Worauf bauen wir? Das Gleichnis von der richtigen Wahl des Fundaments und Vanuatu

 
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Worauf bauen wir? Das Gleichnis von der richtigen Wahl des Fundaments und Vanuatu
Bibelarbeit zu Mt 7, 24-27 – Weltgebetstag 2021 aus Vanuatu – Worauf bauen wir? - Ute Dilger-Irene Ziegler

Worauf bauen wir?
Das Gleichnis von der richtigen Wahl des Fundaments und Vanuatu

Zu Beginn:
Im Material finden Sie zwei gute Bibelarbeiten: Eine im Ideen-Heft von
Geschäftsführerin Dr. Irene Tokarski, die die Goldene Regel aus Matthäus 7,12 in den
Mittelpunkt stellt: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun, das tut ihnen auch!“
Sie sieht darin eine Anleitung zur Überwindung von Alltagsrassismus.

Und es gibt wie jedes Jahr eine klassisch-wissenschaftliche Bibelarbeit von
Professorin Ulrike Bechmann, die man auch mit dem Material bestellen kann.

Was möchte ich hier noch hinzufügen, wenn schon so viel geschrieben wurde? Was
ist noch nicht gesagt?

Ich möchte versuchen, die Stimmen aus Vanuatu und den Blickwinkel der Leute,
insbesondere auch der Frauen von dort, stärker mitzudenken. Deshalb ist es gut,
wenn wir uns dabei immer wieder die Informationen aus Vanuatu von Renate Ehmer
vergegenwärtigen.

Hinführung 1
Zur Einstimmung ein paar Auszüge aus den Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea,
Samoa:

 Es ist eine Freude, eine Hütte zu
 bauen! Die Bäume im Wald zu fällen
 und sie zu Pfosten zu behauen, die
 Pfosten dann aufzurichten, das Dach
 darüber zu wölben und am Ende,
 wenn Pfosten und Träger und alles gut
 mit Kokosfaden verbunden ist, es mit
 dem trockenen Laub des Zuckerrohres
 zu decken.
 Was würdet ihr nun sagen, wenn nur
wenige Männer in den Wald dürften, um die Bäume zu fällen und sie zu Pfosten zu schlagen?
Und diese wenigen dürften dann nicht helfen, die Pfosten aufzurichten, denn sie wären nur
dafür da, Bäume zu fällen und sie zu Pfosten zu machen.
Und die wenigen, die dann die Pfosten aufrichten, dürften nicht das Dachgesparre flechten
und die wiederum dürften nicht helfen, es mit Zuckerrohrlaub zu decken. Alle aber dürften
nicht helfen, den runden Kiesel vom Strand zu sammeln für den Belag des Bodens. Und nur
die dürften die Einweihung der Hütte feiern, die darin wohnen, nicht aber alle, die die Hütte
gebaut haben?
Worauf bauen wir? Das Gleichnis von der richtigen Wahl des Fundaments und Vanuatu
Bibelarbeit zu Mt 7, 24-27 – Weltgebetstag 2021 aus Vanuatu – Worauf bauen wir? - Ute Dilger-Irene Ziegler

Ihr würdet sicher jeden zum Narren erklären, der von euch auf solche Weise verlangt, eure
Hände nur zu einer einzigen Sache zu nutzen. Hieraus wird dem Papalagi (den
Weißen/Fremden) die größte Not.
Es gibt in Europa wohl mehr Menschen, deren Gesicht aschgrau ist, weil ihr Beruf ihnen alle
Lust verzehrt, weil aus ihrer Arbeit keine Frucht wird, sich daran zu freuen.
Und darum messen alle ihre Berufe aneinander voll Neid und Missgunst, man spricht von
höheren und niederen Berufen, obwohl niemand etwas ganz ausführt. Wenn alle Glieder
zusammenarbeiten, nur dann kann sich ein Menschenherz gesund freuen, nie aber, wenn nur
ein Teil des Menschen Leben hat und alle anderen tot sein sollen.

