WIRTSCHAFTSSTRUKTUR IM RHEINISCHEN REVIER - STATUS QUO UND IMPLIKATIONEN EINER STÄRKENORIENTIERTEN WIRTSCHAFTSPOLITIK - status quo und ...

Die Seite wird erstellt Femke Michels
 
WEITER LESEN
WIRTSCHAFTSSTRUKTUR IM RHEINISCHEN REVIER - STATUS QUO UND IMPLIKATIONEN EINER STÄRKENORIENTIERTEN WIRTSCHAFTSPOLITIK - status quo und ...
WIRTSCHAFTSSTRUKTUR IM RHEINISCHEN REVIER
    STATUS QUO UND IMPLIKATIONEN EINER
  STÄRKENORIENTIERTEN WIRTSCHAFTSPOLITIK

                               www.rheinisches-revier.de
WIRTSCHAFTSSTRUKTUR IM RHEINISCHEN REVIER - STATUS QUO UND IMPLIKATIONEN EINER STÄRKENORIENTIERTEN WIRTSCHAFTSPOLITIK - status quo und ...
WIRTSCHAFTSSTRUKTUR IM
RHEINISCHEN REVIER -
STATUS QUO UND IMPLIKATIONEN
EINER STÄRKENORIENTIERTEN
WIRTSCHAFTSPOLITIK
Herausgeber:

ZUKUNFTSAGENTUR RHEINISCHES REVIER GMBH
Karl-Heinz-Beckurts-Straße 13, 52428 Jülich

Telefon: 02461 690-180
www.rheinisches-revier.de | zukunftsagentur@rheinisches-revier.de

Autoren: Dr. Alexander Opitz, Dr. Ron Brinitzer

Gestaltung und Umsetzung: mc Group | World of Ideas | www.mcgroup.com

Bildnachweise zum Foto-Mosaik auf der Titelseite: @iStock-488208568, 1266958681,
1248595508, 518368534

Druckauflage: 500 Stück

Druckerei:
SAXOPRINT GmbH | Enderstraße 92c, 01277 Dresden
CO² -neutraler Druck auf FSC-zertifiziertem Papier

Stand: 09/2021

Gefördert durch:
WIRTSCHAFTSSTRUKTUR IM RHEINISCHEN REVIER - STATUS QUO UND IMPLIKATIONEN EINER STÄRKENORIENTIERTEN WIRTSCHAFTSPOLITIK - status quo und ...
1           EINLEITUNG

D    as Rheinische Revier steht mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung und den
     weitreichenden Konsequenzen für die Wirtschaft vor einer Jahrhundertaufgabe. Mit dem
Investitionsgesetz Kohleregionen stehen Mittel zur Bewältigung der Herausforderungen zur
Verfügung, die wirksam und effizient verwendet werden sollen. Die gesetzlichen Vorgaben
dafür sind eng gesteckt: Nach § 4 Investitionsgesetz Kohleregionen müssen die Maßnahmen
insbesondere dem Erhalt und der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Diversifizierung
der Wirtschaftsstruktur dienen. Innerhalb dieses Rahmens verfolgen die Region und die
Landesregierung von NRW eine klare Strategie, welche auf den vorhandenen Stärken der
Region aufbaut.¹ Voraussetzung dafür ist ein Überblick über die Struktur der Wirtschaft, der
Beschäftigung und der vielen Unternehmen im Revier. Nur so kann Unterstützung gezielt auf
die Bedürfnisse der Region eingehen und der Strukturwandel erfolgreich gestaltet werden.

Die folgende Abhandlung gibt anhand einer Vielzahl von Indikatoren einen Überblick über
Beschäftigungsstruktur, Innovationsfähigkeit und Wertschöpfung. Insbesondere werden
in Kapitel 3 die verschiedenen Wirtschaftszweige des Reviers betrachtet und Branchen
von besonderer Wichtigkeit für die Region und ihre Menschen dargestellt. Basierend auf
diesen „industriellen Leitbranchen“ und der stärkenorientierten Wirtschaftsförderung des
Landes NRW ergeben sich abschließend verschiedene Implikationen für die Umsetzung des
Strukturwandels und die Ausgestaltung von Förderprogrammen. Dieses Vorgehen bedingt,
möglichst aktuelle Indikatoren und Wirtschaftsstrukturdaten zu Grunde zu legen. Insofern
ist das vorliegende Dokument nicht als abschließend zu betrachten, sondern vielmehr als
ein erster Aufschlag, der fortlaufend aktualisiert und ggf. ergänzt werden muss.

¹ Siehe hierzu auch Wirtschafts- und Strukturprogramm 1.1, Kapitel 1–4.

                                                                                               3
WIRTSCHAFTSSTRUKTUR IM RHEINISCHEN REVIER - STATUS QUO UND IMPLIKATIONEN EINER STÄRKENORIENTIERTEN WIRTSCHAFTSPOLITIK - status quo und ...
2             BESCHÄFTIGTE UND UNTERNEHMEN
              IM RHEINISCHEN REVIER: STATUS QUO

                                                                        Mönchen-
                                                                        gladbach
                                                                                Rhein-Kreis
                                                          Kreis Heinsberg       Neuss

                                                                                Rhein-Erft-
                                                                                Kreis

                                                         Städteregion
                                                                            Kreis
                                                         Aachen
                                                                            Düren

                                                                                    Kreis
                                                                                    Euskirchen

D    as Rheinische Braunkohlerevier im äußersten Südwesten von Nordrhein-Westfalen
     besteht aus den Kreisen Düren, Euskirchen, Heinsberg, dem Rhein-Erft-Kreis und dem
Rhein-Kreis Neuss, der Städteregion Aachen und der Stadt Mönchengladbach.² Urbane
Ballungsräume gehören genauso zum Revier wie ländliche Gegenden, eine innovative
Forschungslandschaft ist ebenso zu finden wie weiträumige Agrar- oder Naturflächen.

Seit Jahrhunderten ist das Rheinische Revier durch die Gewinnung, Verstromung und
Veredlung der Braunkohle geprägt. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die
Wirtschaftsstruktur so vielfältig ist wie die ganze Region. Das Rheinische Revier ist Heimat
vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen aus einer Vielzahl von Branchen. Hinzu
kommt eine ausgeprägte Industriestruktur.

Entsprechend unterscheiden sich die Kreise des Reviers hinsichtlich Beschäftigungsstruktur,
Dynamik, Innovationsfähigkeit oder Wertschöpfung. In Abbildung 1 wird dies bereits
deutlich.

² W ie im InvKG § 2 definiert.

                                                                                                 4
Bruttowertschöpfung               Entwicklung Bruttowert-
                                In Mio. EUR 2018                  schöpfung 2007-2018

          Rheinisches Revier           75.094                            +16.416(+28.0%)
                                                                                                              140.8
140
                                                                                                              134.0
                                                                                                              132.0
                                                                                                              130.0
130                                                                                                           128.7
                                                                                                              128.0
                                                                                                              126.8
120                                                                                                           126.0
                                                                                                              122.6
                                                                                                              120.3
110

100

 90
   2007       2008    2009   2010    2011      2012     2013     2014      2015    2016     2017    2018    2019

      Rheinisches Revier     Kreis Heinsberg          Kreis Euskirchen        Rhein-Erft-Kreis         Kreis Düren

      Städteregion Aachen    Rhein-Kreis Neuss        Mönchengladbach         Nordrhein-Westfalen      Deutschland

Abb. 1: Bruttowertschöpfung 2007 bis 2018 (Index 2007 = 100). Datenbasis: Volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung des Bundes und der Länder (VGRdL), 2021

