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Z FA 2/2011 Zeitschrift für Allgemeinmedizin German Journal of Family Medicine Februar 2011 – Seite 49-96 – 87. Jahrgang www.online-zfa.de Im Fokus Ambulante Kodierrichtlinien Beratungsanlässe bei Hausbesuchen – die SESAM-3-Studie Rückmeldung von Studienergebnissen an Studienteilnehmer? Der „gute Schlaf“ – was erwarten Pflegeheimbewohner? Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), der Gesellschaft der Hochschullehrer für Allgemeinmedizin (GHA) und der Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM) Official Journal of the German College of General Practitioners and Family Physicians, the Society of Professors of Family Medicine and the Salzburg Society of Family Medicine This journal is regularly listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/MEDPILOT © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2) Deutscher Ärzte-Verlag GmbH – Postfach 40 02 65 – 50832 Köln DP AG Postvertriebsstück – Entgelt bezahlt – 4402 – Heft 2/2011
allg em e in m edizinisch sa m te s Fach wissen der . Au fla ge 2011 Ihr ge versorgu n g – 5 tisc h en G ru nd internis NEU Alle Guidelines wurden geprüft und aktualisiert Über 500 Ärzte aus mehreren Ländern arbeiten an der ständigen Weiterentwicklung und Aktualisierung mit und machen das Buch damit zu einem wertvollen Nachschlagewerk. Vertrauen Sie auf das geballte Wissen der umfangreichsten Sammlung evidenzbasierter Guidelines. Jede Guideline bietet Ihnen einen kurz gefassten aber präg- nanten Überblick mit praxisgerechten Empfehlungen für praktisch alle hausärztlichen Konsultationsanlässe. • Diagnostik: Welche Untersuchungen sind notwendig, was ist überflüssig? • Therapie: Was ist gesichert, was ist sinnvoll, wo lauern Gefahren? • Strategie: Was kann der Hausarzt tun, wann ist der Facharzt hinzuzuziehen, wann ist eine Einweisung erforderlich? • Evidenzbasierte Bewertung mit Berücksichtigung vorhandener Leitlinien, wo klinische Evidenz fehlt • In der 5. Auflage wurden: – alle Guidelines geprüft und aktualisiert • inkl. 3 Monate Online-Zugang www.ebm-guidelines.de! „ Laut aktueller Studie der Universität Mailand zählen die EbM-Guidelines online zu den besten medizinischen Leitlinien weltweit “ Banzi et al., Journal of Medical Internet Research 2010, Vol. 12 EbM-Guidelines Evidenzbasierte Medizin für Klinik & Praxis 5. vollständig überarbeitete Auflage 2011, 1.600 Seiten, 177 Abbildungen, 193 Tabellen ISBN 978-3-7691-1295-5 gebunden € 119,– Die Herausgeber: B E S T E L L C O U P O N Ja, hiermit bestelle ich 14 Tage zur Ansicht: (Bei ausreichend frankierter Rücksendung) __ Ex. Rabady, EbM-Guidelines € 119,– Irrtümer und Preisänderungen vorbehalten. Preise zzgl. Versandspesen € 4,50. ISBN 978-3-7691-1295-5 Deutscher Ärzte-Verlag GmbH – Sitz Köln – HRB 106 Amtsgericht Köln. Herr Frau Dr. med. Susanne Rabady Prof. Dr. med. Name, Vorname Niedergelassene Andreas Sönnichsen Geschäftsführung: Jürgen Führer, Norbert Froitzheim Allgemeinmedizinerin in Hausärztlich tätiger Facharzt für Windigstein, Vizepräsi- Innere Medizin und Facharzt für Straße, Ort dentin der Österreichi- Allgemeinmedizin in München schen Gesellschaft für Vorstand des Instituts für Telefon Allgemeinmedizin Allgemein-, Familien- und ✗ (ÖGAM) Präventivmedizin an der „Paracelsus Medizinische Datum, Unterschrift Privatuniversität“ in Salzburg Bestellungen bitte an Ihre Buchhandlung oder Deutscher Ärzte-Verlag, Versandbuchhandlung Postfach 400244, 50832 Köln Tel. (0 22 34) 7011 - 314 / Fax 7011 - 476 www.aerzteverlag.de • E-Mail: vsbh@aerzteverlag.de Mehr Information: www.ebm-guidelines.de © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
EDITORIAL / EDITORIAL 49 Ein neuer Trend: doppelblind, randomisiert, kontrolliert ... globalisiert Während zur Bewertung der genannten Komorbiditäten ist die Herkunft der Studien- der internen Validität von teilnehmer: Fast alle, genau gesagt 96 %, stammen aus China klinischen Studien etablier- oder Osteuropa. Kein Einzelfall. Klinische Studien werden zu- te Instrumente und Check- nehmend in Entwicklungs- und Schwellenländer „ausgela- listen zur Verfügung ste- gert“, begleitet von einem damit korrespondierenden Rück- hen, gibt es wenig gesicher- gang in den USA und Europa. Jeder vierte Teilnehmer europäi- te Standards zur Einschät- scher Zulassungsstudien der Jahre 2005 bis 2008 stammte aus zung der externen Validität Lateinamerika, Afrika, Asien oder den ehemaligen GUS-Staa- einer klinischen Studie als ten. Für die auftraggebenden Pharmafirmen bedeutet das eine Maßstab für die Übertrag- Kostenreduktion, für die Vertragspartner