi- ziele in Deutschland. Neben der Automobilin- schen Ziele eines massiven Zuwachses der Elek- dustrie ist insbesondere die Energiewirtschaft tromobilität zu erreichen. davon betroffen. EVU versprechen sich vor allem zusätzliche, nicht unerhebliche Umsätze 80% aufgrund einer neuen Stromanwendung sowie zusätzlicher Dienstleistungen rund um die Elek- tromobilität. Daneben sehen sie die regionale Nähe und Ortskenntnisse, die beim Ausbau der Ladeinfrastruktur unerlässlich sind, in Kombi- nation mit dem technischen Know-how und der Nähe zum Stromgeschäft als Wettbewerbsvor- teile an. Entsprechend betreiben bereits heute 80 Pro- Die Elektromobilität hat das Potenzial zum Wachs- tumstreiber der Energiewirtschaft zu werden. 80 Pro- zent der Befragten, die der Elektromobilität zent der Energieversorger, die der Elektromobilität eine hohe oder sehr hohe Bedeutung zumes- eine hohe Bedeutung beimessen, sind heute schon im Bereich der Elektroladeinfrastruktur aktiv. sen, eine Ladeinfrastruktur (Abbildung 10). Zudem ist ein Großteil dieser Unternehmen bereits in Verkauf und Abrechnung von Lade- strom aktiv. Währenddessen steckt die Ver- marktung der Speicherkapazität noch in den Kinderschuhen. Ein signifikanter Anteil der EVU plant einen Einstieg in das Geschäftsfeld Mobilitätsdienstleistungen (z. B. Mobility as 25 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
Vorteile der Entwicklung von Geschäftsfeldern Evolutionäre Geschäftsfelder bieten zusätzliche Erlösmöglichkeiten, die durch die EVU mit einem verhältnismäßig niedrigen Ressourceneinsatz und einem geringen Risiko erschlossen werden können. Da diese Chance von Unternehmen aller Sektoren erkannt wurde, ist ein Konkurrenzkampf um Marktanteile unausweichlich. Energieversorger haben jedoch in den genannten Geschäftsfeldern aufgrund ihrer regionalen Nähe und der Nähe dieser Geschäftsfelder zum Kerngeschäft der Energieversorgung eine gute Ausgangsposition.
Nur wenn Elektro- Abbildung 10: Geschäftsmodelle im Bereich der Elektromobilität mobilität eine Ist Ihr Unternehmen in dem folgenden Geschäftsmodell im Bereich der Elektromobilität bereits aktiv oder plant es, in den nächsten 1–2 Jahren, zu einem späteren Zeitpunkt oder hohe oder sehr hohe gar nicht einzusteigen? Bedeutung hat. Betrieb öffentlicher Ladeinfrastruktur 80 8 2 11 Verkauf von Ladestrom 62 20 8 11 Abrechnung Elektroladestrom 57 20 9 14 Verkauf und Installation privater 57 8 14 22 Ladeinfrastruktur Betrieb digitaler 19 14 22 45 2 Mobilitätsplattformen Mobility as a Service 8 5 32 51 5 Vermarktung der Speicherkapazität 2 8 25 59 8 von Elektromobilen Flottenmanagement 6 26 63 5 Angaben in Prozent; n = 65 Bereits heute aktiv Gar nicht Planen in den nächsten 1–2 Jahren Weiß nicht/Keine Angaben Planen zu einem späteren Zeitpunkt Der Auto fahrende Endkunde will bundesweit von Kundenkenntnissen, der regionalen Nähe mit einer einheitlichen Ladeinfrastruktur sein und der Nähe zum eigenen Stammgeschäft prä- Fahrzeug problemlos an jedem beliebigen Ort destiniert für ein Engagement in diesen Berei- elektrisch laden können. Die Abrechnungspro- chen zu sein. Hierbei rücken serviceorientierte zesse müssen für ihn im Hintergrund ablaufen. Dienstleistungen in den Vordergrund, die im Dazu bedarf es einer stärkeren bundesweiten Gegensatz zu vielen energiewirtschaftlichen Kooperation bzw. Koordination. Geschäftsmodellen nicht primär auf physischen Assets basieren. 2.4 Potenziale für Geschäftsmodelle außerhalb der Energieversorgung Diese Geschäftsmodelle haben geringere Anknüp- fungspunkte zum bestehenden Kerngeschäft der EVU sehen in den Geschäftsfeldern Telekommu- Energiewirtschaft. Dadurch nimmt der eigene Wert- nikation, Smart Home und Smart City wichtige schöpfungsanteil ab, eine intensive Zusammenar- Zukunftsmärkte. Sie gehen davon aus, aufgrund beit mit anderen Sektoren ist zwingend notwendig. 27 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