Der Papalagi seufzt, wenn er von seiner Arbeit spricht, als erdrücke ihn eine Bürde. [Nicht so
bei uns im Pazifik:] Singend ziehen die jungen Männer der Inseln ins Feld, singend waschen
die jungen Frauen die Tücher am Bach. Der große Geist will sicher nicht, dass wir grau
werden sollen in Berufen. Er will, dass wir stolz und aufrecht bleiben in allem Tun – ein
Mensch mit fröhlichen Augen und fließenden Gliedern.
(Auszüge aus: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Zürich 1978)

Impulsfrage 1: Einzelarbeit mit deinem Sandtablett
Die Ni-Vanuatu wehren sich gegen das Wertesystem, das sie bei den Menschen in Europa,
Australien und den USA sehen. Wenn sie als armes Land oder als Entwicklungsland
bezeichnet werden, halten sie dem stolz ihre „Ersten Plätze“ als glücklichstes Land der Erde
beim World Happiness Index der Vereinten Nationen entgegen.
Ein Leben – so schlicht wie in Vanuatu: Was schreckt dich davon ab?
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Was zieht dich an oder fasziniert dich daran?
Nutze deinen kleinen Sandstrand – male oder schreibe, wenn es dir hilft… deine Gedanken
festzuhalten… Wo liegt deine Sorge? Wo liegt deine Sehnsucht? Manchmal ist ja beides
gleichzeitig da.

Worauf bauen wir?
Das internationale Komitee des Weltgebetstags hat schon vor einigen Jahren Vanuatu
als Schwerpunktland und das „Gleichnis vom Hausbau“ als Text bestimmt. Damals
hatte kein Mensch eine Ahnung, dass wir heute durch das Corona-Virus
herausgefordert sind, unsere Werte zu überdenken – und zwar als einzelne ebenso
wie als Gesellschaft, als Europäische Union und als Weltgemeinschaft. Auch die
Dringlichkeit des Klimawandels ist heute viel heftiger.

Schon damals bei der Entscheidung für Vanuatu und dieses Gleichnis hätte man
jedoch schon fragen können: Ein Land aus 83 Inseln, die auf dem Pazifischen
Feuerring liegen – vulkanischen Ursprungs… ständig in Bewegung, in einer Region mit
vielen Wirbelstürmen und Erdbeben – wer kommt denn auf die Idee, da von
Felsengrund und von festem Grund zu reden?
Wahrscheinlich haben sie gedacht: Gerade deshalb! Und damit hatte das
Internationale Komitee damals schon den richtigen Riecher – und wir glauben ja, dass
Bibelarbeit zu Mt 7, 24-27 – Weltgebetstag 2021 aus Vanuatu – Worauf bauen wir? - Ute Dilger-Irene Ziegler

die Heilige Geistkraft immer auch die Finger im Spiel hat… Geistesblitze schickt usw.
 
Die Welt ist seither noch enger zusammengerückt – oder auseinander, je nachdem,
wie wir schauen.
Eines ist klargeworden: Ein Weiter so wie bisher, kann es nicht mehr sein.
Deshalb ist im Deutschen Komitee aus dem Thema: Build on a strong Foundation –
„Baue auf festem Grund“, eine Frage geworden. Und wir legen sie den Frauen in
Vanuatu gleichsam in den Mund. Es ist eine Frage, die sie an sich selbst stellen aber
vor allem eben auch an uns:
Worauf bauen wir?!

 1. Das „Matthäusevangelium“ und seine Zielgruppe – der Kontext
Für wen wurde das Matthäusevangelium geschrieben?
Da es bei „Matthäus“ viele Bezüge zu den Heiligen Schriften des Judentums („Altes
Testament“) gibt, geht man von einer jüdisch geprägten Gemeinde aus. Zugleich wird
deutlich, dass Jesus im Mt-Ev immer wieder heftige Diskussionen mit jüdischen
Schriftkundigen und Pharisäern führt. Und es gibt deutliche Hinweise darauf, dass
auch Menschen mit griechischem oder römischem Ursprung zur Gemeinde
dazugestoßen waren. Es gibt die Tendenz, den Glauben an Jesus als den Messias für
alle zu öffnen, z.B. ganz am Ende des Evangeliums: Im so genannten Taufbefehl: Geht 3
hin in alle Welt und macht zu Jünger:innen alle Völker (Mt 28, 18-20).
Die sprachliche Analyse zeigt, dass das Mt-Ev von Anfang an nicht auf Aramäisch
(damalige Sprache in Israel), sondern auf Griechisch geschrieben worden ist. Auch die
Zitate aus den heiligen Schriften sind der Septuaginta entnommen, der griechischen
Übersetzung des so genannten Alten Testaments. Zielgruppe waren also sowohl
jüdische als auch römische, syrische als auch griechische Menschen – kurz: es richtet
sich an viele Leute mit Migrationshintergrund – eine bunte Gemeinde .