Insgesamt weist die Bruttowertschöpfung von 2007 bis 2018 einen deutlich positiven
Trend auf und bleibt lediglich hinter dem Bundesschnitt zurück. Ein leichter Einbruch
ist ganz zu Beginn des Betrachtungszeitraums in Folge der Finanzkrise zu beobachten.
Ungeachtet des generellen Trends sind deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen
Kreisen erkennbar. Mit einem Gesamtwachstum von über 40 % sticht der Kreis Heinsberg
heraus. Das geringste Wachstum der Bruttowertschöpfung ist im Rhein-Kreis Neuss und in
Euskirchen zu finden. Hier betrug die Steigerung immerhin noch circa 20 %. Das Wachstum
der Bruttowertschöpfung in den restlichen Kreisen bewegt sich zwischen 20 % und 30 %,
was im Vergleich zu NRW zwar gut, im Vergleich zur Bundesrepublik jedoch ausbaufähig ist.³

Bei der Bewertung der Unterschiede in den Wachstumsraten ist zu beachten, dass das
Ausgangsniveau je nach betrachtetem Kreis ebenfalls deutlich divergiert. Abbildung 2
stellt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf dar. Hier liegt der Rhein-Kreis Neuss als einziger
Kreis über dem Durchschnitt in NRW – mit knapp 40.000 Euro fast auf dem Niveau von
Deutschland. Auf den nächsten Plätzen, mit einem Bruttoinlandsprodukt von immerhin
mehr als 30.000 Euro, kommen der Rhein-Erft-Kreis, die Städteregion Aachen und die Stadt
Mönchengladbach. Es folgen die Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg. Insgesamt bildet
das wirtschaftliche Ausgangsniveau ziemlich gut die Bruttowertschöpfung in inverser Form
ab – im Einklang mit gängigen Wachstumstheorien.

³
 NRW rangierte in den letzten Jahren regelmäßig im Mittelfeld. So ist die Bruttowertschöpfung seit 2015 in 7
 anderen Bundesländern tatsächlich stärker gewachsen (Bruttoinlandsprodukt 2021).

                                                                                                                      5
45

40

35

30

25

20

15

10

 5

 0
Deutschland     Nordrhein-   Mönchen-    Rhein-Kreis Städteregion     Kreis        Rhein-Erft-       Kreis           Kreis
                Westfalen    gladbach      Neuss        Aachen        Düren          Kreis         Euskirchen      Heinsberg

Abb. 2: Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner in tausend Euro (2018). Datenbasis: Volkswirtschaftliche
Gesamtrechnung der Länder.

Die hohe Dynamik des Rheinischen Reviers wird besonders deutlich beim Blick auf die
Beschäftigtenentwicklung seit 2007, wie in Abbildung 3 dargestellt. Diese stellt sich in
großen Teilen analog dar zur Entwicklung der Bruttowertschöpfung in Abbildung 1.

                                     SV-Beschäftigte                   Entwicklung SV-
                                          2019                      Beschäftigte 2007-2019

145       Rheinisches Revier             832.517                          +167.302(+25.2%)                             141.9
140
135
130                                                                                                                    127.3
                                                                                                                       126.5
125                                                                                                                    125.2
                                                                                                                       124.5
120                                                                                                                    123.5
                                                                                                                       122.5
115                                                                                                                    122.2
                                                                                                                       120.5
110
105
100
   2007       2008    2009    2010      2011    2012     2013     2014      2015     2016        2017    2018        2019

      Rheinisches Revier      Kreis Heinsberg          Kreis Euskirchen         Rhein-Erft-Kreis                Kreis Düren

      Städteregion Aachen     Rhein-Kreis Neuss        Mönchengladbach          Nordrhein-Westfalen             Deutschland

Abb. 3. Sozialversicherungspflichtige Beschäftigtenentwicklung 2007–2019 (Index 2007 = 100).
Datenbasis: Bundesagentur für Arbeit, 2021; Stand 30.06 des jeweiligen Jahres

                                                                                                                               6
Bei nur geringfügiger Veränderung der Gesamtbevölkerung stieg die Anzahl der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seit 2007 kontinuierlich und stark an. Eine
kurze Stagnation ist allenfalls in Folge der globalen Finanzkrise ab 2007 festzustellen.
Im betrachteten Zeitraum sind revierweit insgesamt über 167.000 neue Arbeitsplätze
hinzugekommen. Ungeachtet des allgemeinen, auch landesweit sehr positiven Trends
entwickelten sich die Kreise unterschiedlich schnell. So wuchs im Kreis Heinsberg die
Anzahl der Beschäftigten um mehr als 40 %, auch Euskirchen und Heinsberg schneiden
überdurchschnittlich ab. Schlusslicht stellt der Rhein-Kreis Neuss dar, mit immerhin noch
etwa 20 % Wachstum.

Insgesamt liegt die Beschäftigtenentwicklung im Rheinischen Revier deutlich sowohl über
dem Bundes- als auch über dem Landesdurchschnitt. Entsprechend war die Arbeitslosigkeit
gering, mit einer Arbeitslosenquote von 7,4 % gegenüber 8,4 % in NRW im März 2021.⁴ Auf
lokaler Ebene existieren gleichwohl große Unterschiede. Während im Kreis Heinsberg 5,8 %
der Menschen ohne Beschäftigung sind, liegt die Arbeitslosenquote in Mönchengladbach
mit 10,8 % fast doppelt so hoch.

Auch die Wachstumsraten der Beschäftigtenentwicklung sollten ins Verhältnis zur
Ausgangssituation gesetzt werden. Diese kommt unter anderem in der Arbeitsplatzdichte in
Abbildung 4 zum Ausdruck. Sie ergibt sich aus den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
in Relation zur Einwohnerzahl. Auch hier sind deutliche Unterschiede zwischen den Kreisen
des Reviers erkennbar. Zwei Dinge machen sich besonders bemerkbar. Zum einen sind dies
die wichtigen Verkehrsachsen, welche die wirtschaftliche Aktivität einer Region signifikant
beeinflussen können (vgl. Goetz 2011; Meersman & Nazemzadeh 2017). Schienen und
Straßen durchziehen das Revier überwiegend von West nach Ost, während der Rhein als
wichtigste europäische Wasserstraße den Norden und den Westen des Reviers erschließt.
Weiterhin ist deutlich der Einfluss der Ballungszentren Köln, Düsseldorf, Aachen oder
Mönchengladbach erkennbar. Die höchsten Werte der Arbeitsplatzdichte finden sich
folgerichtig in der Städteregion Aachen und Mönchengladbach, gefolgt von den Kreisen
Düren, Rhein-Kreis Neuss und Rhein-Erft-Kreis. Die Ballungszentren im und am Rande
des Reviers bieten darüber hinaus absolut betrachtet sehr viele Arbeitsmöglichkeiten und
ziehen daher viele Pendler aus den eher ländlich geprägten Kreisen an. Entsprechend ist
der Anteil der Auspendler in Tagebaukreisen mit über 50 % außergewöhnlich hoch (IAB
Nordrhein-Westfalen 2020, S. 12).

⁴ Verglichen mit ganz Deutschland ist die Beschäftigungssituation noch ausbaufähig. Hier lag die Arbeitslosenquote
 im März 2021 bei 6,2 % (Statistik der Bundesagentur für Arbeit).

