Sauen ohne Ende - was tun? Wildbret als Legitimation für die Jagd Hohe Akzeptanz der Jagd aber schlechter Ruf - MÄRZ 2013 - OÖ LJV
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MÄRZ 2013 40. JAHRGANG · NR. 138 Informationsblatt des OÖ Landesjagdverbandes Hohenbrunn 1 · 4490 St.Florian Sauen ohne Ende – was tun? Wildbret als Legitimation für die Jagd Gespaltene Meinung: Hohe Akzeptanz der Jagd aber schlechter Ruf der Jäger
Die Entscheidung zu TREFFEN Dank völlig neu konzipierter Schäftung bleiben Schießhand und -arm bei jeder Anschlagsart völlig entspannt. Die wichtigste Voraussetzung für konstant gutes Treffen. Kodiak.de 2013 Abgabe von Waffen nur an Inhaber einer Erwerbserlaubnis. www.blaser.de PROFESSIONAL SUCCESS Import und Fachhandels-Auskunft: Idl GmbH · Südbahnstr. 1 · A-9900 Lienz · office@waffen-idl.com
Der Landesjägermeister berichtet Ökonomierat Sepp Brandmayr Bildungsoffensive Mit dem heurigen Jahr startet der Oberösterreichische schutzorgane und die Schulungen im sicheren Umgang Landesjagdverband eine umfangreiche Serie an Weiter- mit den Jagdwaffen usw. angeboten. bildungsveranstaltungen. Das Jagdliche Bildungs- und Die letzten Seminare, insbesondere die über den Jagdleiter Informationszentrum Schloss Hohenbrunn wird dabei in im Spannungsfeld der sich ändernden Gesellschaft oder Fachseminaren auf den Umgang mit Kommunikationsin- über den Umgang mit der Lebendfalle, zum Beispiel, wa- strumenten und auf die Bewältigung von Konfliktsituati- ren so gut angenommen, dass hierüber weitere vorbereitet onen besondere Schwerpunkte setzen. werden. Angesprochen werden mit diesen Angeboten Führungs- Nicht wenige der Veranstaltungen des Bildungszentrums kräfte, Jagdleiter und Funktionäre, aber auch alle anderen werden von den Bezirken zum Anlass genommen, weiter- Jägerinnen und Jäger unseres Landes, die in der Folge ihr führende Kurse anzubieten und so ein landesweites Infor- erworbenes Wissen in die einzelnen Jagden tragen sollen. mationsnetz zu beleben. Die einzelnen Angebote werden im Mitteilungsblatt Der Sie haben auf die einzelnen Termine Zugriff im OÖ Jäger, OÖ Jäger veröffentlicht. Ich lade Sie alle zur Teilnahme auf der Verbands-Homepage www.ooeljv.at und in der Ge- ein. schäftsstelle. Ergänzend dazu werden zahlreiche Fachtagungen, wie Ich lade Sie ein, vom Jagdlichen Bildungs- und Informa- die Schulung von sog. Kundigen Personen für die Wild- tionszentrum JBIZ recht rege Gebrauch zu machen und beschau, Reviertage über die Behandlung des erlegten wünsche für das neue Jagdjahr einen guten Anblick und Wildes, Koch- und Grillkurse, Auffrischungskurs für Jagd- ein kräftiges Weidmannsheil Ihr Foto: S. Manigatterer www.kunsthandwerk-manigatterer.at MÄRZ 2013 OÖ JÄGER 3
EDITORIAL Liebe Leserin, geschätzter Leser! Die Bezirksjägertage mit den Wahlen der Bezirksjagd- 6 10 ausschüsse stehen vor dem Abschluss und das kommen- de Jagdjahr wird die Funktions- und Schaffensperiode 2013 – 2019 mit einem neuen Landesjagdausschuss, dem höchsten Gremium des OÖ LJV, eröffnen. Bei al- len Bezirksjägertagen waren neben den fachbezogenen Referaten von Landesjägermeister Sepp Brandmayr und jenen der Funktionäre besonders die politischen Aus- sagen durchaus interessant: LH Dr. Josef Pühringer und unser Jagdlandesrat Max Hiegelsberger sowie de- ren Vertreter haben sich als für die Jagd zuständigen Mitglieder der oö. Landesregierung nämlich eindeutig hinter die oberösterreichischen Jägerinnen und Jäger und deren Arbeit in der heimischen Kulturlandschaft gestellt. Es wäre wünschenswert, wenn diese Bekennt- nisse auch in nicht jagdliche Kreise getragen würden 24 49 – ich bin optimistisch. Einige Neuerungen sind für uns Jäger wieder in Kraft getreten und die Mitarbeiter der Geschäftsstelle des OÖ Der Landesjägermeister berichtet Landesjagdverbandes unterstützen Sie tatkräftig bei ÖR Sepp Brandmayr 3 Ihren Anliegen und beantworten – hoffentlich zu Ihrer Sauen ohne Ende – was tun? 6 Zufriedenheit – etwaige Anfragen in jagdlichen, wildbi- ologischen und rechtlichen Belangen. (Gefühlte) Wahrheiten Luchse im Revier – was wirklich stimmt 10 So finden Sie auch in dieser Ausgabe des OÖ Jäger, ne- ben fachlich fundierten Artikeln, wieder Relevantes und Wildbret als Legitimation für die Jagd – Interessantes über und rund um die Jagd. bleifrei inbegriffen 16 Jagd- und Waffenrecht: Tötung von Hunden und Katzen durch Jäger 22 Viel Spaß beim Lesen! Bär und Wolf – Ihr Segen oder Fluch für unsere Bevölkerung? 24 Gespaltene Meinung: Hohe Akzeptanz der Jagd aber schlechter Ruf der Jäger 26 Der oberösterreichische Jäger und sein Revier: Mag. Christopher Böck Der Jagdleiter – Schlüsselfigur vom Beginn bis zum Abschluss 30 Geschäftsführer, Wildbiologe, Redaktionsleiter wild auf Wild: Fasanbrust mit Bärlauchspätzle und gebratenen Pilzen 38 AUS DER GESCHÄFTSSTELLE. ab 40 Titelfoto: Landesjagdorganisationen beschließen Sicherheitspaket 42 Bei diesem Anblick lacht das JBIZ Seminare 45 Herz des Niederwildjägers – doch heutzutage muss auch etwas dafür getan werden: LEBENSRAUMGESTALTUNG. ab 49 Lebensraumhege und Raub- wildbejagung zum Beispiel ... Untersuchungen zur Wilderkennung beim Mähen 49 Foto: Ch. Böck Kleine Naturkunde: Das Maiglöckchen 52 4 OÖ JÄGER MÄRZ 2013
SEITENBLICKE AUF‘S JAGDMUSEUM 16 Nachdem das Alt zu Schimpff gekhomen den Namen hochbrün hab ich genomen. 1729 Diese Inschrift findet man auf der Nordseite des Tor- stöckls. Schon 1071 wurde die Örtlichkeit als „Phaffin- 61 72 hovin“ (Pfaffenhofen) urkundlich erwähnt. Mit dem Na- men Pfaffenhofen hatte man verständlicherweise nicht viel Freude. Denn war das Wort Pfaffe in alten Zeiten noch ein Ehrenname für einen Geistlichen, so wurde es SCHULE & JAGD. ab 54 mehr und mehr abwertend gebraucht. Im Südtrakt des Schlosses erhob sich ursprünglich ein HUNDEWESEN. ab 56 hoher Turm, in welchem einst Wasser hochgepumpt wur- Jagdhundeführer-Seminar mit Jagdhundetrainer Uwe Heiss 56 de, um die Wasserversorgung des Stiftes zu gewährlei- sten. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde dieser Turm abgetragen. Geblieben ist der Name „Hohenbrunn“. BRAUCHTUM & JAGDKULTUR. ab 61 Der BRUCH im Jagdgebrauch 61 SCHIESSWESEN. ab 68 WUSSTEN SIE, DASS Benefizschießen am Schießplatz … Wildschweine nicht nur ausgesprochen schnell sein des OÖ. Landesjagdverbandes 68 können (bis zu 50 km/h), sondern auch ziemlich in- telligent sind? AUS DEN BEZIRKEN. ab 71 … Fichten 200 bis 600 Jahre alt werden können? Bezirksjägertage 2012: „Stehen wir zusammen und bekennen wir uns zur Jagd!“ 71 Bezirksjägertag Braunau, Perg, Ried, Schärding ab 72 KURSE & SEMINARE Raubwildstreckenlegungen 80 Jagdliches Bildungs- und InformationsZentrum Sa, 27. April 2013 NEUE PRODUKTE AUF DEM JAGDSEKTOR. 92 Kurs für „kundige Personen“ der Wildbret- untersuchung (Wildbeschaukurs) NEUE BÜCHER. ab 94 Fr, 5. Juli 2013 Konfliktbewältigung, selbstsicherer Umgang mit Kleinanzeigen 97 Medien in Stresssituationen Impressum 98 … mehr auf Seite 45. MÄRZ 2013 OÖ JÄGER 5