Wo ist es denn geschrieben worden? Das weiß man offen gestanden nicht. Manche
sagen, in der heutigen Türkei, dem damaligen Syrien, aber Belege dafür gibt es nicht.
Und wann? Auf alle Fälle nach dem Markusevangelium, weil es darauf aufbaut. Und
das wird wegen der Erwähnung der Zerstörung des Tempels auf ca. 70 n. Christi
Geburt geschätzt.
Unser Evangelium ist also etwa ein halbes Jahrhundert nach Jesu Tod und
Auferstehung im Blick auf eine bunt gemischte Gemeinde aufgeschrieben worden.

 2. Die biblische Verortung des Gleichnisses als Rahmentext der Bergpredigt

Das Mt-Ev enthält das Mk-Ev und ergänzt es u.a. mit fünf großen Reden Jesu. Dabei
ist die Bergpredigt die weitaus berühmteste Rede Jesu. Sie steht in Matthäus 5-7.
Bibelarbeit zu Mt 7, 24-27 – Weltgebetstag 2021 aus Vanuatu – Worauf bauen wir? - Ute Dilger-Irene Ziegler

Unser Gleichnis gehört zum sorgfältig gestalteten Rahmen:
Zu Beginn wird erzählt, dass Jesus die Menschenmenge sah und auf einen Berg stieg,
um sich dort zu setzen. Mt 5, 1. Das ist gut, weil er dort gut gesehen und besser
gehört werden kann. Es hat aber auch eine Symbolkraft, die die Menschen damals
sofort verstanden: Er stieg auf einen Berg, genau wie Mose, der dem Volk, das Gott
aus der Sklaverei befreit hatte, Gottes Wille verkündigt hat, das Gesetz und die zehn
Gebote. Jesus tut praktisch dasselbe, wenn er vom Reich Gottes spricht, von Gottes
Traum für diese Welt. Und: Er tut seinen Mund auf und redet (Mt 5, 2). Das wird in
den Schriften des Judentums immer verbunden mit dem Einsatz für die Armen.
Jesus ist der neue Mose, der Lobbyist für die Schwächsten!

Am Ende macht Jesus deutlich, dass in Jesu Augen Gottes Gerechtigkeit, das Gericht
in das Leben schon hineinragt (vgl. Mt 25, 31ff). Es spielt eine Rolle, ob und wie wir
handeln. Das Reich Gottes bzw. das Himmelreich wird hier immer wieder zu einem
Ort, wo wir hineinkommen oder auch nicht. Hierher gehört unser Gleichnis – es fragt:
hörst du zu und handelst nach meiner Lehre, dann hast du festen Grund – hörst du zu
und tust es nicht – ja, dann baust du auf Sand, dann fällt dein Lebenshaus in sich
zusammen. Glauben und Handeln, Hören und Tun gehören zusammen und können
nicht voneinander getrennt werden.

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Und was hören die Leute nun und sollen danach ihr Handeln ausrichten?

Er beginnt mit den Seligpreisungen – und damit mit der Würdigung von Menschen,
die als zu weich, zu schwach galten, politisch verfolgt, verarmt, unwichtig. Sie
bezeichnet er als selig, auch als Salz und Licht – ihnen will er die Schrift, den Willen
Gottes in der Tora, erneut und lebendig verkünden.
Er legt einige Gebote noch einmal aus und verdeutlicht, wie einige religiöse Sitten
und Gebräuche gemeint sind. Er fordert sie heraus – z.B. mit der Rede vom
Gewaltverzicht:
Wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke dar…
Was bedeutet das konkret?
Hier gilt es, sehr genau zu lesen – denn normalerweise schlägt mein Gegenüber mit
der rechten Hand zu… Welche Wange trifft es dann? Genau! Die linke!
Achtung! Das ist keine Verwechslung, das steht ganz bewusst so da!
Hier kann man sehen, dass Jesus wirklich wie Mose zu Menschen spricht, die wissen,
was Sklaverei bedeutet: Wenn dich jemand schlägt und auf die rechte Wange trifft,
dann wirst du mit der Rückhand geprügelt. Dann schlägt dich jemand voller
Verachtung, wie eine Sklavin!
Bibelarbeit zu Mt 7, 24-27 – Weltgebetstag 2021 aus Vanuatu – Worauf bauen wir? - Ute Dilger-Irene Ziegler

