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www.ssoar.info Stadtgrün unter Druck: Vergleichswerte zur urbanen Grünraumversorgung in deutschen Städten Fina, Stefan Veröffentlichungsversion / Published Version Zeitschriftenartikel / journal article Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Fina, S. (2021). Stadtgrün unter Druck: Vergleichswerte zur urbanen Grünraumversorgung in deutschen Städten. Stadtforschung und Statistik : Zeitschrift des Verbandes Deutscher Städtestatistiker, 34(2), 17-23. https://nbn- resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-75074-7 Nutzungsbedingungen: Terms of use: Dieser Text wird unter einer CC BY-NC-SA Lizenz This document is made available under a CC BY-NC-SA Licence (Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergebe unter gleichen (Attribution-NonCommercial-ShareAlike). For more Information Bedingungen) zur Verfügung gestellt. Nähere Auskünfte zu den see: CC-Lizenzen finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/deed.de
Schwerpunkt Das Grün der Städte Stefan Fina Stadtgrün unter Druck: Vergleichswerte zur urbanen Grünraumversorgung in deutschen Städten Die Versorgung von Einwohnern mit Grünflächen erfährt durch Die grünste Stadt Deutschlands Herausforderungen von Klimaanpassung und Flächengerech- tigkeit eine steigende Bedeutung. Städtebauliche Orientierungs- Welche Stadt in Deutschland ist am grünsten? Wie viel Erho- werte geben Zielmarken vor, die mit Geobasisdaten und kleinräu- lungsfläche bietet mein Stadtviertel? Bei Fragen wie diesen migen Bevölkerungsschätzungen überprüft werden können. Der scheinen deutsche Städte eine Art Wettbewerb auszutragen, vorliegende Beitrag stellt explorative Ansätze aus dem Geomoni- unterstützt von unterschiedlichsten Städterankings und ihrer toring vor, die in einer neuen kartenbasierten Anwendung im In- Aufbereitung in den Medien (Tröger et al. 2016). Auf den Web- ternet Auskunft über defizitäre Grünausstattungen in deutschen seiten der Städte wird mit Prädikaten der grünsten Großstadt Städten und Siedlungen geben. Deutschlands geworben (Hamburg, Hannover, Siegen), der Stadt mit den meisten Erholungsflächen (Halle an der Saale), oder gar dem Prädikat der „grünen Hauptstadt“ Europas (eine Auszeichnung für die Stadt Essen im Jahr 2017). Bei genauerem Blick stellt man schnell fest: Die Platzierun- gen in den Rankings hängen stark davon ab, was unter Stadt- grün verstanden wird, wie es sich zusammensetzt. Je nach Auslegung hängt der Erkenntniswert derartiger Vergleiche davon ab, welche Qualitäten der ausgewählten Gründefinition beigemessen werden können, und welche Lehren Öffentlich- keit und Verwaltung daraus ziehen. Eine Definition aus dem Weißbuch Stadtgrün der Bundesregierung zeigt die Vielfalt von Landnutzungen, die unter Stadtgrün verstanden werden: „Stadtgrün umfasst alle Formen grüner Freiräume und begrünter Gebäude. Zu den Grünflächen zählen Parkanla- gen, Friedhöfe, Kleingärten, Brachflächen, Spielbereiche und Spielplätze, Sportflächen, Straßengrün und Straßenbäume, Teile dieses Beitrags sind im Forschungsprojekt „Monitoring des Siedlungsgrün, Grünflächen an öffentlichen Gebäuden, Natur- Stadtgrüns – Wie grün sind deutsche Städte?