Erfolg und Transfer: Nachhaltigkeit sozialwissen-schaftlicher Berufsausbildung. Eine Wirkstudie bei Professionellen der Kindheitspädagogik und ...
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FORSCHUNGSBERICHT Photo by Brooke Cagle on Unsplash F O R S C H U N G S P RO J E K T Erfolg und Transfer: Nachhaltigkeit sozialwissen- schaftlicher Berufsausbildung. Eine Wirkstudie bei Professionellen der Kindheitspädagogik und Sozia- len Arbeit in Rheinland-Pfalz, Saarland und Luxem- burg (ErTraNa 2020) P R O F. D R . V E R O N I K A V E R B E E K
Forschungsbericht INHALT Einführung 1. Zielsetzungen 2 2. Theoretische und konzeptuelle Rahmung 4 3. Durchführung und Stichprobe 6 Operationalisierungen und deskriptive Befunde 4. Persönlichkeitsmerkmale 10 5. Kompetenzerwerb im Rückblick auf Ausbildung oder Studium 11 6. Merkmale der aktuellen Berufstätigkeit 14 7. Zufriedenheit im Beruf 17 8. Arbeitsfähigkeit 17 9. Positives Teamklima 19 10. Lerntransfer 19 11. Selbst- und Fortbildung im Beruf 21 12. Grundlagenorientiertes Berufswissen 22 13. Berufliche Qualifikationen und Studium seit Ausbildungsende 24 14. Beziehungen zwischen Untersuchungsvariablen 26 Zusammenfassung und Ausblick 15. Zusammenfassung der Ergebnisse zu Fragestellung 1 und 2 27 16. Ausblick auf Publikationen zu Fragestellung 3 und 4 29 17. Bisherige Berichte und Publikationen (Stand 15.7.2021) 30 Implikationen für Ausbildung und Studium 18. Planung eines Werkstattgesprächs am 4. Oktober 2021 30 Literatur Impressum Seite 1
Forschungsbericht E I NF Ü H RU NG Der vorliegende Bericht fasst ausgewählte Ergebnisse der Studie ERFOLG UND TRANSFER: NACHHALTIGKEIT SOZIALWISSENSCHAFTLICHER BERUFSAUSBILDUNG. EINE WIRKSTUDIE BEI PROFESSIO- NELLEN DER KINDHEITSPÄDAGOGIK UND SOZIALEN ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ, SAARLAND UND LU- XEMBURG aus dem Jahr 2020 (im Folgenden: ERTRANA 2020) zusammen. Auf der deskrip- tiven Ebene erlaubt er einen ersten Zugang zum Forschungsfeld, vertiefte Analysen werden in wissenschaftlichen Publikationen vermittelt. 1. Zielsetzungen Die Studie verfolgte verschiedene Zielsetzungen, dabei vornehmlich 1. die multikriteriale Messung von langfristigem Ausbildungserfolg 4 bis 6 Jahre nach einer Berufsqualifikation in einem sozialwissenschaftlich fundierten Beruf, 2. die Gegenüberstellung verschiedener Qualifizierungsgruppen, 3. die Vorhersage von langfristigem Ausbildungserfolg aus Merkmalen der Qua- lifizierten und der Qualifikation. In Abbildung 1 sind die drei Zielsetzungen in einem Querschnittsdesign dargestellt. Abbildung 1: Studiendesign zu Fragestellung 1, 2 und 3 Seite 2
Forschungsbericht Die Studie ErTraNa 2020 ist partiell mit einer früheren Forschungsarbeit verknüpft: Zwi- schen 2012 und 2015 wurden über 500 Fachschülerinnen und Fachschüler in Rhein- land-Pfalz (RLP) und im Saarland (SL) während ihrer dreijährigen Ausbildung zu drei Erhebungszeitpunkten zu überfachlichen Kompetenzen während der Ausbildungszeit befragt, verbunden mit dem Ziel der Vorhersage beruflicher Handlungskompetenzen unmittelbar nach dem ausbildungsintegrierten Berufspraktikum (ÜfaKo-Studie 2012- 2014-2015, Verbeek 2016). Durch die Teilnahme der bereits während der Ausbildung Befragten an der aktuellen ErTraNa-Studie 2020 wird für diese Teilstichprobe 5 Jahre nach Abschluss der Ausbildung ein 4. Erhebungszeitpunkt realisierbar. Bei dieser Teilstichprobe besteht eine weitere Zielsetzung in 4. der Komplementierung einer 8-jährigen Längsschnittstudie zur Vorhersage von langfristigem Ausbildungserfolg aus frühen Ausbildungsdaten. Abbildung 2 setzt die ErTraNa-Studie 2020 zu der ÜfaKo-Studie 2012-2014-2015 in Be- ziehung. Abbildung 2: Studiendesign in Bezug auf Fragestellung 4 Seite 3
Forschungsbericht 2. Theoretische und konzeptuelle Rahmung Fragestellung 1 nach den Möglichkeiten einer multikriterialen Messung langfristigen Ausbildungserfolgs will die vielfältigen Wirkungen von Ausbildung und Studium in so- zialwissenschaftlich fundierten Berufen in den Fokus einer wissenschaftlichen Analyse rücken. In Ausbildung und Studium wird gemeinhin vorausgesetzt, dass fachliche und überfachliche Erfolge erzielt werden, Transferkompetenz aufgebaut wird und Gelerntes im Beruf langfristig professionelle Anwendung findet (vgl. Gollwitzer & Jäger, 2009). Die Frage nach positiven Effekten, Transferleistungen und der Nachhaltigkeit des Kom- petenzaufbaus in Ausbildung und anwendungsbezogenem Studium stellt sich in be- sonderem Maße bei sozialwissenschaftlich fundierten Berufen wie Erzieher/in, Kind- heitspädagog/in, Sozialpädagog/in oder Sozialarbeiter/in. Diese Berufstätigkeiten sind durch eine ausgeprägte Autonomie in der Ausgestaltung von Professionalität, den be- tonten Einsatz der Person als Werkzeug sozialer Arbeit, eine hohe Nähe der Berufstä- tigkeit zum Alltagshandeln, aber auch durch eine reduzierte Qualitätskontrolle gekenn- zeichnet. Gerade im Zusammenhang mit einer andauernden Qualifizierungsdebatte in Bezug auf sozial- und kindheitspädagogische Berufe wird es interessant, die professi- onalisierenden Wirkungen berufsqualifizierender Bildungsgänge in Abhängigkeit vom Ausbildungsniveau, also als Vergleich von Fachschul- und Hochschulqualifikation, zu untersuchen. Ergebnisse einer vergleichenden Professionsforschung in der Gruppe der sozialwissen- schaftlich fundierten Berufe liegen nur aus wenigen Forschungsprojekten vor. Mögliche Unterschiede zwischen Fachschul- und Hochschulqualifikation in Kindheitspädagogik standen beispielsweise im Mittelpunkt der Forschungsprojekte AVE- Ausbildung und Verlauf von Erzieherinnenmerkmalen (Mischo, 2017) und ÜFA – Übergang von fach- schul- und hochschulausgebildeten pädagogischen Fachkräften in den Arbeitsmarkt (Fuchs-Rechlin u.a., 2017). Im Projekt Professionelles Handeln im Elementarbereich (PRI- MEL) wurde Professionalität zudem grenzüberschreitend und in einem multimethodo- logischen Ansatz untersucht (Kucharz u.a., 2014). Alle genannten Projekte wurden An- fang bis Mitte der 2010er durchgeführt. Praktisch bedeutsame Unterschiede im Sinne der naheliegenden Erwartung, dass eine längere Ausbildungszeit (u.U. auch verbunden mit einer Akademisierung) mit höher ausgeprägten beruflichen Handlungskompeten- zen einherginge, konnten – wider Erwarten – bislang nicht aufgezeigt werden (vgl. Ver- beek, 2019). Vor diesem fachlichen Hintergrund entwickelten sich die Fragestellungen 1 und 2, die nachhaltigen Ausbildungs- oder Studienerfolg im Beruf zunächst einmal erfassen und dann mit Merkmalen der beruflichen Qualifikation und zudem mit Merkmalen der Qua- lifizierten in Beziehung setzen. Für die Vergleiche der Qualifikationen konnten die 3- Seite 4