THEMA Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie Veterinärmedizinische Universität Wien Sauen ohne Ende – was tun? VON o.Univ.Prof. Dr. Walter Arnold FOTOS J. Pfoser, Ch. Böck D ie offenbar nicht aufzuhaltende nige Restbestände verschwunden. Hö- Das erneute Auftauchen von Schwarz- Vermehrung der Wildschweine here Schwarzwildbestände gab es um wild nach langer Abwesenheit begann und die damit verbundenen 1900 in freier Wildbahn praktisch nur etwa ab der Mitte des letzten Jahrhun- Wildschäden sind zum jagdpolitischen noch in den laubwaldreichen, von atlan- derts (Abb. 1). Wie sehr die Populati- Dauerbrenner geworden. Wie der Flut tischem Klima geprägten deutschen und onsdynamik dieser Wildart vom Klima Einhalt geboten werden kann, wird nicht westfranzösischen Mittelgebirgen. Die beeinflusst ist, wird aus der zeitlichen nur in der Jägerschaft kontrovers disku- Sauen galten als die Landwirtschafts- Staffelung des Beginns der Bevölkerungs- tiert, sondern auch in der Wissenschaft. schädlinge schlechthin und wurden explosion ersichtlich. In allen Regionen Diese Uneinigkeit ist ein Hindernis für die entsprechend bekämpft. Die in weiten nahmen die Abschusszahlen exponenti- Eindämmung des weiteren Zuwachses Landstrichen erfolgte Ausrottung der ell zu. Der Beginn dieses Wachstums er- der Schwarzwildpopulation. Wildschweine war damals maßgeblich folgte in milderen Gebieten aber früher, Es ist dringend an der Zeit eine Klärung durch für sie ungünstige Witterungsbe- da er offenbar mit Überschreiten eines der strittigen Punkte, der Missverständ- dingungen unterstützt, vor allem lange Temperaturschwellenwertes während nisse und Fehlinterpretation wissen- und strenge Winter, die zu einer hohen der Wintermonate einsetzte. Der Trend schaftlicher Erkenntnisse herbeizufüh- natürlichen Sterblichkeit, insbesondere ist aber überall der gleiche. ren, um die gegenwärtige Verunsicherung bei den Frischlingen führen. Die Situ- Der zweite entscheidende Umweltfak- der Jäger zu beseitigen und klare Hand- ation ist heute anders: Die globale Kli- tor für das Schwarzwild ist die Ernäh- lungsempfehlungen zu geben. Dieser maerwärmung und häufigere Mastjahre rung. Diese Tierart hat sich im Laufe der Beitrag soll dies leisten und damit unter- von Buche und Eiche begünstigen die Evolution an die enormen und unvor- mauern, warum wir ein Umdenken im Vermehrung der Wildschweine enorm. hersehbaren Schwankungen in der Ver- Schwarzwild-Management brauchen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich fügbarkeit ihrer Hauptnahrung, Eicheln das Äsungsangebot durch die moderne und Bucheckern, angepasst. Dadurch Die Fakten Landwirtschaft noch weiter verbesserte unterscheidet sich die Fortpflanzungs- Das Schwarzwild war zu Beginn des und die teilweise riesigen Maisfelder die biologie des Schwarzwildes grundsätz- 20. Jahrhunderts in Europa bis auf we- Bejagung der Sauen erschweren. lich von der anderer Schalenwildarten: 6 OÖ JÄGER MÄRZ 2013
Abb. 1 Diese Situation war typisch für die Zeit Die Zunahme der Schwarzwildabschüsse in Mit- ab der 50er Jahre des letzten Jahrhun- teleuropa seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Regionen Mitteleuropas, aus denen seit dieser derts, als das exponentielle Wachstum Zeit Jagdstatistiken vorliegen. Um die Zahlen aus der Bestände und damit der Abschuss- unterschiedlich großen Regionen und Ländern vergleichbar zu machen, ist die jährliche Strecke zahlen begann. Die Freude des Jägers in Stück je km2 Landesfläche angegeben. über das Auftauchen einer neuen, at- traktiven Wildart im Revier war nur zu Ein Mastjahr löst unweigerlich eine verständlich und die Versuchung war Massenvermehrung aus, die ganz we- groß, die Neuankömmlinge mit Fut- sentlich getragen ist von der Fortpflan- tergabe im Revier zu halten und durch zung von Frischlingsbachen, die bei so reichliche Kirrung für gute Bejagbarkeit guten Ernährungsbedingungen bereits zu sorgen. Diese Praxis führte bald dazu, im Geburtsjahr geschlechtsreif werden. dass es den Jägern erging wie Goethe’s Natürlicherweise wird dies ausgeglichen Zauberlehrling: „Die ich rief, die Gei- durch massive Sterblichkeit und geringe ster, werd’ ich nun nicht los“. Leider hö- Fortpflanzung in Fehlmastjahren. Un- ren die Jäger in Gebieten, in denen die terbleiben diese Einbrüche, weil dem Schweine erst auftauchen, bis heute zu Schwarzwild anderer Fraß zur Verfü- wenig auf die Erfahrungen ihrer Kolle- gung steht, etwa durch Fütterung und gen, die der Schwarzwildflut nicht mehr übermäßige Kirrung, so ist eine Bevölke- Herr werden. In manchen Gegenden rungsexplosion unausweichlich. Deutschlands sind die Schäden durch MÄRZ 2013 OÖ JÄGER 7
THEMA Schwarzwild so hoch geworden, dass weiß. Mit der Aujeszky‘schen Krank- Rotte saugen ließen, auch wenn es nicht sich keine Jagdpächter mehr finden. Das heit, ein tödliches Virus für Jagdhunde, ihr eigener war. sollte eigentlich Warnung genug sein. mussten wir kürzlich auch in Österrei- ch wieder Bekanntschaft machen. Und „Jung vor alt“, oder „alt vor jung“? Verantwortlich für die Schwarzwild- eine neue Gefahr steht vor der Haustür: Wie Umwelteinflüsse und Alter sich zunahme ist neben der Verfügbarkeit In Osteuropa tobt eine sich ausbreitende auf die Fortpflanzungsleistung und künstlicher Nahrungsquellen eine Be- Epidemie der afrikanischen Schweine- das Überleben auswirken, ist für das jagungspraxis, die nicht genug ent- pest, eine Krankheit die bisher nur gele- Schwarzwild aufgrund des umfang- nimmt. Wir müssen Abstand nehmen gentlich im Mittelmeerraum aufgetaucht reichen vorhandenen Datenmaterials so von Gewohnheiten, die aus einer Zeit ist und gegen die es bisher keinen Impf- gut bekannt wie bei kaum einer anderen stammen, als man Bestände aufhegen stoff gibt. Wildart. Dies ermöglicht eine fundierte wollte. Schwarzwild in Lebensräumen Die Einsicht wächst, dass Schwarzwild Analyse der Populationsdynamik und wieder heimisch zu machen, aus denen so scharf wie möglich