“ entstanden (Auf- schutzflächen, Wald und weitere Freiräume, die zur Gliederung traggeber: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung; und Gestaltung der Stadt entwickelt, erhalten und gepflegt Leitung: Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung). werden müssen. Auch private Gärten und landwirtschaftliche Nutzflächen sind ein wesentlicher Teil des Stadtgrüns. Weiter- hin zählen das Bauwerksgrün mit Fassaden- und Dachgrün, Prof. Dr. Stefan Fina Innenraumbegrünung sowie Pflanzen an und auf Infrastruk- leitet den Bereich Geoinformation und Monitoring am ILS – tureinrichtungen dazu. Dem Stadtgrün zuzuordnen sind au- Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH ßerdem das Netz an befestigten Wegen, Promenaden, Plätzen, Dortmund. Er besetzt im Rahmen einer gemeinsamen Beru- Wirtschaftswegen der Wasser-, Forst- und Landwirtschaft im fung zugleich die Professur Analyse und Monitoring urba- urbanen Kontext sowie mittelbar verkehrsberuhigte Straßen ner Räume am Geographischen Institut der RWTH Aachen und breite Fußwege, die eine Voraussetzung bilden, um Stadt- University. Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die grün zu erreichen (BMUB 2017, S. 50). Erschließung datenbasierter Anwendungen für Klimaanpas- In der Breite der Definition wird deutlich, dass neben Flä- sung und Stadtentwicklung. chen natürlicher und naturnaher Vegetation auch sogenannte : stefan.fina@ils-forschung.de grüne Infrastrukturen enthalten sind, die gebaute Struktu- ren mit Vegetation überformen. Die Erschließung derartiger Schlüsselwörter: Möglichkeiten ist ein bedeutendes aktuelles Forschungs- und Grünversorgung – Stadtgrün – Geomonitoring – Experimentierfeld von Stadtentwicklung und Grünplanung, Erholungsflächen auf politischer und politikberatender Ebene erfährt das Thema STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 2|2021 17
Schwerpunkt Das Grün der Städte höchste Aufmerksamkeit (BBSR 2018; Mohaupt et al. 2018). So dass die nahräumliche Versorgungsqualität für Menschen im hat das Bundesministerium des Inneren mit dem Weißbuch Homeoffice Teil einer verstetigten gesellschaftlichen Transfor- Stadtgrün Handlungsfelder für die Planung grünerer Städte mation werden kann, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln ausgegeben. Im Fokus steht die Herausforderung einer um- eine Neubewertung planerischer Orientierungswerte für das welt- und sozialverträglichen Stadtgestaltung in der Klima- Stadtgrün vornimmt (Samuelsson et al. 2020). anpassung, die mit städtebaulichen und architektonischen Aber nicht nur Erholungssuchende im Wohnumfeld nut- Mitteln die Vereinbarkeit von Stadtgrünversorgung und Le- zen urbane Grünflächen: Gemeinschaftsinitiativen wie das bensqualität für alle zu vereinen sucht. Urban farming oder interkulturelle Gärten, Eventkultur und Freizeitsportarten führen zu weiteren Nutzungskonkurrenzen auf Grünflächen und schwierigen Aushandlungsprozessen Stadtgrün: zwischen Interessensgruppen. Eine angenommene Assozia- tion von Stadtgrün mit nachbarschaftlichen Werten sozialer Tausendsassa und Publikumsliebling Kohäsion und gesellschaftlichem Zusammenhalt (Dosch u. Handlungsfelder zur Planung grünerer Städte beschäftigen Haury 2020) erscheint dann in Gefahr, wenn anhaltende Über- sich im Weißbuch unter anderem mit Fragen der Ausstattung nutzungserscheinungen zu tiefgreifenden Konflikten führen. mit Stadtgrün, auch im Hinblick auf Synergieeffekte zwischen Stimmen aus der kritischen Geographie erörtern diesbezüg- Erholungsfunktionen und Klimaanpassung. Gleichzeitig be- lich, inwiefern benachteiligte Gruppen wie Kinder oder ältere stehen Zielkonflikte bezüglich städtebaulicher Strategien der Menschen vor Verteilungskämpfen der Raumaneignung privi- Nachverdichtung und Wohnraumgewinnung, vor allem in legierter Gruppen geschützt werden können (Hennecke 2019). sogenannten „Schwarmstädten“. Mit diesem Begriff werden In diesem Spannungsfeld besteht ein bedeutender Auftrag Städte mit hohem positivem Wanderungssaldo bezeichnet, für die Raumwissenschaften darin, Datengrundlagen für die der sich vor allem aus dem hohen Zuzug vergleichsweise jün- Bewertung von Stadtgrün zu aussagekräftigen Indikatoren gerer Menschen auf der Suche nach Zukunftsperspektiven und zu verarbeiten und über ein Grünraummonitoring für Nutzer Lebensqualität speist. Schwarmstädte waren über die letzten bereitzustellen. Die folgenden Ergebnisse basieren auf einem Jahre trotz zunehmender Engpässe auf dem Wohnungsmarkt methodischen Ansatz, der in Fallbeispielen des Projektes stabile Ziele internationaler Zuwanderung und Binnenmigra- „Monitoring des Stadtgrüns: Wie grün sind bundesdeutsche tion (Fina et al. 2020). Sie zeichnen sich neben bedeutenden Städte?