Wozu das Theater?! - Kulturchannel

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Wozu das Theater?! - Kulturchannel
Nr. 11 | Brückengeneration 5 | Feber · März 2019 | Euro 5,50
Österreichische Post AG | PZ16Z040851P
Amt der Kärntner Landesregierung
Abteilung 14 – Kunst und Kultur
Burggasse 8, 9021 Klagenfurt

                          Wozu das Theater?!
                          Eine Darbietung der darstellenden Künste.
                          www.bruecke.ktn.gv.at
Wozu das Theater?! - Kulturchannel
Kärntens ältester Theaterzettel
                                                     Der älteste, noch erhaltene Theaterzettel unseres Landes stammt aus dem Jahre 1746
                                                     und kündigt ein in Kärnten spielendes Attila-Drama an. Darin geht es um die „jämmerliche
                                                     Verwüstung und Zerstörung der vormals herrlichen berühmten und großen Stadt Sala“, die
                                                     man an Stelle Virunums annahm. Dass die Aufführung in Klagenfurt stattgefunden hat, geht
                                                     aus dem finalen Vers des papiernen Reliktes hervor: „Laß dich heut Clagenfurt nicht Geld
                                                     und Zeit gereuen / Es wird diß Schau-Spihl dich mit Hertzens-Lust erfreuen!“ l
                                                     Foto: Kärntner Landesarchiv | Dietrichstein Sch. 496/96/5

Markus Guschelbauer: Rasenstück II
Der 1974 in Friesach geborene Künstler lebt und
arbeitet in Wien. Zu seinen bevorzugten Medien
gehören Fotografie, wie Video und rauminstallative
Arbeiten. Das Thema Landschaft und deren
Darstellung in der bildenden Kunst, sowie der
theoretische und praktische Diskurs über Natur,
bilden das Hauptanliegen in Guschelbauers
künstlerischer Praxis. Foto: Markus Guschelbauer

vorort
Homo ludens
Der spielende Mensch versucht sich am Spiel
des Lebens [ohne Generalprobe]. Der Begriff
„Spieltrieb“ verrät uns, dass das Verlangen
nach dem Spiel ein angeborenes Grundbedürf-
nis und Verhalten des Menschen ist. Das Spiel
ermöglicht uns das Lernen durch Versuch und
Irrtum. Es eröffnet uns den alternativen Zugriff
auf Wirklichkeit und Handlungsfreiheit –
wir können „aus der Rolle fallen“.
Das Leben führt alle Formen des dar-
stellenden Spiels auf: es ist Komödie, Tragödie,
Drama oder Dramolett, Lustspiel ... und das
Theater ist ein Schauplatz für unsere Vorstel-
lungen. Es bietet die Bühne für den jeweiligen
Zeitgeist, für dessen unverhohlene Betrachtung
sowie Entlarvung. Es ist ein kulturtragender, ein
künstlerischer und ästhetischer Ort. Aber auch
ein politischer Ort. Kunst hat die gesellschaftli-
che Verantwortung, gegen den Strom der Zeit
zu schwimmen. Als eine Art „moralischer
Anstalt“ soll uns Theater Bilder des
politischen und gesellschaftlichen Zustands
unseres Zusammenlebens zeigen. Speziell die
vernagelten Bretter vor unseren Köpfen, die uns
unsere Welt bedeuten. Es soll herausarbeiten,
was bei aller Verschiedenheit das Gemeinsame
und Verbindende unseres Miteinanders ist. Es
soll Rollenbilder hinterfragen sowie neue Role-
models und Bilder für unsere vielgestalti-
gen Gesellschaften entwerfen.
DIEse BRÜCKE möchte den Theaterschreiberin-
nen und Bühnendichtern, den Kulissenmachern
und In-Szene-Setzerinnen, den Spielern und
Spielmacherinnen unseres Landes Bühne
geben. Und zugleich das GegenStück von Büh-
ne, nämlich Zuschauerraum, der Raum für den
gründlichen Betrachter und die kritische Kunst-
beschauerin, sein. Sie möchte Schaulust
wecken für eine sich immer wieder neu erfin-
dende und herausfordernde Kunst, die wir nicht
als Besitz sondern als Haltung und Handlung
verstehen – als den Stoff für ein gutes Spiel
des Lebens.
                                                     Cover: Nina Rike Springer: Jubel. Für ihre präzise durch-komponierten, collagenhaft wirkenden
                                                     fotografischen Arbeiten tritt die 1976 in Klagenfurt geborene Künstlerin zumeist selbst vor die Kamera.
● Gabbi Hochsteiner                                  Nina Rike Springer setzt ihren Körper als Hülle bzw. Instrument zum Ausdruck von Gefühlen und
  Chefredaktion DIE BRÜCKE                           Befindlichkeiten ein. Ein klarer Bildaufbau, der sich an der Formensprache von Bauhaus und
                                                     Konstruktivismus orientiert, aber auch die Buntheit, der Humor und die Dynamik von Pop, Comic und
                                                     Body Art, sind typisch. www.ninaspringer.com Foto: Nina Rike Springer | Bildrecht Wien
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BRÜCKEN.BOGEN
                                                                                                                                                     2019 ist das
                  2 vorort. Gabbi Hochsteiner                                                                                               Schwerpunktjahr für
                       Kärntens ältester Theaterzettel aus dem Jahr 1746.                                                                 Kinder- und Jugendtheater
                           4 Werkstättengespräch: Katrin Ackerl Konstantin. Rolemaking. Roletaking. Gabbi Hochsteiner                                 in Kärnten
                               6 Hokuspokus. Zur Geschichte des Theaters in Kärnten. Michael Cerha
                                                                                                                                                         STELLA19
                                   8 Im Rampenlicht. Theatermenschen aus Kärnten. Karin Waldner-Petutschnig                                     Darstellender.Kunst.Preis
                                      15 welter.skelter. So ist der Deal, Baby. Oliver Welter                                                    im November erstmals
                                                                                                                                                        in Kärnten
                                         16 Freies Theater: Schön aber brotlos. Wolfgang Rössler
                                            17 nach.ruf. Ernst Hildebrand. Ilse Gerhardt
                                              18 Martin Kušej. Der Zauber der Mehrsprachigkeit. Sabina Zwitter Grilc
                                                 19 Peter Handkes Welt- und Menschheitstheater. Katharina Pektor
                                                  20 Peter Turrini. Dieser dunkle Ort namens Theater. Ilse Gerhardt
                                                   22 Ende der Stille. Die Dramatiker Josef Kleindienst & Andreas Thaler. Martin Dueller
                                                     23 Gert Jonke. Bühnenzauberer und Stückemagier. Wilhelm Huber
                                                      24 Vorhang auf! Kultur-Schwerpunkt 2019: Kinder- und Jugendtheater. Anna Woellik
                                                       26 a.c.m.e,- Wenn endlich alles Kunst wird ... Tanja Peball
                                                        27 Ein VADAistisches Kartell in Kärnten! Lisa Maria Omelko
                                                        28 Jedes Mal besser scheitern! Eine kleine Theaterphilosophie. Christof Šubik | Thyl Hanscho
                                                         29 literatur.tipp. Ein Schlüssel zum literarischen Kosmos Werner Koflers. Klaus Amann
                                                         30 Der Schrei der Seide. Kärntens Bühnenbildner*innen. Michael Cerha
                                                         32 kari.cartoon. Heinz Ortner | Astrid Langer
                                                         33 Kulturübertragung. Die Stadtgalerie Amthof in Feldkirchen. Andrea Kirchmeir
                                                          34 Tomas Hoke. Das skulpturale Werk und grafische Œuvre. Christine Wetzlinger-Grundnig
                                                         35 kultur.tipp. Dunkles und erhellendes Musiktheater. Helmut Christian Mayer
                                                         36 edition B       kunst.aus.druck. Brigitte Kranz. Nora Leitgeb
                                                         extra.blatt. Lilibeth.
                                                         38 Ines Doujak & René Fadinger auf der Kunstbiennale in Kerala. Elisabeth Th. Winkler
                                                        39 Feuer.Leben. Die Welt des Bruno Strobl. Dieter Kaufmann
                                                        40 Musik: kein Entkommen. Nachwuchscellist Aleksander Simić. Patricia Kurucz
                                                       41 Der Weg entsteht beim Gehen. Komponist Julian Gamisch. Angelika Benke
                                                      42 Vergessene KultKärntner*innen: Labia. Bernhard Brudermann
                                                     43 denk.mal. Der Herr ist da und nah. Herbert Maschat
                                                   44 vorlese.prvo branje. Peter Truschner und Silke Hassler.
                                                  46 buch.tipps. Lesen Sie gefälligst!
                                                 48 musik.tipps. Das Beste ... steht nicht in den Noten.
                                              49 seite.ohne.namen. Urban Dance. Kärntens junge Tanzkultur. Michael Herzog
                                            50 horizonte. 12 Seiten Kulturveranstaltungen und Infos.
                                         51 da.schau.her. Kunst und Theater. Johann Kresnik. Mirjam Schmidt
                                      53 denk.mal. Komödienspielort Schloss Porcia. Geraldine Klever
                                   55 kultur.tipp. Die freie Kulturinitiative Container 25. Hannah Salentinig
                                57 kinder.kultur.tipp. Angelika Kaufmann: Und wer bist du? Andrea Kirchmeir
                            61 kultur.tipp. bistu stehgreif!? Neues Improtheater. Hannah Salentinig
                       62 kino & film.tipps.
                  UND Der BRÜCKE-Kulturkalender als Beilage – diesmal mit einem extra THEATERteil.