bejagt werden der Faktoren, die sie maßgeblich beein- Obwohl führende Bachen erlegt werden können, da die Frischlinge nicht mehr abhängig sind, sind flussen. Die Aufgabe ist nicht trivial, säugende Bachen (Frischlinge sind noch gestreift) – wie hier schön an den Strichen zu sehen – unbedingt zu schonen! doch gute Computermodelle können sie lösen und der Praxis verlässliche Pro- gnosen liefern, wie sich verschiedene es durch Menschenhand verschwunden muss. Der scheinbar unaufhaltsame jagdliche Maßnahmen wahrscheinlich war, darüber freuten sich nicht nur Jä- Anstieg der Schwarzwildpopulationen auswirken werden. ger, sondern alle Naturfreunde. zwingt zum Umdenken, denn alles bis- Die Quintessenz aus diesen Modellen ist her Versuchte war offenbar weitgehend ganz klar: In für das Schwarzwild gün- Heute haben wir das gegenteilige Pro- wirkungslos. stigen Jahren (z.B. Vollmast und milder blem: Zu viel Schwarzwild und damit Das einzige Tabu, das in der heutigen Winter) tragen die Frischlingsbachen untragbare Schäden in den an sich ge- Situation unangetastet bleiben muss, aufgrund ihrer großen Anzahl mehr zum eigneten Lebensräumen, Schwarzwild ist der Mutterschutz. Die säugende Ba- gesamten Nachwuchs bei als Überläufer- in alpinen Regionen, wo es ganz sicher che ist uneingeschränkt zu schonen. oder ältere Bachen. In solchen Jahren nicht hin gehört und Schwarzwild, das Der Zeitraum, indem Frischlinge auf bringt der Eingriff bei den Frischlingen zunehmend in städtische Bereiche vor- die Muttermilch angewiesen sind, be- mehr als in schlechten Jahren, in denen dringt. Wer immer noch nicht überzeugt trägt 3-4 Monate, also etwa solange wie weniger Frischlinge schon geschlechts- ist, möge die Gefahr von Tierseuchen be- sie „gestreift“ sind. Allerdings kommt reif werden und die dann auch noch denken, die mit der Dichte einer Popula- beim Schwarzwild diese Milch nicht al- kleinere Würfe haben. An diesem Be- tion zunimmt. Die klassische Schweine- leine von der Mutter. Wie der Schwarz- fund gibt es nichts zu rütteln. Die rich- pest ist in schwarzwildreichen Gegenden wildkenner Heinz Meynhardt vielfach tige Vorgangsweise bei der Jagd kann Deutschlands heute so hartnäckig in den beobachtete, gibt es beim Schwarzwild daraus aber nicht abgeleitet werden. Beständen, dass man sich nur noch mit Ammen. Er konnte zweifelsfrei belegen, Wie der erforderliche Abschuss erzielt groß angelegten Impfaktionen zu helfen dass alle Bachen jeden Frischling der werden kann, ist eine ganz andere Frage, 8 OÖ JÄGER MÄRZ 2013
Sauen ohne Ende – was tun? als die nach dem notwendigen Eingriff in mit höchster jagdlicher Anstrengung im Bleibt die Frage, ob mit dem Abschuss die einzelnen Altersklassen. Anschluss, um auch den Rest der jetzt einer Leitbache ein entscheidendes führungslosen und daher viel leichter Hemmnis der Fortpflanzung von Frisch- Bieber & Ruf betonten immer, dass ein bejagbaren Rotte zu erlegen. Mit dieser lingsbachen fällt. Es gibt wohl kaum ein Eingriff in die Überläufer- und reifen Strategie können die Abschüsse erhöht öfter kolportiertes jagdliches Dogma. Bachen in jeder ökologischen Situation werden und gleichzeitig wird stark bei Spätestens seit Ulf Hohmanns sorgfäl- unerlässlich ist, selbst wenn es gelingt den Frischlingen reduziert. In der Stre- tiger Recherche sollte da ein Umden- 70% der Frischlingsbachen zu erlegen. cke dominiert dann wieder „jung vor ken stattfinden, aber leider hält es sich Ihre Modelle zeigen gleichzeitig, dass alt“ - das für eine Reduktion des Zu- wider besseres Wissen hartnäckig. Die ohne eine massive Reduktion der Frisch- wachses optimale Ergebnis. Jagdliteratur zum Schwarzwild ist voll linge ein weiteres Anwachsen der Po- davon, dass die Leitbache angeblich die pulation nicht zu vermeiden ist. Leider Befördern wir mit dem Abschuss reifer Fortpflanzung von Frischlingsbachen wird dadurch häufig nur auf die „hohe“ „Erfahrungsträgerinnen“ die Wildschä- unterdrückt. Es gibt keinen einzigen em- Prozentzahl der Frischlinge geachtet. den, wie hartnäckig behauptet wird? Die pirischen Beweis für diese Behauptung! Die zufällige Gleichheit dieser Zahl mit Gefahr „marodierenden“ führungslosen Ohne Zweifel gibt es bei sozial lebenden dem „Lüneburger Modell“ (es fordert Jungwildes in der Feldflur wird weit Wildtieren das Phänomen der Unterdrü- 70% der Jagdstrecke sollten Frischlinge überschätzt. Wo der Mais lockt, da hat ckung der Fortpflanzung rangtiefer Grup- sein), führt leicht zu dem völlig falschen auch schon die alte Bache die Rotte hin- penmitglieder durch dominante. Wir ha- Schluss, dass ein Frischlingsanteil von geführt, wenn es ungefährlich war. Der ben am FIWI dies intensiv erforscht und 70% in der Jagdstrecke stärkere Eingriffe Schuss auf einen kleinen Frischling an z.B. beim Alpenmurmeltier nachgewie- bei den Überläufer- und reifen Bachen der Kirrung wird dagegen die erfahrene sen. Die „reproduktive Unterdrückung“ erübrige. Das ist vollkommen falsch! Zu- Sau und damit die ganze Truppe für lan- ist aber immer eine Folge des Mangels sätzlich sagt der Anteil der Frischlinge ge Zeit von weiteren Besuchen dieser und der Konkurrenz um die Ressourcen, in der Jagdstrecke nichts darüber aus, in Gefahrenstelle abhalten. Die Erlegung die ein Muttertier für die erfolgreiche welchem Umfang der gesamte Zuwachs von Erfahrungsträgerinnen eröffnet dem Jungenaufzucht braucht. Von einem der- in der Population tatsächlich reduziert Jäger dagegen hohe Chancen zu wei- artigen Mangel kann beim Schwarzwild wurde. Da es in der Praxis so gut wie teren, nachhaltigen Erfolgen – wenn er in der Kulturlandschaft nicht die Rede nie gelingen wird 70% der Frischlings- mit jagdlichem Eifer „dran bleibt“! sein – es hat Fraß im Überfluss! bachen zu erlegen, ist der einzig richtige Schluss, dass erheblich bei den Überläu- Welche Bejagungsform? fer- und reifen Bachen eingegriffen wer- n Die traditionelle Ansitzjagd an der den muss, um ein weiteres Wachstum Kirrung reicht nicht mehr. Es braucht des Bestandes zu unterbinden. zusätzlich und vermehrt Bewegungs- Entscheidend ist daher, welche jagdliche jagden, vor allem in den Wintermona- Maßnahmen dazu geeignet sind für aus- ten. reichend Strecke zu sorgen und gleich- n Am besten eignen sich revierübergrei- zeitig einen hohen Frischlingsabschuss fende Drückjagden, doch sie erfordern zu erreichen. Bedenkt man die Biologie gute Organisation und erfahrene und des Schwarzwildes recht, kommt man geübte Schützen. unweigerlich zu der