“1 erforscht und anschließend für ganz Deutschland Hochschulen und Arbeitsplatzangeboten durch eine attraktive weiterentwickelt wurde (siehe den Beitrag „Satellitengestützte bauliche Substanz aus (BBSR 2016: 11). Zu dieser baulichen Erfassung des Stadtgrüns“ in diesem Heft). Substanz dürften auch Ausstattungsqualitäten des Wohn- umfelds zählen. Mit der steigenden Nachfrage sind nicht nur Nutzungs- Stadtgrün im Vergleich konkurrenzen für bauliche Maßnahmen der Nachverdichtung problematisch für den Erhalt und Ausbau innerstädtischer Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse der Stadtgrünversorgung Grünflächenpotenziale. Die Ressource „Stadtgrün“ wird zum für drei Fallbeispiele aus dem oben genannten Projekt, die Standortfaktor für attraktive Wohnlagen, ihre gerechte Ver- Städte Leipzig, Solingen und Potsdam. Aufgetragen sind die teilung über den Stadtraum gerät in das Blickfeld sozialgeo- durchschnittlichen Versorgungsquoten der Einwohner mit graphischer Forschung. Der Begriff der „green gentrification“ öffentlichen Grünflächen und Parks größer 0,5 Hektar je Stadt- beschreibt diesbezüglich die Verdrängung einkommens- teil (Leipzig, Potsdam) in Quadratmeter pro Einwohner, einem schwächerer Haushalte aus Wohnlagen, die durch die Stand- nachfolgend erläuterten Orientierungswert für die Grünraum- ortvorteile qualitätsvoller Grünversorgung hohe Nachfrage planung. In Solingen wird die Versorgung auf einer kleinräu- erleben (Gould u. Lewis 2016). Paradigmen einer gesund- migen Gliederung mit regelmäßigen Quadraten von 500 x 500 heitsfördernden Stadtentwicklung rücken die Bedeutung Metern angezeigt. des Stadtgrüns weiter in das Aufmerksamkeitsfeld von Stadt- Diese Datenanalyse ist der explorative Ausgangspunkt für planung und Gesundheitswissenschaften (Baumgart et al. die Entwicklung einer Methode zur vergleichenden Bewer- 2018). Aber auch populärwissenschaftliche Abhandlungen zur tung von Versorgungsquoten, die mit bundesweit einheitlich stresskompensierenden Funktion von Grünflächen erreichen erhältlichen Datengrundlagen ermittelt werden kann. Die breite Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit (Adli 2017). Ergebnisse sind als neuer Indikator des ILS Monitoring Stadt- Die Planungsdisziplinen begegnen diesen Konflikten mit Regionen2 im Internet verfügbar (Abb. 2). Für Vergleichsanaly- dem Versuch, eine qualitätsvolle Ausgestaltung von Maßnah- sen zwischen den durchschnittlichen Versorgungsquoten in men der Nachverdichtung mit dem Ausbau von Grünpoten- der Kernstadt und im Umland der 33 enthaltenen Großstädte zialen und neuen Formen der Erschließung grüner Infrastruk- kann ein Ranking für verschiedene Definitionen von Stadtgrün turen zu verknüpfen („doppelte Innenentwicklung“) (Böhm et dargestellt werden: Vegetation insgesamt inklusive Landwirt- al. 2016; Kühnau et al. 2016). Diesbezügliche Erfolge treffen schaft, Grüne Freiflächen (inkl. Wald, ohne Landwirtschaft) und allerdings auf weiter steigende Ansprüche an das Stadtgrün, öffentliche Grünanlagen und Parks mit einer Mindestgröße zum Beispiel als Ressource zur Kompensation von Ausgangs- von 0,5 Hektar. und Kontaktbeschränkungen, wie sie seit Beginn der Corona- Eine quantitative Einordung der Versorgung mit öffent- Krise im März 2020 als „verlängertes Wohnzimmer“ mit neuer lichen Grünanlagen und Parks kann im Abgleich mit städte- Dringlichkeit diskutiert wird. Diesbezüglich wird erwartet, baulichen Orientierungswerten vorgenommen werden. Diese 18 STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 2|2021
