Operationsplan der national-spanischen Nordfront - Vor und nach dem Angriff (rev. 08.07.2018, korr. 02.08.2018) - Moelders-Info
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Vor und nach dem Angriff (rev. 08.07.2018, korr. 02.08.2018) Operationsplan der national-spanischen Nordfront Die national-spanische Führung wollte mit der Eroberung von Bilbao die Kontrolle über Nordspanien und insbesondere über den kriegswichtigen Hafen der Stadt gewinnen; auch das Deutsche Reich versprach sich davon militärischen wie wirtschaftlichen Nutzen (verkürzte Transportwege). Es musste verhindert werden, dass die republikanischen Regierungstruppen sich in die Befestigungsanlagen Bilbaos, den „Eisernen Ring“, zurückziehen und dort eine starke Verteidigung aufbauen. Nach der misslungenen Offensive Francos gegen Madrid wäre ein Fehlschlag im Norden für die national-spanischen Kräfte fatal gewesen. Die zurückweichenden Regierungstruppen hätten Guernica passieren müssen, wobei sie auf die Flussbrücke zwischen der Stadt und der ostwärtigen Vorstadt Renteria angewiesen waren. Am 26. April 1937 morgens, wenige Stunden vor dem Angriff, vereinbarten die national- spanische Führung und die Legion Condor die Sperrung der Rückzugstraße. Absicht war es, die Brücke mit den zu- und wegführenden Straßen unpassierbar zu machen, einen Stau auszulösen und die eingeschlossenen Kräfte zu zerschlagen. Dazu notierte der deutsche Stabschef („Ia“ der Legion Condor), von Richthofen, in seinem persönlichen Tagebuch: "... 4. (national-span.) Brigade hat gestern einige geräumte Stellungen besetzt, hat aber nicht, wie befohlen, auf Eibar gedrückt. Vigon (Stabschef der national-span. Navarra-Brigaden) hat das noch spät abends versucht … aber vergeblich. Rot (republik. Regierungstruppen) hat daher die Zeit gefunden, Eibar in der Nacht an allen Ecken anzuzünden. Heute früh wurde es kampflos besetzt. Soll nun auf Marquina und westlich vorgehen. Setzen sofort ein: A/88 und J/88 auf Straßenjagd im Raum Marquina-Guernica-Guerricaiz, K/88 – nach Rückkehr von Guerricaiz –, VB/88 und Italiener auf Straßen und Brücke (einschl. Vorstadt) hart ostwärts Guernica. Dort muss zugemacht werden, soll endlich ein Erfolg gegen Personal und Material des Gegners herausspringen. Vigon sagt zu, seine Truppen so vorzudrücken, daß alle Straßen südl. Guernica gesperrt sind. Gelingt das, haben wir den Gegner um Marquina im Sack.“ Dieser Kräfteansatz umfasste Aufklärer und He 51-Jäger zur Bekämpfung von Marschkolonnen (A und J/88), Ju 52-Behelfsbomber (K/88), wenige moderne Bomber (Versuchsstaffel VB/88) sowie leichte ital. Bomber SM-79 Savoia. Die in Verzögerungsgefechte verwickelten republikanischen Truppen waren vormittags etwa 15 km Luftlinie von Guernica entfernt und erste Teile konnten die Renteria-Brücke noch am Nachmittag erreichen. Die operative Absicht, die mit Luftangriffen am 25. und 26. April 1937 gegen Eibar, Guerricaiz und Guernica verfolgt wurde, ist kennzeichnend für das Kampfgeschehen in Nordspanien. Die Legion unterstützte den Vormarsch des national-spanischen Heeres auf dem Gefechtsfeld und schränkte die gegnerischen Bewegungen durch Abriegelungseinsätze ein. Die folgenden Skizzen geben einen Einblick in die damalige Lage.