in den betreffenden barkeit von Studienergeb- Ländern ein lukratives Geschäft. Studienteilnehmer in Ent- nissen in den Praxisalltag. wicklungsländer sehen darin vielleicht die einzige Möglichkeit Gerade die Inkongruenz an Arzneimittel zu kommen, zu denen ihnen sonst der Zugang von Studienteilnehmern verwehrt ist. Inwieweit die von den Zulassungsbehörden in und Zielpopulation, häufig Europa und den USA geforderten Vorgaben vor Ort in den ge- dem Ausschluss von multi- nannten Regionen eingehalten und umgesetzt werden, kann morbiden und älteren bzw. hochbetagten Teilnehmern ge- aus naheliegenden Gründen bezweifelt werden. schuldet, schränkt die Relevanz von Forschungsergebnissen Zurück nach Deutschland und zur aktuellen ZFA-Ausgabe: für die Versorgung unserer älteren Patientinnen und Patienten • Aus Sachsen liegen erste Ergebnisse einer epidemiologischen mit Komorbiditäten ein. Querschnittstudie zu Beratungsanlässen bei Hausbesuchen Aber, gibt es auch Ausnahmen? In der 2008 im New Eng- vor. Es ist dies das dritte Projekt in der Reihe „Sächsischer land Journal of Medicine publizierten HYVET-Studie (Hyper- Epidemiologischer Studien in der Allgemeinmedizin“ –SE- tension in the Very Elderly Trial) zeigte die Arbeitsgruppe um SAM-3. Hausbesuche – in den letzten Jahren zum Spielball Nigel S. Beckett, dass eine antihypertensive Therapie mit einem der Honorarpolitik unserer Selbstverwaltung verkommen – (kostengünstigen) Diuretikum ggf. ergänzt um einen ACE- sind ein originäres allgemeinmedizinisches Aufgabenfeld Hemmer bei über 80-jährigen an arterieller Hypertonie leiden- und tragen wesentlich zur Akutversorgung und Langzeit- den Patientinnen und Patienten zu einer signifikanten Reduk- betreuung unserer Patienten bei. Die SESAM-3-Ergebnisse tion von kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität führte. liefern hierfür eine relevante wissenschaftlichen Basis. Die Studie wurde aus ethischen Gründen nach 1,8 Jahren abge- • Zum brisanten Thema „Ambulante Kodierrichtlinien-AKR“ brochen. Endlich also eine Studie mit Einschluss hochbetagter nimmt die DEGAM eine klar formulierte Position ein. Inte- Teilnehmer, von denen (lediglich) 45 über die Studiendauer be- ressant dazu sind auch die Ergebnisse einer Umfrage bei den handelt werden mussten, um einen Todesfall (jeglicher Ursa- Teilnehmern der letztjährigen „Practica“ zur Diagnosen-Ko- che) zu vermeiden. Dann der Blick auf das Studiendesign: dop- dierung in der hausärztlichen Praxis. pelblind, randomisiert, kontrolliert (Placebo, das sei nicht un- • Wolfram J. Herrmann und Uwe Flick explorierten die An- erwähnt), eigentlich allen methodischen Anforderungen ge- sprüche von Pflegeheimbewohnern an guten Schlaf, liefern nügend. Dass die Aufzählung von finanzieller Unterstützung jedoch auch „harte Fakten“ bezüglich Multimorbidität und seitens der Pharmaindustrie an einige der Autoren einigen Polypharmazie: Die befragten Pflegeheimbewohner erhiel- Platz braucht, daran hat man sich schon fast gewöhnt. Limi- ten im Schnitt regelmäßig fast acht unterschiedliche Medi- tiert wird die, wie ich meine nach wie vor wichtige Studie da- kamente, – das lenkt die Aufmerksamkeit fast zwangsläufig durch, dass die Studienteilnehmer „relativ gesund“ waren, – auf das Thema unseres diesjährigen 45. Kongresses für All- nur 7 % wiesen einen Diabetes mellitus Typ II und nur 12 % an- gemeinmedizin und Familienmedizin: „Polypharmakothe- dere kardiovaskuläre Begleiterkrankungen auf. Dies könnte im rapie im Spannungsfeld zwischen Klinik und Hausarzt“. Bit- vorliegenden Fall eher zu einer Unterschätzung des Behand- te vormerken: Salzburg, 22.–24. September 2011! lungseffektes bei der Übertragung der HYVET-Ergebnisse auf „unsere“ Patienten führen. Grund für diese niedrige Prävalenz W. Niebling © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
50 INHALTSVERZEICHNIS / TABLE OF CONTENTS ZFA Zeitschrift für Allgemeinmedizin EDITORIAL / EDITORIAL ..............................................................49 DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS........................................51 DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS Organ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familien- Hausärztliche Patienteninformationen – medizin (DEGAM; www.degam.de) ein neuer Standard der DEGAM ........................................................55 und der Gesellschaft der Hochschullehrer DEGAM-Manual Patientenratgeber ...................................................56 für Allgemeinmedizin (GHA; www.gha-info.de) sowie der DEGAM gegen die Einführung der Ambulanten