Schwerpunkt Das Grün der Städte Abb. 1: Grünraumversorgung mit öffentlichen Grünanlagen und Parks > 0,5 Hektar für drei Fallbeispiele (eigener Entwurf; Kartografie: Celina Kollmann) STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 2|2021 19
Schwerpunkt Das Grün der Städte sind allerdings vorsichtig zu interpretieren, denn teilweise Datengrundlagen zur Bewertung ersetzen andere Grünkulissen (z. B. private Grünflächen in Ein- der Grünraumversorgung familienhausgebieten oder umgebende Freiflächen in Sied- lungsrandlagen) die öffentlichen Anlagen. Zwar gibt es von Die oben dargestellte Arithmetik von Vergleichsanalysen wird der Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) Orientierungswerte für wie gesagt maßgeblich durch die Auswahl von Nutzungsar- die Bereitstellung von Grünflächen und Parks für Einwohner. ten aus möglichen Datenquellen beeinflusst, die zusammen- Diese wurden bereits 1973 formuliert und werden bis heute fassend als „Stadtgrün“ bezeichnet werden. Im genannten in vielen deutschen Städten als Leitgröße genutzt. Unklar ist Forschungsprojekt wurden diesbezüglich drei Datenquellen allerdings, inwiefern die Werte für Rahmenbedingungen wie evaluiert: Aus dem Bereich der Geobasisdaten das kataster- Siedlungsdichte oder Stadtgröße und alternative Grünpoten- basierte Amtliche Liegenschaftsinformationssystem ALKIS ziale anzuwenden sind. Es verbleibt Interpretationsspielraum. (Datenstand 2017 und 2020) und das Amtlich Topografisch- Die ursprünglichen Werte der GALK unterscheiden nach Kartografische Informationssystem ATKIS (Datenstand 2018), Raumeinheit, Flächengröße und Erreichbarkeit von Grünflä- aus dem Bereich der Fernerkundung eigens erzeugte Landbe- chen: deckungsklassifikationen aus dem europäischen Raumbeob- • Wohngebiet: 6 m²/Ew. (min. 0,5 ha, max. 500 m entfernt) achtungsprogramm Copernicus (Datenstand 2019)3. • Stadtteil: 7 m²/Ew. (min. 10 ha, max. 10 min. entfernt) Die Fernerkundungsdaten konnten für die Analysen nicht • Stadt: 20 m²/Ew. genutzt werden, da sie nicht zwischen öffentlichem und pri- vatem Grün unterscheiden, die Orientierungswerte sich aber Evaluierungen in der Planungspraxis zeigen, dass einige Groß- auf öffentliches Grün beziehen. Die katasterbasierten Daten städte die GALK-Werte in etwas generalisierterer Form nutzen. aus ALKIS sind genauer als ATKIS, allerdings nicht für alle Typische Orientierungswerte sind 6–7 Quadratmeter pro Ein- Bundesländer frei verfügbar. Somit verbleibt ALKIS als beste wohner auf der Ebene von Wohngebieten und Stadtteilen, Wahl für die Grünraumplanung auf kommunaler Ebene, für sowie 6–13 Quadratmeter pro Einwohner für die gesamte raumwissenschaftliche Vergleichsstudien über alle deutschen Stadt (BBSR 2018). Städte und Gemeinden verbleibt ATKIS4 als Datengrundlage. Ein Vorteil für die Nutzung beider Datengrundlagen ist, dass die Nutzungsartenkataloge seit Einführung von ALKIS und ATKIS im AAA-Modell des Geobasisdatenwesens für beide Datenprodukte identisch sind (Bezirksregierung Köln 2019). Dabei kann aber nicht garantiert werden, dass diese Nutzungs- Abb. 2: Versorgungsquoten des Stadtgrüns im ILS Monitoring StadtRegionen (https://ils-stadtregionen.de) 20 STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 2|2021