Legende: 1) Burgos, Stationierungsort Legion Condor 2) Vitoria, Stationierungsort nat.-spanischer Bomber 3) Operationsraum mit takt. Ziel Guernica und 4) strateg.-operativem Ziel Bilbao Entfernung Burgos – Guernica ca. 160 km Luftlinie Lupe Operationsraum: 1) Luftunterstützung Eibar 25.04. nachmittags 2) Abriegelung Guerricaiz 26.04. morgens 3) Abriegelung Guernica 26.04. nachmittags Entfernung Guernica - Front ca. 15 km Luftlinie Pfeile markieren zurückweichende Republikaner
In den Angriff auf Guernica waren national-spanische Flugzeuge (eine Anzahl Ju 52, dazu ältere, weniger leistungsfähige Heinkel- und Bleriot-Flugzeuge) einbezogen (Quelle: Jesús Salas Larrazábal, spanischer Luftwaffengeneral und Ingenieur in seiner Monographie „Guernica: el bombardeo“, Madrid 1981). Wie die Einsätze der national-spanischen Luftstreitkräfte mit denen der Italiener und der Legion Condor im Kampf um die Region Bilbao konkret abgestimmt wurden, ist bisher unklar. Vermutlich gab es Absprachen auf hoher Führungsebene (Angriffsziel) und einfache Verabredungen zu operationellen Details (Zuteilung von Zeiträumen). Von Richthofen spricht nach dem Angriff undifferenziert von „den Ju“ und gibt so keinen Aufschluss über die spanische Beteiligung. Begrenzende Faktoren Die Führungsvorschrift der deutschen Luftwaffe von 1935 (LDv 16) besagt unmissverständlich, dass Terrorangriffe gegen die Zivilbevölkerung grundsätzlich abzulehnen sind. So ergab eine Untersuchung des Völkerbundes zu deutschen Einsätzen gegen Alicante und Barcelona, die von republikanischer Regierungsseite beantragt worden war, auch keinen Hinweis auf Völkerrechtsverletzungen durch die Legion Condor. Und ein Telegramm des deutschen Botschafters in Spanien aus dem Jahr 1938, das sich im Archiv des Auswärtigen Amtes befindet, stellt klar, dass Angriffe auf unverteidigte Städte verboten waren: Es sind also starke Indizien, die auf eine völkerrechtskonforme Kampfführung der Legion Condor während des Spanischen Bürgerkriegs schließen lassen. Aber auch im Fall Guernica? Ein in Italien archivierter schriftlicher Einsatzbefehl weist die Besatzungen an, darauf zu achten, dass die Stadt Guernica nicht getroffen wird. In der abendlichen Tagesmeldung der national-spanischen Kräfte in Vitoria heißt es (nach Erwähnung des vorhergehenden Einsatzes gegen Guerricaiz) zum Angriffsziel am 26. April: „… gegen die Brücke von Guernica, über die Feind sich zurückzieht.“ Die Besatzungen der deutschen Ju 52-Behelfsbomber haben immer versichert, als Ziel sei ihnen die Brücke befohlen worden. Dies deckt sich mit Richthofens Tagebucheintrag und zeigt die Ausrichtung des Angriffs auf die Brücke und deren Zufahrten aus Ost/Südost. Auch wenn der Verlauf des Einsatzes nicht vollständig rekonstruiert werden kann, ist doch klar, dass es sich um eine normale – in heutiger Terminologie – Abriegelungsoperation handelte. Sie hatte drei besondere Merkmale: Erstens Zeitdruck aufgrund des Rückzugs republikanischer Verbände in Richtung Bilbao, zweitens eigenes Risiko in der Reichweite feindlicher Luftstreitkräfte (die Bedrohung durch republikanische Jäger wurde erst am 27. April mit Einsätzen gegen die Basis bei Bilbao ausgeschaltet) und drittens mäßige Eignung der verfügbaren Kräfte für den geplanten Einsatz – umgebaute Ju 52-Transportflugzeuge, langsam, schwerfällig, mit schwacher Defensivbewaffnung und eingeschränkter Bombenlast. Lediglich die gerade eingeführten Flugzeuge („Schnellbomber“) der Versuchsstaffel hatten eine ausreichende Grundbefähigung, jedoch keine volle Einsatzreife. Aufgrund geringer Treffwahrscheinlichkeit waren aber alle damaligen Typen in der Bekämpfung von Punktzielen