Empfehlung, wie sie n Die Kirrung darf nicht mehr Zuwachs in der kürzlich erschienenen „Schwarz- produzieren als man mit ihrer Hilfe wildleitlinie“ der Österreichischen abschöpfen kann, d.h. nicht mehr als Bundesforste formuliert wurde: Beim 1kg pro Kirrstelle und Tag ausbringen. lernfähigen Schwarzwild kommt der In Jahren mit fehlender oder geringer Entnahme scheuer „Erfahrungsträge- Baummast die Kirrungen spätestens rinnen“ besondere Bedeutung zu, denn Ende Dezember einstellen, denn der sie entziehen sich besonders erfolgreich Winter reguliert dann effektiver als der Bejagung und schützen damit auch die Kirrjagd. ihre Nachkommen. n Schluss mit der übertriebenen Ba- chenschonung bei gleichzeitiger, kon- Ohne Abschuss von „Erfahrungs- sequenter Reduktion der Frischlinge. trägerinnen“ geht es nicht Beides ist jagdstrategisch am ehesten Abb. 2 Um den Zuwachs beim Schwarzwild Die Zunahme der Schwarzwildabschüsse in Ös- zu erreichen, wenn bei Wahlmöglich- einzudämmen braucht es einen Strate- terreich seit Beginn der Aufzeichnungen um die keit prioritär Erfahrungsträgerinnen giewechsel. Dass ein Umdenken erfor- Mitte des 19. Jahrhunderts. Zu beachten ist, erlegt werden mit anschließender, dass einige der heutigen Bundesländer als Kron- derlich ist, beweisen die – trotz hohen länder eine größere Fläche hatten. Die Abschüs- konsequenter Fortsetzung des Sauen- Jagddruckes – scheinbar ungehindert se bis 1918 beziehen sich daher auf eine Fläche abschusses. weiter zunehmenden Bestände (Abb. von insgesamt 103558 km2 und nach 1918 auf 83853 km2. Bei der Berechnung der in Abb. 1 2). Bei Wahlmöglichkeit muss die Rei- für Österreich dargestellten Zahlen wurde dies Artikel erstveröffentlicht in WEIDWERK henfolge lauten „alt vor jung“, aber berücksichtigt. 12/2012. MÄRZ 2013 OÖ JÄGER 9
REPORT Seit rund drei Jahrzehnten streifen durch einige Reviere Oberösterreichs wieder Luchse. Doch immer noch ist die große Katze für viele eine Unbekannte. Miha Krofel begleitet seit Jahren in Slowenien die Forschungsarbeiten rund um den Luchs. Er hat Ansichten und Vorstellungen über das Raubtier gesammelt und gibt Antworten aus erster Hand. Luchse im Revier – was stimmt wirklich Gefühlte Wahrheiten VON Asist. Miha Krofel, Univ. Dipl. Biol. übersetzt von Dr. Christine Miller FOTOS J. Thurner, Ch. Böck D er Eurasische Luchs ist die größ- gen gibt es nur wenige Menschen, die je- Während der vielen Jahre unserer in- te Katzenart in Europa. Er und mals einen lebenden Luchs in freier Wild- tensiven Untersuchungen über die Öko- der Wolf sind die beiden wich- bahn beobachten konnten. Dieses Fehlen logie und das Verhalten von Eurasischen tigsten natürlichen Beutegreifer für Scha- von eigenen, persönlichen Erfahrungen Luchsen sind uns immer wieder einige ty- lenwild in den Wäldern Zentraleuropas. mit dem Luchs und die Weitergabe einzel- pische Ansichten begegnet. Heute haben Doch wurden sie hier in den vergangenen ner, meist auch falsch interpretierter An- wir durch die Ergebnisse solcher großer Jahrhunderten stark verfolgt. Da Luchse ekdoten, haben dazu geführt, dass viele Forschungsprojekte ein viel wirklichkeits- nicht nur sehr selten sind sondern auch „Mythen“ und falsche Einschätzungen näheres Bild des Luchs und seiner Rolle einen äußerst heimlichen Lebensstil pfle- über den Luchs kursieren. in der Natur. 10 OÖ JÄGER MÄRZ 2013
„Luchse liegen auf Bäumen“ „Wölfe verjagen Luchse „Luchse tragen das Haupt In freier Wildbahn klettern Luchse sehr aus ihrem Revier“ ihrer Beute davon“ selten auf Bäume. Wir haben Spuren von Alle Studien zeigen, dass Wolf und Eu- Niemals verschleppen Luchse das Haupt Luchsen im Schnee über viele Hunder- rasischer Luchs dieselben Gebiete besie- der Beute. Der fehlende Kopf ist ein ein- te von Kilometer verfolgt und niemals deln ohne sich gegenseitig zu bedrohen. deutiges Zeichen für einen Fuchsriss. beobachtet, dass eines der Tiere auf ei- Obwohl sich ihre Speisezettel zu einem Füchse beißen das Haupt ab und ver- nen Baum geklettert ist. Diese Vorstel- gewissen Teil überlappen, teilen sie sich graben es manchmal im Boden. In der lung vom Luchs, der auf Bäumen liegt das Beutespektrum untereinander auf: Natur kommt es immer wieder vor, dass und dort von hoher Warte aus auf seine Wölfe jagen vor allem Rotwild. Luchse der Fuchs ein vom Luchs gerissenes Reh Beute wartet, entstand in einer Zeit als spezialisieren sich auf Reh und Gams. findet, daran frisst und dann das Haupt Luchse mit Hunden gejagt wurden. In In ihrer Rolle im Naturhaushalt ergänzen „stiehlt“. solchen Fällen bringen sich Luchse – wie sich die beiden Beutegreifer. Doch kann Katzen – auf Bäumen in Sicherheit. man diese natürliche Balance durch Auch in Gefangenschaft kann man Luch- ungeschicktes Management aus dem „Viele Luchse leben se öfter beobachten, wie sie auf Bäume Gleichgewicht bringen. im selben Gebiet“ klettern und dort ruhen, ein Verhalten, Luchse sind streng territorial und ver- das sie in freier Wildbahn praktisch nie teidigen ihr Revier gegenüber Luchsen zeigen. „Mit den Ohr-Pinseln des gleichen Geschlechts. Doch die Ter- Jedoch verstecken sie manchmal ihre hört der Luchs besser“ ritorien einer Luchsin und eines Kuders Beute auf Bäumen, ähnlich dem Leopard, Die langen Haarbüschel an den Ohrspit- überlappen sich gewöhnlich. Meist sind sie jagen aber praktisch nie von einer zen der Luchse haben keinen Einfluss also zwei erwachsene Luchse in einem hohen Warte aus. auf das Hörvermögen der Luchse. Gebiet anwesend. Nur entlang der Gren- Noch weiß man nicht genau, welche zen benachbarter Reviere überlappen Funktionen, diese auffälligen „Pinsel“ manchmal die Streifgebiete von zwei „Luchse trinken das Blut haben. Luchsinnen oder zwei Kudern. Beson- ihrer Beute“ Aber am wahrscheinlichsten ist es, dass ders während der Ranzzeit im Febru- Luchse fressen Fleisch, sie trinken aber sie der Kommunikation zwischen den ar und März kann das vorkommen. nicht das Blut ihrer Beute. Die Löcher Luchsen dienen: Wenn sich zwei Luch- Das innerartliche Territorialverhalten im Hals von gerissenen Tieren stammen se begegnen, sehen sie frühzeitig die verhindert auf dieses Weise, dass die von den Eckzähnen, da Luchse ihre Beu- Stellung der Ohren des Gegenübers und Luchsdichte in einem Gebiet über ein te meist durch einen Nackenbiss töten. können dadurch dessen „Stimmung“ bestimmtes Maß hinausgeht. Luchse schneller erkennen – ähnlich unserem regulieren ihre Dichte selber. In Zentral- Hoch- oder Zusammenziehen der Au- europa