Schwerpunkt Das Grün der Städte Abb. 3: Methodik zur Ermittlung der Grünraumversorgung in deutschen Städten und Dörfern * (1) Vegetation insgesamt: alle aufgelisteten Objektarten; (2) Grüne Freiflächen: alle aufgelisteten Objektarten ohne Landwirtschaft; (3) Öffentliche Grünanlagen und Parks: Objektarten in grüner Schrift artenkataloge in allen datenerfassenden Stellen gleichartig Methode verteilt somit die Bevölkerungsveränderungen seit genutzt und befüllt werden. Der tatsächliche Effekt dieses 2011 gleichförmig auf alle Gitterpunkte aus dem Zensus, die Aspekts ist kaum zu beziffern (Meinel 2020). in einer Kommune enthalten sind. Als Bezugsgröße wurden Einwohnerdaten aus der Kommu- Die Raumeinheiten für die Bewertung sind die Ortslagen nalstatistik für die Baublockebene einbezogen, für die Stadt aus ATKIS (Objektart 21016). Größere Städte sind untergliedert Solingen für die Ebene von 500 x 500 Meter Zellen, die die in namentlich benannte, zusammenhängende Einheiten, die Statistikstelle im Rahmen des ILS Kommunalpanels daten- in vielen Fällen annäherungsweise administrativen Stadtteilen schutzkonform zur Verfügung stellt (Fina et al. 2018). Dieses entsprechen. Kleinere Städte sind als eine Fläche enthalten, Vorgehen ist nur für Fallbeispiele umsetzbar, da nur größere je nach topographischer Lage getrennt von größeren Flüssen Städte eine eigene Statistikstelle unterhalten, die entsprechen- oder Straßen. Somit können Bezugsgrößen ermittelt werden, de Daten für raumwissenschaftliche Analysen auf Anfrage be- die einen Eindruck über die Versorgungslage und ihrer nähe- reitstellen (Fina u. Milbert 2019). Als Alternative für die flächen- rungsweisen Einordnung in die Orientierungsgrößen der GALK deckende Umsetzung wurde deshalb eine Schätzmethode für (Wohnquartier, Stadtteil, gesamte Stadt) bieten. Abbildung 3 die Einwohnergröße entwickelt, die die kleinräumig verfügba- zeigt die Methodik im Überblick, ergänzt um einen Analyse- ren Einwohnerdaten aus der Zensuserhebung 20115 mit den schritt zur Aggregation der Werte für die Gemeindetypen des Veränderungsraten von kreisfreien Städten und Gemeinden Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). aus der Regionalstatistik von 2012 bis 2018 fortschreibt. Diese Die aggregierten Werte sind in Tabelle 1 dargestellt. Tab.1: Grünraumversorgung in deutschen Städten und Dörfern* BBSR Gemeindetypen 2017 Bevölkerung Vegetation Grüne Freiflächen in Orts- Öffentliche in ATKIS in Ortslagen insgesamt lagen (Sport, Freizeit, Erho- Erholungsflächen > 0,5 ha Ortslagen** (inkl. Landwirtschaft) lung, Friedhof, Wald, Gehölz, (Grünanlage, Parks) Heide, Moor, Sumpf) Ew. km² m² je Ew. km² m² je Ew. km² m² je Ew. Große Großstadt 14.120.786 1.134,6 80,4 667,2 47,2 184,6 13,1 Kleinere Großstadt 11.525.098 2.197,1 190,6 696,1 60,4 64,7 6,9 Größere Mittelstadt 7.394.539 2.855,8 386,2 496,4 67,1 61,3 8,4 Kleinere Mittelstadt 14.851.901 11.780,4 793,2 1.180,3 79,5 46,6 9,0 Größere Kleinstadt 11.784.821 16.155,8 1.370,9 1.170,3 99,3 128,4 11,1 Kleine Kleinstadt 9.823.818 23.783,3 2.421,0 1.221,6 124,3 98,3 7,0 Landgemeinde 7.086.771 28.841,9 4.069,8 1.100,2 155,2 40,7 19,2 * repräsentiert durch ATKIS Ortslagen 2017 aller 11.264 kreisfreien Städte und Gemeinden (Gebietsstand 31.12.2017) ** lokalisiert mit Bevölkerungszahlen im Zensusgrid 2011 und aktualisiert je Gemeinde mit spezifischer Bevölkerungsentwicklung 2011–2018 STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 2|2021 21