                                                                                                                      7
35,8
                                 21,9                                                           38,4
                                                                                  18,5
                                Mönchengladbach
                                                                                Rhein-Kreis Neuss
                      35,4                      Mönchen-
           22,2
                                                gladbach

          Kreis Heinsberg                                         Rhein-Kreis
                                                                  Neuss
                             Kreis Heinsberg

                                                                                                       36,3
                                                                                         19,6

                                                                  Rhein-Erft-
                                                  Kreis           Kreis
                                                                                     Rhein-Erft-Kreis

                                                  Düren

                             Städteregion
                             Aachen                        37,7
                                                   20,8

                                                    Kreis Düren
                                                                                                         37,6
                                                                                           21,0
 Anteil SvB nach
 Altersklassen 2020
 (in %)                                                                                     Kreis Euskirchen
              33,8
    23,6
                                                                   Kreis
                                                                   Euskirchen
 Städteregion Aachen
   bis unter 30 Jahren
   50 Jahre und älter

Arbeitsplatzdichte
2019 (SvB je 100 EW)

          unter 30
          30 bis 32
          32 bis 34
          über 34

Rheinisches Revier: 33,9

Abb. 4: Arbeitsplatzdichte: SV-Beschäftigte am Arbeitsort je 100 Einwohner; Datenbasis:
Bundesagentur für Arbeit, 2021; Stand 30.06 des jeweiligen Jahres. Kartengrundlage: GeoBasis-DE
BKG 2021. Eigene Darstellung Prognos

                                                                                                                8
Die Bewohner des Rheinischen Reviers finden sich insgesamt also in einer vergleichsweise
komfortablen          Beschäftigungssituation           wieder.    Diese       gilt    für       Beschäftigte         aller
Qualifikationsniveaus, wie in Abbildung 5 ersichtlich. Auch hier bestehen klare
Unterschiede zwischen den Kreisen. Wenig überraschend ist der Anteil der Akademiker
am Hochschulstandort Aachen besonders hoch (21,4 %), in städtisch geprägten Kreisen
ebenfalls. Demgegenüber liegt er in den Kreisen Heinsberg und Euskirchen unter 10 %.
In diesen beiden Kreisen sind dafür überdurchschnittlich viele Beschäftigte mit einem
anerkannten Berufsabschluss zu finden.

Es ist auffällig, dass gegenüber dem Landes- und Bundesdurchschnitt der Anteil der
Beschäftigten ohne Berufsabschluss im gesamten Rheinischen Revier besonders hoch ist;
entsprechend geringer ausgeprägt sind alle anderen beruflichen Qualifikationsniveaus.

100
       9,5          11,0     12,8       12,9          9,3     11,7          14,2         11,4        12,3           11,9
90
       16,8        15,6                              21,4                                 9,1        8,9            14,6
80                           12,9       14,0                  13,0          12,2
                                                                                         65,1        62,1
70     61,4        59,0      58,9                             59,0
                                         59,1                               58,7                                    58,2
                                                     53,7
60
50
40
30
20
 10                          15,4       14,0         15,6     16,3          15,0         14,4        16,8           15,3
       12,3        14,4
  0
  Deutschland Nordrhein- Mönchen-  Rhein- Städteregion        Kreis      Rhein-Erft-   Kreis      Kreis   Rheinisches
              Westfalen gladbach Kreis Neuss Aachen           Düren        Kreis     Euskirchen Heinsberg   Revier

      ohne Berufsabschluss      Anerkannter Berufsabschluss       Akademischer Berufsabschluss              Keine Angabe

Abb. 5: SV-Beschäftigte nach Qualifikationsniveau in den Kreisen des Rheinischen Reviers 2019 in %.
Datenbasis: Bundesagentur für Arbeit, 2021; Stand: 30.06.2019

                                                                                                                              9
Die Wirtschaft im Rheinischen Revier wird getragen von vielen Unternehmen aus
unterschiedlichsten Branchen. In absoluten Zahlen überwiegen kleine und mittelständisch
geprägte Betriebe, wie aus Abbildung 6 hervorgeht. So ist der Anteil an Unternehmen
mit weniger als 10 Angestellten etwas höher als im Bundes- oder NRW-Durchschnitt.
Dementsprechend sind im Rheinischen Revier größere und Großunternehmen seltener
vertreten. Insgesamt entspricht die Verteilung der Beschäftigtengrößenklassen in etwa
der Verteilung in Deutschland und in NRW. Auffällig sind die Abweichungen im Rhein-Kreis
Neuss und im Kreis Euskirchen, die deutlich stärker von kleinen und mittleren Unternehmen
(KMU) geprägt sind.

      0,4       0,5       0,5        0,4       0,5        0,4            0,3      0,3          0,3       0,4
100
                                     1,4                  1,6            1,4      1,3          1,7       1,7
98    1,9       2,0       2,0                  2,0
      8,6       8,8       8,2        7,0       8,2        8,4            7,7      7,0           8,1      7,8
96

94

 92

90                                                                                91,4
                                    91,1                                 90,5                  90,0     90,2
88    89,1      88,8      89,3                89,3       89,5

86

84

82
  Deutschland Nordrhein- Mönchen-  Rhein- Städteregion   Kreis      Rhein-Erft-   Kreis      Kreis   Rheinisches
              Westfalen gladbach Kreis Neuss Aachen      Düren        Kreis     Euskirchen Heinsberg   Revier

                0-9                   10-49                     50-249                  250 und mehr

Abb. 6: Anzahl der Unternehmen nach Beschäftigtengrößenklassen (KldB2010) 2018. Datenbasis:
IT.NRW, 2021

Die Unterschiede in der Unternehmensstruktur spiegeln sich nicht zuletzt auch wider in
Höhe und Zusammensetzung der aggregierten Umsätze wie in Abbildung 7 zu sehen. So
ist der Anteil des Auslandsgeschäftes im Rhein-Kreis Neuss besonders groß und macht fast
60 % des Gesamtumsatzes aus – deutlich mehr als im Rest des Landes. Ebenfalls über Landes-
und Bundesdurchschnitt liegen, wenn auch knapp, die Stadt Mönchengladbach und der
Kreis Düren. Die Unternehmen in allen anderen Kreisen exportieren unterdurchschnittlich.
Die grenznahe Lage der Kreise Heinsberg und der Städteregion Aachen schlägt sich
erstaunlicherweise nicht signifikant in den vorliegenden Zahlen nieder. In Verbindung
mit den Größenstrukturdaten lässt dies darauf schließen, dass die Wirtschaft im Rhein-
Kreis Neuss stark von einigen wenigen, aber großen und international tätigen Konzernen
geprägt wird. In dieser Hinsicht plausibel erscheinen auch Höhe und Art des Umsatzes der
Unternehmen.

                                                                                                                   10
Auch absolut bestehen große Unterschiede bezüglich des Unternehmensumsatzes. Hier
liegen der Rhein-Erft-Kreis, der Rhein-Kreis Neuss und die Städteregion Aachen vorne,
Euskirchen besitzt eher wenige umsatzstarke Unternehmen. Setzt man den Umsatz ins
Verhältnis zur Bevölkerungszahl, ist die Reihenfolge nahezu unverändert, allerdings mit
geringerem Abstand als bei absoluter Betrachtung.⁵

                                                                                                         Umsatz     Auslandsumsatz
                                                                           Rheinisches Revier         47.197%           46.4%
                                                                           Deutschland               1.948.034          48.5%
                                                                           NRW                        357.840           44.3%

15000

13000                   11.908                                                12.081
11000
                                         10.120
9000
                                 7.106
7000
                             59,7%
5000                                           4.562                                   4.328
                                                           4.024
        3.541                                                                                                      3.402
                                               59,7%                                   35,8%
3000                                                               1.965                         2.121
                1.816                                                                                                      1.393
1000                                                               48,8%                                  724
                51,3%                                                                                                      40,9%
                                                                                                         34,2%
-1000   Mönchen-        Rhein-Kreis      Städteregion      Kreis Düren         Rhein-Erft-     Rhein-Erft-Kreis   Kreis Heinsberg
        gladbach          Neuss             Aachen                               Kreis
                                                  Umsatz           Auslandsumsatz

Abb. 7: Umsatz und Auslandsumsatz 2018 ( Jahressummen) in Mio. EUR; Anteil des Auslandsumsatzes
in %. Datenbasis: IT.NRW, 2021.