Kodierrichtlinie ......59 Salzburger Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SAGAM) Official Journal of the German ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPER College of General Practitioners Sind die Asthmaleitlinien bei den Patienten angekommen? – and Family Physicians Befragung von Privatversicherten The Society of Professors of Family Did the Asthma-Guidelines Reach the Patients? Medicine and the A Survey of Members of a Private Health Insurance Salzburg Society of Family Medicine Cornelia-C. Schürer-Maly, Michael Pentzek, Susanne Römer, Heinz-Harald Abholz, Martin Butzlaff, Nik Koneczny ........................................60 Herausgeber/Editors Beratungsanlässe bei allgemeinärztlichen Hausbesuchen M. M. Kochen, Göttingen (federführend) Reasons for Encounter at Family Practitioners´ Home Visits H.-H. Abholz, Düsseldorf S. Rabady, Windigsteig Karen Voigt, Jan Liebnitzky, Henna Riemenschneider, Katharina Gerlach, W. Niebling, Freiburg im Breisgau Roger Voigt, Erik Bodendieck, Andreas Schuster, Antje Bergmann ...........................65 A. Sönnichsen, Salzburg Präklinische Notfall-Patientenverfügung – Internationaler Beirat/ eine Evaluation aus der Sicht des Hausarztes International Advisory Board J. Beasley, Madison/Wisconsin, USA Family Practitioners’ Attitudes Towards Advance Directives F. Buntinx, Leuven/Belgien; G.-J. Dinant, in the Prehospital Setting Maastricht/NL; M. Egger, Bern/CH Mathias A. Gerth, Michael Mohr, Norbert W. Paul, Christian Werner......................72 E. Garrett, Columbia/Missouri, USA P. Glasziou, Robina/Australien; Rückmeldung von Studienergebnissen an die Studienteilnehmer T. Greenhalgh, London/UK; P. Hjort- dahl, Oslo/Norwegen; A. Knottnerus, Providing Feedback on Study Results Maastricht/NL; M. Maier, Wien/Öster- Corina Güthlin, Karola Mergenthal, Vera Kleppel, Ingrid Gerlach, reich; C. del Mar, Robina/Australien; Ferdinand Gerlach, Juliana Petersen, Jochen Gensichen .......................................78 J. de Maeseneer, Gent/Belgien; P. van Royen, Antwerpen/Belgien; B. Starfield, Diagnosen-Kodierung in der hausärztlichen Praxis Baltimore/Maryland, USA; F. Sullivan, Dundee/Schottland, UK; P. Tschudi, Diagnostic Coding in General Practice Basel/CH; C. van Weel, Nijmegen/NL Christoph Claus, Jean-François Chenot, Uwe Popert ...........................................84 Y. Yaphe, Porto/Portugal Guter Schlaf aus der Sicht von Pflegeheimbewohnerinnen Koordination/Coordination und Pflegeheimbewohnern J. Bluhme-Rasmussen Good Sleep: Nursing Home Residents’ Demands and Expectations This journal is regularly Wolfram J. Herrmann, Uwe Flick .................................................................90 listed in EMBASE/Excerpta Medica, Scopus and CCMED/MEDPILOT IMPRESSUM / IMPRINT .................................................................96 Titelfoto: © fotolia / Gina Sanders Dieselstraße 2, 50859 Köln Postfach/P.O. Box 40 02 54, 50832 Köln Telefon/Phone: (0 22 34) 70 11–0 www.aerzteverlag.de www.online-zfa.de © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS 51 DEGAM-Benefits Ausgewählt und verfasst von Prof. Dr. Michael M. Kochen, MPH, FRCGP, Göttingen Frohe Kunde – Antibiotika frei verfügbar Alle Welt redete 2010 von der grie- gesucht und um die Abgabe entweder chischen Staatspleite und dem giganti- von Amoxicillin / Clavulansäure oder Ci- schen Rettungsschirm der Euro–Staa- profloxacin gebeten und zwar ohne An- ten. Dabei gäbe es (Spaß beiseite ...) gabe von Gründen. Amoxiclav wurde in Foto: fotolia / Lakhesis noch eine weitere Besonderheit aus die- keinem einzigen Falle verweigert, bei sem südeuropäischen Land zu berich- Ciprofloxacin waren die simulierten ten, die – allerdings auf einem etwas an- Käufer „nur“ in 53 % erfolgreich. Dies deren Feld – ebenfalls zu erheblichen hatte einen klaren Grund: Seit 2003 ist Problemen, nämlich der Verstärkung in Griechenland für die Abgabe von Flu- der weltweiten Resistenzen, führen orchinolonen nicht nur ein ärztliches Plachouras D et al. Dispensing of antibiotics wird. Es geht um den Kauf von Antibio- Rezept nötig, sondern auch noch ein without prescription in Greece, 2008: another tika ohne Rezept in Apotheken der grie- Formular, in dem der Verordnende spe- link in the antibiotic resistance chain. Euro chischen Hauptstadt. In der von Auto- zifische Angaben machen muss, warum Surveill 2010;15: 19488 ren der Universität Athen publizierten er kein anderes Medikament aus- (www.eurosurveillance.org/images/dynamic/ Studie wurden 174 Apotheken auf- gewählt hat. EE/V15N07/art19488.pdf) Antipyretika verhindern keine