1. Telekommunikation — Infrastruktur/ konstanten Erlösstrom ermöglichen. Zudem TK-Dienstleistungen/Breitband kann die selbst betriebene TK-Infrastruktur als Moderne Telekommunikationstechnologien sind Basis für weitere digitale Geschäftsfelder etwa eine zentrale Grundlage für eine Vielzahl digi- in den Bereichen Smart Metering, Smart Grid, taler Geschäftsmodelle und daher ein attraktiver Smart Home oder Smart City dienen. Zukunftsmarkt. Energieversorger, die bereits in diesem Geschäftsfeld aktiv sind, fokussieren Aufgrund des globalen Charakters des TK-Mark- sich derzeit mehrheitlich auf den Infrastruktur- tes einerseits und der regional begrenzten Akti- ausbau (z. B. das Verlegen von Glasfaserkabeln). vitäten der Energieversorger andererseits steht Bei konsequenter Fortführung der Pläne wird eine Zusammenarbeit mit TK-Unternehmen an etwa die Hälfte dieser EVU in den nächsten zwei erster Stelle. Insgesamt ist jedoch zu erkennen, Jahren zusätzliche TK- und Internetdienstleis- dass sich das heutige Engagement der Energie- tungen wie Breitband oder digitales Fernsehen versorger im Bereich der Telekommunikation anbieten (Abbildung 11).5 noch vielfach durch einen eher isolierten Angang kennzeichnen lässt. EVU sehen hier Potenziale, Diese Entwicklung ist sehr positiv zu werten, da beim eigenen Kundenstamm Zusatzerlöse zu TK-Dienstleistungen einen langfristigen und generieren. Abbildung 11: TK- und Internetdienste für Endkunden Ist Ihr Unternehmen in dem folgenden Geschäftsmodell im Welche TK-Dienstleistungen für Endkunden bieten Sie an Bereich der TK-Infrastruktur und von TK-Dienstleistungen bzw. planen Sie anzubieten? bereits aktiv oder plant es, in den nächsten 1–2 Jahren, zu einem späteren Zeitpunkt oder gar nicht einzusteigen? Sind darin bereits aktiv 22 Highspeed Internet 73 Planen es in den 6 Telefon/Mobilfunk 50 nächsten 1–2 Jahren Planen es zu einem 20 Digitales Fernsehen 39 späterem Zeitpunkt 52 Haustechnik 15 gar nicht Sonstiges 4 Angaben in Prozent; n = 54 Nur wenn TK-Infra- Weiß nicht/ 27 struktur/-Dienstleistung Keine Angabe eine hohe oder sehr Angaben in Prozent; n = 26 hohe Bedeutung hat. 5 Dies entspricht etwa einem Viertel aller befragten Unternehmen. 28 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
Die größten Synergiepotenziale werden in der Annäherung mit der Wohnungswirtschaft, dem Technologie- und dem TK-Sektor gesehen. 29 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
2. Smart Home Markt keine einheitliche Plattform durchset- Das Geschäftsfeld Smart Home, in das u. a. Pro- zen. Es gibt eine Vielzahl Standards und Tech- dukte wie Hausautomation und Energiemanage- nologien nebeneinander, die i. d. R. nicht mit ment fallen, wird von den Befragten mit einer einander kompatibel und interoperabel sind. mittleren Sektorkonvergenz bewertet. Dennoch Insofern besteht auch bei diesem Geschäfts- sind vereinzelte EVU in diesen Markt eingetre- feld noch erhebliches Potenzial zum Aufbau ten und bieten erste Produkte an