                                                                                                             Ein Augenblick Brücke
                                                                                                             Pont NEUF
                                                                                                             2018

                                                                                                             ● Eva Asaad
                                                                                                             * 1970 in Klagenfurt, Studium der Medienkommunikation,
                                                                                                             Abschluss der Prager Fotoschule, Gewinnerprojekt „Flower
                                                                                                             Birds“ der Open Air Gallery Klagenfurt 2017, Fotokünstlerin
                                                                                                             und Initiatorin von „Wort im Bild“, dem internationalen
                                                                                                             Fotowettbewerb zum Thema Literatur. | Von 9. – 24. April
                                                                                                             zeigt sie in der Galerie im Turm in Baden „Mix Media
                                                                                                             Objekte“: öffentliche Skulpturen werden zur surrealen
                                                                                                             Konstruktion der Gegenwart. www.evaasaad.at |
                                                                                                             www.wortimbild.at
Foto: Eva Asaad

                                                                                                                                            DIE BRÜCKE Nr. 11 | Brückengeneration 5   3
Wozu das Theater?! - Kulturchannel
Werkstättengespräch

Rolemaking. Roletaking.
Das punktgenaue Spiel mit dem Neuen.

         Worüber haben Sie zuletzt                               gehört so viel dazu an Rhythmik,     die Kunst ein „Unbehagen gegen die
         ernsthaft gelacht?                                     an Körperlichkeit, an Stimmfüh-       Kultur“ ausdrücken zu können. Kunst
           Gerade eben, denn „ernsthaft                       rung. Und natürlich ein emotionales     stößt also letztlich an eine kulturelle
         gelacht“ ist ein lustiges Oxymoron. Es          Flussbett, das man sich baut. Das ist wie    Grenze – solange sie nicht konservativ,
         gefällt mir – sagt der Humor ja auch viel     ein Minikosmos, den ich schaffe.               repräsentativ und affirmativ gestaltet wird.
         über kulturell Verbotenes oder persönliche       Wenn ich inszeniere ist das für mich        Kunst soll und muss auch Widerspruchs-
         Tabus aus. Die sind meistens sehr ernst,      ein Makrokosmos. Natürlich geht’s auch         raum sein – dann ist sie lebendig.
         aber mann/frau lacht da auch gern drüber.     dort um Bilder, Rhythmus, um Stimme
         Es ist interessant, wer über was lacht.       und Stimmung – im Sinne davon, von             Was ist künstlerisches Scheitern, wann
                                                       vielen Darsteller*innen einen gemeinsa-        kann man davon sprechen? Gibt’s das
         Welche Rollen nehmen Sie im Leben ein?        men Klang zu finden. Aber es hat eben          überhaupt?
           Ich bin Theaterschaffende, ich bin Mut-     auch eine gesellschaftliche Vision. Das          Wenn du eine Sache anschaust und
         ter, ich bin Partnerin, ich bin Mensch.       hat für mich die Rolle per se nicht. Sie ist   begreifst, dass es nicht dieses „Gut und
                                                       Teil eines Systems. Ein Orbit, der einem       Schlecht“ gibt, dann ist, finde ich, schon
         Wozu das Theater?                             Ganzen dient. Als Regisseurin aber habe        sehr viel erreicht.
           Auf jeden Fall zur vielschichtigen Abbil-   ich die Freiheit, einen weitreichenden
         dung und Bespiegelung der Gesellschaft.       Entwurf in die Gesellschaft zu legen.          Welche Fesseln und welche Potentiale
         Und die Reflexion darüber. Sowie für                                                         hat der Kunstraum Kärnten?
         Begegnungsräume in denen wir ausver-          2011 haben Sie das interdisziplinäre              Potential hat die Lage an den Berüh-
         handeln, welche kulturellen Bilder wir        Performanceformat schau.Räume ins              rungspunkten der Länder Österreich, Ita-
         entwerfen und auch leben. Ich möchte          Leben gerufen. Sie bespielen Leerstände        lien, Slowenien, die noch viel mehr genützt
         neue Geschichten in anderen, neuen Set-       zu Tabuthemen wie Homosexualität,              werden könnte. Kläglich ist, dass es ein
         tings erzählen.                               psychischen Erkrankungen, Interkul-            Stadttheater gibt, das den Löwenanteil vom
                                                       turalität. Das Publikum bewegt sich            Kulturbudget bekommt und im Vergleich
         Haben Sie ethische oder moralische            begleitet von Guides durch die Instal-         dazu viele andere Häuser wenig bis gar
         Ansprüche an die Kunst?                       lationen, Performances oder Vorträge           nichts. Aber auch darin liegt Potential: Die
           Ja. Mir geht es um Veränderung, um          von Wissenschaftler*innen. Was pas-            Verteilung zu verändern, kleinere Gruppen
         Vielfalt. Darum, dass neue und verschie-      siert dort?                                    und Häuser besser zu finanzieren und
         dene Blickwinkel eingenommen werden             Diskurs, Begegnung, Neu-Gestaltung           damit die Diversität, die verschieden Aus-
         können, alte Muster hinterfragt und Neu-      und Intervention in öffentlichen Räumen        richtungen und Genres zu stärken. Meh-
         es ausprobiert werden kann – um das           zu aktuellen sozialen Themen. Empower-         rere Theaterhäuser, die nicht größer als
         Eigene zu relativieren oder zu erweitern.     ment, Abbau von Berührungsängsten,             Mittelbühnen sind, aber voller Innovation
                                                       Sichtbarkeit. Veränderung. Mir ist wichtig,    und Visionen, was gesellschaftliche Ent-
         Was sind Ihre wichtigsten Werkzeuge?          dass wir als Gesellschaft begreifen, dass      würfe betrifft, wären wichtig.
           Mut. Und Erneuerung. Aber immer in          wir alle daran beteiligt sind – daran was
         einer Begegnung mit Menschen.                 wir „in Szene setzen“ und darüber hinaus,      Wo und wie sind Sie als Mensch verortet?
                                                       was wir dabei aussparen.                         Ich hab einen queer-feministischen
         Sie machen partizipatives Theater. Was          Etwa im Zuge von „Meine Geschichte           Zugang zu meinem Leben genauso wie zu
         heißt das?                                    ist ein Museum“ bieten Menschen alter-         meinem Arbeiten. Viele Themen werden
           Prinzipiell: Die Möglichkeit mit zu         native Stadtführungen an und erzählen          verschwiegen. Die Repräsentationskultur
         gestalten, nicht nur ein Produkt zu bese-     dabei ein Stück Geschichte in          in Theatern, vor allem in Stadt- und Staats-
         hen oder zu bewerten, sondern sich selbst     Form von ihren persönlichen Erlebnissen        theatern, beruht auf Geschichten aus einer
         in den Prozess bzw. in das Produkt ein-       an Orten im öffentlichen Raum. Durch das       Zeit, die heute nicht mehr existiert. Und
         zubringen. Im Konkreten: Bei manchen          Einbeziehen dieser persönlichen Biogra-        diese alten Geschichten (Shakespeare,
         Theaterprojekten sind die Akteur*innen        phien in eine „Stadtgeschichte“ hinterfra-     Schiller, Goethe, ...) werden aus einer
         selbst keine Künstler*innen sondern soge-     gen und unterwandern wir jene selektive        patriarchalen Struktur heraus erzählt. Es
         nannte „Expert*innen des Alltags“ oder        Auswahl von scheinbar relevanten histo-        gibt zwar die Intention vieler Häuser, sich
         aber auch erst durch die Begegnung und        rischen Erinnerungen.                          die Erzählungen heutig anzuschauen –
         Interaktion entsteht innerhalb der künst-                                                    indem z.B. queer besetzt oder anhand der
         lerischen Setzung das Werk.                   Wo stößt Kunst an ihre Grenzen?                Kostüme der heutige Zeitgeist hineinver-
                                                         Die Kunst ist in der Kultur eingebettet,     webt wird – der Erzählkanon und die
         Was ist der Reiz daran, zu inszenieren        schafft uns aber zugleich einen Raum     Bilder bleiben aber trotzdem rück-
         – was daran, inszeniert zu werden?            um Widerspruch zur Kultur, gegen kul-          wärtsgewandt.
           Wenn ich spiele, dann lasse ich mich        turelle Vorgaben und Verbote, zu gene-           Besonders in Kärnten, wo es nicht so
         ganz stark auf einen Charakter ein. Da        rieren. Freud hat davon gesprochen, durch      viele Theaterhäuser gibt, aber eben ein