kindlichen Fieberkrämpfe Seit mindestens 2 Jahren ist wissen- werden, nämlich ein Rezidiv eines be- sius initial mit rektal verabreichten Di- schaftlich belegt, dass Antipyretika ge- reits einmal aufgetretenen Fieberkramp- clofenac und nach 8 Stunden entweder nau das nicht tun, wofür sie bei fiebern- fes zu verhindern. Hier ist also nicht da- mit oralem Ibuprofen bzw. Paracetamol den Kindern hauptsächlich eingesetzt von die Rede, dass die Gabe dieser Arz- oder Placebo weiterbehandelt. Rezidive neimittel die subjektive Situati- von Fieberkrämpfen traten zwar bei 54 on eines kleinen Patienten ggf. Patienten (23,4 %) auf – Interventions- verbessern kann und dass Fieber und Placebogruppe unterschieden sich einer der häufigsten Gründe für jedoch nicht. Zwar war die Körpertem- die Beunruhigung der Eltern peratur bei krampfenden Kindern ge- darstellen können. In einer ran- genüber Kindern ohne Krampf signifi- domisierten, placebokontrol- kant erhöht, aber auch hier spielte die Foto: fotolia / ia_64 lierten Studie in 5 finnischen Medikation keinerlei Rolle. Krankenhäusern wurden 231 Strengell T et al. Antipyretic agents for Kinder mit einem bereits früher preventing recurrences of febrile seizures. stattgehabten Fieberkrampf bei Randomized controlled trial. Arch Pediatr Temperaturen über 38 Grad Cel- Adolesc Med 2009; 163:799–804 © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
52 DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS Viel Lärm um nichts – „Calcium erhöht Herzinfarktrate“ Die kombinierte Gabe von Resultat sehr genau ansehen. Die sta- Fo to: Calcium und Vitamin D3 tistische Signifikanz ist zwar formal fo tol gilt bekanntlich als Grund- gegeben, aber mehr als hauchdünn, ia /c medikation zur Prophylaxe wie die unteren Grenzen der 95 on c ep bzw. Therapie einer Osteoporo- %-Konfidenzintervalle zeigen (1,02 tw se. Glaubt man einer Publikati- bzw. 1,01). on im „British Medical Journal“, • Eine neue, kontrollierte Studie zur so gerät diese Empfehlung ins Einnahme von Calcium alleine, die Wanken. Worum geht es? Ein Wis- Fall, wenn das 95 das kardiovaskuläre Risiko bei 1.460 senschaftlerteam aus Neuseeland, %-Konfidenzintervall den Wert älteren Frauen explizit als Endpunkt Schottland und den USA hat eine von 1,0 nicht einschließt. formulierte (Calcium Intake Fracture Metaanalyse zur Frage publiziert, ob Sind die gefundenen Resultate nun Outcome Study, CAIFOS), kommt Nahrungszusätze von täglich mindes- glaubwürdig und müssen Sie Ihre so be- zum Ergebnis, dass dieses Risiko nicht tens 500mg Calcium das kardiovaskulä- handelten Patienten vor einem erhöhten erhöht ist (Lewis JR et al. Calcium sup- re Risiko (Myokardinfarkte, Schlaganfäl- Infarktrisiko warnen? Mitnichten ... Die plementation and the risks of athe- le bzw. plötzliche Todesfälle) erhöhen Gründe will ich Ihnen gerne auflisten. rosclerotic vascular disease in older können. Nach den Ergebnissen soll das • Die Metaanalyse behandelt – mit ei- women: Results of a 5-year RCT and a beim Herzinfarkt (nicht aber beim cere- ner Ausnahme – nur Studien, bei de- 4.5-year follow-up. J Bone Miner Res. bralen Insult oder beim plötzlichen Tod) nen Patienten Calcium ohne Vitamin 2011; 26: 35–41). der Fall sein, während die Gesamtmorta- D3 einnahmen. Alle entsprechenden Die für mich entscheidende Frage bei lität unbeeinflusst blieb. Die Autoren se- Leitlinien sehen aber die kombinierte der Supplementierung mit Calcium und lektierten aus ursprünglich 190 als ge- Gabe vor und zu deren Risiko wird Vitamin D3 ist allerdings eine andere: eignet angesehenen Arbeiten 15 place- hier keine Aussage getroffen. Braucht man Calcium überhaupt, um bokontrollierte Studien mit insgesamt • In den meisten der eingeschlossenen Frakturen zu verhindern oder reicht u. ca. 20.000 Patienten. Die Untersuchun- Untersuchungen wurde nicht ge- U. Vitamin D3 alleine aus? gen mussten folgenden Kriterien genü- prüft, welche der Teilnehmer schon Bislang vorliegende Studien sagen gen: Tägliche Calciumdosis mindestens von Beginn an eine koronare Herz- aus, dass weder Calcium alleine noch Vi- 500 mg, mindestens 100 Teilnehmer pro krankheit oder eine Fettstoffwechsel- tamin D3 alleine Frakturen verhindern Studie, Alter der Teilnehmer über 40 Jah- störung hatten. können. Die wissenschaftlichen Belege re und Studiendauer länger als ein Jahr. • In keiner der Einzelstudien war das für eine wirklich zweifelsfreie Wirksam- Die Autoren der jeweiligen Arbeiten kardiovaskuläre Risiko als primärer keit der Kombination sind aber auch wurden angeschrieben und um detail- Endpunkt definiert worden. Eine qua- nicht gerade