Forschungsbericht jährige Erzieherausbildung in Luxemburg (die an die gymnasiale Oberstufe angeglie- dert ist und in der 12. bis 14. Klasse erfolgt), die 3-jährige Fachschulqualifikation in Deutschland (die nach einer ähnlichen allgemeinbildenden oder fachspezifischen Vor- qualifikation an berufsbildenden Schulen erfolgt) und grundständige 3-bis 4-jährige Bachelorstudiengänge an Hochschulen für angewandte Wissenschaften in die Studie einbezogen werden. An den Vergleich der drei Ausbildungsgruppen im Beruf knüpft sich die Erwartung, dass mit höheren Anforderungen an die Ausgangsqualifikation der Bewerber/innen, längerer Ausbildungsdauer und im Falle der Hochschulqualifizierten einer (zusätzlichen) wissenschaftlichen Bildung mit mehr Selbstlernanteilen eine hö- here Professionalisierung der Berufspraxis erzielt wird. Wie schon in der ÜfaKo-Studie 2012-2014-2015 ist auch in der ErTraNa-Studie 2020 die multikriteriale Erfassung von Ausbildungserfolg an Konzepte zum Aufbau berufli- cher Handlungskompetenzen und an lernpsychologische Theorien zum Lerntransfer angebunden. Die Studie berücksichtigt beispielsweise die mehrdimensionale Struktu- rierung beruflicher Handlungskompetenz, wie sie im Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen [DQR], 2011) für Ausbildung und Studium ausgeführt ist. Hierbei werden der Aufbau von Fachkompetenz (als Wissen und Fertigkeiten) verbunden mit dem Aufbau Personaler Kompetenz (als Selbstständigkeit und Sozialkompetenz) als Komponenten Beruflicher Handlungskompetenz nach Ausbildung und Studium erwartet. Vor diesem konzeptuellen Hintergrund sind die gewählten Ausbildungs- und Berufserfolgspara- meter wie folgt zu strukturieren: Die Erfolgskriterien „Berufswissen“ und „Lerntransfer“ als Anwendung von Wis- sen und Methoden aus der Ausbildung im späteren Beruf erfassen Fachkompe- tenz im Sinne des DQR. Die Erfolgskriterien Arbeitsfähigkeit, Zufriedenheit im Beruf oder Positives Team- klima sind der laut DQR auszubildenden Personalen Kompetenz zuzuordnen. Zu der Personalen Kompetenz zählt zudem die Selbstständigkeit in der (lebenslan- gen) Aneignung von Wissen, die sich in Selbst- und Fortbildung im Beruf oder in der Aufnahme einer Beruflichen Qualifikation / Studium zeigen können. Die Fragestellungen 3 und 4 beziehen sich auf die Vorhersage von Ausbildungs- oder Studienerfolg (vgl. Bornkessel, 2018) mit einem Fokus auf Transfer nicht nur als bedeut- sames Erfolgskriterium von Fortbildungen (vgl. Kauffeld, 2016), sondern auch von Aus- bildungen. Eine Reihe empirischer Studien legt nahe, dass Personmerkmale eine große Bedeutung für den multikriterial erfassten Ausbildungserfolg haben können (Koch, 2018; Seidel, 2012). Als deutsch-luxemburgische Studie erlaubt die Befragung Berufstätiger in sozialwis- senschaftlich fundierten Berufen einen fachlichen Blick über die Ländergrenzen, bleibt Seite 5
Forschungsbericht aber in ihrer Einschränkung auf zwei deutsche Bundesländer auf den ersten Blick regi- onal begrenzt. Aufgrund der Pluralität der Bildungspläne und der hohen Heterogenität von Ausbildung ist allerdings dennoch die Gewährleistung einer breiten Repräsentati- vität der Ausbildungsmodalitäten gegeben. Dies sei zunächst in Bezug auf die Fach- schulqualifikation verdeutlicht. Rheinland-Pfalz hat bereits mit der Einführung der zwei- jährigen Höheren Berufsfachschule Sozialassistenz im Jahr 2004 als berufliche Vorqua- lifikation bei mittlerem Bildungsabschluss, mit einem möglichen Quereinstieg für Be- werber/innen mit mindestens Fachabitur, mit einem modularisierten kompetenzorien- tierten Lehrplan und dualen Ausbildungsformaten eine maximiert moderne Erzieher- ausbildung auf den Weg gebracht. Das Saarland setzte bis Ausbildungsbeginn 2012 (und Ausbildungsende 2015) weiter einen traditionellen fächerorientierten Lehrplan um, konzeptualisierte Vorqualifikation und Erzieherausbildung für eine kürzere Dauer von 4 Jahren, die integrierte Allgemeine Hochschulreife machte die Ausbildung für Be- werber/innen mit Fachabitur vergleichsweise unattraktiv. Eine vergleichbar maximierte Heterogenität lässt sich auch für die einbezogenen Hochschulstudiengänge darstellen, die sich in der inhaltlichen Ausrichtung oder dem Studienformat maximal unterschei- den. Quer zu den Rahmenbedingungen auf Fach- und Hochschulebene ist ein wesent- licher Unterscheidungsfaktor die länderspezifische öffentliche und die unterschiedliche private Trägerschaft der einbezogenen Fach- und Hochschulen. 3. Durchführung und Stichprobe Zielgruppe der Studie waren Absolventinnen und Absolventen, die ungefähr 5 Jahre nach ihrem Berufsabschluss als Erzieher/in, Kindheitspädagog/in oder Sozialarbeiter/in nach der Bedeutung der Berufsqualifikation für die konkrete Berufstätigkeit befragt werden sollten. Der Zugang zum Feld wurde über die Ausbildungsmöglichkeiten an Fach- und Hochschulen in der deutsch-luxemburgischen Großregion gesucht, um – vermittelt über eine Bindung an die ehemalige Ausbildungsstätte – eine maximierte Stichprobe zu erreichen. Durch die Begrenzung der Stichprobe auf Berufstätige mit ei- ner vergleichbaren Dauer ihrer Berufstätigkeit von ungefähr 5 Jahren und bei einem sehr heterogenen Berufsfeld erwies sich ein alternativ denkbarer Zugang über soziale Einrichtungen als vergleichsweise unökonomisch. Die Studie wurde im Frühjahr 2020 für die Dauer eines Jahres von der Hochschule Kob- lenz finanziell gefördert, was einen großen Teil der Material- und Portokosten abdeckte und den Einbezug einer wissenschaftlichen Hilfskraft ermöglichte. Einige Ausbildungs- stätten übernahmen die Finanzierung der Anschreiben an ehemalige Schülerinnen und Schüler selbst, was eine Ausweitung der geplanten Bruttostichprobe von N=2000 auf fast N=3500 Absolventinnen und Absolventen ermöglichte. Seite 6
Forschungsbericht Die Erhebung wurde im Frühjahr 2020 geplant, der Kontakt zu den insgesamt 35 grund- ständigen Ausbildungsmöglichkeiten an Fach- oder Hochschulen in Luxemburg und den beiden grenznahen Bundesländern Rheinland-Pfalz und Saarland konnte bis Som- mer hergestellt werden. Die aufwändige Umsetzung der gesundheitspolitischen Maß- nahmen an Schulen im Jahr 2020 mögen vereinzelt dazu beigetragen haben, dass Aus- bildungsstätten oder Studiengänge sich nicht an der Befragung beteiligten, insgesamt konnten aber – bei prinzipiell hochschwelligem Zugang zu Schulen für Forschungszwe- cke mit aufwändigen Genehmigungsverfahren bei vielfältiger Trägerstruktur – knapp die Hälfte der angesprochenen Ausbildungsstätten für die Teilnahme an der Studie ge- wonnen werden. Als „Absolvierendenstudie“ deklariert und verbunden mit der Zusage einer Ergebnispräsentation für die schulinterne Ausbildungsevaluation wurden im Herbst 2020 die Anschreiben an Ehemalige der Jahrgänge 2014, 2015 und 2016 der teilnehmenden 16 Ausbildungsstätten postalisch verschickt. Über einen QR-Code konnte dann der Zugang zu einem Online-Fragebogen erfolgen, der von September bis Dezember 2020 online zur Verfügung stand. Der Online-Fragebogen war thematisch gegliedert in demografische Angaben, Fragen zur Ausbildung, zur aktuellen Berufstätigkeit, zur Arbeitsfähigkeit, zum Teamklima, zur Transferneigung und zu Persönlichkeitsmerkmalen. Teilnehmende wurden auch um An- gaben zu konkreten Selbst- und Fortbildungsaktivitäten gebeten und konnten einen Multiple-Choice-Fragebogen zu grundlegendem Berufswissen ausfüllen. Der Fragebo- gen war unterschiedlich umfangreich, je nachdem, welche Antworten auf Filterfragen erfolgten oder wie ausführlich die Antworten in den offenen Antwortformaten formu- liert wurden, beinhaltete aber maximal 59 Fragen. 2000 1977 1800 1619 1600 1400 1200 1000 925 758 800 593 600 508 365 400 148 200 91 0 Fachschulen (Lux) Fachschulen Hochschulen Absolvierende postalisch Erreichte Teilnehmende Abbildung 3: Brutto- und Nettostichproben im Vergleich Seite 7