wenig effektiv (der Grund für die spätere Beschaffung von Sturzkampfbombern mit besserer Eignung zur Punktzielbekämpfung). Die Integration von Elementen mit sehr unterschiedlichen Leistungsmerkmalen und unterschiedlicher Nationalität gehört zu den weiteren Komplikationen, die nur die Entwicklung eines einfachen Einsatzplans zuließen. Operationsverlauf Zeitliche Abfolge. Inwieweit der Einsatz der deutschen Aufklärer und He 51-Jäger über den Marschstraßen der Republikaner dem Angriff auf die Renteria-Brücke vorausging, ist nicht bekannt. Der erste Bombenangriff begann für Guernica – wie von spanischer Seite betont „völlig überraschend“ - um 16.30 Uhr. Dem Überflug eines einzelnen Flugzeugs (anscheinend Do 17), folgten drei He 111-Schnellbomber der Versuchsstaffel von Osten sowie drei italienische SM 79 von Norden. Die Sprengwirkung ihrer Bomben richtete am nördlichen Stadtrand relativ geringe Schäden an. In Guernica wurde durch Läuten der Kirchenglocken Fliegeralarm ausgelöst. Aufgrund dessen konnten die republikanischen Behörden Unbeteiligte noch aus dem kleinen Stadtgebiet evakuieren; inwieweit dies geschah ist nicht bekannt (siehe weiter unten Richthofens Tagebuchnotiz dazu). Entgegen anderslautenden Behauptungen war der öffentliche Markt zur Zeit des Angriffs nicht mehr belebt; er war wie üblich zur Mittagszeit geschlossen worden (Salas Larrazábal). Zur Frage des Überraschungsmoments: Der Bürgerkrieg wurde von Anfang an auch mit Luftstreitkräften geführt. Guernica war Garnisonstadt. Östlich, in weniger als 20 km Entfernung, fanden heftige Kämpfe der Landstreitkräfte statt und die Front bewegte sich rückwärts auf Guernica zu. Es musste jedem Verantwortlichen – Militär wie Zivilist – klar sein, dass es um das Vorspiel zum Kampf um Bilbao ging und Guernica „im Weg lag“. Tatsächlich waren auch Schutzräume eingerichtet worden (auf aktuellen Fotowänden der Stadtverwaltung als „refugium“ gekennzeichnet); sie hielten zwar dem Bombardement nicht stand, beweisen aber die Erwartung der Stadtführung, dass es zu Artillerie- und/oder Luftangriffen kommen kann. Über die national-spanische Beteiligung am Angriff wurde bis heute wenig berichtet. – In der seit Guernica gegen die Legion Condor gerichteten Propaganda werden alle beteiligten Flugzeuge der deutschen Luftwaffe zugeordnet. Tatsächlich flogen Spanier und Deutsche aber mit denselben Kennzeichen (Kreis und Andreaskreuz). Dies gehörte zu den Maßnahmen, mit denen Hitler Art und Ausmaß der deutschen Einmischung in den Bürgerkrieg bis zu dessen Ende verschleiern ließ. Die Nationalität der Besatzungen und ihrer Flugzeuge war vom Boden aus nicht erkennbar. - Zweifellos war es noch lange nach dem Sieg im Bürgerkrieg für das Franco- Regime allzu kritisch, eine Beteiligung am Angriff auf Guernica, dem Traditionsort der Basken, einzuräumen. Dennoch steht aufgrund der von Salas Larrazábal verwendeten Quellen fest, dass den ersten deutschen Flugzeugen national-spanische Kampfflugzeuge, auch von der Legion Condor übernommene Ju 52-Behelfsbomber, folgten.