4   DIE BRÜCKE Nr. 11 | Brückengeneration 5
Wozu das Theater?! - Kulturchannel
Katrin Ackerl Konstantin
          * 1970 in Mödling bei Wien, Schauspiel-
        studium sowie jenes der Psychologie. Die
  Leitungsaufgabe der neuebuehnevillach hat sie
   2002 nach Kärnten gebracht. | Das Œuvre der
      Theaterschaffenden umfasst viele Bereiche
 innerhalb des Theaters: „Ich bin Schauspielerin,
   ich bin Regisseurin, künstlerische Leiterin und
              ich bin auch kulturwissenschaftliche
 Forscherin.“ Ihre partizipativen Theaterprojekte
       haben sie bereits u.a. nach Italien, Mexiko,
     Peru, Rumänien und in den arabischen Raum
                geführt. | Vorstandsmitglied der IG
       TheaterTanzPerformance Kärnten Koroška
      sowie Beirätin der Darstellenden Kunst des
         Landes Kärnten. | Forschung zum Thema
 Partizipation, Performance und Performativität.
        Vorträge und Lehrveranstaltungen an den
             Universitäten Klagenfurt, Wien, Brno,
                    Malta, Aarhus und Mexico City.
                                 www.konstantin.cc

                                                                                                                                                                     Foto: Patrick Connor Klopf
Haus, das von der Subvention deutlich                 Jänner um 0.05 Uhr in Velden statt. Ein        kultur.tipps
bevorzugt wird, ist es entscheidend, welche           Meilenstein für unsere gesellschaftliche       neuebuehnevillach: VATER
Geschichten dort gezeigt werden. Theater              und menschliche Weiterentwicklung?             ein Stück von Florian Zeller
und Gesellschaft beeinflussen sich perma-               Ja ich freue mich sehr darüber. Das ist      mit Katrin Ackerl Konstantin
                                                                                                     1. Feber – 2. März
nent wechselseitig. Da bin ich sehr kritisch          ganz wichtig. Sichtbarkeit. Noch immer         www.neuebuehnevillach.at
und skeptisch, wenn sich Bühnen nur in                findet vieles aus Angst vor Diskriminie-
der Repräsentationskultur bewegen –                   rung im Versteckten statt. Ich erinnere        schau.Räume: biographical fempath
sprich alte Rollen und Bilder transportie-            mich selber gut daran, wie schwer es mir       8. März, Villach
                                                                                                     Am internationalen Frauentag werden acht
ren. So kann Theater die gesellschaftliche            oft gefallen ist, mich nicht von irritierten
                                                                                                     historische Persönlichkeiten, sowie acht Frauen,
Kraft, die es hat, nicht entwickeln.                  oder abwertenden Blicken abhalten zu           die heute aktiv im Leben stehen, ihre Geschich-
                                                      lassen mit meiner Freundin Hand in Hand        ten erzählen: Beim biographical fempath I als
Was ist die Triebfeder Ihres Feminis-                 auf der Straße zu gehen. Rolemodels sind       Frauen aus der Vergangenheit, die von Künstler-
                                                                                                     *innen als Living Sculptures dargestellt werden.
mus? Wo sind die Notwendigkeiten,                     sehr wichtig. Das Transparentmachen von        Beim biographical fempath II als heutige
diese Kraft einzubringen?                             Geschichten die „anders“ sind und trotz-       Biographien, in dem Frauen zu Orten in der Stadt
   Das Theater ist – was man auf den ers-             dem „gut ausgehen“. In der Öffentlichkeit      führen, die für ihre eigene Lebensgeschichte
ten Blick nicht glaubt – sehr stereotyp.              und auf der Bühne.                             relevant sind.
Rollen werden ungeheuer stereotyp                                                                    Biographical fempath I:
besetzt. Die Positionen und Möglich-              Seit 2003 leiten Sie auch das sommer-          10 – 13 Uhr (Rathausplatz, Hauptplatz)
                                                                                                     Biographical fempath II:
keiten, die Frauen in den gängigen            liche, zeitgenössische Theaterfestival         17, 17:30, 18, 18:30, 19, 19:30, 20 und 20:30 Uhr
Stücken haben – etwa das Gretchen, die                Spectrum in Villachs öffentlichem Raum.        (Kaiser Josef Platz) | Dauer der Führung ca. 60
Julia, usw. – finde ich außerordentlich               2019 wird Ihre Dernière. Wohin geht            Minuten. | Gruppengröße: max. 10 |
problematisch. Andere Rollenbilder sind               Ihre Weiterreise?                              Reservierungen: 0650 – 2608195

für Frauen kaum verfügbar. Im Laufe                     Nach 15 Jahren an der neuebuehne ist         Beteiligte Künstler*innen: Amalia Contarini,
meiner Karriere hab ich irgendwann die                es an der Zeit, ein neues Kapitel aufzu-       Barbara Ambrusch-Rapp, Maria Leeb, Amrei
                                                                                                     Baumgartl Leja Jurišić, u.a., sowie Frauen, die
Entscheidung getroffen, dass ich gewisse              schlagen. Ich werde mich in den nächsten       in Villach leben und über „ihre“ Stadt erzählen.
Rollen nicht mehr spielen möchte.                     zwei Jahren mit einem künstlerischen           www.schau.raeume.cc
   Ein weiterer Punkt ist die Heteronorma-            Forschungsprojekt zum Thema „Mapping
tivität, die im Kino interessanterweise               the Unseen“ beschäftigen. Es wird mich         buch.tipp
                                                                                                     Performative Stadtgeschichte(n)
schon teilweise durchbrochen wird, nicht              in den Iran, nach Bangladesch, Kroatien        Eine Publikation über schau.Räume.
aber im Theater. Gleichgeschlechtliche                und Kärnten führen. Außerdem werde ich         Hermagoras Verlag, erscheint im Mai 2019
Lebensgeschichten sind immer noch nahe-               unter dem Titel „Führen wir uns auf“ in
zu ein Tabu. Da bildet das Theater unsere             Salzburg ein Doktoratsstudium zu femi-
Zeit nicht ab. Wenn ich aus einer Minori-             nistischen Sichtweisen aufs Theater und
tät komme und mich in der Kultur nicht                Rollenstereotypen im Theater machen.
wiederfinde, dann ist das ja auch ein
Ausschluss in der Geschichte, die erzählt             Sind Sie Kulturoptimistin oder
wird. Solange man etwas nicht zeigt, wird             -pessimistin?
man’s nicht sehen, dadurch wird man’s                   Ich bin Optimistin. Ich glaube an den
nicht sehen und dadurch zeigt man’s auch              Widerstand des Geistes, ich glaube an das
wieder nicht – um es mit Judith Butlers               Bedürfnis des Menschen, sich in etwas
Worten zu sagen.                                      wiederzuerkennen, das durchaus positiv
                                                      ist, Schönheit oder Kraft bedeutet.
Welche Bedeutung hat die seit diesem
Jahr rechtsgültige Liberalisierung der                  ● Gabbi Hochsteiner
Ehe? Österreichs allererste gleichge-                   Chefredaktion DIE BRÜCKE

schlechtliche Eheschließung fand am 1.

                                                                                                                       DIE BRÜCKE Nr. 11 | Brückengeneration 5   5
Wozu das Theater?! - Kulturchannel
Hokuspokus.
Von der Präsenz des Verschwundenen.
Zur Geschichte des Theaters in Kärnten.

