WORDRAP: HARRY WASSERMANN - VORSTANDSVORSITZENDER, SNT DEUTSCHLAND AG
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Lebensmotto: Immer authentisch bleiben und sich für nichts und niemanden verbiegen oder verstellen ... Was mir imponiert: Mut und Begeisterungsfähigkeit ... Was ich nicht mag: Schwafelmeetings ... Ich mag an mir: Dass ich niemals die Begeisterung und Leidenschaft für das, was ich tue, verliere ... Energie tanke ich: Wenn ich schlafe ... Ich esse gerne: Wiener Schnitzel ... An der Bar bestelle ich: Weißwein ... Meine Top Lokale: Aigner in Berlin, De Koepel in Den Haag ... Mein Kaffee: Stark und schwarz ... Letzter Film im Kino: Skyfall ... Aktuell lese ich: „Der Gefangene des Himmels“ (Carlos Ruiz Zafón) ... Letzter Urlaub: Kärnten ... Traumreiseziel: Die ganze Welt ... Lieblingsstadt/ Lieblingsstädte: Köln, Berlin, Wien ... Was niemand über mich weiß: Keine Ahnung – siehe Lebensmotto ... Meine Mitarbeiter sagen über mich: Das sollten die Mitarbeiter/innen selbst beantworten
INTRE COMMUNTIY INTERVIEW: HARRY WASSERMANN VORSTANDSVORSITZENDER SNT DEUTSCHLAND AG INTRE: Herr Wassermann, wir sind hier im Steigenberger Herrenhof, einem Fünf-Sterne-Hotel im Zentrum von Wien. Der Ort ist bewusst gewählt, denn aus unserer Sicht versteht es die Hotelbranche perfekt, die Preisdefinition einerseits gemäß der aktuellen Nachfrage im Sinne Verfügbarkeit, andererseits aber auch gemäß der gebotenen Leistung und Qualität des Hauses zu definieren. Jemand, der den Fünf-Sterne-Steigenberger Herrenhof bucht, hat gewisse Erwartungen und ist bereit, dafür auch ein entsprechendes Entgelt zu bezahlen. In der Call Center-Branche hätten zumindest wir den Eindruck, dass dies nicht immer so ist. HARRY WASSERMANN: Da haben Sie leider im Großen und Ganzen recht. Fairerweise muss man sagen, dass einige Auftraggeber dies gemäß Ihrem Bei- spiel genau so sehen. Sie beauftragen einen Dienstleister, haben hochwertige Erwartungen und sind auch bereit, dafür ein entsprechendes Entgelt zu be- zahlen. Aber leider gibt es einige mehr, um beim Thema Hotel zu bleiben, die das Fünf-Sterne-Luxushotel buchen, aber dafür nur den Preis einer Jugendher- berge zahlen möchten. INTRE: Ich glaube kaum, dass der Steigenberger Herrenhof auf diesen Deal ein- steigen würde. Einige Call Center tun aber genau das. Warum? HARRY WASSERMANN: Das frage ich mich auch. Eine logische Erklärung dafür gibt es meiner Meinung nach nicht. Die Idee, dass man als Dienstleister die Preise irgendwann durch Zusatzgeschäfte, weitere Projekte und Ähnliches nach oben entwickelt, bleibt in den meisten Fällen ein hilfloser Versuch. INTRE: Die vergangenen Call Center-Jahre standen unter dem Motto „Wachstum um jeden Preis“. Diverse Förderungen haben diese Entwicklung unterstützt. An der Börse würde man sagen, dass die Call Center-Blase bald platzen könnte. HARRY WASSERMANN: Na ja, wenn Sie es so ausdrücken, dann kann ich nur sagen, dass diese für einige schon geplatzt ist. Wachstum war das Motto. Und dieses Wachstum wurde über die Preise „finanziert“. Der Markt hat sich teil- weise zu einem Low Budget-Markt entwickelt. Und klar ist, wenn sie einmal im Steigenberger Herrenhof für 50 Euro übernachten und alle Annehmlichkeiten haben, werden nur die wenigsten bereit sein, das nächste Mal 350 Euro oder mehr zu bezahlen. Genau das haben aber viele Dienstleister versucht umzu- setzen. Es gab