Insgesamt ist das Rheinische Revier also durchaus international verflochten. Die
Unternehmen erwirtschaften einen großen Teil ihres Umsatzes im Ausland, allerdings
mit großen regionalen Unterschieden. Neben der Exportabhängigkeit einiger Kreise ist
die bedeutende Rolle der energieintensiven Industrie in gerade diesen Kreisen zu nennen
(Frontier 2018, S. 11 ff.). Hieraus ergibt sich ein gleich doppeltes Marktrisiko: Zum einen sind
die hier ansässigen Unternehmen und Beschäftigten abhängig von der Auslandsnachfrage
und damit von der Entwicklung der globalen Konjunktur und des internationalen Handels.
Zum anderen haben Änderungen des Energiepreises in den genannten Kreisen besonders
große Auswirkungen – mit entsprechenden Konsequenzen für Wertschöpfung und
Beschäftigung im gesamten Revier.

⁵ Pro Einwohner schwankt der Umsatz zwischen knapp 11.000 und 26.000 Euro (Datenbasis: IT.NRW, 2021, eigene
 Berechnung).

                                                                                                                                     11
Entw. *
                                    - 35,1 %
                                               100
                                                                                      Entw. *
                                                                                    - 46,9 %
                                                                                                110

                                       Mönchengladbach
               Entw. *
             - 30,0 %                                                                   Rhein-Kreis Neuss
                         91                          Mönchen-
                                                     gladbach

                 Kreis Heinsberg                                          Rhein-Kreis
                                                                          Neuss
                                   Kreis Heinsberg
                                                                                              Entw. *
                                                                                            - 44,4 %     135

                                                                          Rhein-Erft-
                                                     Kreis                                         Rhein-Erft-Kreis
                                                                          Kreis
                                                     Düren

                                   Städteregion            Entw. *
                                                         - 48,0 %
                                   Aachen                            65

                                                            Kreis Düren
 Insolvenzen 2019                                                                                 Entw. *
 (absolut)                                                                                       - 68,1 %
                                                                                                            43
   Entw. *      173
 - 40,7 %
                                                                                                        Kreis Euskirchen

                                                                           Kreis
                                                                           Euskirchen
 Städteregion Aachen

Gründungsintensität
2015-2018

        unter 26
        26 bis 30
        30 bis 34
        über 34

  Rheinisches Revier: 30,6

Abb. 9: Gründungsintensität 2015-2018 (Unternehmensgründungen je 10.000 Erwerbsfähige**).
Datenbasis: ZEW Mannheim, 2021 und IT.NRW, 2021. *Entwicklung der Insolvenzen 2007-2019
**Abweichende Definition von Erwerbsfähige des ZEW: 18- bis 65 Jährige; Kartengrundlage: GeoBasis-
DE/BKG 2021. Eigene Darstellung Prognos

                                                                                                                           12
Für den Strukturwandel ist die Unternehmensdynamik entscheidend. Sie gibt Auskunft
über Richtung und Stärke des Transformationsprozesses vor Ort in den Unternehmen
(Bersch et al. 2016, S. 24). Die Unternehmensdynamik kommt unter anderem in den
Unternehmensgründungen pro Erwerbsfähigem oder auch der Gründungsintensität zum
Ausdruck. Abbildung 9 gibt einen Überblick, wo im Revier besonders viele (innovative wie
nicht innovative) Unternehmen entstehen.

Die    Gründungsdynamik             ist    im     Nordrevier       besonders        hoch.      Die     meisten
Unternehmensgründungen pro Erwerbsfähigem finden in Mönchengladbach statt, gefolgt
vom Kreis Heinsberg und dem Rhein-Kreis Neuss. Der Rhein-Erft-Kreis und die Städteregion
Aachen liegen im Mittelfeld, was insbesondere im letzteren Fall überrascht angesichts des
dortigen, vermeintlich besonders gründungsfreundlichen Hochschulumfeldes.

Die Insolvenzen, sozusagen das inverse Pendant einer Gründung, sind in den letzten
Jahren im Revier insgesamt rückläufig. Am geringsten sind die Insolvenzen in den Kreisen
Euskirchen und Düren.⁶ Ansonsten sind die Zahlen recht ausgeglichen, mit Ausnahme der
Städteregion Aachen, die revierweit vorne liegt.

Trotz ihrer großen Bedeutung sind Gründungen nicht mit Innovationen gleichzusetzen.
Nicht alle Gründungen sind innovative Einhörner – tatsächlich gewichtet die vorliegende
Statistik jede Gründung jedoch gleich. Zur Beurteilung des Erfolgs des Strukturwandels ist
künftig nicht zuletzt ein differenzierterer Einblick in die Unternehmensdynamik vonnöten,
etwa hinschlich Gründungen und Schließungen in den einzelnen Sektoren oder der
Wissensintensität einer Gründung.

Die Umsetzung von Innovationen und deren Überführung in marktgängige Produkte ist
zentral für den Erfolg des Strukturwandels im Rheinischen Revier. Gleichzeitig ist diese
Innovationsfähigkeit nur schwer in Form aggregierter Daten oder spezifischer Indikatoren
darstellbar. Innovative Ideen werden, wenn in irgendeiner Form nutzbar, meist als Patent
geschützt. Patente kommen dem Innovationsbegriff daher schon recht nah. In Abbildung
10 sind Patentanmeldungen je 100.000 Erwerbstätige im Rheinischen Revier dargestellt. Es
zeigt sich, dass das Innovationsniveau einer Gründung wie auch einer Region stark vom
institutionellen, strukturellen und sonstigen wirtschaftlichen Umfeld abhängt. Insofern
lässt sich das Patentgeschehen recht gut, jedoch nicht vollständig mit dem Vorhandensein
von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Personal in Forschung und Entwicklung
(FuE) erklären. Die Städteregion Aachen als bedeutender Hochschulstandort sticht
folgerichtig hinsichtlich Patenten heraus – bei gleichzeitig sehr hohem FuE Personal. Auf
noch immer recht hohem Niveau befinden sich der Kreis Düren und der Rhein-Erft-Kreis.
Generell sinkt mit dem Vorhandensein von FuE Personal auch die Patentaktivität. Die Kreise
Mönchengladbach, Heinsberg und Euskirchen erscheinen daher auch weniger innovativ,
ungeachtet herausragender Einzelprojekte.

⁶ In diesen beiden Kreisen findet sich zudem die geringste Gründungsintensität. Eine solche negative Korrelation
 von Gründungen und Insolvenzenzahlen scheint im gesamten Rheinischen Revier zu bestehen. Diese in einen
 Gesamtzusammenhang zu stellen, ist allein aufgrund der vielen weiteren möglichen Einflussfaktoren (z.B. Art der
 Gründung/Insolvenz, Arbeitslosigkeit, Verwaltungskapazitäten) nur sehr schwer möglich.