Und wenn Jesus sagt – wenn dir das passiert, dann halte auch die Linke hin!
Was passiert dann?

Jesus fordert dich heraus, die Haltung der Sklav:in zu verlassen und dem anderen auf
Augenhöhe zu begegnen. Die Körpersprache sagt plötzlich und überraschend: Wenn
du mich noch einmal schlagen willst, dann schlage mich wie deinesgleichen!
Jesus spricht hier ganz eindeutig gegen Sklaverei – oft wird ja behauptet, er habe
dazu nie etwas gesagt. Ich sage – doch, er hat sie verurteilt!
Und zwar sowohl für die Sklav:innen als auch für die Herr:innen, denn was bedeutet
die andere Körpersprache noch? Sie bedeutet: Ich traue dir zu, es anders zu machen!
Jesus mutet uns zu, jedem Menschen zuzutrauen, seinen gewalttätigen Lebensstil zu
ändern… Selbst Sklavenhalter:innen sind Menschen wie du!
Die Ni-Vanuatu würden auf Bislama sagen: MI RESPEKTEM YU RESPEKTEM MI

Unser Gleichnis vom Fundament erinnert daran: Hör zu und verändere dein
Verhalten – und zwar überraschend und komplett. Dann hast du auf Fels gebaut.

Ganz am Ende der Rede sind die Leute völlig aufgewühlt – Jesu Autorität und Klarheit
erinnert wirklich an Mose, der den Mut hatte, beim Pharao für die Freiheit der
Versklavten einzutreten.
Und dann in Kapitel 8 geht es direkt ans Tun: Schon auf dem Weg vom Berg herunter,
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beginnt Jesus zu heilen.
Impulsfrage: Zuerst Sanddroing, dann Zweiergruppen – Telefonanruf bei Partnerin!
Der christliche Glaube gilt oft als eine moralische Anleitung zum Leben. Für viele passt
Christentum gut zusammen mit Recht und Ordnung.
Hier wird erzählt, dass die Bergpredigt die Menschen aufgewühlt hat.
Hast du etwas Ähnliches auch schon einmal gespürt?
Hat eine Geschichte aus der Bibel schon einmal emotional so aufgewühlt, dass sich danach
etwas in deinem Leben verändert hat?
Dass es dich beflügelt hat – dass du nicht Last, sondern Lust gespürt hast, nicht Verbot oder
Pflicht, sondern Befreiung und Hoffnung?

 3. Worauf bauen wir?
Wie lesen die Menschen in Vanuatu die Bergpredigt und insbesondere das Gleichnis
vom von der Wahl des richtigen Fundaments?

Jesus beschreibt zwei Menschen, die sich entscheiden müssen: Worauf baue ich mein
Haus?
Wie in der weisheitlichen Rede üblich, gibt es eine klare Unterscheidung: Der richtige
und der falsche Weg, die kluge und die törichte Wahl usw.

Hier scheint der Sinn sofort augenfällig: Es ist auch ganz parallel gestaltet:
Wer diese meine Rede hört und danach handelt gleicht einem klugen Mann, einer
Bibelarbeit zu Mt 7, 24-27 – Weltgebetstag 2021 aus Vanuatu – Worauf bauen wir? - Ute Dilger-Irene Ziegler

weisen Frau, die ihr Haus auf Fels baute…
Wer diese meine Rede hört und nicht danach handelt, der gleicht einem törichten
Mann, einer unvernünftigen Frau, die ihr Haus auf Sand bauten…

Parallel ist auch die Konsequenz:
Und Regen fällt herab, Flüsse fallen über das Haus her, Stürme wehen und Winde
stoßen an das Haus… aber es stürzt nicht ein, denn es ist auf Fels gebaut!