einige Turbulenzen, die die Branche wachgerüttelt haben. Das hat auch bei einigen Auftraggebern ein gewisses Preis- und Qualitätsbewusstsein geschaffen und das war wichtig für die gesamte Branche. Generell sind wir auf INTRE COMMUNITY einem guten Weg. INTRE: Inwiefern? HARRY WASSERMANN: Auftraggeber hinterfragen stärker. Die finanziellen Rahmenbedingungen des Anbieters, aber auch Themen wie Qualitätssicherung, Datensicherheit, Mitarbeiteraus- und -weiterbildung, Pro- zessmanagement, Recruitingprozesse und vieles mehr werden immer öfter Fortsetzung auf S32 ç
Fortsetzung von S 30 ç von potenziellen Auftraggebern beurteilt und überprüft. Wenn ein Unternehmen 200 oder 250 „Seats“ an einen Outsourcer auslagert, dann fließen diese Parameter zu- sätzlich in den Entscheidungsprozess mit ein. Vielen Auftraggebern ist auch klar, dass, wenn ein Betreiber seinen Mitarbeitern nur 4 EUR die Stunde bezahlt, dieser dann keine Fünf-Sterne-Qualität liefern kann. INTRE: Aktuell zur CCW bekommt die Mindestlohnde- batte wieder neuen Schwung. Wird es hier bald eine Einigung geben? HARRY WASSERMANN: Ein sehr schwieriges und vor allem emotionales Thema. Emo- tional deshalb, weil es darum geht, einem Menschen, der 40 Stunden arbeitet, auch ein ordentliches Gehalt zu bezahlen. Einerseits steigen die Lebenshaltungskos- ten und auch die Anforderungen an die Mitarbeiter in unserer Branche. Es werden teilweise hochkomplexe Themen bearbeitet, viele Mitarbeiter haben Schicht- dienst, regelmäßig Quality Checks und Ähnliches. Wenn ich höre, dass beispielsweise 1.100 Euro brutto für ei- nen Vollzeitjob ausreichend sein sollen, dann finde ich das unwürdig. Ich würde mir andererseits auch nie an- maßen, zu sagen, wie viel Geld für einen Menschen aus- reichend ist. Aber ja, ein Mindestlohn im Sinne einer Un- tergrenze, welcher für alle Anbieter gilt, wäre ein erster, sehr wichtiger Schritt. INTRE: Quasi wie der Kollektivvertrag in Österreich? HARRY WASSERMANN: Ja. In diesem sind die Min- destgehälter klar geregelt, für jeden einsehbar und auch RÜCKBLENDE für jeden Dienstleister gültig. Ich habe überhaupt keine Harry Wassermann (*1962) startete seine berufliche Scheu, einem Auftraggeber unsere Kalkulation offen- Laufbahn bei American Express in Österreich und ver- zulegen. Wir sind keine Branche, in der 20 oder 30 Pro- antwortete dort den gesamten operativen Kundenser- zent Umsatzrendite produziert werden. Wir machen uns nicht die Taschen mit Geld voll. Wir geben das an Mit- vice. Nach Übernahme einer Position im internationalen arbeiter weiter, was wir bekommen, wir investieren in neue Kundenservice bei American Express in England führ- Technologien, haben Miete zu bezahlen etc. Und ja, te sein Weg in die Telekommunikationsbranche, in der einen kleinen Teil kalkulieren wir als Gewinn. Wenn er in Deutschland unter anderem bei E-Plus und Arcor unsere Branche aber meint, alleine über einen Mindest- verantwortlich für den Kundenservice war. Seine Erfah- lohn zu befinden, dann haben wir die Rechnung ohne rungen im In- und Ausland umfassen damit die gesamte den Wirt gemacht. Diese Diskussion müssen wir zusam- men mit unseren Auftraggebern führen, sodass sie ab- Bandbreite des Kundenbeziehungsmanagements. Harry geholt werden, alles transparent ist und sie in Zukunft Wassermann ist seit Oktober 2005 Chief Executive auch mitziehen. Officer (CEO) der SNT Deutschland AG.