Forschungsbericht Die 3495 angeschriebenen Absolvierenden der Abschlussjahrgänge 2014, 2015 oder 2016 konnten nicht immer postalisch erreicht werden. An Fachschulen kamen 18,1 % der Anschreiben zurück (errechnet aus der Anzahl unzustellbarer Briefe, wie aus 8 der 12 Fachschulen bekannt wurde) und an Hochschulen 38,5 % der Anschreiben (wie aus 2 der 3 Hochschulstudiengänge bekannt wurde). Die Teilnahmequote errechnete sich aus den postalisch erreichten Absolvierenden und der Anzahl der Teilnehmenden: Sie beträgt auf Fachschulebene 20 % für die Erzieherausbildung in Luxemburg und 31 % für Fachschulqualifizierte in Deutschland, für die Hochschulstudiengänge erreichte sie 25 %. In die Analysen konnten die Daten von 747 Befragten einbezogen werden. 148 Absol- vierende schlossen 2014, 2015 und 2016 eine fachschulische Erzieherausbildung in Lu- xemburg ab (im Folgenden: Gymnasial-erweitert-Qualifizierte aus Luxemburg, in Tabel- len: GEQ-L). Die Teilstichprobe aus 12 Fachschulen in Deutschland umfasste 508 Erzie- herinnen und Erzieher (im Folgenden: Fachschulqualifizierte aus Deutschland, in Tabel- len: FSQ-D), die Teilstichprobe der Hochschulqualifizierten 91 Professionelle der Sozi- alpädagogik oder Sozialen Arbeit aus 3 maximiert verschiedenen grundständigen Stu- diengängen (im Folgenden: Hochschulqualifizierte aus Deutschland, in Tabellen: HSQ- D). 650 der 747 Teilnehmenden füllten den Fragebogen vollständig aus, was zu variie- renden Stichprobengrößen in den Analysen führte. Zur Absicherung der Anonymisie- rung der beteiligten Fachschulen und Hochschulen werden in diesem Bericht keine An- gaben zur Schulträgerschaft oder Schulgröße einzelner Ausbildungsstätten gemacht und die Anzahl der tatsächlich an der Befragung beteiligten Absolvierenden auf der Ebene der Schulen oder Studiengänge nicht angegeben. Im Durchschnitt haben sich pro Fachschule 42 Ehemalige an der Studie beteiligt, pro Hochschulstudiengang im Mittel 30. Die Quote der Männer, die an der Befragung teilnahmen, lag in der Luxemburger Stich- probe der Gymnasial-erweitert-Qualifizierten bei 22 Prozent, an den deutschen Fach- schulen bei 10 Prozent, an den einbezogenen Hochschulstudiengängen bei 21 Prozent. Zum Befragungszeitpunkt 4 bis 6 Jahre nach Ausbildungsende waren Luxemburger Teilnehmende mit durchschnittlich 26 Jahren am jüngsten, Fachschulqualifizierten aus Deutschland waren 30 Jahre alt, das Durchschnittsalter in der Hochschulstichprobe lag bei 34 Jahren. Außer in Luxemburg waren allerdings auch duale Ausbildung- oder Stu- dienformate mit in der Regel älteren Fachschüler/inne/n oder Studierenden an der Stu- die beteiligt. Die Bereitschaft der postalisch erreichten Absolvierenden, die Online-Befragung durch- zuführen, variierte erheblich – am Beispiel der 12 teilnehmenden Fachschulen in Deutschland zwischen 17 % und 55 %. Sie lag an 6 Fachschulen in kirchlicher Träger mit Seite 8
Forschungsbericht durchschnittlich 37 % deutlich höher als an 6 Fachschulen in öffentlicher Trägerschaft mit 24 % Beteiligung (siehe Abbildung 4). 55,4 60 50 36,5 36,3 38 40 29,4 28,1 29 26,5 25,7 30 23,8 23,5 17,5 20 10 0 FS 1 FS 2 FS 3 FS 4 FS 5 FS 6 FS 7 FS 8 FS 9 FS 10 FS 11 FS 12 Abbildung 4: Teilnahmequoten der Fachschulqualifizierten aus 12 Fachschulen (=FS) Die Selektivität der Teilnahme von Ausbildungsstätten und ihrer Absolvierenden werfen Fragen der Repräsentativität der Daten auf, die sich besonders bei Onlinebefragungen stellen. Wahrscheinliche Verschiebungen in der Geschlechterverteilung (d.h. mehr Frauen als in der Grundgesamtheit der Absolvierenden beteiligten sich), im Notenlevel der Abschlussnoten (Absolvierende mit besseren Abschlüssen nehmen eher an der Be- fragung teil) oder in der Weiterbildungsquote sind im Falle der ErTraNa-Studie 2020 anzunehmen. Bei der Interpretation der deskriptiven Daten sollte die prinzipielle Über- repräsentativität dieser Teilgruppen deshalb mitbedacht werden. O P E R AT I O N A L I S I E RU N G E N U N D D E S K R I P T I V E B E F U N D E In der Studie ErTraNa 2020 wurden veränderbare Merkmale der Qualifizierten und Merkmale der Qualifikationen zur Vorhersage verschiedener Kriterien von langfristigem Ausbildungserfolg erhoben. Zu den Prädiktorvariablen gehörten Persönlichkeitsmerk- male, Einschätzungen des Kompetenzaufbaus im Rückblick auf die vormalige Ausbil- dung sowie die Zugehörigkeit zu einer grundständig qualifizierten Berufsgruppe als entweder Gymnasial-erweitert-Qualifizierte aus Luxemburg, Fachschulqualifizierte oder Hochschulqualifizierte aus zwei grenznahen Bundesländern. Alle erhobenen subjekti- ven und objektiven Indikatoren der aktuellen Berufstätigkeit 4 bis 6 Jahre nach Ausbil- dungsende sind Kriterien für nachhaltigen Ausbildungserfolg: Zufriedenheit im Beruf, Seite 9
Forschungsbericht Arbeitsfähigkeit, Einschätzung des Teamklimas, Lerntransfer, Selbst- und Fortbildung im Beruf, grundlagenorientiertes Berufswissen sowie berufliche Qualifikationen oder ein Studium nach Ausbildungsende. In den folgenden Kapiteln werden alle Untersu- chungsvariablen theoretisch abgeleitet als operationalisierte Konstrukte dargestellt so- wie die jeweiligen deskriptiven Ergebnisse berichtet. 