Der deutsche Hauptangriff erfolgte gegen 1800 Uhr mit drei Schwärmen deutscher Ju 52- Behelfsbomber (je 6 Flugzeuge aus drei Staffeln der K/88). Sie hielten sich über 1500 m, um gegnerischem Abwehrfeuer zu entgehen. Die Bombenlast aller zwischen 16.30 und etwa 18.15 Uhr gegen Guernica eingesetzten Flugzeuge kann man nur schätzen; 20 - 25 t erscheinen realistisch. 38 Bomben mit je 250 kg (zusammen 9,5 t) wurden nachgewiesen, dazu kommen eine unbekannte Anzahl kleinerer Spreng- und Splitterbomben sowie Brandbomben. – Eine Standardbeladung der deutschen Ju 52 bestand aus einer 250 kg-Sprengbombe, kleineren Splitterbomben und leichten Brandbomben mit zusammen je 250 kg Gewicht, gesamt 750 kg je Flugzeug. Die Flugzeuge der Legion waren damit nach Rückkehr aus Guerricaiz aufmunitioniert worden; als der Einsatzbefehl für Guernica eintraf, wurde dies nicht mehr geändert. Die Mischung war für die Brückenzerstörung nicht optimal, aber sehr gut geeignet zur Bekämpfung von Infanterie sowie zur Sperrung von Marschstraßen und Gelände. Daher erschienen den Einsatzplanern der Legion Condor die insgesamt 26 schweren Bomben der deutschen Flugzeuge für die Brücke vermutlich als ausreichend und die Splitter-/Brandbomben als durchschlagende Wirkungsmöglichkeit gegen anrückende republikanische Truppen. - Der Waffeneinsatz entsprach der militärischen Lage und der Bedeutung des Ziels. Die oft berichtete Angriffsdauer von drei Stunden ist nicht plausibel. Die eigentlichen Bombenangriffe erfolgten in je einem deutsch-italienischen, national-spanischen und deutschen Einsatz, jeder innerhalb weniger Minuten. Daneben waren Aufklärungs-, Jagd- und leichtere Bombenflugzeuge zu hören und zu sehen, meist in einiger Entfernung. Daraus und im Chaos der brennenden Stadt kann der Eindruck eines andauernden Bombardements entstanden sein. Zusammenwirken der Angriffselemente Die deutschen und italienischen Kräfte mit Ju 52 und SM 79 flogen etwa in Nord-Süd- Ausrichtung; sie kamen zwangsläufig über den Ortskern Guernicas. Die Bomber der Versuchsstaffel griffen von Osten an; ihr Kurs streifte den Nordrand der Stadt. Die Flugwege kreuzten sich über der Brücke, dem benannten Hauptziel. Ein Bild aus Salas Larrazábals Abhandlung „Guernica: el bombardeo“ verdeutlicht dies (siehe unten). Es zeigt die Lage der von den 250 kg-Bomben verursachten großen Bombenkrater (grandes embudos), die den Flugweg bestimmen, sowie die Stationierung rückwärtiger Teile von republikanischen Bataillonen (Nr. 9 – 12) in ehemaligen Klosteranlagen und den Bahnhof (Nr. 16). Die Lage der Krater innerhalb und außerhalb der Überflüge kann nicht einzelnen Besatzungen oder – mit Ausnahme der Versuchsstaffel – bestimmten Angriffselementen zugeschrieben werden. Es sticht jedoch heraus, dass die den deutschen Kräften im oberen Teil des Nord-Süd- Korridors stimmig zuzuordnenden Treffer (die Zahl stimmt mit dem Einsatz von 18 Ju 52 und deren Beladung überein) vor dem Ziel liegen, großenteils auf freiem Feld. Man erkennt auch, dass die Flugzeuge nicht in breiter Formation, sondern tiefgestaffelt angeflogen sind (nach plausiblen Berichten als Einzelflugzeuge hintereinander). Im Ost-West-Korridor liegen die
Treffer zwar vor und hinter der Brücke, jedoch ebenfalls in einem schmalen Band und zwar so, dass man auf eine Kurskorrektor der Piloten noch kurz vor dem Ziel schließen kann. Dagegen fällt die andersartige Trefferverteilung im Stadtgebiet auf. Sie ist auf eine breitere (statt tiefgestaffelte) Angriffsformation zurückzuführen, räumlich abgesetzt von den anderen nachgewiesenen Bombardierungen. Die Ursachen bzw. Verursacher der Treffer im Stadtgebiet können mit der bisher bekannten Quellenlage nicht endgültig geklärt werden; sie passen eindeutig nicht zu den Merkmalen der deutschen Angriffe und es liegt nahe, sie mit dem spanischen Kontingent zu verbinden. Daher sollte Spanien mit der Offenlegung weiterer historischer Quellen die Aufarbeitung der Geschehnisse vom 26. April 1937 unterstützen.
