Wissenschaftliche Begründung der STIKO zur Empfehlung zur 2. COVID-19-Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff für besonders gesundheitlich ...
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Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 41 Wissenschaftliche Begründung der STIKO zur Empfehlung zur 2. COVID-19-Auffrischimpfung mit einem mRNA- Impfstoff für besonders gesundheitlich gefährdete bzw. exponierte Personengruppen 1. Hintergrund 1. Auffrischimpfung bei 1,7 Mio. der ≥ 60-Jährigen Die STIKO empfiehlt seit Ende September 2021 Per- bereits 90 Tage oder länger zurück; das sind etwa sonen mit einer Immundefizienz (ID) und seit 10 % der bis dahin geimpften ≥ 60-Jährigen. Eine Ende Oktober 2021 Personen im Alter von ≥ 70 Jah- weitere Altersstratifizierung der Analyse ist nicht ren, BewohnerInnen und Betreuten in Einrichtun- möglich (https://impfdashboard.de/). gen der Pflege und Personal in medizinischen Ein- richtungen mit direktem PatientInnenkontakt eine Besonders gefährdet, schwer an COVID-19 zu er- Auffrischimpfung nach abgeschlossener Grundim- kranken und zu versterben, sind BewohnerInnen in munisierung (11. Aktualisierung und 12. Aktualisie- Pflegeinrichtungen.9 Eine israelische Studie10 zeig- rung der Coronavirus Disease 2019-(COVID-19-) te, dass bereits kurz nach Beginn der 1. Auffrisch Impfempfehlung). Eine Auffrischimpfung wurde impfkampagne in Israel die Zahl der SARS-CoV-2- zunächst denjenigen Personen empfohlen, die auf- Infektionen sowie schwere COVID-19-Erkrankun- grund ihrer Gefährdung für einen schweren gen bei BewohnerInnen von Altenpflegeheimen COVID-19-Verlauf seit Dezember 2020 gemäß der signifikant um 70 – 80 % zurückgegangen sind und damaligen Priorisierungsempfehlung der STIKO der Effekt größer war als bei Gleichaltrigen in der als erste eine Grundimmunisierung erhalten hat- Allgemeinbevölkerung. Neuere Untersuchungen ten. Mit dem Ziel, die Transmission von Severe aus dem Vereinigten Königreich und den USA zei- Acute Respiratory Syndrome Coronavirus Type 2 gen jedoch, dass der Impfschutz gegenüber symp- (SARS-CoV-2) in der Bevölkerung weiter zu redu tomatischen SARS-CoV-2-Infektionen durch die zieren, wurde die Empfehlung zur Auffrischimp- Omikron-Variante mit zunehmendem zeitlichem fung Ende November 2021 auf alle Personen Abstand zur Auffrischimpfung abnimmt.11 – 13 ≥ 18 Jahre (14. Aktualisierung) ausgeweitet. Um die Transmission der sich seit Ende November 2021 Daher hat die STIKO geprüft, ob für bestimmte Per- rasch ausbreitenden Omikron-Variante zu reduzie- sonengruppen eine erneute Auffrischimpfung emp- ren, wurde in Anbetracht der geringeren Schutzwir- fohlen werden soll. In einigen Ländern (wie z. B. kung und -dauer der COVID-19-Grundimmunisie- Israel,14 Chile und Dänemark) wurde mit weiteren rung gegenüber der Omikron-Variante1–8 der Min- Auffrischimpfungen in bestimmten Bevölkerungs- destabstand für die Auffrischimpfung von 5 – 6 auf gruppen oder bei allen Personen ≥ 18 Jahre bereits 3 Monate im Dezember 2021 verkürzt (16. Aktuali- begonnen. sierung). Ziel einer weiteren Auffrischimpfung für besonders Mit den ersten Auffrischimpfungen wurde in gesundheitlich gefährdete Personengruppen ist der Deutschland im Sommer 2021 begonnen, als die Schutz vor schweren Verläufen und Tod durch Grundimmunisierung der ersten in Deutschland COVID-19. Obgleich die Infektion mit der Omi geimpften Personen schon mehr als 6 Monate zu- kron-Variante seltener zu schweren COVID-19- rücklag. Bis zum 09.02.2022 haben 45,5 Mio. Per- Verläufen führt,15 – 17 kann die beträchtliche Zunah- sonen eine Auffrischimpfung bekommen; darunter me an Infektionen trotzdem zu einem Anstieg der waren 18,2 Mio. (40 %) ≥ 60 Jahre alt. Das sind Hospitalisierungen führen; der Schweregrad der Er- 75,6 % der 24,1 Mio. ≥ 60-Jährigen in Deutschland. krankung von hospitalisierten PatientInnen mit Bis Ende Januar 2022 lag die Verabreichung der Omikron-Infektion ist mit dem von Nicht-Omikron-
Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 42 Infektionen vergleichbar.17 Ebenso sind bei einer men die Fallzahlen wieder deutlich zu und die 5. In- starken Zunahme von Infektionen bei medizini- fektionswelle hat begonnen. Diese Zunahme ist schem Personal aufgrund der damit verbundenen ganz vorwiegend der Ausbreitung der Omikron- umfangreichen Isolations- und Quarantänemaß- Variante zuzuschreiben. Die 7-Tagesinzidenz betrug nahmen Versorgungsengpässe in den Krankenhäu- am 10.02.2022 deutschlandweit 1.465,4 Fälle/ sern vorstellbar.18 Mit einer 2. Auffrischimpfung für 100.000. Die Werte für die 7-Tageinzidenz in den Personal in medizinischen und pflegerischen Ein- Bundesländern lagen zwischen 863,1 in Schleswig- richtungen, insbesondere bei solchen mit PatientIn- Holstein und 1.817,5/100.000 in Bayern.20 Der An- nenkontakt, könnte zum einen ein erhöhter indivi- teil der Omikron-Variante am SARS-CoV-2-Infek dueller Schutz bei besonders hohem Expositions tionsgeschehen in Deutschland lag in der Melde risiko und zum anderen die Aufrechterhaltung der woche (MW) 03/2022 bei 95,5 %. Dabei sind die medizinischen Versorgung erzielt werden. Durch regionalen Unterschiede groß: in Mecklenburg- die Verhinderung eines Teiles der Infektionen nach Vorpommern betrug der Anteil nur 21,4 %, in Nie- 2. Auffrischimpfung wird es auch zu einer Vermin- dersachsen 99,0 %. Insgesamt nimmt der Anteil derung der Virustransmissionen kommen.19 Ge- der Omikron-Variante am SARS-CoV-2-Infektions- naue Angaben zum quantitativen Effekt sind aller- geschehen rasant zu; laut den Meldedaten ist der dings derzeit nicht sicher möglich. Anteil seit Anfang Januar von 73,3 % (MW 01/2022) auf 95,5 % (Woche 03/2022) angestiegen.21 2. Epidemiologie von COVID-19, Als Marker für die Krankheitsschwere kann der An- Impfdurchbrüche und Impfquoten teil der hospitalisierten Fälle an allen übermittelten in Deutschland SARS-CoV-2-Infektionen betrachtet werden (s. Abb. 1). Das Maximum der 4. Infektionswelle (Deltawelle) Bei der Interpretation der Daten muss jedoch be- wurde am 29.11.2021 mit einer 7-Tageinzidenz von rücksichtigt werden, dass in den Infektionsschutz- 452,4/100.000 Einwohner erreicht. Die Fallzahlen gesetz-(IfSG-)Meldezahlen nicht nur Fälle gezählt gingen bis zum 29.12.2021 auf eine 7-Tagesinzidenz werden, die aufgrund einer COVID-19-Erkrankung von 202,5/100.000 zurück. Seit Anfang 2022 neh- stationär behandelt wurden, sondern auch PatientIn COVID-19-Hospitalisierungen/100.000 100 100 100 100 0‐Jährige 1‐4‐Jährige 5‐11‐Jährige 12‐17‐Jährige 1‐4‐Jährige 0‐Jährige 0-Jährige 18‐59‐Jährige 60‐69‐Jähr 18 – 59-Jährige 5‐11‐Jährige 90 90 100 0‐Jährige 90 1‐4‐Jährige 100 5‐11‐Jährige 12‐17‐Jährige 