4. Persönlichkeitsmerkmale Als Prädiktorvariablen für langfristigen Ausbildungs- oder Studienerfolg wurden Big- Five-Persönlichkeitsmerkmale erhoben. Es gibt ausreichende empirische Hinweise auch in Bezug auf verschiedene soziale Berufe, Persönlichkeitsmerkmale in die Vorhersage von Ausbildungserfolg aufzunehmen: Für die Güte der Abschlussnoten ist – wie in der Lernforschung bekannt – auch bei angehenden pädagogischen Fachkräften das Merk- mal Gewissenhaftigkeit bedeutsam (Smidt, 2015), zur Vorhersage der Berufsfeldpräfe- renz Introversion versus Extraversion (Fuchs-Rechlin u.a., 2015; Verbeek, 2020), zur Prognose von Leitungsaufgaben das Merkmal Verträglichkeit (Smidt & Roux, 2015b). Der in dieser Studie zudem fokussierte Lerntransfer als Kriterium für Ausbildungs- und Studienerfolg wird in früheren Studien ebenfalls vom Persönlichkeitsmerkmal Gewis- senhaftigkeit positiv beeinflusst (Seidel, 2012; Verbeek, 2016). Zur Erfassung überdauernder personaler Kompetenzen wurde der Kurzfragebogen Big Five Inventory-SOEP (BFI-S) mit 15 Items eingesetzt (Schupp & Gerlitz, 2014).1 Der Fra- gebogen misst 7-stufig die Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale Neurotizismus, Extraver- sion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit: Der Temperamentsfaktor Neurotizismus setzt sich aus den Facetten Ängstlichkeit, Reizbarkeit, De- pression, soziale Befangenheit, Impulsivität und Verletzlichkeit zusammen. Extraversion umfasst die Facetten Herzlichkeit, Geselligkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Aktivität, Erlebnissuche und posi- tive Emotionen. Offenheit für neue Erfahrungen untergliedert sich in Offenheit für Fantasie, für Ästhetik, für Gefühle, für Handlungen, für Ideen und für Wertesysteme. Verträglichkeit umfasst Vertrauen, Freimütigkeit, Altruismus, Entgegenkommen und Bescheidenheit. Gewissenhaftigkeit unterteilt sich in die Facetten Kompetenz, Ordnungsliebe, Pflichtbewusstsein, Leistungsstreben, Selbstdisziplin und Besonnenheit. (Schupp & Gerlitz, 2014, S. 6) Die erreichten ausreichenden bis guten Reliabilitätsschätzungen (.57
Forschungsbericht Tabelle 1: Mittelwerte (und Standardabweichungen) für Persönlichkeitsmerkmale Skalen GEQ-L FSQ-D HSQ-D 132
Forschungsbericht dung/Studium erlangte eine sehr gute interne Konsistenz von α=.89 und kann als glo- bales Maß für die Zufriedenheit mit dem zurückliegenden Kompetenzerwerb herange- zogen werden. Tabelle 2: Mittelwerte (und Standardabweichungen) für Kompetenzaufbau Ausbildung/Studium Items und Skala GEQ-L FSQ-D HSQ-D N=148 502
Forschungsbericht Fachwissen Personkompetenz Sozialkompetenz Lernkompetenz Kompetenzaufbau Ausbildung 5 4,38 3,99 3,98 3,92 4 3,54 3,31 3,31 3,28 2,97 3 2 1 FS 2 FS 3 FS 6 FS 9 FS 10 FS 12 HS 1 HS 2 HS 3 Abbildung 5: Subjektiver Kompetenzaufbau bei einer Auswahl von 3 extrem kritisch und 3 extrem günstig bewerteten Fachschulen (=FS) und bei den 3 einbezogenen Studiengängen an Hochschulen (=HS) Es zeigt sich, dass die Unterschiede unter den Fachschulen genau wie unter den Hoch- schulen größer sind als die Gruppenunterschiede aller Fachschulen im Vergleich zu al- len Studiengängen. Testete man die Mittelwertunterscheide zwischen den einzelnen Fachschulen oder Hochschulen führte dies wahrscheinlich zu statistisch signifikanten Effekten mit praktischer Bedeutsamkeit, weil schon in den deskriptiven Daten häufig Differenzen von aES > 0,5 erreicht werden: Die maximale Mittelwertdifferenz in Abhän- gigkeit von der besuchten Fachschule liegt bei 1,41, bei den drei einbezogenen Hoch- schulstudiengängen bei 0,64. Mischo (2016) spricht im Zusammenhang vergleichbarer Befunde von einem großen Überlappungsbereich zwischen Fachschul- und Hochschul- niveau. Die Einschätzung der erlangten Handlungskompetenzen im Rückblick auf die Ausbil- dung ist ein subjektives Ausbildungserfolgsmaß, das als Narrativ über den erlangten berufsbezogenen Kompetenzaufbau den Ruf der Ausbildungsstätten oder Studien- gänge bestimmt. Unterschiede im wahrgenommenen Kompetenzaufbau lassen sich sehr wahrscheinlich nicht – wie in der Ausbildungscommunity gemeinhin angenom- men – auf personbezogene Selektionseffekte zurückführen (vgl. Tabelle 1). Seite 13
Forschungsbericht 6. Merkmale der aktuellen Berufstätigkeit Zur Beschreibung der aktuellen Berufstätigkeit wurden die Teilnehmenden nach einer Reihe von objektiven Merkmalen gefragt, was erforderlich machte, den Umfang der Erwerbstätigkeit, die berufliche Stellung und das Gehaltsniveau in Relation zu der Ge- haltserwartung, die üblicherweise mit der Ausbildung verbunden ist, einzuschätzen. Besonders die höhere berufliche Stellung und das höhere Gehaltsniveau können als formale Berufserfolgskriterien in den Vergleich der Qualifikationsgruppen einfließen. So sind Luxemburger Erzieherinnen und Erzieher ähnlich wie Fachschulqualifizierte aus Deutschland zur Hälfte im Gruppendienst tätig, während dies nur für einen geringen Anteil der Hochschulqualifizierten der Fall ist. Ein Drittel der Luxemburger Professio- nellen und der Hochschulqualifizierten beziehen ein überdurchschnittliches Gehalt, ein geringerer Anteil der Fachschulqualifizierten gibt ein höheres Gehalt an (siehe Tabelle 3). Im unmittelbaren Vergleich der beruflichen Stellung sind Hochschulqualifizierte in Deutschland im Vorteil, in Bezug auf die Bezahlung Luxemburger Professionelle – in Relation zu dem per se weitaus höheren Gehalt. Tabelle 3: Häufigkeiten verschiedener Merkmale der aktuellen Berufstätigkeit Fragen und Antwortoptionen GEQ-L FSQ-D HSQ-D N=148 N=504 N=91 Umfang der Erwerbstätigkeit % % % Vollzeit 75,0 70,2 64,8 Teilzeit 18,1 22,5 29,7 nicht berufstätig / Erziehungszeiten 5,5 5,8 4,4 fehlend 1,4 1,5 1,1 Berufliche Stellung % % % Gruppen- oder Teamebene 52,0 49,0 15,4 Gruppen- oder Teamleitungsebene 19,6 32,1 8,8 Einrichtungsleitungsebene 5,5 4,8 9,9 andere Stellung 20,9 11,7 62,6 fehlend 2,0 2,4 3,3 Gehaltsniveau % % % unterdurchschnittlicher Verdienst 5,4 6,0 18,7 durchschnittlicher Verdient 57,4 70,4 48,4 überdurchschnittlicher Verdienst 33,1 19,2 30.8 fehlend 4,1 4,4 2,2 Die Befragten waren zudem aufgefordert, mittels einer Liste die Berufsfelder anzuge- ben, in denen sie aktuell berufstätig sind bzw. vor einer möglichen aktuellen Pause von der Erwerbstätigkeit zuletzt berufstätig waren. Zwei Drittel der Hochschulqualifizierten stellten fest, in Einrichtungen erwerbstätig zu ein, die in der vorgegebenen Liste mit insgesamt 12 Berufsfeldern nicht aufgeführt waren, und gaben „andere Berufsfelder“ an. Da kein offenes Antwortformat zur Verfügung stand, können die Berufsfelder und Seite 14
Forschungsbericht die berufliche Stellung in der Hochschulstichprobe in dieser Studie nicht ermittelt wer- den. Gleichzeitig erschwert die ausgeprägte Pluralität der Berufsfelder in der Sozialen Arbeit eine systematisierte Erfassung. Krippe Andere 6% Einrichtungen 25% Kindertagesstätte 25% Altersheim / Geriatrie 7% Tagesgruppen 2% Grundschule Kinderheim 8% 6% Regelschule Offene 1% Jugendarbeit Beh. heim Hort Förderschule 4% 5% 6% 5% Abbildung 6: Berufsfelder der Luxemburger Gymnasial-erweitert-Qualifizierten (N=148) Die Befragten, die eine gymnasial-erweiterte dreijährige Ausbildung in Luxemburg ab- solviert hatten, waren zu 31 % in Krippe oder Kindertagesstätte berufstätig, zu 44 % in Einrichtungen, die Personen mit Unterstützungsbedarf betreuen, gaben aber auch zu 25 % an, in Einrichtungen erwerbstätig zu ein, die in der Liste nicht aufgeführt waren (siehe Abbildung 6). Andere Krippe Tagesgruppen Einrichtungen 16% 1% 10% Kinderheim 8% Offene Jugendarbeit 2% Behindertenheim 5% Förderschule 3% weiterführende Hort Kindertagesstätte Schule 3% 50% 1% Grundschule 1% Abbildung 7: Berufsfelder der Fachschulqualifizierten (N=508) Seite 15