Und Regen fällt herab, Flüsse fallen über das Haus her, Stürme wehen und Winde
stoßen an das Haus… und sein Fall ist groß, denn es ist auf Sand gebaut!

Jesus legt dieses Bild ans Ende seiner großen programmatischen Predigt von Gottes
Willen und Traum für die Erde. Im Grunde sagt er – Ihr habt die Wahl: Das hier, die
Befolgung meiner Rede, ist fester Grund, das andere ist nur eine trügerische Basis,
nichts, worauf ihr euch verlassen könnt. Dein Lebenshaus wird mit großem Trara
zusammenbrechen, so schön die Villa auch sein mag, die du dir gebaut hast… Worauf
hast du gebaut? Hast du zugehört und dann auch danach gehandelt? Darauf kommt
es an.

Wie lesen das die Leute, die Frauen in Vanuatu?
Es gibt nicht nur die Geschichten vom Papalagi, in denen die Menschen aus dem
Pazifik die westliche Kultur infrage stellen: Vanuatu hat schon zweimal den World 6
Happiness Index angeführt auf Platz 1, also als das Land mit den glücklichsten
Menschen auf der Erde. Sie sind sehr stolz darauf – und sie verbinden diese
Anerkennung damit, dass Glück in Vanuatu nicht mit Reichtum und Konsum
gleichgesetzt wird, sondern damit, saubere Luft und sauberes Wasser zu haben, in
Harmonie mit der Natur zu leben und sich seiner Wurzeln bewusst zu sein. Auch
Versöhnung ist ein wichtiger Aspekt, Wiedergutmachung, die Lösung von Konflikten.
Das ist die positive Seite der Kultur – das Positive dessen, was sie in Vanuatu Kastom
nennen. Und beide Sichtweisen – die vom Häuptling aus Samoa und die von jenen,
die sich über die Spitzenplätze beim World Happiness Index freuen, erzählen nicht die
ganze Geschichte.

Die Frauen in Vanuatu lächeln oft und viel. Zugleich ist es Alltag in Vanuatu, dass
Frauen gedemütigt, gegängelt, eingesperrt, geschlagen, verbrüht und vergewaltigt
werden.
Selbst wenn es nicht das eigene Schicksal ist, kommt wohl keine einzige Frau in
Vanuatu darum herum, von Gewalt gegen Frauen und Kinder mitzubekommen. Die
Zahl an sexuellem Kindesmissbrauch ist immens. Das Ausmaß und die Häufigkeit von
Übergriffen körperlicher, seelischer und sexueller Art gegen Frauen schockiert.
Frauen werden mit Waffengewalt bedroht, manche getötet, ohne dass der Ursache
nachgegangen wird.
Bibelarbeit zu Mt 7, 24-27 – Weltgebetstag 2021 aus Vanuatu – Worauf bauen wir? - Ute Dilger-Irene Ziegler

Auch die strukturelle Gewalt ist groß: Es sitzt keine einzige Frau im Parlament. In der
Gerichtsbarkeit und in der Polizei sind es zumeist die Männer, die das Sagen haben.
Deshalb macht der Film von den Black Sistaz – Mama Pacifica so viel Hoffnung – da
sieht man endlich mal Amtsträgerinnen in vielen Institutionen!
Dörfer werden fast immer von Chiefs regiert, die platt gesagt als Qualifikation
mitbringen, dass ihr Wildschein-Eber den längsten gekrümmten Hauer
hervorgebracht hat. Sie werden nicht gewählt, sondern bestimmt bzw. haben das
Amt des Chiefs geerbt – und sie sitzen in einer gesonderten Kammer, die dem
gewählten Parlament gleichgeordnet ist. Das Erbrecht sieht nur Männer als Erben
vor, selbst die Verteilung von Hilfsgütern nach Wirbelstürmen oder
Naturkatastrophen läuft über die männlichen Haushaltsvorstände. Frauen werden
verheiratet, auch gegen ihren Willen, z.B. um Frieden mit dem Nachbardorf zu
schließen.