Die Kräfte des deutschen Hauptangriffs wurden von einer großen Rauchentwicklung beeinträchtigt, wie die Besatzungen berichtet haben. Sie dehnte sich über das gesamte Stadtgebiet sowie in nord-östlicher Richtung auch über Renteria aus und stammte allem Anschein nach hauptsächlich von den Bränden in der Altstadt. Vermutungen, wonach die Besatzungen ihre Bomben schließlich nur in die dichte Rauchdecke hineingeworfen haben, stimmen für den „disziplinierten“ Anflug der deutschen Ju 52 jedoch nicht, wie die Trefferauswertung zeigt. Die Beobachter (Bombenschützen) haben ihre Auslösepunkte im Anflug auf Guernica nach Zeit, Winddrift und Karte finden können, wozu sie nur eine kurze Distanz - vermutlich unter einem Kilometer bzw. wenige Sekunden - ohne direkte Bodensicht überbrücken mussten. Für den Ost-West-Angriff von 1630 Uhr gilt all dies nicht, weil die Stadt noch nicht brannte und freie Sicht auf das Ziel bestand. Guernica im Feuersturm Die Frage, wie Guernica in Brand geraten ist, soll trotz aller Unsicherheit nicht umgangen werden: Der Führer des zweiten deutschen Ju 52-Schwarms hat nach eigener Bekundung angenommen, dass der vorausfliegende Schwarm dies verursacht habe. Dafür war der zeitliche Abstand zwischen den Schwärmen mit etwa einer Minute viel zu kurz. Die Stadt brannte zuvor lichterloh! Es ist zwar nicht mit letzter Gewissheit zu belegen, aber auch der Ost-West-Angriff hat am nördlichen Ortsrand (neben den Schäden durch die Sprengwirkung zweier 250 kg-Bomben) vermutlich keine unbeherrschbaren Brände ausgelöst (Wind generell West – Ost). Es wäre jedenfalls nicht akzeptabel, den deutschen Bombern ein absichtliches Niederbrennen der Altstadt Guernicas anzulasten. Leichtfertig wäre ebenfalls, aufgrund von Trefferbild und Angriffsverlauf die Schuld einfach den spanischen Ju 52-Besatzungen zuzuschieben. Sie flogen nach bisherigem Kenntnisstand auch von Norden an und es galt die Absprache zwischen von Richthofen und dem spanischen Stabschef, die Rückzugstraße der republikanischen Truppen bei der Renteria-Brücke zu unterbrechen. - Zwei Faktoren illustrieren beispielhaft, wie schwierig die Tatsachenermittlung ist: Erstens die Möglichkeit, dass Guernica vor dem Eintreffen der Spanier über der Stadt brannte und diese von der Rauchentwicklung ähnlich behindert wurden wie später die Deutschen. Und zweitens der Ausbildungsstand der spanischen Besatzungen. Ihre deutschen Kameraden waren zuvor erfahrene Transportflieger, die unter den oft widrigen Sichtbedingungen Mitteleuropas auf präzises Fliegen nach Karte, Kompass und Zeit gedrillt waren; dies kam insbesondere dem Zielanflug zugute. Sie flogen die Behelfsbomber unmittelbar nach ihrer Umrüstung im Einsatz, die Spanier später. Es ist nicht unfair, wenn man den spanischen Besatzungen für das frühe Stadium des Luftkriegs nicht denselben Leistungsstand zubilligt wie den deutschen. - In der begründeten Annahme, dass spanische Ju 52 in Schwarmstärke angegriffen haben, kann der Zielanflug aber nicht in einer Formation erfolgt sein, die für die Bombardierung eines Punktziels typisch wäre. Ob ein zu kurzer