0‐Jährige 90 18‐59‐Jährige 1‐4‐Jährige 1 – 4-Jährige 60‐69‐Jährige 5‐11‐Jährige 60 – 69-Jährige 70‐79‐Jähr 12‐17‐Jährige 80 80 1‐4‐Jährige100 5‐11‐Jährige 12‐17‐Jährige 0‐Jährige90 18‐59‐Jährige 1‐4‐Jährige 60‐69‐Jährige 5‐11‐Jährige 5 – 11-Jährige 70‐79‐Jährige 12‐17‐Jährige 70 – 79-Jährige 80+‐Jährig 18‐59‐Jährige COVID-19-Hospitalisierungen/100.000 70 70 5‐11‐Jährige 80 12‐17‐Jährige 0‐Jährige 90 18‐59‐Jährige 1‐4‐Jährige 80 60‐69‐Jährige 5‐11‐Jährige 70‐79‐Jährige 12‐17‐Jährige 12 – 17-Jährige 80+‐Jährige 18‐59‐Jährige 80+-Jährige 60‐69‐Jährige 60 60 80 COVID‐19‐Hospitalisierungen/100.000 90 COVID‐19‐Hospitalisierungen/100.000 70 50 50 70 80 COVID‐19‐Hospitalisierungen/100.000 80 40 40 70 COVID‐19‐Hospitalisierungen/100.000 60 60 30 30 70 COVID‐19‐Hospitalisierungen/100.000 70 20 20 60 50 50 10 10 60 60 50 00 40 10 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 01 03 05 07 09 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 33 35 37 39 41 43 45 47 49 51 14 18 22 50 26 30 34 38 42 46 50 01 05 4009 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 11 3 55 Meldewochen 2020 und 2021 50 40 Meldewochen 2020 – 2022 30 30 Abb. 1 | Inzidenz der 40 übermittelten COVID-19-Hospitalisierungen nach Meldewoche (MW) und Altersgruppe für den Zeitraum 40 MW 10/2020 – MW 05/2022 (Stand: 09.02.2022) 30 (Es zeigt sich in der Omikron-Welle bei den < 1-Jährigen ein deutlicher Anstieg der 20 Hospitalisierungsinzidenz. Die Fallzahl in dieser Altersgruppe 20 ist während der Omikron-Welle sehr hoch, der Anteil der 30 Hospitalisierungen jedoch geringer als im Pandemiejahr 2021; Daten hier nicht gezeigt) 30 20 10 10 20 20 10 0 0 10
Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 43 nen, bei denen im Rahmen der stationären Aufnah- COVID-19-Fällen ohne Hospitalisierung, die bereits me oder Behandlung eine SARS-CoV-2-Infektion eine Auffrischimpfung erhalten hatten, muss vor nachgewiesen wurde. Dadurch wird die Hospitali- dem Hintergrund der inzwischen hohen Auffrisch sierungsrate infolge einer SARS-CoV-2-Infektion impfquote und dem nachlassenden Impfschutz vor überschätzt. Vergleicht man den zeitlichen Verlauf Omikron-Infektionen betrachtet werden. Die Auf der COVID-19-Hopitalisierungsinzidenz im Beob- frischimpfquote für die ab 18-Jährigen liegt bei achtungszeitraum von Beginn der Pandemie im 64,7 %, für die ab 60-Jährigen bei 76,2 %) März 2020 bis Mitte Januar 2022, erkennt man, (12.02.2022 https://impfdashboard.de/). dass die Inzidenz in den Infektionswellen bei den 70 – 79- und bei den ≥ 80-Jährigen im gesamten In der MW 04/2022 wurden 14,9 von 100.000 un- Zeitraum am höchsten war und deutlich über der geimpften Personen in der Altersgruppe der der jüngeren Altersgruppen lag. Nach dem Maxi- ≥ 60-Jährigen mit einer SARS-CoV-2-Infektion hos- mum der Delta-Welle, das Ende November 2021 er- pitalisiert, 4,1 von 100.000 grundimmunisierten reicht wurde, gingen die Hospitalisierungen konti- Personen und 1,3 von 100.000 Personen, die bereits nuierlich zurück. Ein Wiederanstieg von schweren eine 1. Auffrischimpfung erhalten hatten23 (Inziden- COVID-19-Erkrankungen durch die aktuell zirkulie- zen lassen sich aufgrund fehlender altersspezifi- rende Omikron-Variante zeichnet sich seit Mitte scher Impfquoten nicht selektiv für die ≥ 70-Jähri- Januar 2022 in den Altersgruppen der 70 – 79-Jäh- gen angeben). rigen und den ≥ 80-Jährigen ab. Die besondere Ge- fährdung der alten Menschen wird auch deutlich, Mit der sogenannten Screening-Methode nach Far- wenn man die Zahl der Todesfälle betrachtet. Von rington24 kann die Impfeffektivität (VE) abgeschätzt den bis Anfang Februar 2022 > 100.000 als werden, indem man den Anteil Geimpfter unter COVID-19-bedingt übermittelten Todesfällen entfie- den COVID-19-Fällen (Impfdurchbrüche) mit dem len > 84 % auf die ≥ 70-Jährigen. Anteil Geimpfter in der Bevölkerung vergleicht. Wird die Screening-Methode im Rahmen eines Bei 86 % der symptomatischen SARS-CoV-2-Infek- Poisson-Regressionsmodell angewendet, können tionsfälle, die seit der MW 05/2021 gemäß IfSG an zudem 95 %-Konfidenzintervalle für die VE-Schät- das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt wurden, zer ermittelt werden. In Tabelle 2 sind die mittels ist der Impfstatus bekannt. In den letzten 4 Wochen Poisson-Regression berechneten Impfeffektivitäten (MW 02 – 05/2022) wurden in der Altersgruppe der zur Verhinderung einer symptomatischen SARS- ≥ 70-Jährigen 10.155 symptomatische Fälle übermit- CoV-2-Infektion und einer COVID-19-assoziierten telt, deren Impfstatus bekannt ist und die als un- Hospitalisierung für die ≥ 60-Jährigen zusammen- geimpft, grundimmunisiert und aufgefrischt klassi- gestellt. Eine spezifische Analyse für die ≥ 70-Jähri- fiziert werden konnten (s. Tab. 1).22 Knapp ein Drittel gen ist wie schon bei o. g. Analysen aufgrund der (29,2 %) der aufgrund von COVID-19 hospitalisier- fehlenden altersspezifischen Impfquoten für diese ten PatientInnen in dieser Altersgruppe hatte be- Altersgruppe nicht möglich. Der betrachtete Zeit- reits eine 1. Auffrischimpfung erhalten (s. Tab. 1). raum wurde auf die MW 52/2021 – 04/2022 einge- Der hohe Anteil (54,1 %) an symptomatischen grenzt, um die Wirksamkeit zur Verhinderung einer COVID-19-Verlauf Fälle insgesamt ungeimpft grundimmunisiert mit 1. Auffrischimpfung COVID-19-Fälle 10.155 2.745 (27,0 %) 1.914 (18,8 %) 5.496 (54,1 %) Hospitalisierte COVID-19-Fälle 1.250 656 (52,5 %) 229 (18,3 %) 365 (29,2 %) Auf Intensivstation betreute 140 96 (68,6 %) 24 (17,1 %) 20 (14,3 %) COVID-19-Fälle Verstorbene COVID-19-Fälle 279 173 (62,0 %) 45 (16,1 %) 61 (21,9 %) Tab. 1 | Impfstatus der Personen ab 70 Jahren mit symptomatischen SARS-CoV-2-Infektionen in MW 02 – 05/2022 nach Krank- heitsschwere (Datenstand 08.02.2022)
Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 44 Zeitlicher Abstand zur 1. Auffrischimpfung ≥ 60 Jahre Symptomatische SARS-CoV-2-Infektion N (Fälle) VE (95 % KI) Ungeimpft 12.484 Referenzgruppe < 1 Monat 4.467 85,4 (84,9; 85,9) 1 bis < 2 Monate 7.983 79,8 (79,3; 80,4) 2 bis < 3 Monate 2.407 76,8 (75,8; 77,8) ≥ 3 Monate 1.617 62,6 (60,6; 64,5) COVID-19-assoziierte Hospitalisierung Ungeimpft 2.153 Referenzgruppe < 1 Monat 151 97,5 (97,0; 97,9) 1 bis < 2 Monate 225 96,3 (95,8; 96,8) 2 bis < 3 Monate 107 92,8 (91,2; 94,1) ≥ 3 Monate 129 80,3 (76,5; 83,6) Tab. 2 | Wirksamkeit der 1. COVID-19-Auffrischimpfung bei ≥ 60-Jährigen gegenüber sympto- matischer COVID-19-Erkrankung und COVID-19-assoziierter Hospitalisierung im Zeitverlauf (Datenstand 08.02.2022). VE = Impfeffektivität; KI = Konfidenzintervall Omikron-bedingten Infektion bzw. Hospitalisie- Das Register der Deutschen Interdisziplinären Ver- rung möglichst verlässlich abzubilden. Die VE zur einigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) Verhinderung einer symptomatischen SARS-CoV-2- gibt täglich einen Überblick über die Fallzahlen Infektion nimmt von 85,4 % ab 1 Monat nach Verab- intensivmedizinisch behandelter COVID-19- reichung der 1. Auffrischimpfung auf 62,6 % nach PatientInnen (https://www.divi.de/). Seit Anfang mehr als 3 Monaten ab. Zur Verhinderung einer Dezember 2021 waren die PatientInnenzahlen, COVID-19-assoziierten Hospitalisierung reduziert nach einem Maximum von 4.917 gleichzeitig inten- sich die Effektivität im selben Zeitraum von 97,5 % sivmedizinisch behandelten COVID-19-PatientIn- auf 80,3 %. Auch wenn keine weitere Differenzie- nen während der Delta-Welle, bis Ende Januar kon- rung des altersspezifischen Impfschutzes möglich tinuierlich auf knapp 2.200 simultaner Behand- ist, kann aufgrund der Immunseneszenz vermutet lungsfälle zurückgegangen. Seitdem nehmen die werden, dass mit zunehmendem Alter die Schutz Fälle wieder zu. Am 10.02.2022 befanden sich 2.354 wirkung niedriger wird. Limitierend ist jedoch zu Erwachsene mit COVID-19 in intensivmedizini- beachten, dass sich in der Gruppe mit dem längsten scher Behandlung. Der Impfstatus von neu auf In- Abstand zur 1. Auffrischimpfung (≥ 3 Monate) ver- tensivstationen aufgenommenen PatientInnen wird mutlich stärker Gefährdete befinden als in den seit Mitte Dezember 2021 erhoben. Im Zeitraum Gruppen mit kürzerem Abstand und dies den Effekt vom 10.01.2022 bis zum 06.02.2022 wurde der der nachlassenden Wirksamkeit stärker aussehen Impfstatus von 4.272 COVID-19-Fällen erfasst; das lässt als er eigentlich ist. entspricht 84,8 % aller in diesem Zeitraum über- mittelten Neuaufnahmen. Von den PatientInnen Bezüglich der altersabhängigen Impfquoten in mit bekanntem Impfstatus waren 41,5 % (n = 1.772) Deutschland waren mit Stand vom 12.02.2022 ungeimpft, 13,3 % (n = 567) unvollständig geimpft, 88,4 % der ≥ 60-Jährigen vollständig geimpft und 23,4 % (n = 1.000) vollständig geimpft und 21,8 % 76.2 % hatten bereits eine 1. Auffrischimpfung er- (n = 933) aufgefrischt.22 Der Anteil der neu aufge- halten. Bei den 18 – 59-Jährigen waren 82,8 % voll- nommenen PatientInnen mit Auffrischimpfung hat ständig geimpft und 58,6 % bereits aufgefrischt. Bei innerhalb der letzten 2 Wochen deutlich zugenom- den 12 – 17-Jährigen waren 60,4 % vollständig men und ist von 11,4 % (23.01.2022)21 auf 21,8 % geimpft und 25 % hatten bereits eine 1. Auffrisch (06.02.2022) gestiegen. impfung erhalten. (https://impfdashboard.de/).
Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 45 In einer nicht-repräsentativen Stichprobe wurden in Studienergebnisse zur Schwere der COVID-19- einer Befragung von 9,6 % aller Langzeitpflegeein- Erkrankung nach Omikron-Infektion liegen aus richtungen mit vollstationärer Versorgung in Großbritannien,1,4 Kanada,32 Südafrika16,17 und den Deutschland Impfquoten der BewohnerInnen und USA15,33 vor. Die Studien schlossen zwischen 10.547 Beschäftigten erhoben.25 Der Anteil der vollständig und 52.297 Teilnehmende mit Omikron-Infektion geimpften BewohnerInnen lag bei 91 % (95 % KI: ein. Verglichen mit einer Delta-Infektion war das 90,0 – 91,1). Bei den Beschäftigten lag die Impfquote Hospitalisierungsrisiko über alle Altersgruppen bei 81 % (95 % KI: 80,6 – 81,9). Eine Impfquote und ohne Differenzierung nach Impfstatus bei < 80 % wurde in 10 % der Einrichtungen für die Be- Omikron-Infektionen um 40 – 80 % niedriger. Zu- wohnerInnen und in 45 % der Einrichtungen für die sätzlich zeigte eine US-amerikanische Studie eine Beschäftigten festgestellt. Etwa zwei Drittel der Be- Reduktion der medianen Dauer des Krankenhaus- wohnerInnen (66 %; 95 % KI: 64,8 – 66,3 %) und aufenthaltes um 70 % (entspricht einer Reduktion 35 % (95 % KI: 34,0 – 35,5) der Beschäftigten haben um 3,4 Tage).15 In zwei Studien,15,33 die diesen End- eine Auffrischimpfung erhalten. punkt untersuchten, war das Risiko für eine inten- sivmedizinische Behandlung über alle Altersgrup- pen bei einer Omikron-Infektion im Vergleich zu 3. Omikron-Variante: Übertragbarkeit einer Delta-Infektion um 67 % bzw. 83 % niedriger. und Erkrankungsschwere In diesen beiden Arbeiten wurde für das Hospitali- Die SARS-CoV-2-Omikron-Variante (B.1.1.529), die sierungsrisiko auch eine Altersstratifizierung vorge- nach Definition der Weltgesundheitsorganisation nommen. In der Altersgruppe der ≥ 65-Jährigen wa- (WHO) zu den besorgniserregenden Varianten ren Krankenhausaufnahmen aufgrund von Omi (Variants of Concern, VOC) gehört, hat sich seit dem kron-Infektionen im Vergleich zu Delta-Infektionen ersten Auftreten in Südafrika im November 2021 um 45 % bzw. 58 % reduziert. inzwischen weltweit ausgebreitet. Die Omikron- Variante hat mehrere mutationsbedingte Verände- Eine ausführliche Darstellung einiger der Studien rungen in der Rezeptorbindungsstelle des Spikepro- findet sich in Kapitel 3. „Omikron-Variante: Über- teins. Nach den bisherigen Erkenntnissen führen tragbarkeit und Erkrankungsschwere“ der wissen- diese Mutationen im Vergleich zum Wildtyp von schaftlichen Begründung der STIKO zur Empfeh- SARS-CoV-2 und den bisherigen VOC (inkl. der lung der COVID-19-Auffrischimpfung von 12 – 17- Delta-Variante) zu einer erhöhten Übertragbarkeit Jährigen mit einem mRNA-Impfstoff (17. Aktualisie- auch unter geimpften Personen.26 Gleichzeitig ist rung). die virusneutralisierende Aktivität der Antikörper von grundimmunisierten Personen oder Genese- nen, die mit anderen Varianten infiziert waren, ge- 4. Impfstoffwirksamkeit und Schutzdauer genüber der Omikron-Variante reduziert.27–31 gegen Omikron-Variante Mit dem Datenstand vom 20.01.2022 wurden in 4.1 Impfstoffwirksamkeit der 1. Auffrisch Deutschland seit Mitte November 2021 (Kalender- impfung woche 46/2021) 248.045 gemäß IfSG übermittelte COVID-19-Meldefälle der Virusvariante Omikron 4.1.1 Impfstoffwirksamkeit in der Allgemein zugeordnet. In den Altersgruppen der 15 – 34-Jähri- bevölkerung gen und 35 – 59-Jährigen wurden mit 104.977 (42 %) Daten zur Wirksamkeit der COVID-19-Grundim- und 82.883 (33 %) die meisten Fälle übermittelt. munisierung und 1. Auffrischimpfung zur Verhin- Über alle Altersgruppen hinweg wurden 2.236 Fälle derung jeglicher oder einer symptomatischen (0,9 %) als hospitalisiert und 119 Personen (0,05 %) SARS-CoV-2-Omikron-Infektion bei Erwachsenen, als an der Omikron-Infektion verstorben übermit- liegen aus England,3 Schottland,4 Dänemark,5 Kana- telt. Eine aktuelle Übersicht zu den übermittelten da7 und den USA8,34 – 37 vor (s. Tab. 3). Es wurden Omikron-Fällen findet sich unter http://www.rki. hauptsächlich mRNA-Impfstoffe eingesetzt. de/covid-19-omikronbericht.
Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 46 Autor Land Studien- Studien- Alters- Einge- Endpunkt Impfstoff VE in Impfstoff VE in design zeitraum gruppe schlossene (GI) Abhängigkeit 3. Dosis Abhängigkeit (Jahre) Omikron- vom Abstand vom Abstand Infektions- nach 2 Impf- nach 3 Impf- fälle stoffdosen stoffdosen (95 % KI)1 (95% KI) Accorsi8 USA Fall-Kontroll- 10.12.2021 ≥ 18 13.098 Symptoma Comirnaty Nicht Comirnaty ≥ 2 Wo: 65 % studie im bis tische SARS- berichtet (62 – 68) test-negative- 01.01.2022 CoV-2- Spikevax Spikevax ≥ 2 Wo: 72 % Design Infektion (69 – 74) Andrews3 UK Fall-Kontroll- 27.11.2021 ≥ 16 581 Symptoma Vaxzevria 15 – 19 Wo: Comirnaty 1 – 2 Wo: studie im bis tische SARS- –54,7 % 71,9 % test-negative- 06.12.2021 CoV-2- (–174 – 12,6) (9,1 – 91,3) Design Infektion ≥ 2 Wo: 20 – 24 Wo: 71,4 % –13,2 % (41,8 – 86) (–60,2 – 20,1) ≥ 25 Wo: 5,9 % (–29,7 – 31,7) Comirnaty 2 – 9 Wo: 88 % Comirnaty ≥ 2 Wo: (65,9 – 95,8) 75,5 % 10 – 14 Wo: (56,1 – 86,3) 48,5 % (24,3 – 65) 15 – 19 Wo: 43,1 % (9,7 – 52) 20 – 24 Wo: 36,6 % (0,4 – 59,6) ≥ 25 Wo: 34,2 % (–5 – 58,7) Buchan7 Kanada Fall-Kontroll- 22.11.2021 ≥ 18 3.442 SARS-CoV-2- mRNA < 60 d: 6 % mRNA ≥ 7 d: 37 % studie im bis Infektion (–25 – 30) (19 – 50) test-negative- 19.12.2021 60 – 119 d: Comirnaty ≥ 7 d: 34 % Design –13 % (16 – 49) (–38 – 8) 120 – 179 d: Spikevax ≥ 7 d: 59 % –38 % (16 – 80) (–61 – 18) 180 – 239 d: –42 % (–19 – 19) ≥ 240 d: –16 % (–62 – 17) Ferdi USA Fall-Kontroll- 26.08.2021 ≥ 18 24.280 COVID-19- mRNA- < 2 Mo: 69 % mRNA- < 2 Mo: 87 % nands37 studie im bis assoziierte Impfstoff (62 – 75) Impfstoff (85 – 88) test-negative- 22.01.2222 Notaufnahme 2 – 3 Mo: 50 % 2 – 3 Mo: Design (45 – 55) 81 % (97 – 82) 4 Mo: 48 % 4 Mo: 66 % (41 – 54) (59 – 71) ≥ 5 Mo: 37 % (34 – 40) 3.145 COVID-19- < 2 Mo: 71 % < 2 Mo: 71 % assoziierte (51 – 83) (51 – 83) Hospitali 2 – 3 Mo: 65 % 2 – 3 Mo: sierung (53 – 74) 65 % (53 – 74) 4 Mo: 58 % 4 Mo: 58 % (38 – 71) (38 – 71) ≥ 5 Mo: 54 % (48 – 59) Tab. 3 | Beobachtungsstudien zur Vakzineeffektivität (VE) einer 1. Auffrischimpfung gegen verschiedene Endpunkte mit einem COVID-19-Impfstoff gegenüber der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 GI = Grundimmunisierung; Mo = Monate; Wo = Woche; d = Tage; KI = Konfidenzintervall; 1 Bei negativer VE ist kein Impfschutz nachweisbar
Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 47 (Fortsetzung Tabelle 3) Autor Land Studien- Studien- Alters- Einge- Endpunkt Impfstoff VE in Impfstoff VE in design zeitraum gruppe schlossene (GI) Abhängigkeit 3. Dosis Abhängigkeit (Jahre) Omikron- vom Abstand vom Abstand Infektions- nach 2 Impf- nach 3 Impf- fälle stoffdosen stoffdosen (95 % KI)1 (95% KI) Hansen5 Däne- Fall-Kontroll- 20.11.2021 ≥ 12 5.767 SARS-CoV-2- Comirnaty ≤30 d: 55,2 % Comirnaty 1 – 30 d: mark studie bis Infektion (23,5 – 73,7) 54,6 % (Register 12.12.2021 (30,4 – 70,4) studie) 31 – 60 d: 16 % (–20,8 – 41,7) 61 – 90 d: 9,8 % (–10,0 – 26,1) 90 – 150 d: –76,5 % (–95,3; –59,5) Spikevax ≤ 30 d: 36,7 % (–69,9 – 76,4) 31 – 60 d: 30,0 % (–41,3 – 65,4) 61 – 90 d: 4,2 % (–30,8 – 29,8) 90 – 150 d: –39,3 % (–61,6; –20,0) Sheik4 Schott- Kohorten- 01.11.2021 ≥ 50 23.840 Symptoma Comirnaty, 2 – 9 Wo: 5 % Comirnaty 1 Wo: 54 % land studie mit bis tische SARS- Spikevax, (–98 – 54) Spikevax (46–62) nested 19.12.2021 CoV-2- Vaxzevria Fall-Kontroll- Infektion 10 – 14 Wo: studie im 8 % (–76 – 52) test-negative- 15 – 19 Wo: ≥ 2 Wo: 57 % Design 35 % (52 – 62) (–10 – 62) 20 – 24 Wo: 4 % (–13 – 19) ≥ 25 Wo: 0 % (–) Tartof 35 USA Fall-Kontroll- 01.12.2021 ≥ 18 9.519 COVID-19- Comirnaty < 3 Mo: 60 % Comirnaty < 3 Mo: 78 % studie im bis assoziierte (43 – 72) (73 – 82) test-negative- 22.01.2022 Notaufnahme Design 3 – 5 Mo: 38 % (21 – 51) ≥ 6 Mo: 41 % ≥ 3 Mo: 48 % (32 – 50) (14 – 69) 6.513 COVID-19- Comirnaty < 3 Mo: 70 % Comirnaty < 3 Mo: 89 % assoziierte (41 – 84) (83 – 92) Hospita lisierung 3 – 5 Mo: 67 % ≥ 3 Mo: 90 % (44 – 80) (57 – 98) ≥ 6 Mo: 68 % (56 – 76) Thomp- USA Fall-Kontroll- 16.12.2021 ≥ 18 3.398 COVID-19- mRNA- 14 – 179 d: mRNA- ≥ 14 d: 82 % son34 studie im bis assoziierte Impfstoff 52 % (46 – 58) Impfstoff (79 – 84) test-negative 05.01.2022 Notaufnahme Design ≥ 180d: 38 % (32 – 43) 174 COVID-19- 14 – 179 d: ≥ 14 d: 90 % assoziierte 81 % (65 – 90) (80 – 94) Hospita lisierung
Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 48 Die Studien zeigen, dass die Wirksamkeit der 4.1.2 Impfschutz bei Gesundheitspersonal COVID-19-Grundimmunisierung gegenüber jegli- In dem Bericht der britischen Gesundheitsbehörde cher und symptomatischer Omikron-Infektion im (UK Health Agency) vom 14.01.2022 wird eine aktu- Vergleich zur Wirksamkeit gegen Infektionen durch alisierte Analyse der SIREN-Studie vorgestellt.12 Im die Delta-Variante38 deutlich reduziert ist (s. Tab. 1). Rahmen dieser Kohortenstudie wird Gesundheits- In allen Studien war der Impfschutz nach Grundim- personal im Vereinigten Königreich alle 14 Tage mit- munisierung niedrig und ging zudem über die Zeit tels SARS-CoV-2-PCR untersucht, um asymptoma- noch weiter zurück. Für Vaxzevria (eine Studie3) tische Infektionen zu identifizieren. Die Kohorte und für mRNA-Impfstoffe (drei Studien4,5,7) war we- umfasst 44.000 Krankenhausmitarbeitende aus nige Wochen nach vollständiger Grundimmunisie- landesweit 135 Krankenhäusern. Seit Mitte Dezem- rung kein signifikanter Impfschutz mehr gegen- ber 2021 ist die Rate der Erst- und Reinfektionen über einer Infektion mit der Omikron-Variante deutlich angestiegen. In einer Subgruppe nachweisbar. Nach der 1. Auffrischimpfung mit ei- (n = 18.464) wurde der Impfschutz von 2 bzw. nem mRNA-Impfstoff wurde ein moderater Wie- 3 Impfstoffdosen vor symptomatischen oder asymp deranstieg der VE zur Verhinderung jeglicher Infek- tomatischen SARS-CoV-2-Infektionen im Zeitraum tion von 34 – 59 %5,7 und zur Verhinderung einer zwischen 01.12.2021 und 04.01.2022, in dem die symptomatischen Infektion von 54 – 75 %3,4,8 beob- Omikron-Variante im Vereinigten Königreich domi- achtet. Aktuell sind noch drei Studien aus den USA nierte, untersucht. 15.227 (82 %) Teilnehmende wa- publiziert worden, die die VE zur Verhinderung ren 3-mal geimpft (mehrheitlich mit Comirnaty), schwerer COVID-19-Erkrankungen durch die Omi- 6.974 (40 %) hatten bereits zuvor eine SARS- kron-Variante bei ≥ 18-Jährigen untersuchten.34,35,37 CoV-2-Infektion mit einer anderen Variante durch- Die Wirksamkeit gegenüber der Verhinderung ei- gemacht. In der Gruppe der Personen mit vorange- ner COVID-19-assozzierten Notaufnahme war gangener Infektion wurde eine VE gegen jegliche 6 Monate nach Grundimmunisierung auf 38 – 41 % Omikron-Infektion bei 2-mal Geimpften von 60 % zurückgegangen und gegenüber der Verhinderung (95 % KI: 63 – 75) und bei 3-mal Geimpften von 71 % einer COVID-19-assozzierten Hospitalisierung auf (95 % KI: 56 – 82) ermittelt. Bei Personen ohne vor- 57 – 68 %. Durch die 1. Auffrischimpfung wurde die angegangene Infektion ist der Impfschutz gegen Wirksamkeit der COVID-19-Impfung wieder verbes- jegliche Omikron-Infektion weniger gut. Bei 2-mal sert. Sie betrug in der Studie von Thompson et al. Geimpften bestand kein signifikanter Schutz (32 %; 82 % zur Verhinderung einer Notaufnahme bzw. 95 % KI: –6 – 57), bei 3-mal Geimpften lag die VE bei 90 % zur Verhinderung einer COVID-19-assoziier- 62 % (95 % KI: 41 – 75). ten Hospitalisierung.34 In der Studie von Tartof et al. 76 % (95 % 71 – 81) zur Verhinderung des Aufsu- Die Studie zeigt zum einen das hohe arbeitsbeding- chens einer Notaufnahme und 89 % (95 % KI: te Expositionsrisiko von Gesundheitspersonal im 84 – 92) zur Verhinderung einer COVID-19-asso Vereinigten Königreich und zum anderen eine re- zzierten Hospitalisierung.35 In einer Studie wurden duzierte VE der Grundimmunisierung und der als Hinweis auf eine reduzierte Infektiosität nach 1. Auffrischimpfung gegenüber Infektionen mit der Auffrischimpfung signifikant höhere mediane Omikron-Variante im Vergleich zur Delta-Varian- Ct-Werte bei 3-mal Geimpften als bei 2-mal Geimpf- te.38 Der Impfschutz vor Omikron-Infektionen war ten ermittelt.8 bei Personen besser, die zuvor eine Infektion mit ei- ner anderen Virusvariante durchgemacht hatten, Eine ausführlichere Darstellung einiger der hier be- und konnte im Vergleich zur Grundimmunisierung schriebenen Studien findet sich in Kapitel 4. „Impf- durch eine Auffrischimpfung deutlich angehoben stoffwirksamkeit gegen Omikron-Variante“ der Wis- werden. senschaftlichen Begründung der STIKO zur Emp- fehlung der COVID-19-Auffrischimpfung von Daten zur Wirksamkeit gegenüber schweren 12 – 17-Jährigen mit einem mRNA-Impfstoff (17. Ak- COVID-19-Erkrankungen durch Omikron-Infektio- tualisierung). nen und zur Wirksamkeit einer 2. Auffrischimp- fung liegen nicht vor.
Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 49 4.2 Schutzdauer der 1. Auffrischimpfung als 10 Wochen nur noch 45 – 50 %. Eine aktualisierte gegen die Omikron-Variante Auswertung zeigt, dass nach mehr als 15 Wochen die Effektivität nur noch 25 – 40 % betrug.39 Eine 4.2.1 Impfschutz und Schutzdauer in der Allgemein- 1-malige COVID-19-Impfung reduzierte das Hospi- bevölkerung talisierungsrisiko von symptomatischen Omikron- Die britische Gesundheitsbehörde (UK Health Fällen um 43 %, eine 2-malige Impfung um 55 % Agency) hat in dem Bericht vom 14.01.2022 (2 – 24 Wochen nach 2-maliger Impfung) bzw. um zusätzlich erste Ergebnisse zur Schutzdauer der 40 % (≥ 25 Wochen nach 2-maliger Impfung). Nach COVID-19-Impfstoffe bei ≥ 18-Jährigen nach Grund einer Auffrischimpfung betrug das hazard risk ratio immunisierung und 1. Auffrischimpfung während 0,26 (95 % KI: 0,19 – 0,35) ab 2 Wochen nach Imp- der Omikron-Zirkulation publiziert.12,39 Es wurde fung und stieg innerhalb von 10 Wochen auf 0,34 eine Fall-Kontrollstudie nach dem test-negative- (95 % KI: 0,26 – 0,44). Unter Berücksichtigung des Design durchgeführt, um die VE der COVID-19- Risikos für eine symptomatische Infektion und des Impfung zur Verhinderung einer symptomatischen Risikos für Hospitalisierung berechneten die Auto- SARS-CoV-2-Infektion durch die Omikron-Variante ren die VE einer 1. Auffrischimpfung zur Verhinde- mit der Effektivität gegenüber Delta-Infektionen zu rung der COVID-19-bedingten Hospitalisierung. vergleichen. In der Auswertung wurden Personen Die VE nimmt von 92 % (95 % KI: 89 – 94) 2 – 4 Wo- berücksichtigt, die im Zeitraum vom 27.11.2021 bis chen nach der 3. Impfstoffdosis auf 83 % (95 % KI: zum 06.01.2022 erkrankt waren und getestet wur- 78 – 87) nach ≥ 10 Wochen signifikant ab. den. Anhand des S-Gene Target-Status (SGT) erfolg- te eine Differenzierung zwischen Omikron- Diese Ergebnisse werden durch eine US-amerikani- (SGT-negativ) und Delta-Infektionen (SGT-positiv). schen Fall-Kontrollstudie nach dem test-negative- Zusätzlich wurde das Risiko für einen COVID-19- Design bestätigt, die die Effektivität und Schutzdau- bedingten Krankenhausaufenthalt unter Berück- er der Auffrischimpfung gegenüber der Verhinde- sichtigung des Impfstatus abgeschätzt; diese Analy- rung von schweren COVID-19-Erkrankungen se konnte jedoch aufgrund der begrenzten Anzahl (COVID-19-assoziierte Notaufnahmen und an Ereignissen nicht spezifisch für den verabreich- COVID-19-assoziierte Hospitalisierungen) durch ten Impfstoff durchgeführt werden. die Omikron-Variante in der ≥ 18-jährigen Allge- meinbevölkerung untersucht.37 Die VE zur Verhin- In die Auswertung wurden 236.023 Personen mit derung einer Notaufnahme aufgrund einer Delta- und 760.647 mit Omikron-Infektion einge- COVID-19-Erkrankung reduzierte sich signifikant schlossen. Die Effektivität gegenüber Omikron war von 87 % (95 % KI: 85 – 88) im Zeitraum von 2 Mo- zu allen Zeitpunkten geringer als gegenüber Delta. naten nach Verabreichung der 3. Impfstoffdosis auf Bei Personen, die eine 2-malige Vaxzevria-Impfung 66 % (95 % KI: 59 – 71) nach 4 Monaten. Gegenüber erhalten hatten, reduzierte sich die Effektivität ge- der Verhinderung einer COVID-19-assoziirten Hos- gen eine symptomatische Omikron-Infektion von pitalisierung ging die Effektivität im selben Zeit- 45 – 50 % ab 2 Wochen nach Abschluss der Grund raum ebenfalls signifikant von 91 % (95 % KI: 88 – immunisierung auf nahezu keinen Impfschutz ab 93) auf 78 % (95 % KI: 67 – 85) zurück. 20 Wochen nach Abschluss der Grundimmunisie- rung. Bei Personen nach 2-maliger Comirnaty- oder 4.2.2 Impfschutz und Schutzdauer bei ≥ 65-Jährigen Spikevax-Impfung ging die Effektivität im gleichen und Immundefizienten Zeitraum von 65 – 70 % auf etwa 10 % zurück. Der Eine Fall-Kontrollstudie nach dem test-negative- Impfschutz gegen eine symptomatische Omikron- Design aus dem Vereinigten Königreich untersuch- Infektion erreichte 2 – 4 Wochen nach der 1. Auf te die Effektivität einer 2- und 3-maligen COVID-19- frischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff wieder Impfung zur Verhinderung einer symptomatischen eine Effektivität von 65 – 75 %. Im weiteren Verlauf SARS-CoV-2-Infektion und einer COVID-19 beding- zeigte sich jedoch auch nach Auffrischimpfung ein ten Hospitalisierung bei ≥ 65-Jährigen.11 In der Stu- deutliches Waning; 5 – 9 Wochen nach Auffrischimp- die wurde der Impfschutz von Vaxzevria und Comir- fung betrug die Effektivität 55 – 65 % und nach mehr naty als Grundimmunisierung über einen Zeitraum
Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 50 von > 25 Wochen nach Verabreichung der 2. Impf- California), bei denen im Zeitraum vom 06.12.2021 – stoffdosis und von Comirnaty und Spikevax als Auf- 23.12.2021 eine SARS-CoV-2-Infektion mittels RT- frischimpfung über > 10 Wochen hinsichtlich der PCR diagnostiziert worden war. Als Kontrollen wur- Verhinderung einer Delta- und Omikron-Infektion den zum Vergleich negativ Getestete desselben Al- verglichen. Eingeschlossen wurden Personen, die ters aus demselben Zeitraum nach Geschlecht, Eth- zwischen dem 27.11.2021 und dem 31.12.2021 symp- nie und Abnahmedatum des Abstrichs ausgewählt. tomatisch waren. Die Ergebnisse müssen aufgrund der geringen Fallzahl mit Vorsicht interpretiert wer- In der Analyse wurden 6.657 SARS-CoV-2-Infizierte den. berücksichtigt (2.926 mit Delta- und 3.731 mit Omi- kron-Infektion). Darunter waren 3.144 (47,2 %) In allen untersuchten Zeitabschnitten war die Wirk- geimpft (886 mit Delta- und 2.258 mit Omikron- samkeit zum Schutz vor Omikron-Infektionen ge- Infektion; Impfstatus: 1-malig n = 100, 2-malig ringer als vor Delta-Infektionen. Die Effektivität ge- n = 2.648 und 3-malig n = 396). Omikron-Fälle wa- gen eine symptomatische Infektion reduzierte sich ren insgesamt jünger und hatten häufiger bereits bei ≥ 65-jährigen Personen, die eine Grundimmuni- eine SARS-CoV-2-Infektion in der Anamnese. Von sierung mit Vaxzevria und eine Auffrischimpfung den 2- bzw. 3-mal Geimpften mit Omikron-Infek mit Comirnaty bekommen hatten, von 65 % im tion gehörten 73,9 % bzw. 73,2 % in die Altersgrup- Zeitraum von 2 – 4 Wochen nach der 1. Auffrisch pe der 18 – 44-Jährigen, wohingegen es bei den 2- impfung auf 48 % 5 – 9 Wochen nach Auffrischimp- bzw. 3-mal Geimpften mit Delta-Infektion 59,2 % fung und 32 % nach 10 und mehr Wochen. Bei Per- und 61,4 % waren. Eine COVID-19-Erkrankung in sonen, die eine Grundimmunisierung und eine der Anamnese hatten 13,0 % bzw. 14,9 % der 2- bzw. 1. Auffrischimpfung mit Comirnaty bekommen hat- 3-mal Geimpften mit Omikron-Infektion im Ver- ten, ging die VE von 65 % im Zeitraum von 2 – 4 Wo- gleich zu 1,7 % und 2,2 % der 2- bzw. 3-mal Geimpf- chen auf 49 % 5 – 9 Wochen nach Auffrischimpfung ten mit Delta-Infektion durchgemacht. und 31 % nach 10 und mehr Wochen zurück. Bei Personen, die eine Grundimmunisierung mit Die VE