Forschungsbericht Anders verhält es sich bei Erzieherinnen und Erziehern der Fachschulstichprobe in Deutschland: Knapp zwei Drittel der Befragten sind in der Kindertagesbetreuung tätig, davon 50 % in der Kindertagesstätte mit Gruppen für Kinder über 2 Jahre, in der Be- treuung von Kindern unter 2 Jahren arbeiten 16 % (siehe Abbildung 7). Tabelle 4 gibt einen Überblick über die Verteilung der Berufsfelder in der Gesamtstich- probe und bei Absolvierenden der 12 Fachschulen. Allein am Anteil der Übergangs- quoten in die Kindertagesbetreuung (Kinder von 0 bis 6 Jahren) zeigen sich implizite fachschulspezifische Profile. Nimmt man eine Fachschule mit eindeutig sozialpädago- gischem Profil (FS 2) aus dem Vergleich heraus, denn liegen auf der Ebene der verblei- benden 11 Fachschulen die Anteile an Absolvierenden in der Kindertagesbetreuung (also Krippe und Kita zusammen) zwischen 50 % und 76,4 %. Tabelle 4: Anteil der aktuellen Berufsfelder in Abhängigkeit von der besuchten Fachschule (in %) Berufsfeld FS 1 FS 2 FS 3 FS 4 FS 5 FS 6 FS 7 FS 8 FS 9 F 10 F 11 F 12 Krippe oder 27,8 5,0 10,8 25,0 12,5 10,0 27,6 4,7 5,8 16,9 -- 9,1 U2-Gruppe Kindertages- 48,6 5,0 64,9 45,0 45,0 63,3 53,4 51,2 55,8 35,6 50,0 63,6 stätte / Ü2 Grund- 4,2 -- -- 2,5 -- -- 1,7 -- 3,8 -- -- -- schule Hort -- 5,0 2,7 7,5 2,5 -- 1,7 4,7 3,8 10,2 -- -- Weiterfüh- -- -- -- -- -- -- -- 2,3 -- -- 5,0 3,0 rende Schule Förder- 2,8 -- 5,4 -- 2,5 -- -- 4,7 -- 10,2 20,0 -- schule Behinderten- 4,2 -- 2,7 7,5 7,5 -- 1,7 7,0 1,9 8,5 5,0 6,1 heim Offene Ju- 1,4 10,0 -- 2,5 2,5 -- 1,7 2,3 3,8 1,7 -- -- gendarbeit Kinderheim 1,4 45,0 -- 7,5 12,5 6,7 5,2 -- 13,5 5,1 5,0 6,1 Tages- -- 5,0 -- -- -- -- -- -- 3,8 1,7 -- 3,0 gruppen andere Ein- 6,9 25,0 10,8 -- -- 20,0 -- 11,6 7,7 10,2 15,0 9,1 richtungen fehlend -- -- 2,7 2,5 12,5 -- 6,9 -- -- -- -- -- Seite 16
Forschungsbericht 7. Zufriedenheit im Beruf Zur Erhebung der Zufriedenheit im Beruf als subjektives Erfolgsmaß konnten die Be- fragten 5-stufig verschiedene Aspekte ihrer aktuellen (oder letzten) Berufstätigkeit ein- schätzen. Dabei wurden in Anlehnung an Kauffeld (2016) in 5 neu konstruierten Items Gestaltungsmöglichkeiten, Arbeitsbeziehungen zu Kolleg/innen oder Vorgesetzen und die Arbeitsplatzsicherheit unterschieden. Die 5 Items erlaubten, eine zuverlässig mes- sende Skala Zufriedenheit im Beruf zu bilden, die eine hohe interne Konsistenz von α=.85 aufweist. Insgesamt liegt die Zufriedenheit in guten bis befriedigend zu inter- pretierenden Bereich. Zwischen den drei unterschiedlichen beruflichen Qualifikationen sind keine praktisch bedeutsamen Unterschiede in der Zufriedenheit im Beruf zu er- warten (siehe Tabelle 5). Tabelle 5: Mittelwerte (und Standardabweichungen) für Zufriedenheit im Beruf Items und Skala GEQ-L FSQ-D HSQ-D N=145 493
Forschungsbericht Antwortalternativen wörtlich aus dem Work Ability Index übernommen (Hasselhorn & Freude, 2007). Tabelle 6 listet die Einzelergebnisse auf. Tabelle 6: Mittelwerte und relative Häufigkeiten zu Arbeitsfähigkeit Fragen und Antwortoptionen GEQ-L FSQ-D HSQ-D 138
Forschungsbericht 9. Positives Teamklima Aus einer Studie zur Gesundheit in der Berufsgruppe (Viernickel & Voss, 2013) wurden Items zur Messung des Teamklimas übernommen, die messen sollen, inwiefern Profes- sionelle in sozialen Berufen 4 bis 6 Jahre nach der Ausbildung eine Berufstätigkeit fin- den konnten, die in der persönlichen Wahrnehmung durch ein förderliches Teamklima geprägt ist. Auch hier erfolgte die Einschätzung 5-stufig. Mit α=.87 kann die internen Konsistenz der übernommenen Skala auch in der ErTraNa-Studie 2020 als sehr positiv bewertet werden. Die Ergebnisse sind in Tabelle 7 zusammengestellt. Tabelle 7: Mittelwerte (und Standardabweichungen) für Teamklima Items und Skala GEQ-L FSQ-D HSQ-D 138
Forschungsbericht In Anlehnung an Forschungsarbeiten zu Transfer als personale Kompetenz (Koch, 2018; Seidel, 2012) wurden 5 Items verwendet, um 5-stufig die Anwendung von Inhalten oder auch Methoden der Wissensaneignung aus der früheren Ausbildung oder dem berufs- qualifizierenden Studium in der aktuellen beruflichen Tätigkeit zu erfragen. Mit einer befriedigenden bis guten internen Konsistenz (α=.75), können diese Items zur Skala Lerntransfer zusammengefasst werden (siehe Tabelle 8). Tabelle 8: Mittelwerte (und Standardabweichungen) für Lerntransfer Items und Skala GEQ-L FSQ-D HSQ-D 133
Forschungsbericht Tabelle 9: Mittelwerte (und Standardabweichungen) für Items zur Begründung von Lerntransfer Items GEQ-L FSQ-D HSQ-D N=136 457
Forschungsbericht Tabelle 10: Häufigkeit von Selbst- und Fortbildungsaktivitäten Selbst- und Weiterbildung EGQ (L) FSQ HSQ in den letzten 12 Monaten 130
Forschungsbericht zogenen Grundwissen, der am Ende des Fragebogens dargeboten worden war, kriti- siert. Es störte, dass die prinzipienorientierten Fragen situativ eher in der beruflichen Tätigkeit mit Kindern, Jugendlichen und behinderten Menschen eingebettet sind. Zur Absicherung gegen kritische Einwände wurde für eine alternative Operationalisierung von Berufswissen nachträglich aus dem Fragenpool eine 4-Fragen-Variante mit 19 Ant- wortalternativen generiert. Diese beinhaltete nur sehr grundlegende Fragestellungen und konnte deshalb für den Vergleich zwischen zwei Ländern und im Kontext hoch- schulischer Qualifikation uneingeschränkt eingesetzt werden. Diese Kurzform präsentierte richtige und falsche Aussagen zu folgenden Fragen: 1. nach dem Unterschied zwischen Beschreibung, Interpretation, Bewertung und Erklärung von so- zialen Ereignissen mittels einzuordnender Satzbeispiele (bereichsübergreifende Frage; richtiges Bei- spiel für „Beschreibung“: „Jacqueline (15 Jahre) bleibt bei gemeinsamen Spieleabenden der Heim- gruppe in ihrem Zimmer.“; eine der falschen Antworten: „Leon (9 Jahre) ist hochbegabt“, was einer Bewertung von Verhalten entspricht), 2. zum Verständnis von „Selbstbildung“ (kindheitspädagogischer Akzent; eine der richtigen Antwor- ten: „Das Kind ist Gestalter seiner eigenen Entwicklung“; eine der falschen Antworten: „Selbstbil- dung macht die Erzieherin und den Erzieher überflüssig“), 3. zu theoretischen Grundlagen kommunikationsorientierten / systemischen Denkens (sozialpäda- gogischer Akzent; Beispiel für richtige Antwort nach namhaften Begründern: „Friedemann Schulz von Thun“, Beispiel für falsche Antwort: „Sigmund Freud“) 4. zum praxisbezogenen Verständnis der gesellschaftlichen Vision „Inklusion“ (heilpädagogischer Akzent; richtig ist z.B.: „Multiprofessionelle Teams arbeiten in inklusiven Schulklassen“; u.a. falsch: „Inklusion hieß früher Integration und hat keine unterschiedliche Bedeutung.“). In allen drei Teilstichproben korrelierten die beiden Fragebogenvarianten hoch (.63