bzw. haben von Ecosystems, mit dem Ziel, eine Plattform Pilotprojekte gestartet (siehe Abbildung 12). zur umfassenden Erbringung von Smart-Home- Mit einem eigenen Wertschöpfungsanteil von Produkten und - Dienstleistungen zu schaffen. lediglich ca. 7 Prozent dienen Smart-Home-Pro- dukte der Energiewirtschaft heute vor allem 3. Smart City zur Kundenbindung und tragen (noch) nicht zur Mithilfe von Smart-City-Ansätzen sollen Städte Ertragskraft des Unternehmens bei. effizienter und nachhaltiger gestaltet werden. Dabei werden physische und digitale Infrastruk- Im Smart-Home-Bereich arbeiten EVU vornehm- turen sowie Algorithmen miteinander vernetzt, lich mit Lieferanten und Komponentenherstel- um z. B. Auslastungsprobleme im Parkplatz- lern zusammen. Insgesamt ist der Vernet- management effizient und ressourcensparend zungsgrad mit anderen Sektoren heute jedoch zu lösen. Aufgrund des frühen Entwicklungs- noch sehr gering. Dies liegt u. a. an der Viel- stadiums dieses Geschäftsfeldes sieht die Ener- zahl proprietärer Systeme, die heute im Markt giewirtschaft hier zurzeit nur ein geringes angeboten werden. Bislang konnte sich im Synergiepotenzial. Abbildung 12: Status der eingeführten Produkte und Dienstleistungen im Bereich Smart Home Nur wenn Smart Handelt es sich dabei um ein in den Markt eingeführtes Produkt/eine Dienstleistung Home eine hohe oder um ein oder mehrere Pilotprojekte? oder sehr hohe Bedeutung hat. Energiemanagement 10 13 3 74 Hausautomation und Komfort 10 7 84 Gesundheit/Ambient 7 94 Assisted Living/Wellness 3 97 Entertainment und Kommunikation 100 Gebäude- und Wohnungssicherheit Angaben in Prozent; n = 31 Am Markt eingeführtes Produkt/Dienstleistung Weiß nicht/Keine Angaben Pilotprojekt Noch nicht aktiv 30 NEUE GESCHÄFTSMODELLE DURCH SEKTORKONVERGENZ Stadtwerkestudie 2019
Die intelligente Straßenbeleuchtung stellt das heute am stärksten verbreitete Produkt bzw. die am stärksten verbreitete Dienstleistung dar, da sie sich nahe an der Energieversorgung bewegt. In Zukunft wird sich das Angebot stär- ker von der klassischen Energieversorgung wegbewegen. Intelligente Parkraumbewirt- schaftung, Umweltüberwachung über Echtzeit- daten und digitales Verkehrsmanagement sind nur einige Bereiche, in denen zukünftig EVU aktiv werden. Rund drei Viertel der Befragten gehen davon aus, dass Smart-City-Ansätze nur in Zusam- menarbeit mit verschiedenen Partnern erfolg- reich umgesetzt werden können. Es muss daher eine Instanz geben, die diese Anbieter identifiziert, Ausschreibungen rechtssicher veröffentlicht und eine ganzheitliche Betrach- tung gewährleisten kann. In dieser Rolle kön- nen sich Stadtwerke als unabhängige lokale Instanz mit umfassendem Know-how in einem Ecosystem aus kommunaler Hand und Tech- nologieanbietern beweisen. Höhere Risiken bei Geschäftsfeldern außerhalb der Energieversorgung Geschäftsfelder außerhalb der Energieversor- gung sind von hohen Risiken (u. a. Vorfinanzie- rung, geringere Synergiepotenziale, fehlendes eigenes Know-how) geprägt, bieten jedoch die Möglichkeit, eine Vorreiterrolle einzunehmen und langfristige Erlösströme zu generieren. Bisher scheut sich die Mehrheit der Befragten vor diesem Schritt. Ursächlich hierfür ist unter anderem, dass rund 70 Prozent der Teilnehmer den klassischen Commodity-Vertrieb auch in Zukunft als werthaltig einstufen. Die Notwen- digkeit und Dringlichkeit, in neue Geschäftsfel- der einzusteigen, wird daher als eher gering eingestuft.