gegen Omikron-Infektionen war unabhän- Comirnaty und eine Auffrischimpfung mit Moder- gig von der Anzahl verabreichter Impfstoffdosen ge- na bekommen hatten, ging die Effektivität von 70 % ringer als die gegen Delta. Die Wirksamkeit einer 2 – 4 Wochen nach Auffrischimpfung auf 57 % 5 – 9 3-maligen Impfung gegen Infektionen durch die Wochen nach Auffrischimpfung zurück. Delta-Variante betrug 95,2 % (95 % KI: 93,4 – 96,4) und gegen die Omikron-Variante 62,5 % (95 % KI: Im Beobachtungszeitraum traten 98 Krankenhaus- 56,2 – 67,9). Wenn die 1. Auffrischimpfung weniger aufenthalte bei 3-mal geimpften Personen auf. Die lang zurücklag (Median in Tagen zwischen Impfung Wirksamkeit gegen eine COVID-19-bedingte Hospi- und Infektion: 36 Tage), war die Effektivität der talisierung durch die Omikron-Variante betrug 2 – 9 3-maligen Impfung gegen Omikron besser (63,6 %, Wochen nach Erhalt der Auffrischimpfung 94 % 95 % KI: 57,4 – 68,9) als wenn die Impfung schon (95 % KI: 89 – 97) und ging auf 89 % (95 % KI: wesentlich länger (Median in Tagen zwischen Imp- 80 – 95 %) nach 10 und mehr Wochen zurück. fung und Infektion: 103 Tage) zurücklag (39,1 %; 95 % KI: 3,8 – 61,5). Die VE einer 1. Auffrischimp- In einer US-amerikanischen Studie nach dem fung gegen Omikron betrug bei < 65-Jährigen 63,1 % test-negative-Design wurde die Effektivität von Spike- (95 % KI: 56,6 – 68,6) und bei ≥ 65-Jährigen 57,1 % vax bei ≥ 18-Jährigen gegenüber symptomatischer (95 % KI: 14,2 – 78,6). Bei Immundefizienten war und asymptomatischer Omikron-Infektionen unter- die Effektivität deutlich geringer (11,5 %; 95 % KI: sucht.13 In dieser Studie wurden auch Wirksamkei- 0,0 – 66,5) als bei Immungesunden (63,6 %; 95 % ten in den Altersgruppen < 65 und ≥ 65 Jahre diffe- KI: 57,4 – 68,9). Für eine Berechnung der Wirksam- renziert betrachtet sowie die VE bei Immungesun- keit hinsichtlich der Verhinderung von COVID-19- den und Immundefizienten. Eingeschlossen wur- bedingten Hospitalisierungen war die beobachtete den Mitglieder einer großen US-amerikanischen Fallzahl zu gering. Krankenversicherung (Kaiser Permanente Southern
Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 51 Auf Basis von mehreren Studien zur Schutzdauer impfung in Israel für den Zeitraum vom der Auffrischimpfung kann zusammenfassend fest- 15.01. – 27.01.2022 vorgelegt.19 Die Analyse umfasst gestellt werden, dass der Impfschutz einer 1. Auf die Daten von > 1,13 Mio. Personen ≥ 60 Jahre, die frischimpfung zur Verhinderung von symptomati- bis zum 01.01.2022 bereits 3 Impfstoffdosen erhal- schen Omikron-Infektion insgesamt geringer ist als ten hatten und für eine 2. Auffrischimpfung in Fra- gegenüber Delta-Infektionen. Etwa 2 – 4 Wochen ge kamen. Es wurde die Rate der laborbestätigten nach der Auffrischimpfung wird unabhängig vom SARS-CoV-2-Infektionen und schweren COVID-19- verwendeten mRNA-Impfstoff das Maximum der Erkrankungen zwischen Personen, die 3 Impfstoff- Wirksamkeit zur Verhinderung einer symptomati- dosen erhalten hatten mit denen verglichen, die vor schen Omikron-Infektion mit etwa 70 % erreicht. Es ≥ 12 Tagen eine 4. Comirnaty-Dosis erhalten hatten. liegt im Allgemeinen deutlich niedriger als das der Die Rate der laborbestätigten SARS-CoV-2-Infektio- Effektivität gegen Delta-Infektionen und nimmt im nen war nach 4. Impfung 2-fach niedriger (95 % KI: bisher überblickten Zeitverlauf über 10 Wochen wie- 2,0 – 2,1) und die Rate der schweren COVID-19- der ab. Das Waning fällt jedoch im Vergleich zum Erkrankungen 4,3-fach (95 % KI: 2,4 – 7,6) niedri- Waning nach einer 2-maliger Impfung weniger ger. Die adjustierten Ratenunterschiede pro 100.000 deutlich aus. Die Auffrischimpfung mit Spikevax Personentage betrugen zwischen den 4-fach und zeigt im Vergleich zu Comirnaty eine etwas bessere 3-fach Geimpften 279 (95 % KI: 271 – 287) für SARS- Wirksamkeit. Die Effektivität zur Verhinderung ei- CoV-2-Infektionen und 3,8 (95 % KI: 2,8 – 4,8) für ner Omikron-bedingten Hospitalisierung wird nach schwere COVID-19-Erkrankungen. Über den län- Auffrischimpfung auf ein Niveau von > 90 % ange- gerfristigen Schutz einer 4. Impfung ist noch keine hoben, nimmt jedoch ebenfalls mit der Zeit signifi- Aussage möglich. kant ab. Bei > 65-Jährigen kann man auf Basis der Daten vermuten, dass die VE gegenüber der Verhin- derung symptomatischer Omikron-Infektionen 5. Transmission von Omikron- nach Auffrischimpfung niedriger ausfällt und auch im Vergleich zu Delta-Infektionen schneller abnimmt. Zur Dauer des Impfschutzes Eine dänische Studie untersuchte anhand von Re- über mehr als 10 Wochen nach Auffrischimpfung gisterdaten die Übertragungsdynamik von Omi liegen noch keine Daten vor. kron-Infektionen in dänischen Haushalten im De- zember 2021 (09. – 19.12.2021) und bestimmte die 4.3 Verträglichkeit, Sicherheit und Wirksamkeit sekundären Erkrankungsraten (Secondary Attack der 2. Auffrischimpfung Rate; SAR).26 Die SARS-CoV-2-Infektionen wurden Nachdem Ende des Jahres 2021 mit dem Auftreten mittels variantenspezifischer PCR gesichert. Es der Omikron-Variante die Zahl der SARS-CoV-2- wurden 11.937 Haushalte mit primären SARS- Infektionen in Israel rasant zugenommen hatte, CoV-2-Infektionen (9.712 Delta- und 2.225 Omi wurde am 02.01.2022 mit der Impfkampagne zur kron-Infektionen) in der Analyse berücksichtigt und 2. Auffrischimpfung begonnen. Eine 2. Auffrisch 6.397 sekundäre Folgeinfektionen im Zeitraum von impfung mit Comirnaty war anfangs für Personen 1 – 7 Tagen nach dem Infektionsnachweis bei der In- im Alter ≥ 60 Jahre empfohlen, deren 1. Auffrisch dexperson beobachtet. Unter den eingeschlossenen impfung mindestens 4 Monate zurücklag. Bis Mitte geimpften Personen hatten 85 % Comirnaty, 14 % Januar 2022 wurden im Rahmen der Impfkampag- Spikevax und 1 % die COVID-19 Vaccine Janssen er- ne zur 4. Impfstoffdosis in Israel mehr als 550.000 halten. Die SAR betrug unabhängig vom Impfstatus Personen im Alter über 60 Jahren geimpft. Die und über alle Altersgruppen nach Omikron-Infek Impfung wurde im Allgemeinen gut vertragen; es tionen 31 % und nach Delta-Infektionen 21 %. Beim wurden einzelne lokale und systemische Impfreak- Vergleich von Haushalten mit einer mit der Omi tionen beobachtet. Sicherheitssignale traten nicht kron-Variante infizierten Indexperson zu Haushal- auf.40 ten mit Delta-Infektion zeigte sich für ungeimpfte Personen kein Risikounterschied hinsichtlich des In einer als Preprint veröffentlichten Studie wurden Auftretens von Sekundärinfektionen (OR: 1,17; 95 % die ersten Ergebnisse zum Impact der 2. Auffrisch KI: 0,99 – 1,38). Vollständig grundimmunisierte Per-
Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 52 sonen und Personen nach Auffrischimpfung waren 2. Impfstoffdosis Comirnaty bzw. Spikevax ver- sowohl für Delta- als auch für Omikron-Infektionen gleichbar.41,42 Es sind keine Signale zur Sicherheit weniger empfänglich als Ungeimpfte. Personen mit der 2. Auffrischimpfung detektiert worden.40 Auffrischimpfung hatten eine reduzierte (OR: 0,72; 95 % KI: 0,56 – 0,92) und Ungeimpfte eine erhöhte (OR: 1,41; 95 % KI: 1,27 – 1,57) Übertragungswahr- 7. Fazit und Impfempfehlung scheinlichkeit für beide Varianten im Vergleich zu Omikron-Infektionen zeichnen sich im Vergleich vollständig Grundimmunisierten. Die Ct-Werte der zu Infektionen durch andere SARS-CoV-2-Varian- Indexfälle für die beiden Virusvarianten unterschie- ten durch eine geringere Krankheitsschwere aus. den sich nicht wesentlich; der Median betrug für Ältere Personen ≥ 70 Jahre und schwer immundefi- Omikron 27,2 und für Delta 28,3. ziente Menschen haben jedoch weiterhin das höchs- te Risiko an COVID-19 schwer zu erkranken und zu In der Zusammenschau zeigen die Studienergeb- versterben. nisse, dass die Omikron-Variante für vollständig grundimmunisierte Personen und für Personen mit Die verfügbaren Daten zur Wirksamkeit der mRNA- Auffrischungsimpfung 2,6-fach bzw. 3,6-fach infek- COVID-19-Impfstoffe legen nahe, dass die Effektivi- tiöser ist als die Delta-Variante, während bei nicht tät einer 1. Auffrischimpfung gegenüber symptoma- geimpften Haushaltspersonen kaum ein Unter- tischen SARS-CoV-2-Infektionen der Omikron- schied in der Empfänglichkeit gegenüber der Delta- Variante signifikant niedriger ist als gegenüber In- versus Omikron-Variante zu sehen war. Diese Beob- fektionen mit anderen bisher zirkulierenden Virus- achtungen legen nahe, dass sich die Omikron- varianten. Zudem ist der Impfschutz nur von be- Variante primär durch Immunevasion und auch grenzter Dauer und nimmt kontinuierlich ab. Auch durch eine inhärente höhere Infektiosität rapide schwere Omikron-Infektionen können insbesonde- verbreitet. Die Daten unterstreichen die Schutzwir- re bei > 70-Jährigen und Immundefizienten weni- kung einer Auffrischimpfung gegenüber Infektio- ger effektiv verhindert werden als bei Jüngeren und nen mit der Omikron-Variante, wobei die Studie Immungesunden. Zu bedenken ist auch, dass ältere aufgrund der kurzen Beobachtungszeit keine Aus- Menschen und Immundefiziente bei der Einhal- sage zur Schutzdauer zulässt. tung von Hygieneschutzmaßnahmen erfahrungs- gemäß sorgfältiger sind als jüngere Personen, was Studienergebnisse zur Transmissionsreduktion möglicherweise sogar zu einer Unterschätzung der durch eine 2. Auffrischimpfung liegen nicht vor. Es Abnahme ihres Impfschutzes nach 1. Auffrischimp- ist jedoch davon auszugehen, dass durch die nach- fung in den vorgestellten Studien geführt hat. gewiesene Verhinderung von SARS-CoV-2-Infektio- nen auch eine gewisse Reduktion der Transmission Trotz der insgesamt geringeren Krankheitsschwere erreicht werden kann. bei Omikron-Infektionen ist aufgrund der aktuell extrem hohen Fallzahlen mit einer beträchtlichen Anzahl schwerer Erkrankungsfälle zu rechnen. 6. Sicherheit und Verträglichkeit der Überlastungen der medizinischen Behandlungs 2. Auffrischimpfung kapazitäten und der kritischen Infrastruktur auf- Zur Verträglichkeit der 2. Auffrischimpfung gibt es grund der umfangreichen Isolations- und Qua- noch keine publizierten Daten. Die mündlich vorab rantänemaßnahmen können nicht ausgeschlossen mitgeteilten Ergebnisse aus Israel bei 550.000 Per- werden. sonen mit 4. Impfung40 unterstützen die Annahme, dass die 2. Auffrischimpfung vergleichbar gut ver- Die STIKO empfiehlt nach abgeschlossener tragen wird wie die 1. Auffrischimpfung. In den Zu- COVID-19 Grundimmunisierung und erfolgter lassungsstudien für Auffrischimpfungen waren Fre- 1. Auffrischimpfung eine 2. Auffrischimpfung für (i) quenz und Ausprägung der Lokalreaktionen und Menschen ab dem Alter von 70 Jahren, (ii) Bewoh- der systemischen Reaktionen nach einer 1. Auf nerInnen und Betreute in Einrichtungen der Pflege frischimpfung mit denen nach Verabreichung der sowie für Personen mit einem erhöhten Risiko für
Epidemiologisches Bulletin 7 | 2022 17. Februar 2022 53 einen schweren Krankheitsverlauf in Einrichtungen hestens 3 Monate nach der 1. Auffrischimpfung der Eingliederungshilfe und (iii) Menschen mit ID durchzuführen. ab dem Alter von 5 Jahren. Zusätzlich wird (iv) Täti- ▶▶ bei Tätigen in medizinischen Einrichtungen gen in medizinischen Einrichtungen und Pflegeein- und Einrichtungen der Pflege die 2. Auffrisch richtungen, insbesondere solchen mit direktem Pa- impfung frühestens 6 Monate nach der 1. Auf- tientInnen- bzw. BewohnerInnenkontakt, die ar- frischimpfung zu verabreichen. Die STIKO beitsbedingt besonders exponiert sind, eine 2. Auf- geht davon aus, dass bei immungesunden Per- frischimpfung empfohlen. sonen der Impfschutz nach der 1. Auffrischimp- fung besser und ein längerer Impfabstand für Ziel einer 2. Auffrischimpfung für besonders ge- den Langzeitschutz immunologisch günstiger sundheitlich gefährdete Personengruppen ist die ist. In begründeten Einzelfällen kann die 2. Auf- Verhinderung von schweren COVID-19-Verläufen frischimpfung auch bereits nach frühestens und Tod. Mit einer 2. Auffrischimpfung für Personal 3 Monaten erwogen werden. in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen mit PatientenInnenkontakt könnte zum einen ein Die STIKO ruft alle bisher Nicht-Geimpften und verbesserter individueller Schutz bei besonders ho- Personen ≥ 12 Jahren, die ihre 1. Auffrischimpfung hem Expositionsrisiko, zum anderen die Aufrecht- noch nicht erhalten haben, dringend auf, das erhaltung der medizinischen und pflegerischen COVID-19-Impfangebot wahrzunehmen. Versorgung durch Verringerung von Isolation und Quarantänemaßnahmen erzielt werden. Ebenfalls Die STIKO rät dringend, sich weiterhin an soll die Transmission von SARS-CoV-2 auf gesund- COVID-19-Hygienemaßnahmen (AHA-L-Regeln: heitlich gefährdete Personen reduziert werden. Abstand, Hygiene, Alltag mit Maske + Lüften) zu halten. Dies gilt auch für geimpfte Personen, da Bei Personen der oben genannten Gruppen, die auch sie SARS-CoV-2 übertragen können. nach erfolgter COVID-19-Grundimmunisierung und 1. Auffrischimpfung eine SARS-CoV-2-Infek tion durchgemacht haben, wird vorerst keine weite- re Impfung mit den aktuell verfügbaren COVID-19- Impfstoffen empfohlen. Die STIKO empfiehlt für die Durchführung der 2. Auffrischimpfung, ebenso wie für die 1. Auffrisch impfung, in der Regel einen mRNA-Impfstoff zu verwenden. Vorzugsweise soll es der mRNA-Impf- stoff sein, der bei der Grundimmunisierung bzw. der 1. Auffrischimpfung zur Anwendung kam. Bei immundefizienten Menschen ab einem Alter von 30 Jahren soll bei dem Einsatz von Spikevax die hohe Dosierung des Impfstoffs (100 µg) verwendet werden. Bezüglich des Impfabstands wird empfohlen, ▶▶ bei ≥ 70-Jährigen, BewohnerInnen und Betreu- ten in Einrichtungen der Pflege sowie bei Per- sonen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und bei immundefi zienten Menschen die 2. Auffrischimpfung frü-
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