Zielanflug die Auflösung der Formation in Einzelflugzeuge verhinderte und - anders als bei den einzeln fliegenden deutschen Ju 52 - die Bombenauslösung über Guernica dem – dann zu späten – Befehl des Formationsführers vorbehalten war, bleibt Spekulation. Für die wohl mit 50 kg- (vielleicht auch 100 kg-) Bomben bestückten italienischen SM 79 konnte das Trefferbild nicht aufgeklärt werden. Für sie galt der Operationsplan der Legion Condor und der erwähnte nationale Befehl, das Stadtgebiet zu verschonen. Richthofen, der sich im Tagebuch auch lobend über die italienischen Besatzungen äußert, zu deren Einsatz am Vortag kritisch: „Italiener finden wieder einmal (das Ziel) nicht und werfen falsch auf Eibar.“ Das sollte beim wichtigen Angriff auf Guernica sicher nicht passieren. Daher ist nicht davon auszugehen, aber auch nicht absolut auszuschließen, dass Bomben der SM 79 (beispielsweise aufgrund technischer Störung) verzögert ausgelöst wurden und in leicht entzündliche Brandlasten eingeschlagen sind. Nicht genau bestimmbar sind die Einsätze weiterer Flugzeuge (Aufklärer, Jäger und leichte Bomber). Allerdings: Die deutschen He 51 haben die republikanischen Kolonnen auf den Marschstraßen vor Guernica bekämpft und deren Rückzug verzögert, also Ziele in der Stadt nicht angegriffen. Für den Zeitraum der Bombenangriffe ist anzunehmen, dass sich ein Teil der He 51 auf die Sicherung des Luftraums konzentrierte und wegen deren kurzer Flugzeit von etwa zwei Stunden (Anflug, Stehzeit im Zielgebiet, Abflug) Gelegenheitsziele am Boden eher auf dem Hin- und Rückweg unter Beschuss nahmen. Eine Staffel der J/88 verfügte schon über eine Handvoll Messerschmitt Bf 109, die dort erprobt wurden. Sie wurden nur im Luftkampf eingesetzt; am Einsatz gegen Guernica waren sie nicht beteiligt. Zu den kleineren Flugzeugen der Spanier lässt sich vermuten, dass sie vor den Ju 52 im Zielgebiet eingetroffen sind und aufgrund ihrer leichten Bewaffnung nicht für die Zerstörung der Renteria-Brücke vorgesehen waren, also andere Ziele bekämpften. Ansonsten ist zu ihnen keine vernünftige Aussage möglich. Für eine schlüssigere Analyse wäre vor allem die Kenntnis der seinerzeitigen Brandlasten im Stadtgebiet nötig. Die Holzkonstruktion der meisten Häuser gehört sicher dazu, aber ebenso wichtig wären Informationen über zivile und militärische Kraft- und Schmierstofflagerungen sowie über Sprengmittel der dort stationierten Bataillone. Die internationale Empörung über die Zerstörung Guernicas brachte Franco und die deutsche Regierung zu der Schutzbehauptung, die republikanischen Truppen hätten (so wie Richthofen es am Vortag nach dem Angriff auf Eibar berichtete) die Stadt selbst in Brand gesteckt. Diese Version wird in Politik und Geschichtswissenschaft zwar verworfen, dennoch bleibt die Möglichkeit eines „Feuersturms“, der von den Brandlasten im Ort begünstigt wurde und den Eindruck der Selbstzerstörung vermitteln konnte. Angesichts der Bombardierung des Stadtkerns von Guernica mag es irrelevant erscheinen, wie das Niederbrennen des Ortes verursacht wurde; für die Beurteilung der Rolle und Verantwortung der dort eingesetzten Kräfteanteile ist es jedoch eine Schlüsselfrage: Bedurfte es der massiven Bombardierung des Stadtgebiets oder reichte bereits ein „Zündfunke“ an der
„richtigen“ Stelle aus, um den Flächenbrand auszulösen? Und dazu sollte es immer noch möglich sein, einige Angaben zum Material der in Guernica stationierten Bataillone sowie der dortigen (kleinen) Waffenfabriken zu finden. Als historische Tatsache bleibt indes unbestritten, dass der Angriff gegen Guernica unter deutscher Einsatzführung (deutsche und italienische Angriffselemente) bzw. Einsatzkoordinierung (spanische Beteiligung) die Stadt zerstört hat. Ergebnis und Folgen Während das Hauptziel, die Brücke, durch die deutschen und spanischen Bomber trotz großen Aufwands nicht zerstört wurde, zeigte sich schnell der ausgedehnte „Kollateralschaden“: Noch während des Angriffs brannte die Altstadt nieder; Löscharbeiten waren nicht mehr möglich. Das historische „Parlament“ mit dem heiligen Baum der Basken blieb zwar erhalten, aber Guernica war zu