überwältigend. lierte Patientendaten gebeten. si nachträgliche Analyse ist metho- Unabhängig von der größer werden- In den 5 Studien, zu denen individu- disch äußerst angreifbar (aus diesem den Evidenz für einen Nutzen von Vita- elle Patientendaten verfügbar waren, be- Grunde hatten die Autoren auch ver- min D3 außerhalb des Knochenstoff- trug das Risiko (hazard ratio) eines Herz- sucht, individuelle Patientendaten wechsels bleibt als Quintessenz die Ent- infarktes 1,31 (95 %-Konfidenzintervall nachgeliefert zu bekommen). warnung bzgl. des angeblich erhöhten 1,02 – 1,67) und in den 11 Studien ohne • Eine Metaanalyse wirft ja mehrere Ar- Infarktrisikos von Calcium, aber auch Daten 1,27 (95 %-Konfidenzintervall beiten „in einen Topf“ – eine Art von die – wissenschaftliche – Ratlosigkeit 1,01 – 1,59). Bei der o. g. hazard ratio artefizieller Simulation, als ob es sich bzgl. der Kombination. von 1,31 bzw. 1,27 wäre das Risiko in der um eine einzige große Studie handeln Bolland MJ. Effect of calcium supplements on Calciumgruppe 31 % bzw. 27 % höher würde. Wenn nun diese Metaanalyse risk of myocardial infarction and cardiovascu- als in der Placebogruppe – vorausgesetzt, (trotz der methodischen Einwände in lar events: meta-analysis. BMJ 2010;341:c3691 dass diese Unterschiede statistisch sig- Punkt 3) das Gegenteil der einzelnen (http://www.bmj.com/content/341/bmj. nifikant sind. Das ist aber nur dann der Studien aussagt, sollte man sich das c3691.full.pdf+html) © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS 53 Nikotinentzug – Es geht auch ohne externe Hilfen! Schlägt man zum Thema Nikotinentzug ohne jede Form von Unterstützung tun Fakten aber offenbar nur ungern zur bzw. -verzicht wissenschaftliche Zeit- und dass das Unterfangen nicht ganz so Kenntnis nehmen. Ein Cochrane Re- schriften auf oder liest Leitlinien, be- schwer ist, wie es immer wieder dar- view zum Thema aus dem Jahr 2007 kommt man den unzweifelhaften Ein- gestellt wird. Immerhin gaben in einer fand, dass 51 % der industriegesponser- druck, dass die Beendigung des Ziga- britischen Studie (die allerdings 30 Jahre ten Studien einen Erfolg des Nikoti- rettenrauchens für die Betroffenen nentzugs mit NRT berichteten, eine exzessiv schwierige und leid- aber nur 22 % bei Untersuchungen volle Erfahrung ist und dass es ohne Industrieunterstützung. Si- nicht ohne externe Hilfen aller Art mon Chapman und Ross MacKen- geht. Die bekanntesten dieser an- zie von der School of Public Health geblich unverzichtbaren Hilfsmaß- im australischen Sidney fanden bei nahmen betreffen einer Medline-Recherche 662 Pu- • die Nikotinersatztherapie (Ab- blikationen, von denen sich 511 kürzung NRT – klingt doch ir- mit Entzugsinterventionen be- gendwie bekannt, z. B. nach HRT- schäftigten. Von diesen 511 Texten Foto: fotolia / Pixelot Hormonersatztherapie ...) waren 91,4 % dem assistierten und • die Unterstützung mit Psycho- nur 8,6 % dem nicht assistierten pharmaka wie Bupropion (Zy- Entzug gewidmet. Wie nicht an- ® ban ) ders zu erwarten, wies ein großer • Akupunktur bis Handauflegen Teil der Autoren (meist bezahlte) oder Verbindungen zur pharmazeuti- • die Verhaltenstherapie in allen Schat- alt ist, als noch keine medikamentöse schen Industrie auf – wenn solche Inte- tierungen. Unterstützung existierte) 53 % der Ex- ressenkonflikte denn überhaupt ange- Tatsache ist jedoch, dass die große Mehr- Raucher an, dass der Entzug „gar nicht geben waren. heit (zwischen 66 % und 75 %; nach ei- schwierig“ war. Chapman S, MacKenzie R. The global research nem Bericht der American Cancer Socie- Die im Englischen treffend als „ta- neglect of unassisted smoking cessation: cau- ty sogar 90 %) derjenigen Personen, die bacco control community“ bezeichne- ses and consequences. PLoS Med 2010; das Rauchen permanent aufgeben, dies ten, interessierten Kreise wollen diese 7: e1000216 (www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/ Mein Essen zahlt die Pharmaindustrie Die auch in den USA wachsen- staat Massachusetts plant das bislang mezis.de) – ausdrückte: “There is such de Skepsis bzgl. in- bestehende Verbot bezahlter Essens- a thing as a free lunch and Massa- teressengeleite- einladungen von Pharmaunternehmen chusetts wants to make it law”. Auf ter Kontakte an Ärzte wieder aufzuheben, um den der westlichen Seite des nordame- zwischen Wünschen der lokalen Restaurant- rikanischen Kontinents, in Los Ange- ÄrztInnen industrie zu entsprechen. Nach Über- les, gibt es übrigens ein Restaurant mit Foto: fotolia / Scott Maxwell und phar- zeugung der in Massachusetts regieren- dem Namen „Dr. Lunch“ – sein Ge- mazeutischen den Demokraten unterminiert das Ver- schäftsmodell sieht ausschließlich die Firmen erlebt bot die Profitabilität dieses Geschäfts- Ausgabe von Pharma–Mahlzeiten an jetzt eine Art zweiges oder wie ein Journalist es – Ärzte vor (http://drlunchcatering.com). von gegentei- in Anspielung auf „nofreelunch“, der Vielleicht wollen Sie ja bei Ihrer nächs- liger „Stilblüte“: Der Schwesterorganisation von MEZIS ten Kalifornienreise dort mal vorbei- amerikanische Bundes- („Mein Essen zahl ich selbst“, www. schauen ... © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