         Vom Theaterbau zu Virunum. Im Zollfeld        Hoc est corpus ... Mehr als ein halbes         Klagenfurt. Von Klerus und Adel finan-
         muss es ein unterirdisches Theatermyzel       Jahrtausend lang, für die Zeit der slawi-      ziert, ließ es die Kostüme aus Venedig
         geben. Sonst wäre Peter Turrini nicht so      schen Landnahme, der baierischen und           kommen, brachte jährlich bis zu vier
         nahe an jenem Wald aufgewachsen, in           fränkischen Hoheit sowie der ersten Jahr-      Produktionen heraus, und wandte sich in
         dem der einzige bekannte Bühnenbau der        hunderte der Selbständigkeit des Herzog-       Entsprechung zur gesamteuropäischen
         antiken Provinz Noricum seinen Dornrös-       tums Karantanien, lässt sich ebenso wie        Entwicklung neben biblischen immer
         chenschlaf hält. Peter Handkes Griffen        in ganz Europa keine Theaterkultur bele-       mehr auch historischen Stoffen zu. Von
         und Wolfgang Gassers oder Martin Kušejs       gen. Erst im Mittelalter bildet sich aus den   etwa 1615 bis zur päpstlichen Auflösung
         Wolfsberg liegen auch nicht so weit. Und      Kirchenraumspielen wieder eine darstel-        des Ordens 1773 bildete das Jesuitenkol-
         das Ganze hat Geschichte: Dem damals          lende Kunstform heraus, die zunächst rein      leg mit den Professuren für Poetik und
         „Ständischen Theater“ der Landeshaupt-        geistlichen Charakter trägt. Eine Bevölke-     Rhetorik ein geistiges Zentrum des Landes.
         stadt setzte Villach schon 1842 sein          rung, der die Wandlungsformel „Hoc est         Parallel wuchs das vor 1620 erbaute Ball-
         eigenes Stadttheater entgegen. Das erste      corpus ...“ als „Hokuspokus“ in den Ohren      haus in die Rolle des „Ständischen Thea-
         Dampfschiff, das am 21. Juni 1909 am          klang, war mit sinnlicher Darstellung          ters“, das es 1805 offiziell wurde. Zunächst
         Wörthersee in den Dienst gestellt wurde,      treffsicherer zu erreichen. Als immer mehr     vor allem für Festveranstaltungen des
         trug stolz den Namen der Theatermuse          Rollen hinzukamen, wurde das Gebiet um         Adels benutzt, wird es ab 1738 nachweis-
         Thalia.                                       die Kirche ebenso einbezogen wie Laien-        lich zum Veranstaltungsort für Gastspie-
           Kärntens frühester Theaterbau entstand      darsteller. Tendenziell soll sich das Ganze    le. Operntruppen aus Venedig legten auf
         in Virunum. Er wurde zu Beginn des 2.         Richtung Volksfest bewegt haben, bei dem       der Durchreise nach Wien einen Zwischen-
         Jahrhunderts n. Chr. errichtet und etwa       der Met floss, und die Spiele wurden von       stopp ein. 1765 schenkte Maria Theresia
         200 Jahre lang bespielt. Südlich der grö-     der Kirche untersagt. Sie verließen aller-     dem Haus neue Dekorationen des Akade-
         ßeren Arena gelegen, verfügte die Anlage      dings nur die Städte, während sie am Land      miemalers Anton Gfahl. Zwischen 1785
         über eine halbkreisförmige Tribüne mit        fortlebten und sich schließlich vom Sün-       und 1910 gab es im Ballhaus bzw. im
         einem Radius von 35 Metern. Eine mar-         denfall-, Weihnachts-, Dreikönigs- und         Ständischen Theater nicht weniger als 50
         morgetäfelte Mauer mit Figurennischen         Passionsspiel unbeschwert auch säkularen       Direktionen. Das schließlich am selben
         bildete die Rückwand der Bühne, in der        Themen wie dem Schäferspiel zuwandten.         Ort durch das Jubiläumsstadttheater
         es für Auf- und Abtritte drei Türen gab.      Mit den Zusammenhängen zwischen dem            ersetzte Gebäude wurde freilich schon vor
         Subventionsgeber waren, das war damals        mittelalterlichen Drama und dem bäuerli-       1790 von Joseph II. eher abschätzig als
         schon so, die Duumviren der Stadt. Gespielt   chen Volksschauspiel hat sich der 2004         „renovierte Hütte“ bezeichnet.
         wurde u.a. Homer. Erstaunlich, dass dieses    verstorbene steirische Literaturwissen-
         Theater bis heute im Wald vergraben liegt     schaftler Karl Konrad Polheim befasst, der     Es begann die bisher theaterfreundlichste
         – der Doppelfall eines Amphitheaters als      auch einen „Katalog der Volksschauspiele       Epoche der Landesgeschichte. Denn 1842
         Kulturbezirk ist selten, und schließlich      in Steiermark und Kärnten“ publiziert hat.     öffnete auch in Villach das eingangs
         sind vom ganzen Imperium Romanum nur                                                         erwähnte Stadttheater seine Tore. Ein
         250 Amphitheater erhalten (in Österreich      Kärntner Bühnengeschichte. Das              Biedermeierbau mit 281 Sitz- und 190
         eines in Carnuntum, eines in Flavia Solva     erste neuzeitliche Theater Kärntens war        Stehplätzen. Mit Intendanz und festem
         und eben die zwei in Virunum).                das Schultheater des Jesuitenkollegs in        Ensemble. Um den Enthusiasmus zu ver-

6   DIE BRÜCKE Nr. 11 | Brückengeneration 5
Wozu das Theater?! - Kulturchannel
Ab 1842 besaß Villach rund 100 Jahre lang ein eigenes Stadttheater (im Bild: das Biedermeiergebäude mit der Philipsreklame um 1938).
                                            | Der einzige (heute im Wald verschüttete) Theaterbau der Provinz Noricum lag in Virunum bei Maria Saal. Der
                 Foto: Museum-Archiv der Stadt Villach
                       Tribünenradius betrug stolze 35 Meter. Foto: Landesmuseum Kärnten | Fragmente der prächtigen antiken Bühnendekoration. Foto: Heimo Dolenz

stehen, aus dem heraus das erste Wörther-                Paris von der dortigen Theateravantgarde           und der Carinthische Sommer mit seiner
see-Dampfschiff den Namen „Thalia“ trug,                 befruchtet, inszenierte am Tonhof in Maria         Musiktheaterproduktion, sowie jährlich
muss man sich vor Augen halten, dass                     Saal, ein paar hundert Meter von Virunum           mindestens 30 ziemlich bunte Sommer-
damals in Klagenfurt gerade am neuen                     entfernt, die Uraufführung der ersten              theater-Events, in denen Hochprofessio-
Jubiläumstheater gebaut wurde. Der Damp-                 Thomas-Bernhard-Stücke, ehe er, diesmal            nelles mit einer Fortsetzung der Laien-
fer verband zumindest in der verlängerten                flankiert von H.C.Artmann, Spittal an der          theater-Produktion des Volksschauspiels
Geisteslinie zwei Theaterstädte. 1905                    Drau in ein sommerliches Komödienzen-              Hand in Hand geht.
wurde Friedrich Schillers 100. Todestag                  trum verwandelte. Siegmar Bergelt,
mit Gedenkmünzen und Großveranstal-                      der spätere Manager Friedrich                               Kärnten ist ein guter Theaterbo-
tungen gefeiert. Sein „Wilhelm Tell“ weih-               Guldas und Mitbegründer des                                  den. Mit ein paar unliebsamen
te 1910 den neuen Musensitz der Landes-                  von Ossiach nach Viktring                                     kulturpolitischen Verhaltens-
hauptstadt ein. Auch kam der Zeitgeist                   geflohenen      Musikforums,                                  mustern. Dazu zählt, dass in
dazu: Es war der Bauernsohn Anton                        brachte schon kurz nach dem                                   Kommunen und Land der eine
Ronacher aus Dellach im Drautal, der 1888                Zweiten Weltkrieg auf der Napo-                              sofort passt, wenn es der andere
– freilich in Wien – das dortige „Etablis-               leonwiese in Warmbad Villach                               auch tut. Mit dem Satz „Wir ent-
sement Ronacher“ erbauen ließ.                           zwei Jahre nacheinander Freilichtpro-                  lassen das Land nicht aus seiner
                                                         duktionen, die jeweils bis zu 5.000 Besu-          Verantwortung“, hat sich Villach 1999
Im Zweiten Weltkrieg wurde Villachs                      cher anzogen. 1979 wurde das klagenfur-            aus seiner Verantwortung für die Studio-
Stadttheater bei einem Bombenangriff                     ter ensemble gegründet, das seit 1987 von          bühne entlassen. Und: Der Hinweis, dass
beschädigt. Dem Verlust wurde mit einem                  Gerhard Lehner geleitet wird. Bereits              gespart werden muss, ist auch so ein
Spielraum am Bahnhofsplatz Genüge                        davor entstanden in Villach die Studio-            rhetorisches Ausweichmanöver, wenn
getan, der sogar mit einer Drehbühne                     bühne, an der Bruno Czeitschner verblüf-           eigentlich die Korrektur unzeitgemäßer
ausgestattet wurde, der aber – das Kino                  fend Zeitgenössisches produzierte, und             Budgetrelationen ansteht.
boomte – auch als Lichtspieltheater dienen               die legendäre Urform des Straßentheater-             ● Michael Cerha
musste, und der in den 60er-Jahren – das                 festivals Spectrum.                                  * 1953 in Vorarlberg, Autor, Dramaturg und Kulturjourna-
                                                                                                              list. Kärntner Kulturkorrespondent der Tageszeitung
Kino boomte schon weniger – zum Lager-                                                                        „Der Standard“. Publizierte zuletzt u.a. die poetische
raum verkam. Also, 1.500 Jahre nach                      Kleine Bestandsaufnahme. Inzwischen                  Textsammlung „documents“ und das Kinderbuch
                                                                                                              „Albine“. Lebt seit 2010 in Damtschach.
Virunum, noch einmal ein verschwunde-                    gibt es laut IG Theater Tanz Performance
nes Theater. Aber das ist nicht das Ende                 Kärnten Koroška, verstreut über das gan-
der Geschichte. Villachs Jugendrat hat ein               ze Land, rund 20 Freie Gruppen, davon
Mitglied, das sich für die Wiedererrichtung              sieben mit festen Spielstätten, an denen
eines „Stadttheaters“ einsetzt.                          insgesamt rund 50 Theaterschaffende
                                                         ständig wirken. Hinzu kommen die beiden
Die Theaterschaffenden der späten 50er-,                 Bühnen mit permanentem Spielbetrieb,
der 60er- und der 70er-Jahre haben den                   das Klagenfurter Stadttheater und die
ganzen Elan ihrer Generation quer durch                  neuebühne villach. Dann die beiden gro-
das Land getragen. Herbert Wochinz, in                   ßen Festivals, die Komödienspiele Porcia