                                                                                                                    13
Entw. *
                                 - 16,7 %
                                                                                 Entw. *
                                            354
                                                                                + 37,2 %    1591

                                   Mönchengladbach
           Entw. *
        + 131,7 %                                                                   Rhein-Kreis Neuss
                                                  Mönchen-
                     287
                                                  gladbach

             Kreis Heinsberg                                          Rhein-Kreis
                                                                      Neuss
                               Kreis Heinsberg
                                                                                             Entw. *
                                                                                           - 50,4 %
                                                                                                        411

                                                                      Rhein-Erft-
                                                     Kreis            Kreis
                                                                                                 Rhein-Erft-Kreis

                                                     Düren

                               Städteregion          Entw. *
                                                     + 0,3 %
                               Aachen                          449

                                                        Kreis Düren
 FuE-Personal 2017                                                                              Entw. *
                                                                                               - 14,9 %
                                                                                                           78
            3632
  Entw. *
+ 35,7 %
                                                                                                       Kreis Euskirchen

                                                                       Kreis
                                                                       Euskirchen
 Städteregion Aachen

Patentintensität
2017

       unter 80
       80 bis 95
       95 bis 110
       über 110

Abb. 10: Patentanmeldungen je 100.000 Erwerbstätige 2017. Quelle: Patentatlas, 2021 und
Stifterverband Wissenschaftsstatistik, 2021. * Entwicklung FuE-Personal 2007 bis 2017 in %.
Kartengrundlage: GeoBasis-DE/BKG 2021. Eigene Darstellung Prognos

                                                                                                                          14
Eine umfassende Forschungsinfrastruktur scheint nicht die einzige Voraussetzung für eine
hohe Patentaktivität zu sein. Der Rhein-Kreis Neuss beispielsweise, bisher kein eigener
Hochschulstandort, weist ebenfalls überdurchschnittlich viele Patentanmeldungen auf.
Dies kann im Zusammenhang mit den oben gemachten Aussagen zur Wirtschaftsstruktur
des Rhein-Kreises Neuss stehen, der stark von großen, international tätigen Unternehmen
geprägt zu sein scheint. Hier, wie insbesondere auch im Fall von Auftragsforschung, ist zu
beachten, dass die Erbringung der eigentlichen Innovation und die Patentanmeldung nicht
unbedingt am gleichen Ort erfolgen müssen.

                                                                                             15
3                 SCHLÜSSELINDUSTRIEN IM
                    RHEINISCHEN REVIER

D         ie Umsetzung von Innovationen gelingt dort besonders gut, wo auf bereits vorhandenen
          Strukturen und Kompetenzen aufgebaut werden kann. Eine genaue Kenntnis der
  regionalen Stärken ist daher für die Gestaltung des Strukturwandels unabdingbar.
  Insbesondere erscheint es sinnvoll, Branchen mit hervorragender Bedeutung für die Region
  zu kennen. Solche Schlüsselindustrien oder „industriellen Leitbranchen“ im Rheinischen
  Revier zu identifizieren, gestaltet sich angesichts der Vielzahl an Branchen und Unternehmen
  nicht unbedingt einfach. Zudem gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze und
  Darstellungsweisen zur Darstellung der regionalen Bedeutsamkeit eines bestimmten
  Wirtschaftszweiges.

  Im Folgenden werden zunächst diejenigen industriellen Branchen betrachtet, welche
  einen branchenspezifisch überdurchschnittlich hohen Beschäftigtenanteil aufweisen. Ein
  solcher impliziert zugleich, dass die entsprechende Branche hochgradig konzentriert und
  womöglich auch spezialisiert ist. Weiterhin gewährleistet ein hoher Beschäftigtenanteil
  in einem bestimmten Bereich eine hinreichend große Relevanz auch für weite Teile der
  Bevölkerung. Ein Indikator für die branchenspezifische Spezialisierung im Vergleich zum
  Bundesdurchschnitt ist der sogenannte Lokalisationsgrad oder Lokalisationsquotient (LQ).
  Im Fall einer überdurchschnittlich hohen regionalen Spezialisierung beträgt dessen Wert
  mehr als 1. Abbildung 11 zeigt die Lokalisationsquotienten der industriellen Branchen
  im Rheinischen Revier und gibt damit einen Gesamtüberblick über die Stärken und
  wirtschaftlichen Schwerpunkte der Region.

                                                                                   Beschäftigungsentwicklung
          LQ: 2,9                                                                    im Rheinischen Revier                                  Ver-/
                                                                                                                 LQ: 1,8                Entsorgung
                                                                                                                                          (16.670)
                     Papier/Pappe                                                                           Chemie
                        (8.870)   1,4                                                                       (15.660)
 -20,7%
              Textilien/Leder
                   (4.110)                                  Gummi/Kunststoff                                                             Logistik
                                                               (11.020)                                                                 (55.500)
     Druckerzeugnisse/Datenträger
                (3.430)                                                                             Ernährung/
-24,3%       Beschäftigungsentwicklung                                                               Getränke
              2007-2019 in %                                                                          (17.930)                                                        107,7%

    -21              -11                 -1                           9               120            29                 39               49          59
                                      0,9                                                                                                                 Techn.
                Glas/Keramik                                Metall                                 Baugewerbe                                         Instandhaltung
                                      Lokalisationsgrad*

                   (4.360)                                 (24.940)                                  (45.290)                                             (4.370)

                           Elektro                                                                                                                   Fahrzeugbau
                                                                              sonst. Waren
                           (13.160)                                                                                    Forst-/ Landwirtschaft           (5.460)
                                                                                 (5.380)
                                                                                                                                (4.710)
                                                            Maschinenbau           Telekomm./ IT
                      Holz/Möbel                                                      (18.740)       Anzahl dargestellter Branchen              19
                                                              (19.960)                                                                                              75,9%
                        (2.580)
                                                                                                     Beschäftigte in dargest. Branchen 282.130
              LQ: 0,45                0,4                                                                                                                 LQ: 0,2
                                                                                                     Anteil an Beschäftigten insg. in % 33,9%

  Abb. 11: Branchenportfolio Rheinisches Revier 2007-2019. Quelle: Sonderauswertung BA, 2021,
  Stichtag 30.06. Eigene Berechnungen. *Der Lokalisationsgrad zeigt den branchenspezifischen
  Beschäftigtenanteil der Region im Bundesvergleich an. Im Bundesvergleich überdurchschnittlich
  spezialisierte Branchen der Region haben einen Lokalisationsgrad >1

                                                                                                                                                                               16
Neben dem Lokalisationsquotienten auf der Ordinate ist das Wachstum der jeweiligen
Beschäftigung seit 2007 auf der Abszisse abgebildet, so dass der Trend in der vergangenen
Dekade deutlich wird. Darüber hinaus spiegelt sich die absolute Anzahl der Beschäftigten
in der Größe der abgebildeten Kreise wider – je größer der Durchmesser, desto mehr
Beschäftigte sind in der entsprechenden Branche tätig. Aus der Betrachtung dieses
„Branchenportfolios“ lassen sich die überdurchschnittlich spezialisierten Wirtschaftszweige
ablesen. In diesem Sinne können als Leitbranchen im Rheinischen Revier gelten:

� Logistik mit 55.500 Beschäftigten

� Ernährungs- und Getränkewirtschaft mit 17.930 Beschäftigten

� Ver- und Entsorgung mit 16.670 Beschäftigten

� Chemie mit 15.660 Beschäftigten

� Gummi/Kunststoff mit 11.020 Beschäftigten

� Papier/Pappe mit 8.870 Beschäftigten

� Technische Instandhaltung mit 4.370 Beschäftigten

� Textilien/Leder mit 4.110 Beschäftigten

� Druckerzeugnisse mit 3.430 Beschäftigten

Im Rheinischen Revier umfassen die aufgeführten Branchen knapp die Hälfte aller
Beschäftigten in der Industrie, was deren große Bedeutung für die Region verdeutlicht.⁷
Wie in Kapitel 2 bereits dargelegt, ist die (Wirtschafts-)Struktur des Rheinischen Reviers
allerdings überaus heterogen. Daher besteht die Gefahr, dass bei einer ausschließlich
revierübergreifenden         Betrachtung        die    lokale    Relevanz      einzelner      Industriezweige
unterschätzt wird. In manchen Kreisen können diese von erheblicher Bedeutung sein, was in
den Lokalisationsquotienten im Branchenportfolio des ganzen Reviers nicht zum Ausdruck
kommt.

⁷ Die Industrie als Ganzes stellt wiederum mehr als ein Drittel der gesamten Beschäftigung im Rheinischen Revier.