54 DEGAM-BENEFITS / DEGAM BENEFITS Qualität der Sterbebetreuung – Deutschland auf Platz 8 Die in Singapur beheimatete „Lien-Stif- Schweden hingegen die Plätze 22, 28 tung“ hat kürzlich die Qualität der Sterbe- und 16. Die Studie sagt auch, dass betreuung in 40 Ländern der Welt unter- weltweit 5 Milliarden Menschen kei- sucht. Auf Platz 1 landete Großbritan- nen Zugang zu wirksamen Analgeti- Foto: fotolia / Dalmatin.o nien, wo die Hospizbewegung bereits vor ka haben. Wer an detaillierten Ergeb- 50 Jahren begann. Deutschland nimmt nissen interessiert ist, kann sich die den 8. Platz ein; Länder mit einem von Arbeit unter www.lifebefore der OECD gelobten Gesundheitssystem death.com/pdf/Quality_of_Death_ wie z. B. Dänemark, Finnland oder Index_Report.pdf herunterladen. DEGAM-Leitlinien frei im Netz Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) stehen ab sofort frei im Internet zur Verfügung. Die wissenschaftlich fundierten und vor der Veröffentlichung in Praxen erprobten DEGAM-Leitlinien richten sich nicht nur an Hausärzte, sondern auch an Patienten und Praxismitarbeiter. Neben der Langversion gibt es eine Kurzfassung als Kitteltaschenkarte. Mehrere tausend Leitlinien-Sets werden in Praxen und Universitäten in der täglichen Arbeit mit Patienten eingesetzt. Alle Module können nun auf der DEGAM-Leitlinien-Homepage (http://leitlinien.degam.de) oder auf der Homepage der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, http://leitlinien.net/) bei Bedarf heruntergeladen und ausgedruckt werden. Pressekontakt: Dr. med. Isabelle Otterbach DEGAM-Bundesgeschäftsstelle c/o Institut für Allgemeinmedizin Johann Wolfgang Goethe-Universität Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt am Main Telefon: 069–6500–7245 Fax: 069–6301–6428 E-Mail: otterbach@allgemeinmedizin.uni-frankfurt.de Homepage: www.degam.de © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS 55 Hausärztliche Patienteninformationen – ein neuer Standard der DEGAM Vorbemerkung zum DEGAM-Manual Patientenratgeber Günther Egidi1 Korrespondenzadresse: Lange Zeit herrschten in deutschen Für die Erstellung von DEGAM-Leit- Hausarztpraxen von pharmazeutischen linien selbst gibt es seit der Veröffent- Dr. med. Günther Egidi Firmen oder von Interessengruppen he- lichung der ersten DEGAM-Leitlinie Huchtinger Heerstr. 41 rausgegebene Patienteninformationen „Brennen beim Wasserlassen“ ein defi- 28259 Bremen vor. Mittlerweile tut sich jedoch etwas niertes, auf der DEGAM-Homepage ver- Tel.: 04 21 / 5 79 76 75 auf dem Gebiet evidenzbasierter Patien- öffentlichtes und inzwischen überarbei- E-Mail: familie-egidi@nord-com.net teninformationen. Insbesondere die tetes Konzept [5]. Vorgaben des Ärztlichen Zentrums für Ein solches Konzept lag bislang we- Qualität in der Medizin (ÄZQ) (21), des der für im Rahmen von Leitlinien noch IQWIG (22) sowie ein von einer Arbeits- unabhängig davon erstellte Patienten- gruppe des Netzwerkes Evidenzbasierte informationen vor. Zu berücksichtigen Medizin (DNEbM) erarbeitetes Papier war für ein solches Konzept vor allem (24) formulieren inzwischen klare Krite- das Erfordernis, den Besonderheiten ei- Literatur rien für Patienteninformationen. ner für Hausarztpraxen typischen, nicht Alle DEGAM-Leitlinien enthalten, belesenem Patientenklientel, deren Le- 1. Egidi G, Hensler S et al. Patienten- neben Lang- und Kurzversion der Leit- sefähigkeit nicht selten eingeschränkt informationen zur LL kardiovaskulä- re Prävention; http://leitlinien.de- linien, Patientenratgeber. Als Besonder- ist, gerecht zu werden. gam.de/index.php?id=250 heit entschied sich die Arbeitsgruppe Den entsprechenden Produkten 2. Egidi G Evaluation von Patienten-In- „Leitlinie kardiovaskuläre Prävention“ wurde unlängst der Status evidenzbasier- formationsblättern zur kardiovasku- im damaligen Arbeitskreis Leitlinien der ter Patienteninformationen abgespro- lären Prävention. Z Allg Med. 2009; DEGAM, aus pragmatischen Gründen chen [6] – es handele sich lediglich um 85: 345–351 3. Egidi GH, Niemann D et al. Patien- Patienteninformationen