Kastom als eine Tradition, die vor allem Männern die Macht gibt - verbunden mit den
Werten der patriarchal geprägten Missionare verbindet sich zu einem wahren Käfig
für Frauen: Ehescheidung gilt als Schande. Die Tradition des Brautpreises wird oft so
verstanden, dass der Mann über die Arbeitskraft und den Körper der Frau verfügen
darf, übrigens auch die Meinung vieler Frauen!! Die Männer haben das Sagen und
fast alle Macht und die Frauen haben zu dienen und zu ernähren, oft ohne eine
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Ausbildung machen zu dürfen .
All das zusammen gibt ein sehr sandiges, sehr schwaches Fundament für ein
glückliches, selbstbestimmtes Leben von Frauen in Vanuatu.

Sie halten die guten Aspekte von Kastom der westlichen Zivilisation entgegen - der
Zusammenhalt im Dorf z.B., das Leben mit der Natur. Das ist ihre Identität und ihr
Stolz. Es ist aber eine Falle, wenn sie damit zugleich zustimmen müssen, dass sie
niemals über Häusliche Gewalt sprechen dürfen und die Ehre der Familie mit ihrem
Schweigen steht oder fällt.
Wie soll eine Frau das Gebot, nicht die Ehe zu brechen, positiv lesen, wenn ihr Mann
sie quält? Wie soll sie eine kirchliche Sexualmoral als hilfreich betrachten, wenn sie
von Kindheit an die Erfahrung gemacht hat, dass Männer, männliche
Familienangehörige und Bekannte sich ungefragt und ungestraft an ihrem Körper
vergreifen dürfen?

Zu all dem kommen die Folgen des Klimawandels. Von der männerbezogenen
Verteilung von Hilfsgütern haben wir schon gehört. In jeder Katastrophe sind Frauen
und Kinder besonders gefährdet und Gewalt gegen sie nimmt fast immer stark zu.
Außerdem sind Frauen für die Ernährung verantwortlich. Sie sind in Not, wenn die
Ernte durch Überflutung und Versalzung der Böden vernichtet wird. Sie sind auch
Bibelarbeit zu Mt 7, 24-27 – Weltgebetstag 2021 aus Vanuatu – Worauf bauen wir? - Ute Dilger-Irene Ziegler

diejenigen, die mit der Veränderung des Verständnisses, wem das Land gehört, aus
dem Besitz des Landes gedrängt werden. Früher gehörte das Land allen. Es war
gottgegeben. Mit dem zunehmenden Einfluss von Immobilienfirmen aus Frankreich,
England und mehr und mehr auch China, gibt es plötzlich so etwas wie Verträge und
Landbesitz. Selbst wenn die Chiefs noch gefragt werden, die Frauen werden es
bestimmt nicht.

Die Identitätskrise der Leute im Blick auf Tradition und Moderne – also das Tragen
von Grasröcken, unter denen man ein Täschchen mit dem Smartphone trägt – führt
zu Ängsten, die möglicherweise ein weiterer Auslöser von Gewalt gegen Frauen und
Mädchen ist.

Und es ist mitnichten so, dass die Frauen, die auf den Inseln weit weg von den
Städten wohnen, die wenig Bildung haben und noch „ganz traditionell“ leben,
weniger Gewalt erfahren als jene, die in der Stadt mehr Bildungsmöglichkeiten
haben. Die Zahlen sind überall hoch, einzig unter den gebildeten Frauen gibt es etwas
weniger Betroffene.
Impulsfragen 3 (Einzelarbeit Sanddroing) und 4 (Kleingruppen zu 4-5
Frauen/Breakoutgroups) :
Der christliche Glaube hat in Vanuatu hohes Ansehen – besonders, weil die Kirchen Frieden
unter den verschiedenen Gruppen auf den Inseln gebracht haben, weil sie den 8
Kannibalismus zurückgedrängt haben. Das symbolisieren die Palmzweige auf der Flagge.
 3. Sanddroing für dich allein: Wie hören Ni-Vanuatu-Frauen die Goldene Regel:
 „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun, das tut ihr ihnen auch!“
 Wir würden sie die Regel mit ihrer eigenen Lebenserfahrung füllen?