Die Ergebnisse für Österreich und die Schweiz
80% 3.1 Österreich Die österreichischen Energieversorger blicken erneut auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zu- rück: 80 Prozent der Energieversorger beurtei- len den Geschäftserfolg 2018 als gut oder sehr gut. Dagegen bereitet der Blick in die Zukunft der Energieversorger beurteilen den Geschäftserfolg 2018 als gut oder sehr gut. Dagegen bereitet der Blick dem ein oder anderen etwas Sorge. Nur 65 Pro- in die Zukunft dem ein oder anderen etwas Sorge. zent erwarten einen guten oder sehr guten Erfolg im laufenden Geschäftsjahr. Ein Grund dafür dürfte in einem zunehmenden Mangel an Daneben bestimmen Digitalisierungsthemen die Know-how und Personal liegen. Neun von zehn Agenda der Vorstände und Geschäftsführer. Befragten werden sich in den kommenden Jah- Auch wenn die Digitalisierung primär noch zur ren intensiv mit der Suche nach qualifiziertem Automatisierung und zur Verbesserung von Personal und der Personalentwicklung aus Geschäftsprozessen genutzt wird, so verändert einandersetzen. Hinzu kommt die Unsicher- sie doch zunehmend auch die Geschäftsmo- heit, die sich durch die Einführung zweier unter- delle der Energieversorger. Höchste Relevanz schiedlicher Strompreiszonen für Österreich besitzen dabei das Smart Metering und die und Deutschland zum 1. Oktober 2018 erge- Elektromobilität, gefolgt von der dezentralen ben hat. Damit ist die Volatilität der Strompreise Stromerzeugung. in Österreich stark gestiegen, die Prognose der weiteren Entwicklung hat sich deutlich erschwert. Bis Ende 2018 sind 1.060.000 intelligente Mess- systeme in Österreich ausgerollt worden. Dies entspricht einer Rolloutquote von 17 Prozent, womit die gesetzliche Vorgabe von 80 Prozent bis Ende 2020 kaum flächendeckend erreicht werden dürfte.6 Entsprechend ist der Stand der heute angebotenen Geschäftsmodelle auf der Basis von Smart Meters noch recht übersicht- lich. Nur etwa 10 bis 15 Prozent der Unterneh- men können heute ihren Kunden bereits Ange- bote auf Smart-Meter-Basis unterbreiten. Dabei dominieren variable Tarife und die Verbrauchs- visualisierung. Anders verhält es sich im zweiten wichtigen Geschäftsfeldbereich, der Elektromobilität. In diesem von den Energieversorgern als Zukunfts- markt eingeschätzten Geschäftsfeld, das vor 6 Vgl. dazu auch E-Control, Bericht zur Einführung intelligenter Messgeräte in Österreich 2018, S. 9. 34 DIE ERGEBNISSE FÜR ÖSTERREICH UND DIE SCHWEIZ Stadtwerkestudie 2019
ÖSTERREICH allem aufgrund seiner Nähe zum Stromge- schäft interessant ist, platziert bereits eine Mehrheit der Unternehmen aktiv Angebote im Markt. Dabei handelt es sich überwiegend um den Verkauf und Betrieb privater Elektro ladeinfrastruktur, den Betrieb öffentlicher L ade- infrastruktur, den Verkauf von Ladestrom und um die Abrechnung des Ladestroms. Die dezentrale Stromerzeugung profitiert vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien durch die ersten Entwürfe zum „Erneuerbaren Ausbau Gesetz 2020“. Diese sehen u. a. deut- lich verbesserte Rahmenbedingungen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Ener- gien in Österreich vor.7 Österreichs Energie- versorger engagieren sich daher zunehmend in diesem Geschäftsfeld, um Kundenwünschen nachzukommen und Kundenverluste zu