                                                                                                                                 DIE BRÜCKE Nr. 11 | Brückengeneration 5   7
Wozu das Theater?! - Kulturchannel
Im Rampenlicht
Vorhang auf für ein farbenreiches Ensemble an Theatermenschen
aus Kärnten. Gegenwärtigen und vergangenen. Konservativen und
innovativen. Seriösen Mimen und schrägen Vögeln. Eine subjektive
Rundschau ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

„Denn die einen sind im Dunkeln                        gebracht (sich 2001 aber auf den elterli-   europäischen Avantgarde,
und die andern sind im Licht.
Und man sieht nur die im Lichte
                                                       chen Bauernhof nahe Eisenkappel/Železna     und in Wien das Theater
die im Dunkeln sieht man nicht.“                       Kapla zurückgezogen).                       am Fleischmarkt gegründet
                                                                 hatte. Das sprichwörtliche
                                                       Dass die einstige Dramaturgin Maja          „leichte Lachen von Porcia“ hilft
                                                       Haderlap mittlerweile auch als Dramati-     Petra Morzé vielleicht über eine große
                                                       kerin und Autorin im Rampenlicht steht,     Enttäuschung hinweg, ist sie doch eines
         Ja, Kärnten ist ein Land der Chöre und        verdankt sie dem Erfolg ihres preisge-      jener Burgtheater-Ensemble-Mitglieder,
         Blasmusikkapellen. Aber es ist auch ein       krönten autobiographischen Romans           deren Verträge vom designierten Direktor
         Land der Dichter*innen und Darsteller-        „Engel des Vergessens“, mit dem sie 2011    Martin Kušej nicht verlängert werden.
         *innen, der Literatur- und Theater-Men-       den Bachmann-Preis gewann. Vier Jahre       „Nach 17 Jahren am Haus ist das schade“,
         schen. Nicht nur der rege, hiesige Ama-       danach wurde die Bühnenfassung im           findet sich die 54-Jährige als „eine der
         teurtheaterverband setzt die Bühnen-          Wiener Akademietheater uraufgeführt,        wenigen Österreicherinnen im Ensemble“
         begeisterung der Leute im Lande in Szene,     und auch das slowenische Nationaltheater    mit der ungewohnten Situation ab und ist
         auch eine Fülle von institutionellen und      in Ljubljana setzte das Stück auf seinen    neugierig auf den neuen Lebensabschnitt.
         freien Kompagnien lockt das Publikum          Spielplan (ein umjubeltes Gastspiel der     Wer weiß, vielleicht kann man sie in
         das ganze Jahr über zu den Brettern, die      Slowen*innen war im Stadttheater Kla-       Zukunft ja auch einmal mit ihrem zweiten
         die Welt bedeuten. Und so manche inter-       genfurt zu sehen).                          Standbein, dem Kabarett-Programm
         nationale Karriere nahm hier am südlichen                                                 „Amourhatscher“ in ihrer alten Heimat
         Rand des deutschen Sprachraumes ihren         Die „Mutter“ in der Burgtheater-Produk-     Kärnten sehen. Dabei steht sie mit Freun-
         Ausgang.                                      tion des „Engels des Vergessens“ verkör-    din Angelika Hager (Kolumnistin „Polly
                                                       perte die Kärntnerin Petra Morzé. Sie       Adler“), Burg-Kollegin Maria Happel und
         KARRIEREN. Ob Martin Kušej, der im            erinnert sich gerne an eine Art fact-fin-   ab Herbst Ulrike Beimpold (statt bisher
         September vom Münchner Residenzthea-          ding-mission vor der Premiere mit Burg-     Andrea Händler) auf der Bühne und lässt
         ter nach Österreich zurückkehren und die      theater-Direktorin Karin Bergmann, dem      eine szenische Lesung zur komödianti-
         Direktion des Burgtheaters übernehmen         Schauspieler-Ensemble und Maja Haderlap     schen Tour de force durch zwischen-
         wird oder Johann Kresnik, der mit seinem      in deren Heimat in Südkärnten. Wie eine     menschliche Krisengebiete werden. Heu-
         choreographischen Theater und einem           „Spurensuche in der eigenen Vergangen-      er ist Petra Morzé aber noch in mehreren
         brachial-verstörenden Regiestil unter         heit“ sei das gewesen, erzählt die im       Produktionen des Burgtheaters zu sehen,
         anderem an Frank Castorfs Volksbühne          Weinviertel aufgewachsene Enkelin von       u.a. im „Besuch der alten Dame“ (Friedrich
         Berlin reüssierte – viel an kreativer Kraft   Inge Morzé, einer der Grandes Dames der     Dürrenmatt), „Mephisto“ (Klaus Mann),
         stammt aus dem zweisprachigen Amalgam         Kärntner Kunstwelt. „An meinem Geburts-     „Willkommen bei den Hartmanns“ (Simon
         der slowenisch-deutschen Grenzregion          tag, dem 10. Oktober, habe ich in Kärnten   Verhoeven/Angelika Hager) und in „Der
         Südkärntens. Nicht zufällig hat es wohl       immer gedacht, die Fahnen hängen wegen      Kandidat“ von Carl Sternheim.
         auch die Dichterin und spätere Bachmann-      mir.“, erinnert sich die vielbeschäftigte
         Preisträgerin, die Kärntner Slowenin Maja     Theater- und Film-Schauspielerin heute      In dieser Komödie nach einer Vorlage von
         Haderlap, nach ihrem Studium für 15           schmunzelnd. Fürs Theater „sozialisiert“    Gustave Flaubert verkörpert Petra Morzé
         Jahre als Dramaturgin an das Stadttheater     wurde sie nach eigenen Worten „durch        eine Mutter und die junge Klagenfurterin
         Klagenfurt verschlagen, wo sie mit einem      die Omi“, die sie immer ins Stadttheater    Christina Cervenka deren Tochter. Aus-
         weiteren überregional bedeutenden The-        und im Sommer zu den Komödienspielen        gebildet an der Universität für Musik und
         atermacher, dem Regisseur und Intendan-       Porcia mitgenommen hatte. Das war           darstellende Kunst in Graz spielte die
         ten Dietmar Pflegerl zusammenarbeitete.       damals die Ära eines weiteren großen        heute 25-Jährige bereits im Wiener The-
         Ihr jüngerer Bruder Zdravko Haderlap          Namens der heimischen Theatergeschich-      ater in der Drachengasse und in Kinder-
         hatte in den 1990er Jahren zeitgenössi-       te: Herbert Wochinz, der geprägt war von    produktionen in der Burgtheater-Depen-
         sches Tanztheater im Sinne seines Lands-      seinen Eindrücken im Frankreich der         dence Kasino am Schwarzenbergplatz. Sie
         mannes Johann Kresnik nach Kärnten            1950er Jahre, damals das Zentrum der        setzt damit eine Reihe prominenter Kärnt-