 4. Das Fundament der Weltgebetsbewegung
Unser Lebensstil hängt mit dem Schicksal der Frauen in Vanuatu zusammen. Der
menschengemachte Klimawandel steigert den Druck auf sie. Auch unser persönlicher
ökologischer Fußabdruck macht die Last schwerer. Wir sollten hören und danach
handeln – und etwas von unserem Verhalten ändern.
Möglichst schnell und konkret. Bei uns gibt es das Insektensterben, das Leiden der
Wälder, das nitratverseuchte Grundwasser, die mit Glyphosat getränkten Böden, die
industrialisierte Billig-Fleisch-Industrie. Es gibt die blinde Freude an Kreuzfahrten,
Flugreisen, Shopping-Touren, Schnäppchen-Jagd. Es gibt allemal genug, wovon wir
lassen könnten, damit die Erde aufatmen kann.

Jesus sagt: Alles nun, was ihr wollt, das euch die Leute tun, tut es ihnen ebenso.
Die goldene Regel – eine der Essenzen der Bergpredigt.

Die Frauen in Vanuatu würden sagen: Mi respektem yu respektem mi.
Sehen wir also in ihnen nicht in erster Linie arme, bedürftige Opfer, sehen wir in
Bibelarbeit zu Mt 7, 24-27 – Weltgebetstag 2021 aus Vanuatu – Worauf bauen wir? - Ute Dilger-Irene Ziegler

ihnen Überlebende. Sie tragen viel Weisheit und Kenntnis in sich, sonst könnten sie
nicht überleben – weder von der ökologischen noch von der sozialen Lebenswelt her.
Was tun sie?
Sie tun sich zusammen in Gruppen, z.B. in den Kirchen, auch bei ActionAid, einer
Hilfsorganisation aus Australien – sie lernen etwas über ihre Rechte, erheben ihre
Stimmen. Sie bilden Task Forces für den Katastrophenfall, reden mit Chiefs und
Politikern, fordern es ein, endlich gesehen und gehört und ernst genommen zu
werden.

 Und so können wir sie auf
 Augenhöhe fragen: Wie erzieht
 ihr denn eure Söhne? Eure
 Töchter?

 Was tut ihr, um die massive,
 ungesunde Macht der Männer
 nicht in die nächste Generation
 weiterzutragen?

 Dabei ist klar, dass es dort fast
noch gefährlicher ist als hier, wenn die Mütter etwas verändern wollen.
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Denn wir sollten auch uns selbst fragen: Wie erziehen denn wir unsere Söhne?
Wie erziehen wir unsere Töchter?
Wenn die Welt heil werden soll, dann brauchen Frauen wie Männer Heilung, wie
Ruth Bader Ginsburg, die kürzlich verstorbene große Feministin und Richterin im
Supreme Court in den USA gesagt hat.

Und noch etwas: Hören wir auf unsere Söhne und Töchter, Enkelsöhne und
Enkeltöchter, die ja in großer Zahl auf die Straße gehen und fragen: Was ist euch
wichtiger? Euer gewohnter Lebensstil oder die Zukunft der Erde als unser
Lebensraum? Worauf bauen wir?

Und es kann sein, dass die wahre Sicherheit, die nachhaltige Lösung, eben nicht das
Betonfundament ist, sondern der feuchte Waldboden, der artenreiche Magerrasen,
die solidarische Landwirtschaft, Wild- oder Bio- statt Billigfleisch, heimische Kohlrabi
statt Avocado aus Mexiko.
Die Frauen in Vanuatu fragen uns: Worauf baust du?
Wie ist das bei dir mit dem Zuhören und dem Danach-Handeln?
Wo handelst du klug und nachhaltig in deinem persönlichen Umfeld, wo möchtest du es
beeinflussen in der Gesellschaft? Und global?
Was haben du und ich miteinander zu tun? Wo sind wir miteinander verbunden?
Bibelarbeit zu Mt 7, 24-27 – Weltgebetstag 2021 aus Vanuatu – Worauf bauen wir? - Ute Dilger-Irene Ziegler

Nimm dir Zeit, dich mit den Frauen in Vanuatu zu verbinden – mal in den Sand.
Und dann nimm dir einen ersten Schritt vor, einen Schritt zur Veränderung: Wo will ich in
Zukunft anders essen, anders kaufen, anders reisen?
Schreibe ein Stichwort dazu mit dickem Stift auf die Karte mit dem Fußabdruck.
Lied 6: Ich will auf Gott bauen, S. 14

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