                                                                                                                    17
So bestehen große regionale Unterschiede hinsichtlich der Produktivität in verschiedenen
Wirtschaftszweigen, wie in Abbildung 12 dargestellt ist.⁸ Besonders auffällig ist
hier die unterschiedliche Bedeutung des Bergbaus und der Energiegewinnung: Die
Bruttowertschöpfung je Arbeitsstunde in diesem Bereich ist im Rhein-Erft-Kreis, im Rhein-
Kreis Neuss und in der Städteregion Aachen deutlich höher als in den anderen Kreisen,
was im Wesentlichen den Kraftwerksstandorten geschuldet sein dürfte. Die restlichen
Kreise bewegen sich auf dem Niveau von NRW, wo der Bergbau wohlgemerkt ebenfalls
traditionell eine bedeutende Rolle spielt. In den vom Bergbau besonders geprägten Kreisen
sind interessanterweise auch die Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe produktiver als
im Landesschnitt, wenn auch in geringerem Maße.

Diesen besonderen Stärken in Bergbau und Industrie stehen in den anderen Kreisen
entsprechende Kompetenzen gegenüber, wenngleich die Unterschiede hinsichtlich der
Produktivität in den restlichen Wirtschaftszweigen weniger stark ausgeprägt sind. Im
Bereich der Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleitungen sind der Rhein-Kreis
Neuss und die Kreise Euskirchen und Heinsberg überdurchschnittlich produktiv. In der
Landwirtschaft führen die Kreise Düren und Heinsberg die Statistik an. Der Rhein-Erft-Kreis
ist besonders produktiv in „Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und
Kommunikation“. Im Baugewerbe und den öffentlichen Dienstleistungen hingegen ist die
Produktivität in allen Kreisen im Revier auf vergleichbarem Niveau.

⁸ Im Gegensatz zur Berichtung einzelner Branchen (entsprechen Gliederungsebene „Abteilungen“ in der Klassifikation
 der Wirtschaftszweige) sind Wirtschaftszweige hier der Übersicht halber in aggregierter Form dargestellt.

                                                                                                                      18
200

180

160

140

120

100

 80

 60

 40

 20

  0
          Kreis            Kreis            Kreis         Rhein-Erft-      Rhein-Kreis     Städteregion     Mönchen-           NRW
          Düren          Euskirchen       Heinsberg         Kreis            Neuss            Aachen        gladbach

      Land - und Forstwirtschaft, Fischerei                 Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation
      Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden;          Finanz-, Versicheurungs- und Unternehmensdiensleistungen;
      Energie und Wasserversorgung; Enstsorgung             Grundsstük- und Wohnungswesen
      Baugewerbe                                            Öffentliche und sonstige Dienstleister; Erziehung und Gesundheit,
                                                            Private Haushalte und Hauspersonal
      Weiterverabreitendes Gewerbe

Abb. 12: Produktivität; Bruttowertschöpfung je Arbeitsstunde nach Wirtschaftszweig. Quelle: AK
VGRdL

       Kreis Düren                                    Kreis Heinsberg                                 Rhein-Kreis Neuss
             1% 3%                                            1% 3%                                           0% 10%
                                                                                                      16%
23%                                              25%
                        20%                                               19%

                                                                                                                             24%
                            6%                                                  9%              23%

                                                                                                                        4%
                        13%                       26%
34%                                                                      17%
                                                                                                             23%

  Kreis Euskirchen                                    Rhein-Erft-Kreis                              Städteregion Aachen
             1% 3%                                            1%    10%                                      0% 5%
                                                    18%
27%                      21%                                                                      28%                    20%
                                                                               16%

                            7%                                                                                               4%
                                              21%                              5%

23%                                                                                                                    19%
                      18%                                                                             24%
                                                                   29%

 Mönchengladbach                                            NRW                          Land- und Forstwirtschaft
             0% 4%                                            1% 4%                      Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden;
                      15%                           23%                                  Energie und Wasserversorgung; Entsorgung
27%                                                                       20%
                                                                                         Weiterverabreitendes Gewerbe
                            5%
                                                                                4%
                                                                                         Baugewerbe

                                                                                         Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe,
                                                                                         Information und Kommunikation
                         22%                    26%
27%                                                                       22%
                                                                                         Finanz-, Versicherungs- und
                                                                                         Unternehmensdiensleistungen;
                                                                                         Grundstük- und Wohnungswesen

                                                                                         Öffentliche und sonstige Dienstleister;
                                                                                         Erziehung und Gesundheit, Private Haushalte
                                                                                         und Hauspersonal

Abb. 13: Bruttowertschöpfungsanteile nach Wirtschaftszweig. Quelle: AK VGRdL
                                                                                                                                        19
Auch hinsichtlich der Bruttowertschöpfung, dargestellt in Abbildung 13, zeigen sich deutliche
Unterschiede in der Bedeutung der Wirtschaftszweige innerhalb des Reviers. Analog zu der
bereits dargestellten sehr hohen Produktivität spielen Bergbau und Energiegewinnung auch
bezüglich der Wertschöpfung eine außergewöhnlich wichtige Rolle. So ist der Anteil dieses
Wirtschaftszweiges an der Gesamtwertschöpfung im Rhein-Kreis Neuss und im Rhein-Erft-
Kreis circa 10 %, was sowohl die anderen Kreise als auch den Landesdurchschnitt deutlich
übertrifft. Knapp unter dem Landesdurchschnitt liegen die Kreise Düren, Heinsberg und
Euskirchen mit jeweils etwa 3 % Anteil.

Die historisch bedingte, komplementäre Entwicklung von Bergbau, Energiegewinnung und
verarbeitendem Gewerbe ist zumindest in Teilen noch gut sichtbar. Der Anteil von Letzterem
an der Bruttowertschöpfung liegt im Rhein-Kreis Neuss bei knapp einem Viertel, in den
meisten anderen Kreisen bei immerhin 20 %, was in etwa dem Schnitt des (Industrie-)
Landes NRW entspricht. Geringer ist die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes im Rhein-
Erft-Kreis (16 %) und in der Stadt Mönchengladbach (15 %). Der eher niedrige Wert in der
ehemaligen Hochburg der Textilindustrie verdeutlicht noch einmal, welche weitreichenden
Auswirkungen der Strukturwandel in einer Region haben kann.

Die   Anteile     aller   Dienstleistungen        an    der    Bruttowertschöpfung           stellen    sich   in
entgegengesetzter Weise zu Bergbau und verarbeitendem Gewerbe dar. Erwähnenswert
sind noch einige regionale Besonderheiten: So spielen „Handel, Verkehr und Lagerei,
Gastgewerbe, Information und Kommunikation“ eine besonders wichtige Rolle im Rhein-
Erft-Kreis mit fast 30 %. „Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleistungen;
Grundstücks- und Wohnungswesen“ sind im Kreis Düren stark ausgeprägt. Das Baugewerbe
im Kreis Heinsberg macht etwa 9 % der Wertschöpfung aus, mehr als doppelt so viel wie
im Landesschnitt.

Öffentliche Dienstleistungen und solche in Privathaushalten, im Bereich Erziehung oder
Gesundheit sind in fast allen Kreisen des Reviers für etwa ein Viertel der Bruttowertschöpfung
verantwortlich. Deutlich niedriger ist dieser Anteil nur im Rhein-Kreis Neuss und im Rhein-
Erft-Kreis, wo sich die dominante Position des verarbeitenden Gewerbes bemerkbar
macht. Land- und Forstwirtschaft und Fischerei spielen – wie in den meisten entwickelten
Volkswirtschaften – auch im Rheinischen Revier eine eher untergeordnete Rolle. Der Anteil
an der Bruttowertschöpfung beträgt höchstens 1 %, was auch dem Landeschnitt entspricht.