INTRE: Da fürchte ich, dass wir uns im Kreis drehen dann sind die Auftraggeber in der Pflicht. In Deutschland werden. Einerseits wissen wir, dass beispielsweise die darf nicht immer alles billig sein. Wenn jemand zum Gewinnung eines neuen Kunden sieben- oder zehnmal Friseur geht und dort für einen Haarschnitt nur 5 EUR so viel kostet wie das Halten eines bestehenden Kunden bezahlt und den Mitarbeiter 40 Minuten beschäftigt, oder dass der Service in einer Zeit der Produktähnlich- dann kann sich jeder ausrechnen, wie viel davon wohl keiten ein wesentliches Differenzierungsmerkmal ist der Mitarbeiter bekommt. Aber all das ist eine Werte- usw. Andererseits beauftragen dann viele Unternehmen diskussion, die noch zu führen ist. doch nach wie vor den „billigsten“ Anbieter. HARRY WASSERMANN: Das ist auch für mich schwer zu ver- INTRE: Wenn ein Auftraggeber dann den Dienstleister stehen. Teilweise geht es sogar soweit, dass im Internet wechselt, dann werden vermutlich 200 bis 300 Seats Aufträge versteigert werden und die Anbieter unterbieten bewegt. Da entstehen beim Auftraggeber hohe, vor allem sich bei der Auktion gegenseitig. Klar muss man vorher interne Kosten, ganz abgesehen von den Risiken, welche einige Grundthemen wie Finanzkraft, Mitarbeiteranzahl auf der Kunden-, Performance- und Qualitätsseite ent- und Ähnliches erfüllen, aber am Ende ist es ein brutaler stehen. HARRY WASSERMANN: Da haben Sie völlig Preiskampf. Spannend ist jedoch, dass wir weniger die recht, aber die wenigsten Auftraggeber bezahlen Set- Diskussion mit den Serviceverantwortlichen haben, son- up-Kosten, sondern fordern, dass diese in den Minuten- dern fast ausschließlich mit dem Einkauf. Wenn dann preis eingerechnet werden. Damit entsteht eine gewisse Verhandlungen nur noch über Excel-Preislisten geführt Kostenintransparenz, welche so lange in Excel hin und werden, ist dies zum Teil völliger Irrsinn. Die Servicever- her geschoben wird, bis es passt. antwortlichen leiden mit, denn sie müssen dann in der operativen Umsetzung das ausbaden, was bei der Excel- INTRE: Und der Betreiber, der die Seats „verliert“, Preisschlacht auf der Strecke geblieben ist. muss im Worst Case die 200 bis 300 Mitarbeiter ab- bauen, was wiederum negative Presse nach sich zieht… INTRE: Fehlt hier den Betreibern der Mut, einfach Stopp HARRY WASSERMANN: …und dies völlig zu Unrecht. zu sagen? HARRY WASSERMANN: So würde ich es Die Presse schreibt „böses Call Center“, aber kennt nicht ausdrücken, aber natürlich hat man sich von den die Hintergründe in den meisten Fällen nicht. Ich habe Volumina, Umsätzen, versprochenen Potenzialen und noch nie gelesen, dass die Presse schreibt, das Unter- Ähnlichem locken und treiben lassen. Wenn ein Betrei- nehmen X hat im Glasturm in München, Berlin, Frank- ber sagt, zum Preis X kann ich die Leistung nicht mehr furt, Hamburg oder wo auch immer auf Basis einer erfüllen, ich muss meine Preise erhöhen, dann entsteht Excel-Übersicht entschieden, dass 300 Menschen ihren die Sorge, das Geschäft zu verlieren. Die Auftraggeber Arbeitsplatz verlieren. Die ganze Imagediskussion, dass spielen teilweise den einen Anbieter gegen den anderen die Branche schlecht zahlt, Mitarbeiter kontrolliert und aus. Zu einem Billiganbieter gibt es immer noch eine Al- Ähnliches, resultiert ja daraus, dass die Branche nur ternative, nämlich noch einen billigeren Anbieter. Aber das zahlen kann, was der Auftraggeber bezahlt, und das Sie haben recht, wir sind in der Branche ein bisschen leisten muss, was der Auftraggeber vorgibt. Es ist ja auch selbst schuld. Die Situation ist nicht durch Geisterhand als Dienstleister unsere Pflicht, darauf zu achten, dass entstanden. Aber wesentlich ist, dass auch hier ein Min- die Vorgaben des Auftraggebers