8   DIE BRÜCKE Nr. 11 | Brückengeneration 5
Wozu das Theater?! - Kulturchannel
ner Schauspieler*innen am Theater-Olymp
in Wien fort, man denke nur an den ver-
storbenen Wolfgang Gasser (u.a. in Tho-
mas Bernhards „Heldenplatz“) oder den
aus St. Veit stammenden Heinz Trixner,
dessen Gesicht und Stimme ebenso aus
Film und Fernsehen bekannt sind. Aber
auch nicht so prominente, nicht weniger
wichtige Mitarbeiter der Burg stammen
aus Kärnten und lieben das Theater. Unter
ihnen: Monika Brusenbauch, eine von
sieben Souffleusen des Hauses am Ring,
die seit 1990 den Bühnenstars zur Seite
steht und seitenweise Bühnentexte aus
dem Gedächtnis rezitieren kann.
  Auch die aus Unterloibl stammende
Valerie Voigt-Firon, nur wenige Jahre
älter als Christina Cervenka, hat es ans
Burgtheater geschafft. Die 32-jährige
Kärntnerin gab 2017 ihr Regie-Debüt im
Vestibül („Drei sind wir“ von Wolfram
Höll). Dass die Sprache für sie eine Haupt-
rolle spielt, hört man Voigt-Firon an – so
wohlgesetzt und überlegt formuliert sie
im Gespräch nach kurzem Nachdenken.
Autor*innen wie Elfriede Jelinek, Ferdi-
nand Schmalz oder Ewald Palmetshofer
schätzt sie ebenso wie Wolfram Höll,
dessen Sprache sie als „musikalisch
komponiert“ liest: „Das ist fast wie eine
Partitur!“

FREIE SZENE. Die unmittelbare Heimat
dieser Jung-Regisseurin stand übrigens
im Zentrum einer aufwühlenden Produk-
tion 2016 in der Klagenfurter theater-
HALLE 11: In der „Loibl-Saga“ themati-
siert Autor Erwin Riess „Ermordung,
Verfolgung und Solidarität im KZ Loibl
Nord“. Den Theatermacher und Kärntner
Slowenen Marjan Štikar (teatr trotamora)
mit der Umsetzung zu betrauen, erwies
sich dabei als Glücksgriff, denn er und
sein rund 40köpfiges Team schufen die
                                              Petra Morzé (li.) und Christina Cervenka in Sternheims "Der Kandidat" am Wiener Akademietheater.
starken Bilder zu den Fakten. Beheimatet        Foto: Georg Soulek/Burgtheater | Jung-Regisseurin Valerie Voigt-Firon gab ihren Einstand am Burgtheater.
ist das teatr trotamora in St. Jakob im            Foto: Reinhard Werner | Nadine Zeintl in "Rattensturm" am klagenfurter ensemble. Foto: Günther Jagoutz/ke

                                                                                                                         DIE BRÜCKE Nr. 11 | Brückengeneration 5   9
Wozu das Theater?! - Kulturchannel
Tanja Raunig (vorne) mit Barbara Spitz in "Der Nussknacker" am Theater der Jugend in Wien.
         Foto: Rita Newman/TdJ | Hausherr des klagenfurter ensembles in der Theater Halle 11: Gerhard Lehner.
         Foto: ke | Martina Rösler von der Theatergruppe makemake. Foto: Bettina Frenzel

         Rosental/Šentjakob v Rožu im dortigen                  aus, in der anhand der 25 Buchstaben des        Multitalent, bespielt das Haus am Klagen-
         Kulturverein Rož.                                      slowenischen Alphabetes die Mechanis-           furter Messegelände mit jährlich rund
           Nicht weit davon entfernt, in St. Johann             men von Macht dekliniert wurden. Der            fünf Eigenproduktionen, unter denen
         im Rosental/Šentjanž v Rožu, findet man                Wort- und Verführer ist dabei männlich          viele Uraufführungen zu finden sind. In
         das k & k (Kultur & Kommunikationszen-                 und ganz in Rot (Aleksander Tolmaier).          Antonio Fians „Owe den Boch“ war eine
         trum) in einer ehemaligen Schule. Auch                 Mit ihm ringen und um ihn buhlen vier           der Stamm-Schauspielerinnen des kla-
         hier stehen immer wieder Theater-Pro-                  Frauen, die Fixgrößen der Kärntner freien       genfurter ensembles ebenso zu sehen wie
         duktionen der freien Szene auf dem                     Szene sind: Yulia Izmaylova, Magda              in der Produktion „Clarisse und ihre
         Spielplan, u.a. von Alenka Hain, die 2017              Kropiunig, Lara Vouk und Katarina               Dämonen“ nach Robert Musils Roman
         den Würdigungspreis des Landes Kärnten                 Hartmann spielten sich dabei durch die          „Mann ohne Eigenschaften“: Nadine
         für Darstellende Kunst erhielt. In den                 ganze Palette menschlichen Verhaltens           Zeintl, die das Kärntner Publikum auch
         vergangenen Jahren unterrichtete Alenka                zwischen Anziehung und Abstoßung, zwi-          vom Stadttheater, von der neuebuehne-
         Hain an der Pädagogischen Hochschule                   schen Devotheit und Drill. Diese Produk-        villach und von Produktionen des Theaters
         in Klagenfurt Sprachmethodik für zwei-                 tion zeigte exemplarisch: Alenka Hains          Wolkenflug kennt. Die gebürtige Oberös-
         sprachige Lehrer. Die Zeit an der „School              poetisches Bühnenspiel setzt vor allem          terreicherin verkörperte voriges Jahr
         for New Dance Development“ in Amster-                  auf Mimik, Gestik, Körperhaltung, bietet        außerdem die Eliza Doolittle in „My fair
         dam und ihre aktive Tanzkarriere liegen                choreographisches Theater, das keine            Lady“ im Gärtnerplatz-Theater München.
         schon lange zurück. Doch auch in ihrer                 Sprachbarrieren kennt.                          Mit Oliver Vollmann ist sie beruflich und
         Arbeit als Regisseurin achtet die gebürti-                                                             privat ein eingespieltes Team, Marcus
         ge Slowenin sehr auf den Bewegungsaus-                 Brennpunkt der Off-Szene ist seit Jahren        Thill, Gernot Piff sowie Michael
         druck der Schauspieler*innen: „Die Bewe-               das klagenfurter ensemble (ke) mit              Kuglitsch sind weitere Stammgäste bei
         gung muss im Einklang mit dem                          seiner Spielstätte theaterHALLE 11 – ein        den Produktionen des ke. Immer wieder
         gesprochenen Wort sein!“                               freies Theater mit eigenem Gebäude.             in der theaterHALLE 11 zu sehen sind
           Fast ohne Worte kam im Vorjahr ihre                  Hausherr Gerhard Lehner, ehemaliger             außerdem Maximilian und Markus
         Produktion „5&20 udarcev/Schlagzeilen“                 Wiener Sängerknabe, Blasmusiker und             Achatz, die mit ihrem Theater WalTzwerk

10   DIE BRÜCKE Nr. 11 | Brückengeneration 5
Gernot Piff im Musical "Black Rider" in Villach. Foto: Weber/Flying opera | Oliver Vollmann und Nadine Zeintl in "Clarisse und ihre Dämonen" am ke.
                Foto: Günther Jagoutz/ke | Michael Kuglitsch in der ke-Produktion "Nebochantnezar". Foto: Peter Wagner | Hausherr Michael Weger (links) mit Isabella
                                                Weger und Clemens Matzka in seinem Stück "Adios Muchachos" an der neuenbuehnevillach. Foto: Patrick C. Klopf/nbv