Zur genauen Abbildung der regionalen Stärken und der sehr heterogenen Wirtschaftsstruktur
im Rheinischen Revier werden im Folgenden die Lokalisationsquotienten (LQ) auf Kreisebene
nochmals gesondert betrachtet. In Abbildung 14 sind die Top 5 der Lokalisationsquotienten
derjenigen industriellen Branchen dargestellt, deren absolute Beschäftigtenzahl mehr als 500
Personen beträgt.⁹

⁹ Diese Daten können aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen lückenhaft sein. Insbesondere wenn einzelne
 Unternehmen in einer speziellen Branche alleinig tätig sind, kann dies auf lokaler Ebene nicht abgebildet werden.
 So findet der Bereich „Kohlenbergbau“ der Abbildung zufolge im Rheinischen Revier überhaupt nicht statt. Auch
 die damit zusammenhängende Erbringung von Dienstleistungen lässt sich teilweise nicht zuordnen.

                                                                                                                     20
Die lokale Bedeutsamkeit einzelner Branchen wird darin gut verdeutlicht. So wird die
äußerst hohe Relevanz der Papierindustrie im Kreis Düren erst deutlich bei der lokalen
Betrachtung - der Lokalisationsquotienten liegt hier über 15.¹⁰ Immer noch stark, wenn auch
nicht ganz in diesem Ausmaß, ist der Kreis Düren bei der Herstellung von Textilien.

Im Kreis Heinsberg findet sich ein recht ausgeglichenes Bild der größeren Branchen, mit
leichtem Schwerpunkt auf der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln, von Gummi-
und Kunststoffwaren waren sowie im Maschinenbau.¹¹

¹⁰ G egenüber einem Wert von 2,9 für das gesamte Rheinische Revier.
¹¹ Die größte regionale Stärke des Kreises Heinsberg im Sinne dieser Statistik ist interessanterweise die Herstellung
  von Leder, Lederwaren und Schuhen. Hier liegt der LQ bei über 5, was den Kreis Heinsberg bei Betrachtung der
  anderen Kreise als unangefochtenes Zentrum dieses Industriezweiges im Rheinischen Revier erscheinen lässt.
  Da die absolute Beschäftigung allerdings deutlich unter 500 Personen liegt, ist diese Branche nicht in der Grafik
  abgebildet.

                                                                                                                         21
und Beseitigung
                                                                                                                                         von Abfällen;
                                                                                                                                        Rückgewinnung

                                          Kreis Düren                                                                             Kreis Heinsberg
16,0                                                                                           2,0
14,0                                                                                           1,8
12,0                                                                                           1,6
10,0                                                                                           1,4
                                                                                               1,2
 8,0                                                                                           1,0
 6,0                                                                                           0,8
 4,0                                                                                           0,6
 2,0                                                                                           0,4
                                                                                               0,2
 0,0
          Herstellung     Herstellung       Sammlung,         Herstellung       Herstellung    0,0
                                                                                                       Herstellung     Herstellung         Maschi-          Sammlung,          Herstellung
          von Papier,     von Textilien     Behandlung       von Gummi-       von chemischen         von Nahrungs-     von Gummi-          nenbau           Behandlung        von Metaller-
          Pappe und                       und Beseitigung   und Kunststoff-     Erzeugnissen                und        und Kunststoff-                      und Beseitigung      zeugnissen
         Waren daraus                      von Abfällen;        waren                                 Futtermitteln       waren                            von Abfällen;
                                          Rückgewinnung       Sammlung,                                                                                   Rückgewinnung
                                                              Behandlung
                                                            und Beseitigung
                                                             von Abfällen;
                                                            Rückgewinnung

                                      Kreis Euskirchen                                                                            Rhein-Erft-Kreis
                                                                                               4,0
12,0
                                                                                               3,5
10,0                                                                                           3,0
                                                                                               2,5
 8,0                                                                                           2,0
                                                                                               1,5
 6,0
                                                                                               1,0
 4,0                                                                                           0,5
                                                                                               0,0
 2,0                                                                                                   Herstellung      Sammlung,        Herstellung         Herstellung      Herstellung
                                                                                                     von chemischen   Behandlung und    von Nahrungs-       von Glas und      von Gummi-
                                                                                                      Erzeugnissen    Beseitigung von     und Futter-     Glaswaren, Kera-        und
 0,0                                                                                                                     Abfällen;          mitteln       mik, Verarbeitung      Kunst-
          Herstellung      Herstellung   Herstellung      Herstellung           Herstellung                           Rückgewinnung                       von Steinen und      stoffwaren
       von Papier, Pappe von chemischen von Nahrungs-     von Gummi-           von Metaller-                                                                    Erden
       und Waren daraus   Erzeugnissen und Futtermitteln und Kunststoff-         zeugnissen
                                                             waren

                                                                                                                                                                                              22
Städteregion Aachen                                                                  Rhein-Kreis Neuss
2,0                                                                               5,0
1,8                                                                               4,5
1,6                                                                               4,0
1,4                                                                               3,5
1,2                                                                               3,0
1,0                                                                               2,5
0,8                                                                               2,0
0,6                                                                               1,5
0,4                                                                               1,0
0,2                                                                               0,5
0,0                                                                               0,0
       Herstellung    Herstellung   Herstellung  Herstellung   Herstellung                Metaller-     Herstellung    Herstellung     Sammlung,   Herstellung
      von sonstigen von Drucker-    von Gummi- von Nahrungs- von Glas und               zeugung und        von         von Papier,    Behandlung   von Gummi-
         Waren        zeugnissen;       und          und       Glaswaren,               -bearbeitung    chemischen     Pappe und      und Beseiti-     und
                   Vervielfältigung Kunststoff-  Futtermitteln    Keramik,                              Erzeugnissen   Waren daraus      gung von    Kunststoff-
                    von bespielten     waren                  Verarbeitung                                                              Abfällen;     waren
                    Ton-, Bild- und                            von Steinen                                                           Rückgewinnung
                     Datenträgern                               und Erden

                     Stadt Mönchengladbach
6,0
1,8
1,6
1,2
0,8
0,4
0,0
       Herstellung   Herstellung     Herstellung    Herstellung    Maschinenbau
                                                                                  Abb. 14: Top 5 der Lokalisationsquotienten auf Kreisebene der
          von           von         von Drucker-         von
       Bekleidung     Textilien      zeugnissen;    elektrischen                  industriellen Branchen mit über 500 Beschäftigten. Branchen
                                   Vervielfältigung   Ausrüs-
                                   von bespielten      tungen                     ein Abteilungsebene in der Klassifikation der Wirtschaftszweige.
                                   Ton-, Bild- und
                                    Datenträgern                                  Quelle: Sonderauswertung BA, 2021, eigene Berechnungen

                                                                                                                                                                 23
Die Herstellung von Papier, Pappe und Waren daraus ist für den Kreis Euskirchen fast
gleichermaßen wichtig wie für den Kreis Düren.¹²

Im Rhein-Erft-Kreis ist nicht nur die Braunkohle, sondern auch die daraus hervorgegangene
Herstellung von chemischen Erzeugnissen von großer Bedeutung mit einem LQ von 3,67.
Weitere bedeutende Industrien sind das Recycling und die Herstellung von Nahrungs- und
Futtermitteln.¹³

Ein ähnlich hoher Wert in diesem Bereich wird ansonsten nur im Rhein-Kreis Neuss erreicht.
Hier sind zudem die Metallerzeugung- und -bearbeitung mit einem LQ von 4,29 und die
Papierherstellung mit einem LQ von 2,38 besonders ausgeprägt. Auch Abfallwirtschaft und
Kunststoffherstellung sind überproportional stark vertreten. Die traditionell bedeutsame
Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln ist zwar ebenfalls überdurchschnittlich
wichtig, fällt mit einem LQ von 1,19 aber knapp aus dem Ranking.