Forschungsbericht Betrachtet man den Median von 23 (von 51) Punkten in der 10-Fragen-Variante und von 10 (von 19) Punkten in der 4-Fragen-Variante, dann erzielten die Berufstätigen in der Gesamtstichprobe Werte in Bezug auf das grundlagenorientierte Berufswissen, die – nutzte man die Bewertung in Schulnoten – höchstens als „ausreichend“ bewertet wer- den könnten, weil sie ungefähr die Hälfte der Gesamtpunktzahl erreichten. Der gerin- gere Wert in der Luxemburger Teilstichprobe müsste in Bezug auf curricular andere Schwerpunkte (z.B. bei den Themen Inklusion und Selbstbildung) überprüft werden. 13. Berufliche Qualifikationen und Studium seit Ausbildungsende Neben der kontinuierlichen Bildung während der Berufstätigkeit (vgl. Abschnitt 11) stellt die Aufnahme einer weiteren beruflichen Qualifikation oder eines Studiums nach Ausbildungsende eine besondere Form der Qualifizierung dar. Wenngleich im DQR die die deutsche Fachschulqualifikation und das Bachelor-Studium gleichermaßen auf Ni- veau 6 eingestuft sind, erschließen sich Fachschulqualifizierte, die ein Bachelorstudium ergreifen, neue Aufgabengebiete im Berufsfeld und qualifizieren sich für ein Master- studium. Bachelorqualifizierte, die ein Masterstudium ergreifen, erlangen einen beruf- lichen Status, der auf Niveau 7 des DQR angesiedelt ist, können beruflich mehr Verant- wortung übernehmen und in der Wissenschaft berufstätig werden. Knapp die Hälfte der Luxemburger Erweitert-gymnasial-Qualifizierten arbeitete 4 bis 6 Jahre nach der Erzieherausbildung im Beruf ohne eine weitere berufliche Qualifikation erworben zu haben (46,6 %). Von den beruflich sich weiter Qualifizierenden (53,4 %) haben die meisten ein sozialwissenschaftliches Studium an Hochschule oder Universität ergriffen (36,5 % der Teilnehmenden), ein beachtlicher Anteil hat aber auch ein nicht- sozialwissenschaftliches Studium gewählt (8,8 %). Es ist möglich, dass die Studierquote der Luxemburger Erzieherinnen und Erzieher überschätzt wird, weil die Stichprobe dahingehend verzerrt sein kann, dass – bei einer Teilnahmequote von 20 % – eher diejenigen Ehemaligen an einer Absolvierendenbe- fragung teilnahmen, die von einer erfolgreichen Weiterbildung berichten möchten. Für die hohe Studierquote sprechen die mit der Ausbildung an einem Gymnasium erreichte allgemeine Hochschulreife und die guten Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung eines Studiums. Sicher kann man aber sagen, dass die Studierneigung deutlich höher liegt als bei Absolvierenden der einbezogenen Fachschulen in Deutschland. Unter den deutschen Fachschulqualifizierten arbeiten mehr als zwei Drittel der Teilneh- menden in ihrem Beruf als Erzieherin oder Erzieher ohne eine weitere berufliche Qua- lifikation oder ein Studium aufgenommen zu haben (71,8 %). Die Wahrscheinlichkeit, eine berufsbezogene Weiterqualifikation zu absolvieren, liegt bei den Fachschulquali- fizierten bei 28,17 %, die Neigung, ein Studium aufzugreifen, bei 22,02 %. Dabei war Seite 24
Forschungsbericht für 5,7 % ein kindheitspädagogisches Studium interessant, für 7,5 % ein Studium der Sozialen Arbeit und für 2,2 % ein Pädagogik-Studium an der Universität. Unter den befragten Hochschulqualifizierten hatten 78 % zwischenzeitlich keine wei- tere berufliche Qualifikation begonnen, 22 % schon. Die Wahrscheinlichkeit, nach ei- nem Bachelor in Sozialpädagogik oder Sozialer Arbeit ein einschlägiges Masterstudium an einer Hochschule oder Universität zu ergreifen, lag bei 15,4 %. 11% ergriffen ein Masterstudium der Sozialen Arbeit, 2,2 % ein Masterstudium der Kindheitspädagogik und 2,2 % ein erziehungswissenschaftliches Studium an einer Universität. Wie Abbildung 8 zeigt, variiert die Neigung zur beruflichen Weiterbildung 4 bis 6 Jahre nach Ende der Berufsqualifikation in Abhängigkeit von der Ausbildungsstätte oder dem Studiengang. 60 53,4 50 43,1 45 45 40 33,3 28,8 30 25,6 30 24,1 22,4 21,9 20,9 19,6 20 13,5 12,1 11,1 10 0 L FS 1 FS 2 FS 3 FS 4 FS 5 FS 6 FS 7 FS 8 FS 9 FS 10 FS 11 FS 12 HS 1 HS 2 HS 3 Abbildung 9: Anteil der Professionelle mit weiterführender Berufsqualifikation oder Studium (in %) Es ist von einer unterschiedlichen Hinführung zu beruflichen Weiterqualifizierungen an den verschiedenen Ausbildungsstätten und Studiengängen auszugehen, wenn Selbst- selektionseffekte durch Personmerkmale (vgl. Abschnitt 4) und Trägereffekte (nicht be- richtet) zur Erklärung nicht herangezogen werden können. Seite 25
Forschungsbericht 14. Beziehungen zwischen Untersuchungsvariablen In weiteren deskriptiven Analysen interessierten die statistischen Zusammenhänge zwi- schen den erhobenen Persönlichkeitsmerkmalen (Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Of- fenheit, Verträglichkeit und Neurotizismus) und Berufserfolgsmaßen (wie z.B. Zufrie- denheit mit der Ausbildung und im Beruf, Arbeitsfähigkeit, Positives Teamklima, Lern- transfer, Berufswissen). Tabelle 11 gibt einen Überblick über die Zusammenhangsmus- ter der ausgewählten Variablen in der Gesamtstichprobe, wobei mindestens mittlere Effekte (Korrelation r=.3 und höher) hervorgehoben sind, die im Falle einer statistischen Testung als praktisch bedeutsam eingestuft werden könnten. Tabelle 11: Korrelationsmatrix G E O V N KE ZB AF TK LF N 694 693 690 693 695 752 733 720 706 704 AM 5.96 5.27 5.24 5.63 3.86 3.68 3.81 3.99 4.01 3.67 SD .93 1.14 1.05 .99 1.22 .97 .95 .86 .81 .72 Gewissenhaftigkeit (G) Extraversion (E) .29 Offenheit (O) .32 .29 Verträglichkeit (V) .32 .00 .22 Neurotizismus (N) -.07 -.22 .05 -.05 DQR-Kompetenzerwerb (KE) .20 .08 .14 .19 -.01 Zufriedenheit im Beruf (ZB) .19 .17 .08 .15 -.12 .45 Arbeitsfähigkeit (AF) .30 .20 .15 .20 -.19 .20 .40 Positives Teamklima (TK) .20 .19 .14 ,21 -.14 .17 .50 .36 Lerntransfer (LT) .27 .14 .31 .18 .02 .34 .19 .18 .20 Berufswissen (4-Fragen-Variante) -.06 -.02 -.03 -.01 -.03 -.00 -.01 -.04 -.02 .14 Anmerkungen: Persönlichkeitsmerkmale 7-stufig, restlichen Variablen 5-stufig, Korrelationen mit dem ordinalska- lierten Berufswissen nach Spearman-Rho Unter den erhobenen Persönlichkeitsmerkmalen korreliert Gewissenhaftigkeit mit Of- fenheit und Verträglichkeit, auch mit Extraversion essentiell. Gewissenhaftigkeit und Offenheit sind als überdauernde Merkmale der Person zudem bedeutsam für den Er- halt der Arbeitsfähigkeit und für Lerntransfer. Wie auch in anderen bereits referierten Studien (siehe Kapitel 4) erhält Neurotizismus (bzw. der Gegenpol Emotionale Stabili- tät) entgegen der inhaltlichen Erwartungen in sozialen Berufen keine exponierte Stel- lung für den multikriterial erhobenen Ausbildungserfolg. Vergleichsweite hohe Werte und eine hohe Varianz des Merkmals Neurotizismus sind aber festzustellen. Seite 26