zum Thema zu „narrative Zusammenfassungen der bes- teninformation – Früherkennung von erstellen, auch ohne dass die eigentliche ten Evidenz in einem einfachen Sprach- Krebs am Gebärmutterhals; http:// Leitlinie fertig geworden war. Man sah modus“. In einem begleitenden Editorial leitlinien.degam.de/in- den Bedarf an pharmaunabhängigen In- [7] wurde der „normative Duktus“ der dex.php?id=257 formationen zu Gerinnungshemmung, Arbeit von Mühlhauser und Kolleginnen 4. Mühlauser I, Filz M. Screening auf Zervixkarzinom. Informationen zur Blutdrucksenkung, Statinbehandlung bereits kritisch hinterfragt. In den Arbei- Beratung von Frauen. Arznei-tele- etc., war aber noch nicht in der Lage, die ten vieler auf dem Feld der Entwicklung gramm 2008; 39: 29–38 entsprechenden riesigen Wissensgebie- evidenzbasierter Patientenratgeber Täti- 5. Gerlach FM, Abholz H-H et al. Kon- te in der notwendigen Vollständigkeit ger findet sich ein Ansatz, Patienten wei- zept zur Entwicklung, Verbreitung zu recherchieren. test möglich zu qualifizieren („Patien- Implementierung und Evaluation von Leitlinien für die hausärztliche In diesem Zusammenhang entstan- ten-Universität Hannover“, Professiona- Praxis; http://leitlinien.degam.de/ den 10 Patienteninformationen [1], von lisierung von Patientenvertretern für index.php?id=konzeptderleitlini- denen 8 in einem Praxistest [2] hinsicht- Gremien der Selbstverwaltung), die sich enentwicklun (12.1.2011) lich ihrer Verständlichkeit und Akzep- durch den Grad ihrer medizinischen Bil- 6. Mühlhauser I, Meyer G, Steckelberg tanz evaluiert wurden. Ein weiteres DE- dung wieder erheblich von durch- A. Patientenwollen mitentscheiden, doch Informationsbasis und Struktur GAM-Patienteninfo zur Krebsvorsor- schnittlichen hausärztlichen Patienten fehlen. ZAllg Med 2010; 86: 412–417 geuntersuchung am Gebärmutterhals unterscheiden. Ein, für solche „Durch- 7. Koschack J. Die Forderung nach infor- [3], basierend auf einer im Arzneitele- schnittspatienten“, taugliches Konzept mierten und teilhabenden Patienten gramm veröffentlichten Arbeit von Ing- wurde im Rahmen des DEGAM-Kongres- verkennt die Komplexität mensch- rid Mühlhauser [4] wurde ebenfalls nach ses 2009 in Heidelberg in einem Work- licher Entscheidungsfindung. ZAllg Med 2010; 86: 418–419 Durchlaufen einer Patientinnenbefra- shop entwickelt und von der Ständigen gung veröffentlicht, ohne dass es hierzu Leitlinien-Kommission der DEGAM am eine DEGAM-Leitlinie gab. 14.9.2010 verabschiedet. 1 Arzt für Allgemeinmedizin Bremen-Huchting, Vertreter der DEGAM bei der Nationalen Versorgungs-Leitlinie Diabetes © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
56 DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS DEGAM-Manual Patientenratgeber Erarbeitet von den Teilnehmern des DEGAM-Workshops „Patientenratgeber“ beim DEGAM-Kongress in Heidelberg am 02.10.2009. Teilnehmer u. a. Erika Baum, Günther Egidi, Hannelore Wächtler, Jana Isforth, Markus Herrmann, Max Bürck-Gemassmer, Sabine Ludt, Thomas Lichte, Uwe Kurzke, Wolfgang Blank Der Einfachheit halber wird in diesem Text gebildet, um das Recht der Patienten auf immer die männliche Form gewählt. Ge- eine informierte eigene Entscheidung zu meint sind aber immer Patientinnen und stärken [21, 22, 23]. Insbesondere sind Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte. hier die teils von DEGAM-Vertretern miterarbeiteten Empfehlungen des Die Beteiligung von Patienten an sie be- Deutschen Netzwerkes Evidenzbasierte treffenden medizinischen Entscheidun- Medizin zu nennen [24]. gen wird zunehmend als ethische Norm verstanden [1]. Darüber hinaus ist bei- C Kommunikation spielsweise im „Gesundheitssystem-Mo- A Ziele einer Information von Risiken dernisierungsgesetz“ die Beteiligung von Patienten gesetzlich festgelegt worden Die Ziele einer Information sollen ein- DEGAM-Patienteninformationen sollen [2]. Dies setzt die Informiertheit der Pa- gangs explizit formuliert werden. Bei- Arzt und Patient zunächst einen Ent- tienten voraus. Schriftliche Patienten- spielsweise soll transparent werden, ob scheidungsraum darstellen bzw. ihn informationen können dazu führen, eine Information die Patienten zu einer nach Möglichkeit eröffnen. Wenn meh- dass die Patienten besser informiert sind. bestimmten Handlungsweise bewegen rere Handlungsoptionen zur Verfügung Sie können langfristig die Adhärenz der oder ihnen eher eine informierte Ent- stehen, sollen sie alternativ mit ihren Patienten zu gemeinsam definierten scheidung ermöglichen soll. Zu jeder Vor- und Nachteilen dargestellt werden. Therapiezielen verbessern – die