etwa 75% vernichtet. Auch der Operationsplan ging, so von Richthofens Notizen, nicht ganz auf: Die Sperrung der südlichen Zufahrtstraßen durch die national-spanischen Brigaden misslang und die republikanischen Truppen konnten viel von ihrer Ausrüstung durchbringen. Dagegen waren die Personalverluste der Republikaner hoch und die Rückzugstraße durch Guernica stand nicht mehr zur Verfügung; damit wurde dieses Ziel erreicht. Die Zahl der Opfer wurde ohne Nachweis in politisch beeinflusster Überlieferung mit bis zu 3000 angegeben. Die Agentur United Press verbreitete in einer ersten Meldung, es habe 100 Tote in der Stadt gegeben. Ein Polizeibericht listet 266 Tote und mehrere Hundert Verletzte auf. Aus Kirchenbüchern Guernicas ergibt sich eine Zahl von 63 Opfern (vermutlich nur Einwohner der Stadt). Ein britischer Sonderkorrespondent in Bilbao benannte einen Tag nach dem Angriff – die Stadt brannte noch – die Zahl der Opfer mit 1645 Toten und 880 Verwundeten. Eine nachvollziehbare Unterscheidung von Kombattanten und Nicht- Kombattanten lässt, mit Ausnahme der Kirchenbücher, keine dieser Zahlenangaben zu. Von Richthofen hält nach einer Ortsbesichtigung am 30. April 1937 fest, dass sich die Menschen der 5.000-Einwohner-Stadt am Nachmittag des 26. `wegen eines Festes größtenteils außerhalb aufhielten und die Masse des Restes den Ort bei Angriffsbeginn verließ, ein kleiner Teil in den Unterständen umgekommen sei´. Dies erscheint mit Blick auf die damalige Lage in der Stadt (siehe oben zum Überraschungsmoment) nicht abwegig und kann immer noch ein Ansatzpunkt zur Klärung der Opferzahlen sein. Am Morgen des 27. April gab der baskische Präsident eine emotionale Erklärung zur „Entweihung der heiligsten Stätte aller Basken“ ab und richtete einen Appell an den „Heroismus und Widerstandswillen“ der Bevölkerung. Der schon erwähnte britische Korrespondent griff dies auf und veröffentlichte in der Londoner Times einen Artikel, in dem er erklärte: `Der Zweck des Bombardements sei offensichtlich die Demoralisierung der Zivilbevölkerung und die Zerstörung der Wiege der Baskischen Rasse (Basque race) gewesen.´ Dieser denkwürdige Artikel ist der Ausgangspunkt für die Legende, Franco habe sich fremder
Söldner bedient, um das Selbstverständnis des baskischen Volkes zu treffen. Und Guernica sei einem gezielten Terrorangriff zum Opfer gefallen, der dem Hitler-Regime dazu gedient habe, ein Konzept zur Terrorisierung wehrloser Zivilbevölkerung zu erproben. Bewertung Die Quellenlage zu Guernica ist bekanntermaßen schwierig. Selbst direkt Beteiligte und nahe Beobachter des Geschehens haben kurz nach dem Angriff sowie in schriftlichen Berichten (bis zu vier Jahrzehnte später) Fakten unvollständig, auch widersprüchlich und unzutreffend wiedergegeben. Daher hat die erwähnte Monographie von Salas Larrazábal so hohen Wert; sie beweist aus spanischer Perspektive, worum es bei dem Angriff ging. Ebenso hohen Wert hat das persönliche Tagebuch von Richthofens, weil es – nur für ihn selbst geschrieben – seine Absichten und Sichtweisen belegt. Dabei fällt auf, dass er sich immer auf das operative Ziel konzentriert und dazu nicht nur mit dem Gegner, sondern intensiv auch mit dem Vorgehen der Landstreitkräfte auseinandergesetzt hat, die von der Legion Condor unterstützt werden sollten. Hingegen lässt er sich wenig zu den eigenen Luftstreitkräften ein: Kräfteumfänge, Bombenlasten, Eignung und Einsatzbereitschaft der Kräfte sind Richthofen anscheinend so bewusst, dass er sich damit im Tagebuch kaum auseinandersetzen muss. Deshalb scheidet er als Quelle für eine Untersuchung des Einsatzverlaufs weitgehend