Forschungsbericht In Bezug auf die verschiedenen Kriterien für langfristigen Ausbildungserfolg sind in der explorativen Analyse zwei Zusammenhangsmuster erkennbar. Eines betrifft die Zufrie- denheit mit dem DQR-Kompetenzerwerb in Ausbildung/Studium, die mit der Zufrie- denheit im Beruf und der Einschätzung von Lerntransfer auch 4 bis 6 Jahre nach der Ausbildung korrespondiert. Das andere Zusammenhangsmuster beschreibt die Korre- lationen zwischen Zufriedenheit im Beruf, positivem Teamklima und Arbeitsfähigkeit. Zwischen einer eher als fachlich zu bezeichnenden und einer eher psychosozialen Aus- gestaltung der Zufriedenheit im Beruf sind die statistischen Zusammenhänge geringer. Die subjektiven Maße für Ausbildungserfolg korrespondieren nicht mit dem objektiven Indikator für Berufswissen. Z U S A M M E N FA S S U N G U N D AU S B L I C K 15. Zusammenfassung der Ergebnisse zu Fragestellung 1 und 2 Am Forschungsprojekt ERFOLG UND TRANSFER: NACHHALTIGKEIT SOZIALWISSENSCHAFTLICHER BE- RUFSAUSBILDUNG. EINE WIRKSTUDIE BEI PROFESSIONELLEN DER KINDHEITSPÄDAGOGIK UND SOZIALEN ARBEIT IN RHEINLAND-PFALZ, SAARLAND UND LUXEMBURG aus dem Jahr 2020 nahmen 755 Ab- solvierende sozialer Berufe teil, die 2014, 2015 oder 2016 eine Ausbildung zur Erziehe- rin oder Erzieher oder ein BA-Studium der Kindheitspädagogik oder Sozialen Arbeit absolviert hatten. Der vorliegende Forschungsbericht erlaubt Einblicke in die Studie und stellt die deskriptiven Ergebnisse zusammen. Die Studie will Effekte und Transferleistungen von Qualifikationen in sozialen Berufen auf die spätere Berufstätigkeit in Erfahrung bringen. Ausgehend von dem Strukturmo- dell beruflicher Handlungskompetenz im Deutschen Qualifikationsrahmen für lebens- langes Lernen wurden der Transfer von Personalkompetenzen und Fachkompetenzen im späteren Berufsleben erfragt. Dabei konnten Persönlichkeitsmerkmale und 10 Aus- bildungs- und Berufserfolgsmaße erhoben werden, wobei subjektive, objektivierte und objektive Erfolgskriterien verbunden wurden. Die Befragung erfolgte mittels eines On- line-Fragebogens im Herbst 2020, nachdem die Berufstätigkeiten über 16 ehemalige Ausbildungsstätte kontaktiert worden waren. Fragestellung 1 nach den Möglichkeiten der Erfassung von langfristigem Ausbildungs- erfolg führte zur Erprobung etablierter, aber auch neuer Skalen für Ausbildungserfolg als multidimensionales Konstrukt. Sowohl der Rückgriff auf bereits existierende Skalen (z.B. Arbeitsfähigkeit, Teamklima) als auch die Erprobung neuer Skalen (Kompetenzauf- bau in der früheren Ausbildung, Zufriedenheit im Beruf, Lerntransfer) führten zu öko- Seite 27
Forschungsbericht nomischen, inhaltsvaliden und reliablen Messungen der Erfolgsparameter in der spä- teren Berufstätigkeit. Die Messinstrumente waren ausreichend sensibel, praktisch be- deutsame Unterschiede auszuloten, wie die explorativen Ergebnisse auf der Ebene der Bildungsstätten verdeutlichten. Die neu konstruierten Kurzskalen können in weiteren Studien eingesetzt werden, was die Vergleichbarkeit bei thematisch ähnlichen Studien erhöht. Die explorative Analyse der Daten legt nahe, von einem fachlichen und einem eher psychosozialen Aspekt in den subjektiv erhobenen Erfolgsparametern auszuge- hen. Nicht optimal zufriedenstellend erwies sich die Erhebung objektiver Ausbildungs- erfolgsmaße, die – vergleichbar mit anderen Studien (vgl. hierzu Kapitel 12) – eine nur geringe Fachkompetenz in der Berufspraxis nahelegen, die zudem mit subjektiven Kri- terien nur wenig korrespondieren. An Fragestellung 2 nach dem Vergleich der drei Ausbildungsgruppen Gymnasial-Er- weitert-Qualifizierte in Luxemburg, Fachschulqualifizierte und Hochschulqualifizierte in den grenznahen Bundesländern knüpfte sich die Hypothese, dass mit höheren Anfor- derungen an die Ausgangsqualifikation der Bewerber/innen, längerer Ausbildungs- bzw. Studiendauer und im Falle der Hochschulqualifizierten einer wissenschaftlichen Bildung mit ausgeprägten Selbstlernanteilen eine höhere Professionalisierung der Be- rufspraxis erzielt wird. Diese Hypothese leitete sich aus dem Qualitätsdiskurs um Pro- fessionelle in sozialwissenschaftlichen Berufen in der Logik der langen Professionsge- schichte (Amthor, 2016) ab. Vor diesem bildungspolitisch geprägten Hintergrund wa- ren die Ergebnisse erwartungskonform, was die Rahmenbedingungen von Berufstätig- keit betreffen. Selbst wenn Testungen der Unterschiede nicht erfolgten, ist an den de- skriptiven Daten erkennbar, dass Hochschulqualifizierte eine höhere berufliche Stel- lung, (wie die Luxemburger Erzieherinnen und Erzieher) und ein höheres Gehalt er- reichten sowie von weniger (körperlichen) Belastungen im Beruf berichten. Der Ver- gleich aller Kriterien von langfristigem Ausbildungserfolg, die Fachkompetenzen be- treffen, machte deutlich, dass die Erzieherausbildung in Luxemburg oder in Deutsch- land oder an einer sozialwissenschaftlichen Hochschule 4 bis 6 Jahre nach Abschluss keine oder sehr vereinzelt höchstens marginale Unterschiede provoziert. Dies gilt für den DQR-Kompetenzerwerb, die Zufriedenheit im Beruf, die Arbeitsfähigkeit, ein posi- tives Teamklima, Lerntransfer und Berufswissen. Die Ergebnisse in diesem Bericht decken sich mit Befunden einer vergleichenden Pro- fessionsforschung mit unterschiedlichen methodischen Zugängen, auf die in der Er- gebnisdarstellung immer wieder hingewiesen wurde. Keine oder kaum praktisch er- kennbaren Unterschiede sind dann ein wichtiges Studienergebnis, will man zu der Er- kenntnis beitragen, dass eine Erhöhung der Ausbildungsdauer oder die Akademisie- rung von Sozialpädagogik in den 1970er Jahren und die der Kindheitspädagogik in den Seite 28
Forschungsbericht 2000er Jahren nicht per se mit einer Professionalisierung der Berufspraxis einhergehen muss. Zu den explorativen Befunden der Studie gehört, dass die Unterschiede zwischen den beteiligten 12 Fachschulen und zwischen den beteiligten 3 Studiengänge größer waren als die Mittelwerte zwischen den beiden Gruppen der Fachschulen auf der einen und der Studiengänge auf der anderen Seite. Diese Unterschiede betrafen nicht die Beno- tung und meist auch nicht den „Output“ an Berufswissen. Ähnlichkeiten zwischen den Fachschulqualifizierten unterschiedlicher Fachschulen zeigten sich auch in der späteren Arbeitsfähigkeit, der Zufriedenheit im Beruf oder mit dem Team und in der subjektiven Einschätzung von Lerntransfer. Große Unterschiede zwischen den Fachschulen wurden allerdings in der Bindung an die ehemalige Ausbildungsstätte (Teilnahmequoten zwi- schen 18 und 55%), der subjektiven Einschätzung des Kompetenzaufbaus in der Fach- schulausbildung (Werte zwischen 2,97 und 4,28 bei 5-stufigem Rating), der Hinführung zu bestimmten Berufsfeldern (Kita-Quoten zwischen 5% und 65 %), zu einem weiter- bildenden Studium (14% bis 55%) und in Selbst- und Fortbildung, vereinzelt auch im Berufswissen (Minimalwert: 20,27; Maximalwert: 28,56) deutlich. Zum Vergleich: Berufs- tätige der einbezogenen Hochschulstudiengänge unterschieden sich ebenfalls deutlich in der Einschätzung der erlangten beruflichen Handlungskompetenzen im Bachelor- Studium (Werte zwischen 3,28 und 3,92 bei 5-stufigem Rating), in der Neigung, ein Masterstudium zu ergreifen (Quoten zwischen 0,04 % und 34 %) oder in der Neigung zu Selbst- und Fortbildung. Vergleicht man die Daten auf der Ebene der einbezogenen Ausbildungsstätten, dann ist von einem sehr großen Überlappungsbereich zwischen Hochschule und Fachschule auszugehen (vgl. Mischo, 2016), der allerdings bildungs- politisch weitestgehend ignoriert wird (vgl. Berth u.a., 2013). 