liegen die höchsten Dichten bei „Luchse fressen genbrauen. etwa 1 Luchs pro 10000 Hektaren. nur frisches Fleisch“ Wir haben Videoaufzeichungen an Luchsrissen gemacht und dokumentiert, dass Luchse fast immer über mehrere Nächte hindurch zu ihrer Beute zurück- kehren, bis das gesamte Muskelfleisch verzehrt ist. Werden sie jedoch am Riss gestört, können sie die Beute endgültig verlassen, selbst wenn noch reichlich Fleisch daran übrig ist. „Luchs und Wildkatze können nicht zusammen vorkommen“ Obwohl es in sehr seltenen Fällen mal vorkommen kann, dass ein Luchs eine Wildkatze tötet, gefährdet ein solcher „Zufalls-Riss“ nicht das Vorkommen ei- ner Wildkatzen-Population. Beide Arten haben über Hunderttausende von Jahren gemeinsam in den selben Waldgebieten gelebt. Und auch heute noch gibt es in einigen Luchsgebieten sehr hohe Wild- katzendichten, zum Beispiel in den Luchse fressen fast ausschließlich Fleisch. Niemals aber verschleppen Luchse das Haupt der Beute. Der fehlende Kopf ist ein eindeutiges Zeichen für einen Fuchsriss. Füchse beißen das Haupt nördlichen Dinarischen Bergen (Slowe- ab und vergraben es manchmal im Boden. In der Natur kommt es immer wieder vor, dass der Fuchs nien). ein vom Luchs gerissenes Reh findet, daran frisst und dann das Haupt „stiehlt“. MÄRZ 2013 OÖ JÄGER 11
REPORT „Luchse rotten das Wild In Gefangenschaft kann man Luchse öfter beobachten, wie sie auf Bäume klettern und dort ruhen, ein Verhalten, das sie in freier Wildbahn praktisch nie zeigen. Jedoch verstecken sie manchmal ihre in ihrem Revier aus“ Beute auf Bäumen, ähnlich dem Leopard, sie jagen aber praktisch nie von einer hohen Warte aus. Die Evolution hat mit dem Luchs einen spezialisierten Jäger von kleineren Scha- lenwildarten geschaffen – doch seine zum Beispiel Siebenschläfer, Gams, Rot- verteidigen sich Luchse, wenn sie gefan- Beute rottet er nicht aus, würde er doch wild oder Hasen sein. Und wenn Weide- gen werden, zum Beispiel in einer Falle. dann selbst verhungern. Jedoch können tiere nicht geschützt sind, können auch Auch mit Tollwut infizierte Luchse kön- Luchse die Dichte ihrer Beutetiere be- sie dem Luchs zum Opfer fallen. nen aggressiv reagieren. grenzen. Das ist ihre „Aufgabe“ in der Natur. Ganz allgemein ist der Einfluß von Luchsen auf ihre Beutetiere höher in Ge- „Luchse reißen die stärksten „Der Luchs gehört eigentlich bieten, in denen diese nur in sehr nied- Tiere des Bestandes“ nicht in unsere Wälder“ rigen Dichten vorkommen, zum Beispiel Es gibt Studien, in denen die Kondition Der Eurasische Luchs kam in allen Län- in bestimmten Regionen Skandinaviens. und Fitness von Tieren, die der Luchs dern Zentraleuropas natürlich vor. In Für Zentraleuropäische Verhältnisse, wie gerissen hat verglichen wurde mit Tie- unseren Waldgebieten hat er mindestens in Slowenien, haben wir berechnet, dass ren, die von Jägern erlegt wurden. Dabei 100.000 Jahre überlebt. Er verschwand ein Luchs durchschnittlich 0,1 bis 0,5 zeigte sich, dass Luchse eher schwächere im Laufe des 18. bis 20. Jahrhunderts Stück Schalenwild pro 100 Hektar und Stücke erbeuten. Jedoch kann der Luchs im Zuge starker Verfolgung durch den Jahr erbeutet. Das entspricht etwa 5-15 auch gesundes Wild reißen, besonders, Menschen. Auch die Zerstückelung letz- Prozent der Höhe der jagdlichen Entnah- wenn es einfach weniger schwache ter Rückzugsgebiete und starke Reduk- me aus einem Rehwildbestand und rund Stücke im Revier gibt. Der durchschnitt- tion der Schalenwildbestände im Laufe drei Prozent der Rehpopulation. Davon liche Jagderfolg eines Luchses ist ver- des 19. Jahrhunderts trugen zum Verlust abgesehen hat die Anwesenheit von gleichsweise gering, deshalb fällt es der Luchse in vielen Ländern bei. Heute Luchsen natürlich auch Auswirkungen ihm leichter ein Stück in schlechterer wird in einigen Ländern Zentraleuropas auf das Verhalten des Rehwildes. Es Kondition er erbeuten. Darin liegt eine versucht, den Luchs wieder in einen Teil kann vorsichtiger werden und dadurch wichtige Rolle großer Beutegreifer im seiner alten Lebensräume zurück zu schwierig zu beobachten sein. Naturhaushalt - sie tragen zum guten bringen. Gesundheitszustand ihrer Beutetierpo- pulationen bei. Mythenbildung: Luchse lassen sich „Luchse jagen nur Rehwild“ kaum beobachten und deshalb sammeln Auch wenn Rehwild in den meisten sich nur schwer sichere Erfahrungen. Luchsgebieten Zentraleuropas die wich- „Der Luchs ist für den tigste Beutetierart ist, Luchse fressen Menschen gefährlich“ Miha Krofel, Dep. of Forestry, Biotech. aber gelegentlich auch noch andere Ar- Gesunde Luchse greifen keine Menschen Faculty, University of Ljubljana, Vecna ten, ob Säugetiere, Vögel oder Reptilien. an, selbst wenn dieser sich den Jungen pot 83, 1001 Ljubljana, Slowenien Eine wichtige „Zweit-Beute“ können nähert oder sie sogar verletzt. Jedoch 12 OÖ JÄGER MÄRZ 2013
(Gefühlte) Wahrheiten Luchse im Revier – was stimmt wirklich Entwicklung der LEBE DAS Luchspopulation Sloweniens – ABENTEUER Nahes Ende? JAGD Sie galten als Erfolgsgeschichte von Doch in den 1990 Jahren nahm der Wiedereinbürgerungen. Die Luchspo- Luchsbestand kontinuierlich ab. Eine pulation im slowenisch-kroatischen Teilschuld daran tragen die damals Grenzgebiet entwickelte sich anfangs sicher zu hoch angesetzten Abschuss- prächtig. Heute kämpfen weniger als zahlen. Die Jagdquote beruhte auf 20 Tiere ums Überleben. Was ist pas- Schätzungen des Frühjahrsbestandes siert? Bis kurz vor dem 1. Weltkrieg - und hier war durch unsachgemäßes lebten noch Luchse in Slowenien und Monitoring die tatsächliche Zahl der Kroatien. Das einst flächendeckende Luchse überschätzt worden. Deshalb Vorkommen war im Laufe des 19. wurden die Abschüsse schrittweise Jahrhunderts - wie fast überall in Eur- verringert. Trotzdem erloschen einige opa - auf nur mehr wenige, von einan- Rand-Vorkommen. 2003 wurde der der isolierte Vorkommen zusammen- letzte Luchs legal erlegt und seit 2004 geschrumpft. 1908 wurde der letzte ist keine nachhaltige Jagd auf den Luchs in Slowenien geschossen. Luchs mehr möglich. 