hauptsächlich im Kinder- und Jugendthe-             Tanz ist auch die Sprache der jungen                      Hofmanns „Nussknacker“. Der Villacher
aterbereich tätig sind so wie Sabine und            Völkermarkterin Martina Rösler. Als Teil                  Günther Wiederschwinger ist beim
Miha Kristof-Kranzelbinder mit dem                  des Wiener Theaterkollektivs makemake                     Volkstheater beheimatet, Markus Kofler
Theater KuKuKK. Aber auch Koproduk-                 erhielt sie mit der getanzten Vertonung                   ist Ensemblemitglied des Theaters in der
tionen (siehe oben mit Marjan Štikar),              von jüdischen Witzen („Muttersprache                      Josefstadt so wie Elfriede Schüsseleder,
Konzerte und Gastspiele stehen das gan-             Mameloschn“) im Vorjahr den Theater-                      in Kärnten bekannt aus der Ära Wochinz.
ze Jahr über auf dem Programm. Ein                  preis „Nestroy“ für die beste Off-Produk-                 Auch Maximilian Müller, den man aus
Beispiel: Johanna Orsini-Rosenberg,                 tion, 2015 wurde das von ihr choreogra-                   der TV-Serie Rosenheim-Cops kennt, war
die mit ihrer kunstsinnigen Familie im              fierte Tanzstück „Das ist ja ein Ding!“ mit               sieben Jahre lang Ensemble-Mitglied beim
Rahmen des Carinthischen Sommers auf                einem „Stella-Award für junges Publikum“                  Theater in der Josefstadt, wo außerdem
Schloss Damtschach szenische Konzerte               ausgezeichnet. Die gebürtige Kärntnerin                   die Schauspielerin Ruth Rieser auf der
und Lesungen veranstaltet, war mit ihrer            lebt in Wien, wo sie ihr Studium der The-                 Bühne stand (so wie in Klagenfurt und
von der Kritik euphorisch gelobten                  ater-, Film- und Medienwissenschaft an                    Stuttgart), bevor sie sich ihrer Karriere
Konrad-Bayer-Revue im ke zu Gast. Die               der Universität und nebenbei zeitgenös-                   als Filmemacherin widmete. Ein weiterer
mit dem Schauspielpreis der Diagonale               sische Theaterpädagogik am Konservato-                    Villacher, Peter Raffalt, leitete mit seiner
2013 ausgezeichnete Künstlerin machte               rium studierte.                                           Frau Annette jahrelang das Projekt „Die
zuletzt mit ihren Filmrollen auf sich                                                                         junge Burg“ – er ist übrigens der Schwa-
aufmerksam (u.a. „Murer – Anatomie                  WIEN und die WELT. Landsmänner und                        ger des einstigen Burgtheater-Direktors
eines Prozesses“). Und Schauspielerin               -frauen mit Hang zum Scheinwerferlicht                    Matthias Hartmann.
und Regisseurin Angie Mautz und ihr                 kann Martina Rösler in beinahe allen
Verein „Junges Theater Klagenfurt“ sind             Veranstaltungsstätten in Wien finden:                     Doch nicht nur in die Bundeshauptstadt
in der theaterHALLE 11 jeden Sommer                 Tanja Raunig etwa, bekannt als Tochter                    verschlägt es das fahrende Volk aus Kärn-
ebenso beheimatet wie im Herbst das                 des Tatort-Kommissars Harald Krassnitzer,                 ten. Der Gailtaler Schauspieler Hannes
zeitgenössische Tanz- und Performance-              ist oft im Theater der Jugend anzutreffen,                Flaschberger spielt seit 2013 den „Dicken
festival „Pelzverkehr“.                             zuletzt etwa in der Hauptrolle von E.T.A.                 Vetter“ Jedermanns bei den Salzburger

                                                                                                                                DIE BRÜCKE Nr. 11 | Brückengeneration 5   11
Manfred Lukas-Luderer und Isabella Wolf in
                                               "Heilig Abend" an der neuebuehnevillach.
                                               Foto: Patrick. C. Klopf/nbv | Multitalent und TV-Cop
                                               Maximilian Müller. Foto: Müller | Angie Mautz in
                                               "Nebochantnezar" am klagenfurter ensemble.
                                               Foto: Peter Wagner

                                                  Festspielen am Domplatz – zuerst mit
                                                  Cornelius Obonya in der Titelrolle, danach
                                                  mit Tobias Moretti. Das Wanderleben
                                                  gehört zu Flaschbergers Natur, auch wenn
                                                  er sich nach wie vor in Kärnten zuhause
                                                  fühlt. Zum Festspiel-Engagement kam er
                                                  über Umwege. Denn der britische Regis-
                                                  seur Julian Crouch, der ab 2013 mit seinem
                                                  US-Kollegen Brian Mertes für die Regie
                                                  des Klassikers am Domplatz verantwort-
                                                  lich war, brachte den Kärntner quasi aus
                                                  London mit. Dorthin hatte es Flaschberger
                                                  schon 1993 verschlagen, dort hatte er mit
                                                  seiner Partnerin, der britischen Schau-
                                                  spielerin und Cellistin Tamzin Griffin,
                                                  gelebt und gearbeitet, dort hat er sein
                                                  Handwerk gelernt. Als 26-Jähriger war er
                                                  für zwei Jahre nach Paris gegangen, um
                                                  bei Marcel Marceau die Kunst der Panto-
                                                  mime zu erlernen, dem war ein Aufenthalt
                                                  in Barcelona gefolgt. Zurück in Wien
                                                  „stand ich mit 31 erstmals richtig auf der
                                                  Bühne“, erinnert sich Flaschberger, der
                                                  sich zwischendurch immer wieder mit
                                                  diversen Jobs über Wasser halten musste.

                                                  Der Viktring-Absolvent und gebürtige
                                                  Tiroler Alexander Kubelka studierte
                                                  Musiktheater am Konservatorium in Wien
                                                  und gründete 1992 mit Stefan Pfeistlinger
                                                  das Theater K.L.A.S. auf der Heunburg,
                                                  das anspruchsvolles Sommertheater von
                                                  „Woyzeck“ bis Arthur Miller bot. Nach

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Steht vor seinem Abschluss am Reinhardt-Seminar: Jung-Mime Julian Waldner. Foto: Hannah Schwaiger |
                                              Florian Scholz, Intendant des Stadttheaters Klagenfurt. Foto: Gerhard Maurer/Stadttheater | Alexander Kubelka
                                                                             war Intendant am Vorarlberger Landestheater in Bregenz. Foto: Anja Koehler

Stationen bei Dietmar Pflegerl am Stadt-     als Regisseur streichen würde, lasse ich                Weise“ im Krastaler Steinbruch – ein
theater Klagenfurt, im Düsseldorfer Schau-   als Autor gleich weg.“                                  atmosphärisch starker Spielort, der für
spielhaus (bei Anna Badora) und Wiener         Gesellschaftskritisches und humanisti-                das Kärntner Publikum leider nicht mehr
Volkstheater (bei Emmy Werner) über-         sches Theater wollen er und sein Drama-                 zugänglich ist.
nahm Kubelka 2009 als Intendant und          turg Martin Dueller das ganze Jahr über
Regisseur das Vorarlberger Landestheater     mit dem 13köpfigen Team machen, „nah                    SPIELORTE. Doch an originellen und
in Bregenz. Bis zu seinem freiwilligen       dran sein“ (so der vielsagende Hausslogan)              stimmigen Spielorten ist abseits der festen
vorzeitigen Abgang 2017 konnte er dort       an Publikum und Themen. Lehrer ist er                   Häuser kein Mangel. In Kärnten wurde
eine 40%ige Steigerung der Zuseher-          übrigens auch noch. Denn seit 2006 ist                  und wird in Steinbrüchen, auf Burgen
*innenzahlen erreichen. Mittlerweile ist     Michael Weger zusätzlich Professor der                  (Heunburg, Friesach), Schlössern (Porcia)
der Theatermacher mit seiner Familie in      Schauspielabteilung am Kärntner Landes-                 und Ruinen (Finkenstein) gespielt; in
die Nähe von Wien gezogen, wo ihm im         konservatorium.                                         Stiftshöfen (Eberndorf) und Stadeln
Theater in der Josefstadt mit seiner hoch-     Dass mit Lisa Maria Sommerfeld eine                   (Albeck, Tonhof), auf einem Drauschiff
gelobten Inszenierung von Turrinis „Josef    seiner Schülerinnen mittlerweile das drit-              (Theaterfestival Spectrum), einer (mittler-
und Marie“ 2018 ein fulminanter Einstand     te Jahr am renommierten Max-Reinhardt-                  weile abgetragenen) Seebühne und einem
gelungen ist. Daneben versucht sich der      Seminar in Wien studiert, ist ihm eine                  Theaterwagen (Porcia), in einem einstigen
50-Jährige freie Regisseur erstmals als      große Freude. Für künstlerischen Nach-                  Kino (Jazzclub Kammerlichtspiele) und
Bühnenautor: Sein Stück „Caspar“, ein        wuchs ist also gesorgt. Mit dem 22jährigen              einem Jugendstilpavillon (Vada).
Polit- und Medien-Krimi, wird vom Wiener     Julian Waldner steht heuer außerdem
Sessler-Verlag vertreten.                    wieder ein junger Kärntner nach vier                    Die „Zugmaschine“ für alle Theaterfreun-
                                             Jahren Ausbildung vor dem Abschluss an                  de in Kärnten ist natürlich das Stadtthe-
Im Sessler-Verlag ist übrigens auch das      der Wiener Kaderschmiede.                               ater Klagenfurt, das mit knapp zehn
Debüt-Werk von Michael Weger gelan-            Manfred Lukas-Luderer ist ebenfalls                   Millionen Euro auch den größten Anteil
det. Der Villacher Tausendsassa ist jetzt    Absolvent des Reinhardt-Seminars und                    am Kulturbudget des Landes hat. Der
also nicht nur Intendant der neuebueh-       ein langjähriger Wegbegleiter Michael                   Deutsche Florian Scholz, der in Berlin
nevillach (einst Studiobühne Villach),       Wegers. Als Schauspieler und Regisseur                  und Paris lebte und arbeitete (u.a. bei
Regisseur, Schauspieler, Emotionstrainer     ist er der neuebuehnevillach seit Jahren                Gerard Mortier), legt seit der Saison
... sondern auch Dramatiker. Seine Komö-     verbunden, aber auch am Stadttheater                    2012/2013 ein solides und kulinarisches
die „Adios Muchachos“ hatte im Dezem-        Klagenfurt, an den Schauspielhäusern in                 Programm vor, das nicht zuletzt mit
ber Premiere. Dabei spielte der schrei-      Graz und Zürich sowie in zahlreichen                    hochklassigen Operninszenierungen
bende      Schauspieler      auch      und   Film- und TV-Produktionen war er zu                     punkten kann. Im Sommer macht das
inszenierte gleich selbst sein Stück – was   sehen. Eindrucksvoll verkörperte er 2010                Stadttheater Pause und dann sind es die
durchaus Synergien bedeutete: „Was ich       die Titelrolle in Lessings „Nathan der                  vielen Sommertheater-Initiativen und