16. Ausblick auf Publikationen zu Fragestellung 3 und 4 In der Tradition von Ausbildungs- und Studienerfolgsforschung zielen Fragestellung 3 und 4 auf die Vorhersage von langfristigem Ausbildungs- oder Studienerfolg. Dazu wurden in der ErTraNa-Studie 2020 neben der früheren Qualifikationsgruppe (gymna- sial-erweitert, fachschulisch, hochschulisch) als Merkmale der Berufsausbildung auch überdauernde Merkmale der Person (Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale) erhoben. Für eine Teilstichprobe der ErTraNa-Studie 2020 liegen sogar frühe Ausbildungsdaten zum überfachlichen und fachlichen Kompetenzaufbau vor, die 2012, 2014 und 2015 erho- ben und bereits zur Vorhersage ausbildungsnaher Erfolgskriterien genutzt wurden. Sie lassen sich nun auf ihre Bedeutung für den langfristigen Ausbildungserfolg nach 4 bis 6 Jahren Berufstätigkeit überprüfen. Zu Fragestellung 3 und 4 werden im Jahr 2021 Originalbeiträge in wissenschaftlichen Fachzeitschriften vorbereitet. Seite 29
Forschungsbericht Des Weiteren können eine Reihe von Ergebnissen, die nicht den primären Fragestel- lungen der Studie zuzuordnen sind, der Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies betrifft beispielsweise die konkreten Bildungsaktivitäten von fachschulisch- oder hochschulisch Qualifizierten im Zusammenhang mit dem allgemeinen Professionalisie- rungsdiskurs (vgl. hierzu Bonerz, 2020) oder die Probleme objektiver Messung von Aus- bildungserfolg verbunden mit der Vorhersage konkreter professioneller Prozesse. In praxisbezogenen Publikationen können vor dem Hintergrund der Ergebnisse aus der ErTraNa-Studie 2020 Implikationen für die Ausbildungspraxis, unter Einbezug der Lu- xemburger Ausbildungspraxis auch Überlegungen zu modifizierten Ausbildungsforma- ten angestellt werden. Aufgrund der großen Überlappung fachschulischer und hoch- schulischer Ausbildungseffekte werden auch Modelle der Kooperation von Fachschule und Hochschule interessant (vgl. Verbeek, 2017, 2021). 17. Bisherige Berichte und Publikationen (Stand 15.07.21) Verbeek, V. (2021). Fachschul- und Hochschulqualifizierte in sozialen Berufen. Die Neue Hochschule, 2/2021, 16-19. Verbeek, V. (2021). Nachhaltigkeit von Berufsausbildung oder Studium: Eine Wirkstu- die bei Professionellen der Kindheitspädagogik und Sozialen Arbeit in Rheinland- Pfalz, Saarland und Luxemburg (2020). Ergebnisse der Befragung an Fachschulen. Koblenz: Unveröffentlichter Bericht (30.1.2021). Verbeek, V. (2021). Nachhaltigkeit von Berufsausbildung oder Studium: Eine Wirkstu- die bei Professionellen der Kindheitspädagogik und Sozialen Arbeit in Rheinland- Pfalz, Saarland und Luxemburg. Ergebnisse der Befragung an Hochschulen (2020). Koblenz: Unveröffentlichter Bericht (30.1.2021). Verbeek, V. (2021). Nachhaltigkeit von Berufsausbildung oder Studium: Eine Wirkstu- die bei Professionellen der Kindheitspädagogik und Sozialen Arbeit in Rheinland- Pfalz, Saarland und Luxemburg (2020). Ergebnisse der Luxemburger Stichprobe. Koblenz: Unveröffentlichter Bericht (30.1.2021). I M P L I K AT I O N E N F Ü R AU S B I L D U N G U N D S T U D I U M 18. Planung eines Werkstattgesprächs am 4. Oktober 2021 Gelegenheit für den Transfer relevanter Forschungsergebnisse aus der ErTraNa-Studie 2020 in die Fachschul- und Hochschulpraxis wird ein online-basiertes Werkstattge- spräch des Instituts für Forschung und Weiterbildung (IFW) an der Hochschule Koblenz Seite 30
Forschungsbericht am 4. Oktober 2021 zwischen 15.00h und 17.30h ermöglichen. Zum online-basierten Austausch sind Ausbildungsverantwortliche und Lehrkräfte an Fachschule und Hoch- schule sowie Fachschüler/innen und Studierende eingeladen, um konkrete Ideen für eine evidenzbasierte Weiterentwicklung der Ausbildungspraxis zu suchen. Um For- schungsergebnisse und Praxisbezug zu verbinden sind zwei thematische Schwerpunkte mit jeweils einem Impulsvortrag und einem Diskussionsforum geplant. 1. Lerntransfer – mehr als guter Unterricht und gute Lehre! Impulsvortrag: Ergebnisse zweier Studien zu Lerntransfer Diskussion in Breakout-Sessions mit Ergebnissicherung im Plenum 2. Fachschulen und Hochschulen – von der Koexistenz zur Kooperation? Impulsvortrag: Ergebnisse vergleichender Professionsforschung, ergänzt um kurze Beiträge von Studierenden und Ausbildungsverantwortlichen zur Kooperation von Fach- und Hochschule Diskussion in Breakout-Sessions mit Ergebnissicherung im Plenum Die Inhalte und Ergebnisse des Werkstattgesprächs fließen in eine Zusammenfassung der Veranstaltung ein, die auf der Internetseite des IFW an der Hochschule Koblenz bis Ende Oktober publiziert wird. L I T E R AT U R Amthor, R.-C. (2016). Einführung in die Berufsgeschichte der Sozialen Arbeit. Weinheim: Beltz. Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen (AK-DQR). (2011). Deutscher Qualifikationsrah- men für lebenslanges Lernen, verabschiedet vom Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrah- men (AK DQR). Verfügbar unter http://www.dqr.de/media/content/Der_Deutsche_Qualifi- kationsrahmen¬_fue_ lebenslanges_Lernen.pdf [15.07.2021]. Berth, F., Diller, A., Nürnberg, C., Rauschenbach, T. (Hrsg.). (2013). Gleich und doch nicht gleich. Der Deutsche Qualifikationsrahmen und seine Folgen für frühpädagogische Ausbil- dungen. München: DJI. Blömeke, S., Jenßen, L., Dunekacke, S., Suhl, U., Grassmann, M. & Wedekind, H. (2015). Leis- tungstests zur Messung der professionellen Kompetenz frühpädagogischer Fachkräfte. Zeit- schrift für Pädagogische Psychologie, 29, 177-191. Bonerz, L. (2020). Professionalisierung der Kindheitspädagogik als Evidenzbasierung? Eine Dokumentenanalyse relevanter Fachzeitschriften. Koblenz: Unveröffentlichte Masterthesis im Studiengang MAPS. Bornkessel, P. (Hrsg.). (2018). Erfolg im Studium. Konzeptionen, Befunde und Desiderate. Bielefeld: bwf. Dippelhofer-Stiem, B. (1999). Längsschnittliche Analysen zu Stabilität und Veränderung päda- gogischer Konzepte von jungen Erzieherinnen. Arbeitsbericht 7 des Forschungsprojektes "Berufliche Sozialisation von Erzieherinnen im Übergang von der Fachschule in das Tätig- keitsfeld Kindergarten". Magdeburg: Otto-von-Guericke-Universität. Seite 31
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