Die Städteregion Aachen ist industriell geprägt durch die Herstellung von Druckerzeugnissen
und von Gummi- und Kunststoffwaren, Nahrungs- und Futtermitteln oder Glas und
Glaswaren.¹⁴

Die Stadt Mönchengladbach ist traditioneller Industriestandort, insbesondere der
Textilindustrie. Die Herstellung von Textilien als auch von Bekleidung ist nach wie vor
überdurchschnittlich relevant – trotz eines langen Strukturwandels in dieser Branche. Auch
das Ergebnis dieses Prozesses lässt sich gut in den Daten ablesen: Die Lokalisationsquotienten
in diversen Dienstleistungen für Unternehmen, aber auch im Sport oder im Verkehrsbereich
sind besonders hoch.

¹² Relativ hoch ist der LQ auch im Bereich „Bibliotheken, Archive, Museen, botanische und zoologische Gärten“,
  der aber eher unternehmensfern geprägt ist. Weiterhin überdurchschnittlich rangieren hier Veterinärwesen
  und „Forstwirtschaft und Holzeinschlag“, was den eher ländlichen Charakter des Kreises unterstreicht. Als nicht
  industrielle Branchen mit zudem recht geringer Beschäftigtenenzahlen sind diese hier nicht aufgeführt.
¹³ Weiterhin macht sich die Nähe zur Medienstadt Köln bemerkbar, etwa im hohen Anteil der Filmproduktion, der
  Telekommunikation oder der „Erbringung von Dienstleistungen des Sports, der Unterhaltung und der Erholung“.
¹⁴ Darüber hinaus macht sich die Hochschule bemerkbar: zum einen direkt, etwa in einem hohen Beschäftigtenanteil
  in Forschung und Entwicklung. Zudem aber auch indirekt in Bereichen, die eng mit dem Hochschulstandort
  zusammenhängen, wie der Erbringung von Dienstleistungen der Informationstechnologie oder im Vorhandensein
  von Architektur- und Ingenieurbüros. Diese nicht industriellen Branchen sind hier nicht näher aufgeführt.

                                                                                                                    24
4         FAZIT

W     ie anhand der verschiedenen Indikatoren dargelegt, ist das Rheinische Revier in seiner
      Wirtschaftsstruktur sehr heterogen. Entsprechend ausgeprägt sind die Unterschiede
in Branchen und in der Beschäftigtenstruktur. Gerade die Betrachtung der einzelnen Städte
und Kreise macht weiterhin deutlich, wie sehr der Wohlstand des Reviers und seinen
Bewohnern abhängt von einzelnen (Industrie-)Zweigen. Neben dem Bergbau prägen vor
allem Industrien die Region, aber auch Landwirtwirt oder Handwerk sind vielfach präsent,
ganz abgesehen von der renommierten Forschungslandschaft.

Die wirtschaftliche Vielfalt ist eine gute Voraussetzung für einen erfolgreichen
Strukturwandel. Es gilt, dieses umfassende Potential zu nutzen. Insbesondere gilt es, die
Schlüsselindustrien, die für viele Menschen die Existenzgrundlage darstellen, zu stärken.
Dies stellt nicht zuletzt auch eine politische Herausforderung dar, denn das bedeutet,
dass nicht jede Fördermaßnahme jederzeit und in gleichem Maße allen Teilen des Reviers
zugutekommen wird. Diese Tatsache allen Stakeholdern offen zu kommunizieren, wird
entscheidend sein für die Akzeptanz und damit den Erfolg des Strukturwandels. Nur
zusammen kann das Revier diese Herausforderung erfolgreich bewältigen.

Auch die Unternehmensstruktur muss berücksichtigt werden. Zwar gibt es durchaus erfolgreiche
Großunternehmen, doch vielfach ist die Unternehmenslandschaft klein und mittelständisch
geprägt. Diese Tatsache impliziert, dass Förderprogramme unbürokratisch und niedrigschwellig
gestaltet sein müssen. Kleine und mittelständische Unternehmen sind oft nicht in der Lage,
komplizierte oder langwierige Förderverfahren zu durchlaufen. Dabei sind gerade diese
Unternehmen besonders wertvoll für die Transformation des Rheinischen Reviers.

Neben der Struktur der Unternehmen ist auch die Struktur der Beschäftigung zu
berücksichtigen: Wie oben dargestellt, ist der Anteil derjenigen ohne Berufsabschluss im
gesamten Rheinischen Revier besonders hoch im Vergleich mit Bund und Land. Hieraus
folgen weitere sinnvolle Schwerpunkte einer bedarfsgerechten Förderung: Ausbildung,
Fortbildung, Weiterbildung!

Letztlich ergeben sich Implikationen für die Ausgestaltung einer zukünftig immer wichtiger
werdenden Klimaschutzpolitik. Im Rheinischen Revier findet sich eine strukturelle Verbindung
von export- und energieintensiven Industrien. Diese Verbindung birgt ein hohes Risiko, dass
Wertschöpfung und Arbeitsplätze verloren gehen infolge regulatorischer und internationaler
Entwicklungen. Diese besondere Exponiertheit des Reviers gilt es bei der Transformation zu
einer klimaneutralen Wirtschaft zu berücksichtigen. Denn eines ist jetzt bereits klar: Nur,
wenn das Rheinische Revier innovative und leistungsstarke Industrieregion bleibt, kann
es seinem Anspruch als Modellregion auch gerecht werden. Nur wenn Kohleausstieg und
Prosperität Hand in Hand gehen, wird das Vorgehen weltweit Nachahmer finden und so
einen entscheidenden Beitrag zum globalen Klimaschutz leisten können.

                                                                                               25
Quellen:

�   Frontier economics (2018). Die Bedeutung des Wertschöpfungsfaktors Energie in den
Regionen Aachen, Köln und Mittlerer Niederrhein. Studie im Auftrag der IHK MNR.

� IAB Nordrhein-Westfalen (2020). Die Braunkohlebranchen des Rheinischen Reviers und der
Tagebaukreise. IAB-REGIONAL, Nürnberg.

� Prognos (2021). Wirtschaft und Industrie im Rheinischen Revier. Status quo und Potenziale –
Daten und Karten. Studie im Auftrag der Zukunftsagentur Rheinisches Revier

�   Bruttoinlandsprodukt (2021), Bruttowertschöpfung in den Ländern der Bundesrepublik
Deutschland 1991 bis 2020, Reihe 1, Länderergebnisse Band 1

� Goetz, A. R. (2011). The global economic crisis, investment in transport infrastructure, and
economic development. Transportation and Economic Development Challenges, 53.

� Meersman, H., & Nazemzadeh, M. (2017). The contribution of transport infrastructure to
economic activity: The case of Belgium. Case Studies on Transport Policy, 5(2), 316-324.

� Bersch, Johannes; Gottschalk, Sandra; Müller, Bettina; Wagner, Simona; Weiß, Anna (2016):
Unternehmensdynamik in der Wissenswirtschaft in Deutschland 2014: Gründungen und
Schließungen von Unternehmen, Gründungsdynamik in den Bundesländern, internationaler
Vergleich, Akquisition von jungen Unternehmen als Innovationsstrategie, Studien zum deutschen
Innovationssystem, No. 3-2016, Expertenkommission Forschung und Innovation(EFI), Berlin

                                                                                                 26
ZUKUNFTSAGENTUR RHEINISCHES REVIER
Karl-Heinz-Beckurts-Straße 13
52428 Jülich

Telefon: 02461 690-180
Telefax: 02461 690-189

zukunftsagentur@rheinisches-revier.de
www.rheinisches-revier.de

Social Media: Zukunftsagentur
Sie können auch lesen