                                                                                                                       DIE BRÜCKE Nr. 11 | Brückengeneration 5   13
Ist zwischen Wien, Kärnten und Slowenien fest im Einsatz: Magda Kropiunig. Foto: Evelyn Hronek |
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                                                                          Schnittstelle zwischen darstellender und bildender Kunst: Gerhard Fresacher. Foto: Fresacher |
                                                                                   Der aus Bleiburg stammende Choreograph und Regisseur Johann Kresnik (rechts)
                                                                                       mit dem Maler Gottfried Helnwein. Foto: Waldner | Maximilian Achatz vom Theater
                                                                                                            WalTzwerk im Stück "Petterson und Findus". Foto: Waltzwerk

         Freiluft-Bühnen, die zu originellen und       anstaltungs- und Ausstellungsraum. Der               des Kärntner Landhauses, im Amphithe-
         atmosphärischen Aufführungsorten laden        46jährige, bei Erich Wonder an der Aka-              ater Virunum, im Archäologiepark Mag-
         und auch für den Tourismus eine wesent-       demie der bildenden Künste in Wien                   dalensberg und zuletzt im Innenhof der
         liche Rolle spielen. Manche von ihnen         geschulte, Bühnenbildner ist einer der               Klagenfurter Burg.
         beschwören regelmäßig den Wettergott,         vielseitigsten Kreativköpfe des Landes. Ob
         damit die Vorstellungen nicht ins Wasser      seine Kirschgarten-Inszenierung in der               Die Klosterruine Arnoldstein ist nur
         fallen mögen: Vom Villacher Theaterfes-       Wiener Garage X, eine Musik-Performance              einer der vielen Veranstaltungsorte im
         tival Spectrum (künstlerische Leitung:        rund um Kafkas Landarzt-Erzählung für                In- und Ausland, die Regisseur Herbert
         Katrin Ackerl Konstantin und Erik Jan         das Wiener Radiokulturhaus, ob Kunstvi-              Gantschacher und „arbos“, seine 1992
         Rippmann), das sich in der Innenstadt,        deos oder die Organisation des Kunst- und            gegründete „Gesellschaft für Musik und
         auf den Drauterrassen und auf einem           Theaterfestivals Diorama, stets ist Fresa-           Theater“, bespielen, zuletzt etwa mit
         Fluss-Schiff abspielt, über die Burghof-      cher das Mastermind hinter genre- und                Ausstellungen und Symposien rund um
         spiele Friesach unter der langjährigen        spartenübergreifenden Kunstaktionen.                 den Ersten Weltkrieg und den Komponis-
         Leitung von Publikumsliebling Adi Peichl      Verheiratet ist der Vater zweier Töchter             ten Viktor Ullmann. Ihm widmet sich auch
         bis zu den Südkärntner Sommerspielen          übrigens mit der Theater- und Film-Schau-            eine der großen Produktionen von arbos,
         in Eberndorf, die nach rund 20 Jahren         spielerin Magda Kropiunig. Die Kärntner              mit der Gantschacher weltweit Aufhorchen
         Jörg Schlaminger seit 2017 von Patrick        Slowenin aus Suetschach im Rosental                  erlangte: „Der Kaiser von Atlantis“, jene
         Steinwidder geleitet werden. Der einsti-      spielte im Stadttheater Klagenfurt, in der           Kammeroper, die Viktor Ullmann als
         ge Assistent am Stadttheater Klagenfurt       neuebuehnevillach und im Slowenischen                Häftling im KZ Theresienstadt geschrieben
         absolvierte als erster deutschsprachiger      Nationaltheater in Ljubljana, trat in Wien           hatte. Der 62-jährige Herbert Gantschacher
         Student das Masterstudium in Theaterre-       bei den Festwochen auf, im Rabenhof und              ist in der heimischen Kulturszene eine
         gie an der Royal Academy of Dramatic          in der Garage X. Zusätzlich ist sie immer            Klasse für sich: Er organisiert nicht nur
         Art in London und ließ im Vorjahr mit         wieder als Sprecherin bei TV-Dokumenta-              Symposien, Workshops und Forschungs-
         einem unkonventionellen „Sommer-              tionen und als Moderatorin im ORF-Lan-               projekte, er initiiert auch Kompositions-
         nachtstraum“ (mit Flüchtlingen als Dar-       desstudio Kärnten tätig.                             aufträge und Schulprojekte, inszeniert
         stellern) aufhorchen.                                                                              Musiktheaterproduktionen und leitet
         Einen Generationswechsel gab es auch          Ein weiteres Power-Couple der heimischen             „Visual“, ein internationales Festival des
         bei den traditionsreichen Komödienspielen     Theaterlandschaft sind Ute Liepold und               Visuellen Theaters mit gehörlosen und
         in Spittal an der Drau: Die Tiroler Schau-    Bernd Liepold-Mosser mit ihrem 2003                  hörenden Theaterschaffenden.
         spielerin und Regisseurin Angelica            gegründeten Theater Wolkenflug, das
         Ladurner löste 2015 Peter Pikl (verstor-      auf zeitgenössisches Theater an besonde-             Kuriosum am Rande: Gantschacher, der
         ben 2018) als Intendantin des Ensembles       ren Orten spezialisiert ist. Der aus Griffen         von 1977 – 1980 an der Hochschule für
         Porcia ab und führte zum Gaudium des          stammende Theater- und Opern-Regisseur               Musik und darstellende Kunst in Graz
         Publikums einen Theaterwagen ein, mit         Bernd Liepold-Mosser erhielt für seine               Regie studierte, hielt dort ein Jahr nach
         dem das fahrende Volk landauf landab mit      Produktion „Amerika“ am Stadttheater                 seinem Abschluss als Gastdozent ein
         Kurzfassungen klassischer Komödien            Klagenfurt 2011 den Theaterpreis Nestroy             Seminar über Goethes „Faust“. Einer
         neugierig auf die Komödienspiele macht.       als beste Bundesländeraufführung, 2016               seiner Studenten damals: der zukünftige
                                                       folgte eine Nestroy-Nominierung für                  Burgtheaterdirektor Martin Kušej.
         Gerhard Fresacher, innovativer Theater-       „Lavant“. Nominiert wurde 2013 auch                     ● Karin Waldner-Petutschnig
         macher an der Schnittstelle zwischen          seine Frau Ute Liepold für ihre Inszenierung            (54) ist freie Kulturjournalistin in Klagenfurt. Neben
                                                                                                               ihrer fast 30-jährigen Tätigkeit bei der „Kleinen Zeitung“,
         darstellender und bildender Kunst, bespielt   der Uraufführung von Robert Woelfls „wir                leitete sie 12 Jahre den Carinthia-Verlag und drei Jahre
         hingegen mit dem Raum8 seit einigen           verkaufen immer“ im Landesmuseum                        das Museum Liaunig.

         Jahren ein leer stehendes Geschäftslokal      Kärnten. Die gebürtige Vorarlbergerin
         in der Klagenfurter 8.-Mai-Straße als Ver-    inszenierte u.a. bereits im Wappensaal

14   DIE BRÜCKE Nr. 11 | Brückengeneration 5
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