60 Jahre danach reifte bei den Jä- Doch stetig nahm die Zahl der Luchse gern Sloweniens und Kroatiens die weiter ab. Denn die zeitweise Überbe- Idee, den Luchs wieder in die freie jagung war nur ein Teil des Problems. Wildbahn der Dinarischen Gebirge Die kleine Ursprungspopulation von zurück zu bringen. Auf Initiative der nur sechs Tieren entpuppte sich als Jagdverbände, in Slowenien sind die eine tickende Zeitbombe für den Be- Jäger in sogenannten „Jagdfamilien“ stand. Die Luchse Sloweniens und organisiert, die jeweils ein größeres Kroatiens tragen heute eine hohe In- Gebiet betreuen, wurden 1973 drei zuchtlast und mit jeder Generation Kuder und drei Luchsinnen aus den steigt dieser Inzuchtanteil. Heute sind Karpaten geholt und in der Kocevska alle Tiere in den Dinarischen Bergen Region (der ehemaligen Gottschee) so nah verwandt, als wären sie Bru- frei gelassen. Aus dieser Keimzelle der und Schwester. Wahrscheinlich entwickelten sich die Luchse in den gibt es nur noch weniger als 20 Tiere darauf folgenden Jahren prächtig. Die in der Region. Damit ist der Luchs das Überlebenschancen der Jungen waren am stärksten gefährdete Säugetier in nachweislich hoch. Die großen Katzen Slowenien und Kroatien. Die Zukunft breiteten sich in die angrenzenden Ge- der Luchse hängt jetzt davon ab, ob biete in Kroatien und bis nach Bosnien frisches Blut durch die Aussiedlung aus. Auch am nördlichen Rand nahm weiterer Luchse aus den Karpaten ein- das Verbreitungsgebiet langsam zu geführt wird. und berührte sogar Grenzgebiete zu Italien und Österreich. Die Jäger Sloweniens stehen jedenfalls Nachdem sich der Bestand so gut weiter zu „ihren“ Luchsen. In Umfra- entwickelte, wurden ab 1978 Luchse gen zeigt sich immer wieder, dass über jagdbares Wild und Abschussquoten drei Viertel der Jäger einer Bestandes- JACKE GAMSKOGEL & frei gegeben. Die Strecken nahmen in stützung positiv gegenüber stehen. Sie HOSE GAMSLEITEN den folgenden zehn Jahren beständig freuen sich auf neues Leben in ihren Leichte Lodenkombination im neuen zu, zum Teil auf bis zu zwölf Luchse Revieren - und vielleicht in Zukunft, robusten ALPAK Material. pro Jahr. Im gesamten Luchsvorkom- wieder einen Luchs an der Trophäen- mensgebiet wurden über 300 Luchse wand. Jacke Gamskogel: € 269,- in den 1980er und 1990er Jahren er- Hose Gamsleiten: € 235,- legt. Dr. Christine Miller WWW.JAGDHUND.COM
SERIE 7. und letzter TEIL Behauptungen und Tatsachen rund um die Jagd. Behauptung Die Jäger hängen zu sehr an ihrem Brauchtum. Jagdbräuche und Jägersprache sind überholt und deshalb nicht mehr zeitgemäß. Tatsache IST In allen Interessengebieten, so auch bei der Jagd, gibt es eine Fachsprache. Sie dient der Verständigung untereinander. Jäger- sprache und jagdliche Bräuche haben auch heute noch bei der Jagd ihren Sinn. Weil … die Fachausdrücke der Jäger im Laufe von Jahrhunderten entstanden sind, zeigen sie einen Teil unserer kulturellen Entwicklung auf. Dies ist zu erhalten und fortzuführen. Weil … das jagdliche Brauchtum den ordnungsgemäßen Ablauf der Jagd gewährleistet. Auch aus Sicherheitsgründen kann hie- rauf nicht verzichtet werden. Weil … das jagdliche Brauchtum kein „aufgesetztes“ Ritual ist, son- dern bei der praktischen Jagdausübung bewährte Hilfe gibt. Weil … die Jäger mit vielen Bräuchen auch ihre Ehrfurcht vor dem Wild bezeugen. Immer informiert! www.ooeljv.at Wenn Sie aktuelle Informationen und Veranstaltungstipps rund um‘s Jagen in OÖ erhalten möchten, bestellen Sie einfach unseren Newsletter und Sie sind immer „up to date“: http://www.ooeljv.at/newsletter 14 OÖ JÄGER MÄRZ 2013
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THEMA Der Begriff Jagd und vermittelbar ist, gilt es, zunächst den Be- Es erscheint höchst plausibel, dass nur die aktuelle griff der „Jagd“ zu definieren bzw. diesen durch diese eindeutige Abgrenzung die Tierschutzphilosophie von anderen Tätigkeiten und Ausdrucks- Jagd an sich überhaupt Zukunftspoten- formen wie etwa „Schießveranstaltung tial hat. Wenn die Frage gestellt ist, inwieweit die im Gatter“ oder „Pseudojagd“, usw. Gewinnung von Wildbret als Legitima- deutlich abzugrenzen, auch wenn die- Nur eine offene, transparente, ehrliche tion für die Jagd herangezogen werden se zuletzt aufgezählten Tätigkeiten von und nachhaltige Jagd ist nach Ansicht kann und inwieweit dies einer kritisch „Jagdkarteninhabern“ ausgeführt wer- des Verfassers auf Dauer vermittelbar, reflektierenden Schicht der Bevölkerung den. denn der Anteil der Jäger an der Gesamt- 16 OÖ JÄGER MÄRZ 2013
bevölkerung beträgt in Österreich derzeit mit der aktuellen Tierschutzphilosophie, StGB § 222 (3) auch zu bestrafen ist. Die gerade einmal etwas mehr als 1%, in da dabei die natürlichen Zuwachsraten, Jagd ist zwar von den Bestimmungen Deutschland nicht einmal mehr 0,5%! „die Zinsen der Natur“ - in der Regel des österreichischen Tierschutzgesetzes Meyers Lexikon (MEYERS, 2008) defi- als Lebensmittel - genutzt werden, was (weitgehend) ausgenommen, nicht je- niert Jagd folgendermaßen: „Jagd ist das im allgemeinen Konsens jedenfalls ei- doch von den Bestimmungen des Straf- Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen, Fangen nen vernünftigen Grund darstellt. Jagd gesetzbuches. Außerdem könnte künftig jagdbarer Tiere durch Jagdausübungsbe- im engeren Sinn kann daher auch immer auch seitens der Verwaltung bzw. der rechtigte. nur in freier Wildbahn stattfinden – al- Gerichte der Begriff Jagd enger ausgelegt les „hinterm Zaun“ bzw. jegliches Töten werden, als dies bislang der Fall war. Tätigkeiten, die den Prinzipien einer von (innerhalb der letzten 12 Monate) Die übermäßige Anhebung von Wildbe- Wildbret als Legitimation für die Jagd VON wHR Prof. Dr. Rudolf WINKELMAYER FOTOS Ch. Böck, Ch. Jung – Fotolia.com bleifrei inbegriffen ständen, z.B. durch eine über das Ziel hinausschießende Hegebemühungen wie etwa Winterfütterung, mit dem Zweck, mehr „Abschusswild“ zur Verfügung zu haben, stößt nicht nur auf Ablehnung der Land- und Forstwirtschaft, sondern lässt sich auch mit einer zeitgemäßen Tier- schutzethik nicht vereinbaren: Wildtiere unter Zuhilfenahme landwirtschaftlicher Methoden heranzuziehen, weil deren Abschuss „so viel Freude macht“, ist vor dem Hintergrund der Tierschutzgesetzge- bung und der Tierschutzethik nicht als „vernünftig“ einzustufen. Hier stehen den menschlichen Interessen die Inte- ressen der Tiere nach Schmerzlosigkeit, Leben und Selbstentfaltung gegenüber. Das anthropozentrische Weltbild (der Mensch steht im Mittelpunkt – Anmerk. der Redaktion) liefert natürlich mit sei- nem biblischen Auftrag des „dominium terrae“ (Herrschaft über die Erde – An- merk. d. Red.) eine billige Rechtfertigung für jegliche Ausbeutung der Tier- und Auch wenn einmal länger und unter Einsatz meh- Umwelt. Auch wenn ein Umdenken unbe- rerer Jagdhunde nach einem erlegten Niederwild ausgesetztem Wild kann daher aus quem und mühsam ist, bleibt es nieman- gesucht werden muss, der Jäger will die Beute ethisch-philosophischer Sicht bestenfalls dem erspart, der ernsthaft dieses Thema haben – nicht zuletzt auf Grund des Wildbrets. nur jagdähnliche Tätigkeit sein. mitdiskutieren will, denn eine weltan- nachhaltigen Jagd widersprechen sollten Die österreichische Tierschutzgesetzge- schauliche Grundsatzanalyse gehört zum nicht als Jagd bezeichnet werden (FORST- bung sieht vor, dass für das Töten eines intellektuellen Leben (KANITSCHEIDER, NER et al., 2006). (Wirbel)tieres immer ein „vernünftiger 2008). Die so verstandene Jagd, als restriktiv Grund“ gegeben sein muss, bzw. dass Der Moralphilosoph Rosenberger ortet aneignende Form der Naturnutzung, hat dessen „mutwilligen Tötung“ gemäß prinzipiell ein Vakuum an jagdethischen aus ethischer Sicht auch wenig Probleme TschG § 6. (1) verboten ist und gemäß Reflexionen, und hält es in diesem Zu- MÄRZ 2013 OÖ JÄGER 17