eingehalten werden. INTRE COMMUNITY destlohn der Branche helfen würde. Ein Mindestlohn würde die Möglichkeiten reduzieren, dass man gegenei- INTRE: Der deutsche Call Center-Markt ist trotz allem nander ausspielbar und erpressbar ist. Dann wäre nach nach wie vor riesig. Eine der aktuellen Thesen ist, dass unten hin irgendwann Schluss. der Markt schrumpft, weil weniger Calls und Social Me- dia die Zukunft sind. Geht das Call-Volumen zurück? INTRE: Trotzdem wird es welche geben, die den Preis un- HARRY WASSERMANN: Nein, überhaupt nicht. Dass terbieten. HARRY WASSERMANN: Mit Sicherheit, aber sich die Welt da draußen in das Internet verabschie- Fortsetzung auf S34 ç
Fortsetzung von S 33 ç det hat und sich den Kundenservice im Internet selbst macht, ist aus meiner Sicht der Irrsinn schlechthin. Die SNT DEUTSCHLAND AG – Fragen, die Kunden heute stellen, werden deutlich kom- DATEN UND FAKTEN plexer und individueller. Das Call-Volumen geht, zumin- Die SNT Deutschland AG ist eine 100%ige Tochter dest für die Branchen, in denen wir aktiv sind, definitiv der niederländischen KPN Telecommerce und ein nicht zurück, sondern steigt sogar an. Der simpelste operativer und beratender Premiumdienstleister und wertstiftendste Kundenkontakt ist nun mal der Call. und BPO-Partner für das gesamte Spektrum der Wenn Sie abends nach Hause kommen, fernsehen wol- vertriebs- und serviceorientierten Kundenkom- len und der Bildschirm schwarz bleibt, dann möchte ich munikation mit Schwerpunkt Call Center-Dienst- gerne sehen, wie Sie beispielsweise über Twitter oder leistungen. Das Leistungsportfolio umfasst u. a. Facebook herausfinden, woran das liegt. Das Gespräch In- und Outbound über sämtliche Kontaktkanäle, mit einem Kabelkunden dauert durchschnittlich sechs Cross- und Upselling-Konzepte, sowie Agenturleis- bis sieben Minuten. Bei Twitter mit 140 Zeichen wird das tungen für Online, E-Learning und Wissensdaten- spannend. Aber ja, der Kommunikationskanal Social Me- banken. Umsatz 2011: 120 Mio. EUR, Mitarbeiter: dia, Internet, Web etc. ist da, nicht aber in dem Ausmaß, rund 3.000, 7 Standorte Info: www.snt-ag.de wie das auch in den Fachmedien immer wieder propa- giert wird. Ein Beispiel: Wir haben auf einem Account 50 Agents an der Line und davon betreuen genau zwei Mit- INTRE: Trotz alledem habe ich den Eindruck, dass es arbeiter die „Social Media“-Kontakte einschließlich Chat. in der deutschen Call Center-Branche Betreiber gibt, die in den letzten Jahren im Bereich „Marke“, „Image“, „Ruf“ viel gemacht und erreicht haben. HARRY WASSERMANN: Ja, und das ist gut so! Auch auf der Auftraggeberseite gibt es vermehrt Unternehmen, de- nen diese Kriterien bei der Auftragsvergabe wichtig sind. Eine Top-Marke, beispielsweise aus der Automobil- oder Lebensmittelbranche, sucht sich Dienstleistungspartner, die vom „Standing“ zum Unternehmen passen. Wir stel- len zum Beispiel verstärkt fest, dass ein Auftraggeber, der seine Produkte sehr qualitätsorientiert produziert, auch das Thema Qualität, Prozesse, Verbesserungs- prozess etc. intensiv nachfragt. Manchmal werde ich auch gefragt, was wir unseren Mitarbeitern bezahlen. Diese Firmen achten auch penibel darauf, dass ihre Mar- ke bei uns im Unternehmen eingeführt und verstanden wird und unsere Mitarbeiter diese Markenwerte auch ver-innerlichen. Wir schaffen es sehr gut, die Leiden- schaft für eine Marke zu uns zu transferieren. All das ist eine Wertediskussion, die wir mit unseren Auftraggebern führen. Das Thema hat und bekommt immer mehr Dynamik. Die Unternehmen, die einen Kundenservice- © Schramm Auftrag über den Zaun werfen und sich nicht mehr darum kümmern, werden zum Glück immer weniger. autorin: renate haiden
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