Schwerpunkt Das Grün der Städte Fett markiert sind in Tabelle 1 die Versorgungsquoten je Ein- Voraussetzung ist die kontinuierliche und konsistente Bereit- wohner für öffentliche Erholungsflächen größer 0,5 Hektar zum stellung von Geobasisdaten und kleinräumigen Bevölkerungs- Abgleich mit den städtebaulichen Orientierungswerten. Die daten aus dem Zensus. Einschränkend wirkt die lange Zeit- aggregierten Werte geben Einblick in die durchschnittlichen spanne seit dem letzten Zensus, das Veröffentlichungsdatum Versorgungsquoten. Der Abgleich mit Grünen Freiflächen und für eine Aktualisierung ist durch die Verschiebung des Zensus Vegetation insgesamt in den Ortslagen zeigt auf, inwiefern 2021 derzeit unklar. Für Zwischenstände wie den dargestellten Ersatz und Alternativen im Wohnumfeld genutzt werden kön- Zeitraum 2018 sind somit Schätzmethoden eine Möglichkeit, nen. So wird hier deutlich, dass kleinere Großstädte und Mittel- um mit den vorliegenden Daten möglichst genaue Annähe- städte zwar durchschnittlich weniger öffentliche Erholungsflä- rungen an den Ist-Zustand zu erreichen. chen vorweisen können, dafür aber deutlich höhere Anteile an Im Ausblick lässt sich feststellen, dass Debatten um die grünen Freiflächen und Vegetation insgesamt kompensierend gerechte Verteilung der Ressource „Stadtgrün“ von Infor- wirken. Im Zusammenhang mit der interaktiven Anwendung mationen profitieren, die Vergleichsanalysen wie die hier im Internet für einzelne Ortslagen erlaubt dieses Zahlenma- vorgestellten ermöglichen. Gleichzeitig sollte die Methode terial somit umfangreiche Analysen der Versorgungsquoten weiterentwickelt werden, um Qualitätsaspekte jenseits von deutscher Städte und Dörfer mit Stadtgrün. Nutzungsarten aus Geobasisdaten in die Bewertung einzu- beziehen, z. B. im Hinblick auf Stadtbiotopkartierungen und Nutzungsintensitäten. Entsprechende Fragestellungen wer- Fazit den derzeit in mehreren Projektkontexten bearbeitet. Die Grünraumversorgung in deutschen Städten und Dörfern erfährt durch Transformationsimpulse wie der Klimaanpas- sung und einer sozialökologischen Wende für gesundheits- fördernde und lebensqualitätsorientierte Lebensweisen neue 1 Gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung Bonn (BBSR); Leitung: Leibniz-Institut für ökologische Raumentwick- Aufmerksamkeit. Bislang fehlten bundesweite Vergleichswer- lung Dresden (IÖR). te, um im Hinblick auf städtebauliche Orientierungswerte 2 https://ils-stadtregionen.de, zuletzt besucht am 17.06.2021. potenziell unterversorgte Gebiete zu identifizieren. Explorative 3 Verantwortlich: Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum im Deut- Fallbeispiele führten in dieser Hinsicht zu einer Methodenent- schen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR). 4 Lizenziert vom Bundesamt für Kartografie und Geodäsie im BMVI- wicklung, die für alle bundesdeutschen Städte und Dörfer an- Forschungsprojekt „incora – Inwertsetzung von Copernicus-Daten gepasst und in einer Webanwendung interaktiv erfahrbar ist. für die Raumbeobachtung“. Die Ergebnisse stellen einen möglichen Ansatz dar, der Wert 5 Bevölkerung im 100-Meter Gitter (Statistische Ämter des Bundes und auf die Kontextualisierung des Zahlenmaterials im Hinblick auf der Länder o. J.) 6 „‚Ortslage‘ ist eine im Zusammenhang bebaute Fläche. Die Ortslage mögliche Interpretationen legt. Dies betrifft insbesondere die enthält neben ‚Wohnbaufläche‘, ‚Industrie- und Gewerbefläche‘, ‚Flä- Zusammensetzung von Stadtgrün aus den Objektartenkatalo- che gemischter Nutzung‘, ‚Fläche besonderer funktionaler Prägung‘ gen deutscher Geobasisdaten und ihrer fachlichen Bewertung auch die dazu in einem engen räumlichen und funktionalen Zu- als Grundlage für die Grünraumplanung. sammenhang stehenden Flächen des Verkehrs, von Gewässern, von Flächen, die von ‚Bauwerke und sonstige Einrichtungen‘ für Erholung, Perspektivisch eignet sich die dargestellte Methode für ein Sport und Freizeit belegt sind, sowie von ‚Vegetationsflächen‘.“ (AdV Monitoring der Grünraumversorgung über längere Zeiträume. 2018: 224). 22 STADTFORSCHUNG UND STATISTIK 2|2021
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