THEMA sammenhang für eine echte Schande, Interessensausgleich in der Kulturland- für die Zukunft zu sichern, sollten die dass seine theologischen und philoso- schaft dafür relevanten Interessensgruppen die phischen KollegInnen es bisher nicht für n Nutzung von qualitativ hochwertigem neuen Herausforderungen als Chance se- nötig gehalten haben, eine Jagdethik zu Wildbret und von Wildnebenprodukten hen. entwerfen. Jagdliches Tun ist seiner An- sicht nach nicht beliebig oder neutral, Freude an der Trophäe als alleinige Be- Bei Erreichung der oben dargestellten sondern enthält Momente, die nur dann gründung ist ethisch nicht vertretbar, Ziele auch Freude an der Jagd und an der für richtig befunden werden können, da es dabei um das Töten eines Tieres Natur zu empfinden ist legitim. Freude wenn sie gewisse Kriterien erfüllen. Und lediglich zum persönlichen Lustgewinn und Identifikation mit den Zielen sind genau die Bestimmung solcher Kriterien geht. Auch die Verhütung ökonomischer wesentliche Motivation zur Erreichung ist Aufgabe der Ethik. Schäden kann als alleinige Begründung der Ziele. Aber genau durch diese Freude Nach heutigem Wissen lassen sich aller- für das Töten eines Tieres nicht ausrei- am Jagen wird die Jagd wohl immer an- dings moralische Regeln als biologische chend sein, da der Anspruch eines Tieres greifbar bleiben. Auch wenn die Ziele der Adaption erklären, die eine nützliche auf Leben nicht automatisch der Verhü- Jagd von wesentlichen Teilen der Bevöl- Rolle beim Überleben einer Population tung eines Schadens (aus menschlicher kerung akzeptiert und gut geheißen wer- gespielt hat, als diese unter dem Zwang Sicht) untergeordnet werden kann. Alle den, wird es immer Menschen geben, die stand, ihr Sozialleben optimal zu regeln. anderen Begründungen wie Freude am Jägern als ausschließliche Motivation für Das moralische Gesetz entsprang nicht Naturerlebnis, Genuss der Ruhe im Wald, ihr Tun die Lust am Töten und die Tro- der Vernunft eines Einzelnen, sondern es sportliche Betätigung, spannende Erleb- phäensucht unterstellen. Damit werden entstand spontan als Resultat ungezählter nisse oder Überlisten des Wildes sind die Jäger wohl auch weiterhin leben müs- Kooperationen in der Gesellschaft (KA- auch ohne Tötung eines Tieres erlebbar. sen. Aber eine Jägerschaft, die die oben NITSCHEIDER, 2008). angeführten Ziele mit akzeptierten Jagd- Dem Mensch bleibt natürlich die fak- Die „Wahrung der Biodiversität“ ist ohne methoden verfolgt, hat eine solide Basis tische Möglichkeit, über die Notwen- Zweifel eine zentrale Aufgabe der Jäger- für kommende Herausforderungen.“ digkeit zu entscheiden, einem Tier zu schaft. Es liegt aber auch an den anderen schaden (der Tod ist wahrscheinlich der Naturnutzern, allen voran den land- und größtmögliche Schaden, der einem Lebe- forstwirtschaftlichen Grundbesitzern und Bleihaltige oder wesen zugefügt werden kann). Dies rein deren wirtschaftlichen Zielen, welche Be- bleifreie Munition aus Jagdlust an zum bloßen Zweck des stände von welchen Tierarten Akzeptanz verwenden? Abschießens herangezogenem Wild zu vorfinden und auf welchem Niveau der tun, steht in krassem Widerspruch zur Interessenausgleich stattfinden kann. Um Bei der Diskussion um bleihaltige bzw. aktuellen Tierschutzphilosophie und ist zu einem ethisch vertretbaren Ausgleich bleifreie Munition muss grundsätzlich auch keinem vernünftigen Menschen ver- in der Kulturlandschaft zu kommen, ist zwischen Schrotpatronen und Büchsen- mittelbar. Der Denkansatz eines Vertre- daher auch die Verantwortung der Grund- patronen unterschieden werden. ters des evolutionären Humanismus dazu besitzer im Rahmen der Sozialpflichtig- lautet: „Füge nichtmenschlichen Lebewe- keit des Eigentums von entscheidender Während für Büchsenpatronen diesbe- sen nur so viel Leid zu, wie dies für den Bedeutung. Die Erhaltung der Wildtiere züglich derzeit (Stand: Okt. 2012) noch Erhalt deiner Existenz unbedingt erfor- in der Kulturlandschaft kann durch Jagd keine rechtlichen Bestimmungen gelten, derlich ist (SCHMIDT-SALOMON, 2006)!“ und Hege alleine nicht gewährleistet wer- wurde hinsichtlich der Schrotmunition den. bereits durch die „Verordnung des Bun- Aber es gibt neben der Gewinnung von desministers für Land- und Forstwirt- Wildbret als Legitimation für die Jagd Im Gegensatz zu Grundeigentümern und schaft, Umwelt und Wasserwirtschaft durchaus noch andere vernünftige Grün- anderen Naturnutzern hat die Jägerschaft über die Verwendung von Bleischrot- de, warum (weidgerechte, nachhaltige) in vielen wildökologisch wichtigen Be- munition bei der Jagd auf Wasservögel Jagd ausgeübt werden soll und darf. reichen wenig Einfluss, beispielsweise (BGBl. II Nr. 331/2011)“ bereits eine ge- Für die Zukunft der Jagd in Mitteleuropa bei der Erstellung von Wander-, Rad- und setzliche Regelung getroffen, die seit 1. bedarf es eines dem Wissensstand des 21. Reitwegenetzen, der Erschließung durch Juli 2012 in Kraft ist. Demnach ist die Ver- Jahrhunderts angepassten jagdethischen Forststraßen, der Ausweisung/Nichtaus- wendung von Bleischrotmunition bei der Gerüstes, in dessen Rahmen auch die weisung von Wildruhezonen usw. Ein Jagd auf Wasservögel verboten. Das Ziel Kriterien einer ethisch legitimierten Jagd jagdliches Selbstverständnis, das auf dieser Verordnung ist die Reduktion des behandelt werden. einem glaubwürdigen und ethisch schlüs- Eintrages von Blei in die Umwelt durch sigen Fundament basiert, wird es aber ein Verbot von Bleischrotmunition bei der Für eine ethisch legitimierbare und zeit- der Jägerschaft erleichtern, sich auch bei Jagd auf Wasservögel. gemäße Ausrichtung der Jagd sollen fol- diesen Fragen verstärkt einzubringen und gende Ziele gelten: Akzeptanz zu finden. Mittlerweile sind auch Fischer – vor allem n Erhaltung selbst reproduzierender Die Umsetzung eines ständig weiterzu- in den USA – mit der Problematik des Wildtierpopulationen in freier Wild- entwickelnden ethischen Selbstverständ- Bleieintrages in die Umwelt konfrontiert. bahn und deren nachhaltige Nutzung nisses der Jagd trägt zur nachhaltigen Ak- Die Verwendung von Blei im Angelsport n Wahrung der Biodiversität (Lebens- zeptanz der Jagd in der Gesellschaft bei. – z.B. um Köder zum Sinken zu bringen räume, Arten, Gene) und Beitrag zum Um den gesellschaftlichen Wert der Jagd – ist dort bereits verpönt. 18 OÖ JÄGER MÄRZ 2013