aus. Sachverhalte, die man für eine stichhaltige Bewertung genauer kennen sollte, wurden von den Beteiligten oft nicht für wichtig gehalten und gar nicht erst notiert – von den im Weltkrieg verloren gegangenen Akten der Legion Condor ganz zu schweigen. Und die Plausibilität dessen, was überliefert ist, erschließt sich erst mit einer auf entsprechende militärische Expertise gestützten Abklärung. Nüchtern betrachtet und an den historischen Fakten orientiert, ist eine differenzierte Einordnung Guernicas dennoch möglich: 1. Militärisch war die Operation erfolgreich - trotz der unzulänglichen Umsetzung des Operationsplans, die Richthofen in seinem Tagebuch kritisiert. Die Angriffe auf Guerricaiz und Guernica trugen dazu bei, dass die national-spanischen Kräfte Bilbao später erobern konnten – auch eine Voraussetzung um die Einheit des Landes zu wahren. 2. Man hat hier nicht den Vorboten der Entwicklungen im Zweiten Weltkrieg gesehen, weder nach Art und Umfang des Einsatzes noch nach dem eingesetzten Material. Auch die mancherorts aufgestellte Behauptung, es habe sich in der Luftkriegsgeschichte um den ersten Angriff auf eine bewohnte Stadt gehandelt, ist nicht richtig und führt militärisch, völkerrechtlich sowie historisch in die Irre. 3. Am 26. April 1937 gab es weder einen Terror- noch einen Flächenangriff der Legion Condor auf Guernica. Es war eine taktische Operation, die auf ein kleinräumiges Ziel – Brücke und Straßenkreuzung in Renteria – sowie auf die ostwärtigen Marschstraßen des republikanischen Rückzugs ausgerichtet war.
4. Das Schicksal von Guernica ist tragisch, ragt aber kaum aus den humanitären Folgen des mit großer Härte geführten Spanischen Bürgerkriegs heraus. Das trifft auch für die wochenlangen Kämpfe in Nordspanien zu, die dem Luftangriff vorausgingen. Gleichwohl hat der 26. April 1937 aufgrund der öffentlichen Wahrnehmung - weitgehend das Ergebnis einer bis heute aktiven Propaganda, begünstigt durch die Vernichtung von Quellen im Zweiten Weltkrieg und die mangelnde Aufklärung der Vorgänge in Spanien selbst - politische Auswirkungen, die auch in Zukunft andauern werden, vor allem in Deutschland und Spanien. Die völkerrechtliche Beurteilung für die deutschen Angriffsteile ist eindeutig: Guernica war keine unverteidigte Stadt. Sie hatte militärische Bedeutung nicht nur, aber vor allem aufgrund ihrer Lage und der durch den Ort führenden Rückzugstraße, die von republikanischen Truppen auf dem Weg in neue Verteidigungsräume genutzt wurde. Es wurden legitime Ziele bekämpft; die Frage nach Kriegsverbrechen ist klar zu verneinen. Dies ist auch für das kleine italienische Angriffselement anzunehmen. Für die national-spanischen Kräfte ist noch keine eindeutige Beurteilung möglich, auch weil es dazu an einer Einschätzung der spanischen Regierung selbst mangelt. Zur moralischen Beurteilung gehört die Frage, ob das Ausmaß der Verluste und Zerstörungen in Guernica unvermeidbar war. Eine „Drehung“ der Nord-Süd-Angriffsachse um wenige Grad (Wahl eines anderen Ablaufpunkts) hätte das Risiko für die Stadt vermindert, aber für eine schlüssigere Beurteilung müssen die Fragen nach der Bombardierung des Ortskerns, der Rolle kleinerer Kampfflugzeuge, der Brandlasten im Ort und der Evakuierung des kleinen Stadtgebiets nach dem Fliegeralarm beantwortet werden. Es kann nur wiederholt werden, dass Spanien zur Wahrheitsfindung mehr beitragen und seine Quellen offen legen muss. Zur völkerrechtlichen und moralischen Beurteilung wird des Weiteren auf die Seite (moelders.info/Der Bruch/) „Guernica?“ verwiesen. MV
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