ver- meiden. An erster Stelle der Geschäftsmodelle steht die Direktvermarktung. Mieterstrommo- delle und Quartierskonzepte stehen vor allem für die kommenden Jahre auf der Agenda der Unternehmen. Ähnlich wie in Deutschland sehen auch die österreichischen Energieversorger ein Zusam- menwachsen der Energiewirtschaft mit ande- ren Sektoren aufgrund der Digitalisierung. Mehr- heitlich wird davon ausgegangen, dass neue Geschäftsmodelle auch nur mit einer Vielzahl von Partnern entwickelt werden können. An vorderster Front stehen dabei die Wohnungs- wirtschaft, der Technologiesektor und die TK- Industrie. Die Hälfte der Unternehmen will die Sektorkonvergenz auch dazu nutzen, in andere Bereiche hineinzuwachsen. Die Sorge, dass man selbst von anderen Sektoren verdrängt wird, besteht nur bei einem Drittel der Befragten. 7 Siehe dazu E-Control, Tätigkeitsbericht 2018, S. 47 f. KAPITELBEZEICHNUNG Stadtwerkestudie 2019 | 35
3.2 Schweiz Die Ergebnisse der Schweizer Teilnehmer zei- gen gegenüber dem Vorjahr eine deutlich posi- tivere Beurteilung der aktuellen wie auch der künftig erwarteten Geschäftslage (81 Prozent vs. 60 Prozent im Vorjahr). Dies liegt zum einen an den zwischenzeitlich wieder gestiegenen Stromgroßhandelspreisen, die zu erhöhten Um- satzerlösen geführt haben, und zum anderen an zusätzlichen Einnahmen aus anderen Berei- chen sowie neuen Leistungen und Angeboten. Unter den derzeit relevanten Themen findet sich neuerdings „Absatz/Marketing/Kunden- 71 Prozent sind der Meinung, dass die Digitali- betreuung“, womit sich 77 Prozent der Ener- sierung den größten Einfluss auf die Verände- gieversorger stark auseinandersetzen. Eben- rung der Geschäftsmodelle und die Entwick- falls stark an Bedeutung gewonnen hat die lung der Energiebranche hat. Jedoch spielen Thematik der „Gewinnung von qualifiziertem die Entwicklung und der Aufbau neuer Ge- Nachwuchs“. Dieser Bedeutungszuwachs schäftsmodelle in der Schweiz eine geringere dürfte Ergebnis der StromVG8-Diskussion sein, Rolle als in Deutschland. Dies liegt vor allem die eine Wettbewerbseinführung im Klein an der noch nicht vollzogenen Liberalisierung kundenbereich wieder etwas wahrscheinlicher des Energiemarktes im Kleinkundengeschäft in werden lässt. der Schweiz. Dadurch ist einerseits die Notwen- 71% digkeit für die Energiewirtschaft, sich nach neuen Geschäftsmöglichkeiten umzusehen, ge- ring, andererseits bestehen deutlich weniger in- teressante Möglichkeiten für andere Sektoren, sich im Energiegeschäft zu engagieren. Gesetzliche Vorgaben und Zukunftsmärkte als Treiber für neue Geschäftsmodelle sind der Meinung, dass die Digitali- An erster Stelle neuer, digitaler Geschäftsmo- sierung den größten Einfluss auf delle steht Smart Metering, gefolgt von der die Veränderung der Geschäfts- modelle und die Entwicklung der dezentralen Stromerzeugung und der Elektro- Energiebranche hat. mobilität. Hauptmotiv für das Engagement im Bereich Smart Metering sind die gesetzlichen Vorgaben. Ein Großteil der Schweizer EVU sieht ihre Rolle in der kombinierten Energie lieferung und Messung. Mehrwertdienste über den Energiebereich hinaus spielen nahezu 8 Stromversorgungsverordnung 36 DIE ERGEBNISSE FÜR ÖSTERREICH UND DIE SCHWEIZ Stadtwerkestudie 2019
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