Wildbret als Legitimation für die Jagd – bleifrei inbegriffen Bleihaltige und bleifreie Man kann zwar argumentieren, dass die um die Schusswunde und um Splitter, BüchsengeschoSSe: Lebens- neue Grenzwertsetzung („margin of ex- die in der Muskulatur bis zur Zerlegung mittelhygiene und -sicherheit posure“) sich eher „Vielverzehrer“ und verblieben. Während der Lagerung des Blei bzw. Bleilegierungen werden seit besonders empfindlichen Personen ori- Wildbrets, aber auch bei der Zuberei- Jahrhunderten in der Jagd verwendet. Es entiert und damit der gelegentliche Ver- tung (Rotweinbeize) geht Kupfer aus Ge- ist gut zu Geschoßen zu verarbeiten und zehr gesundheitlich kaum ins Gewicht schoßsplittern zwar in Lösung, aber nur wegen seiner hohen Dichte, Verformbar- fallen wird. Weiters, dass bei normaler in unmittelbarer Umgebung des Splitters. keit und der daraus resultierenden Ener- Ernährung auch andere Lebensmittel Blei Bei den in dieser Studie untersuchten gieabgabe im Tierkörper hinsichtlich der enthalten. Aber wenn der Blei-Eintrag in Stücken war es ausreichend, den Schuss- gewünschten Tötungswirkung nahezu die Umwelt verringert werden soll, kann wundenrand bzw. die Umgebung von optimal. Bei den üblichen Teilmantelge- auch von der Jagd verlangt werden, einen Splittern ca. 10mm weit auszuschneiden. schoßen erfolgt noch im Tierkörper eine Beitrag - im Rahmen der Möglichkeiten - Im Gegensatz zu Blei ist Kupfer ein le- mehr oder weniger ausgeprägte Splitter- zu leisten. bensnotwendiges Element und Vergif- abgabe. In zahlreichen Staaten gibt es schon Be- tungen beim Menschen sind äußerst Da Blei ein giftiges Schwermetall ist, das schränkungen der Verwendung von Blei- selten. Nach den Ergebnissen dieser Stu- sich im Körper von Menschen und Tie- schroten (in Österreich seit 1. Juli 2012, die wurde abgeschätzt, dass über den ren anreichert, bestehen seit Jahrzehnten s.o.), und auch bei Büchsengeschoßen Verzehr einer Mahlzeit aus Fleisch von Bestrebungen, Blei-Emissionen in die werden entsprechende Diskussionen ge- mit Kupfergeschoßen erlegtem Wild der führt. tägliche Kupferbedarf nicht überschrit- Im Handel sind schon eine ten wird. Geschoße mit geringer Split- Reihe von „bleifreien“ Büch- terneigung sind dabei aus lebensmittel- senpatronen erhältlich. Im hygienischer Sicht vorteilhafter. Für eine Prinzip handelt es sich dabei umfassende Bewertung sind aber noch um Teilmantelkonstruktionen weitere Untersuchungen nötig, die auch mit Zinn- statt Bleikern, oder andere Metalle (Zinn) bzw. Legierungen um Vollgeschoße aus Kup- (Messing, Tombak) einschließen müssen. ferlegierungen. Bei der Be- Wer für sich in Anspruch nehmen will, wertung solcher Geschoße weidgerecht zu jagen und dabei auch sind die Tötungswirkung, hochwertiges Wildbret zu gewinnen, Umweltschutzfragen, Wir- kommt um eine Beschäftigung mit der kungen auf den Gewehrlauf Thematik „bleifreie Munition“ jedenfalls (Ablagerungen) und die Si- in Zukunft sicher nicht umhin. cherheit im Jagdbetrieb (Gel- ler) und schließlich Fragen Fazit der Lebensmittelsicherheit zu Die Gewinnung von Wildbret ist nach berücksichtigen. Aus letzterer Ansicht des Verfassers in Zukunft nicht Sicht ergeben sich dabei drei die einzige Legitimation für die Jagd, sie Fragestellungen: (1) wird die ist – neben obgenannten Gründen (SEL- Umgebung des Schusskanals TENHAMMER et. al., 2011) wohl aber mit Metallabrieb belastet; (2) die wichtigste. Motivationen für die Jagd Es muss nicht immer Hirschschinken oder Verbleiben Splitter in tieferen mag es zusätzlich verschiedene geben, Rehwurst zur Jause sein – auch Wildpasteten Geweben und reagieren diese mit der wie etwa das Sammeln kapitaler oder schmecken fantastisch und stellen eine weitere Möglichkeit zur Veredelung von Wildbret dar. Muskulatur; und schließlich: (3) beste- exotischer Trophäen, wirtschaftliche Ge- hen in der Folge gesundheitliche Beden- winne, Freude an der Jagd usw. Sie sind ken? aber bei intellektueller Redlichkeit einem Umwelt (z.B. unverbleiter Kraftstoff; Aus- In einer neueren Studie (Peter Paulsen, gebildeten Menschen, einem dem Tier- wuchtgewichte) und auch Bleigehalte in Iris Irschik, Friedrich Bauer, Veterinär- schutz und den Tierrechten gegenüber der Nahrung zu verringern. Die Diskus- med. Universität Wien; Manfred Sager, aufgeschlossenen Humanisten, so gut sion um Bleirückstände im Wild wurde AGES Wien) wurden diese Fragen bei wie nicht vernünftig begründbar. schon in den 1980ern geführt, aber bei zwei verschiedenen Vollkupfergescho- dem sehr niedrigen durchschnittlichen ßen mit bekannter guter Tötungswirkung Wildbretverzehr und den damals ange- untersucht. Bei dem Geschoßtyp mit ge- Literaturliste beim Verfasser erhältlich. nommenen Grenzwerten bestand kein ringer Splitterneigung (Barnes TSX, 34 Zum Autor: akuter Handlungsbedarf. Mit dem Nach- Stück Schalenwild) ergaben sich um die wHR Prof. Dr. Rudolf WINKELMAYER, weis der Vergiftung von Beutegreifern Schusswunde keine signifikanten oder Dipl.ECVPH. ist Amtstierarzt auf der Be- (über bleihaltige Aufbrüche), aber auch für die Praxis bedeutenden Erhöhungen zirkshauptmannschaft 2460 Bruck a.d.L., Federwild einerseits, und einer neuen Be- der Kupferkonzentration, bei einem Ge- prakt. Tierarzt und Jäger. rechnung für tolerierbare Bleigehalte in schoßtyp mit Splitterbildung (Styriaarms E-Mail: Rudolf.Winkelmayer@noel.gv.at Lebensmitteln wurde die Diskussion aber Aero, 12 Tiere) ergaben sich z.T. signi- Quelle: „Jagd und Jäger in Kritik“, wieder angefacht. fikant höhere Kupferkonzentrationen Tagung des NP Hohe Tauern 2012 MÄRZ 2013 OÖ JÄGER 19
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