Patien- Entscheidung gehört auch eine Infor- Dabei werden in der Regel reale Alterna- ten werden eher in die Lage versetzt, ihre mation. In der Patienteninformation tiven mit ihren Vor- und Nachteilen dar- Krankheit zu verarbeiten [3], sind weni- sollten daher Informationsteil und Ent- gestellt. Dabei sollen die möglicherweise ger unentschlossen [4] und haben auch scheidungsteil getrennt sein. DEGAM- unterschiedlichen Präferenzen der Pa- bessere Behandlungsergebnisse [5, 6, 7, Patienteninformationen sollen eher die tienten benannt und bekräftigt werden, 8, 9, 10, 11, 12, 13]. Sehr viele Patienten informierte Entscheidung ermöglichen dass eine individualisierte Entscheidung erwarten auch mit schriftlichen Infor- – keinesfalls sollen sie den Charakter anzustreben ist. Evidenzbasierte Patien- mationen versorgt zu werden [14, 15, von Verkaufsbroschüren haben. Die teninformationen fördern somit die 16]. Mit dem Arzt Besprochenes wird auf Zielgruppe der Leser der Information Entscheidungsfreiheit und sind non-di- diese Weise eher behalten. Viele Haus- sollte, soweit möglich, eingegrenzt und rektiv. ärzte legen zwar im Wartezimmer Infor- benannt werden. Das in der Information behandelte mationsbroschüren aus, die meisten da- Das Thema soll genau dargestellt Krankheitsbild soll erläutert und der na- von stammen aber von der pharmazeuti- werden. türliche Krankheitsverlauf dargestellt schen Industrie [17] und haben Werbe- werden. Letzteres soll explizit so formu- charakter. Solche kommerziellen Infor- liert werden, dass die Konsequenzen ei- mationen schnitten hinsichtlich ihrer B Evidenzbasierung ner Nichtintervention deutlich werden, Qualität im Vergleich zu nicht kommer- der Information ohne dabei Angst zu erzeugen. Die be- ziellen deutlich schlechter ab [18]. handelte Intervention soll beschrieben Für die Hausärzte kann die Heraus- Anders als in Leitlinien für Ärzte verbie- werden. gabe einer Patienteninformation eine ten sich in Patientenratgebern für die Viele Patienten, aber auch viele Ärz- rechtliche Absicherung bedeuten, v. a. hausärztliche Praxis ein Evidenzreport te haben Schwierigkeiten mit der Anga- bei schriftlichen Entscheidungshilfen, und ein ausführliches Literaturverzeich- be von Prozentzahlen. Darum soll der beispielsweise über eine Antikoagulati- nis. Nichtsdestotrotz soll begründet Darstellung natürlicher Zahlen bzw. von on oder über durchzuführende Impfun- werden, wie die Autoren zu ihren Emp- Häufigkeiten der Vorzug gegeben wer- gen. Wiederum vorrangig für schriftli- fehlungen gekommen sind. Quellen sol- den. Auf diese Weise ergibt sich automa- che Entscheidungshilfen ist belegt, dass len angeführt werden, sofern sie verfüg- tisch die Darstellung absoluter Risiken sie eine informierte Entscheidung be- bar sind. Weiterhin sollen Hinweise auf anstelle relativer Risikosenkungen. günstigen und die Sicherheit der Patien- für Patienten lesbare und verstehbare Wirkung, Nutzen und Risiken der ten in ihrer Entscheidung und letztlich ausführlichere Informationen, sofern behandelten Intervention sollen gleich- die Adherence zur gemeinsam geplan- vorhanden angeführt werden. Es soll berechtigt nebeneinander benannt wer- ten Maßnahme erhöhen können [19, den Patienten deutlich gemacht wer- den. Weiterhin sollen mögliche Schad- 20]. den, wie gut belegt die Empfehlungen wirkungen einer Intervention wie die In den letzten Jahren haben sich in sind – ggfs. soll dargelegt werden, wo aufgewendete Zeit, für den Patienten Deutschland eine Reihe von Initiativen reale Unsicherheiten bestehen. entstehende Kosten, Nachteile gegen- © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS 57 über Lebensversicherern sowie eine sion, die dann allen DISCERN-Kriterien fachte DISCERN-Fragebogen. Wenn die mögliche Krankheitsfixierung zum The- genügt, erstellt werden. Die Informatio- Information als Entscheidungshilfe die- ma gemacht werden. nen sollen sprachlich eindeutig und für nen soll, kommen u. U. auch andere Be- Mögliche durch die Intervention er- Laien verständlich sein, die Darstellung wertungsinstrumente in Betracht wie z. zeugte Ängste der Patienten sollen plastisch, die verwendeten Bilder an- B. die modifizierte OPTION Scale [25] adressiert werden. Diagnostische oder sprechend. oder MATRIX [26]. Screening-Interventionen sollen in na- Bei der Verwendung von aus dem Inter- türlichen Zahlen dargestellte Angaben net geladenen Bildern ist auf das Urhe- enthalten, wie häufig falsch positive berrecht zu achten. G Implementierung oder falsch negative Befunde vorkom- Die Informationen sollen frei online men. Informationen über diagnostische verfügbar sein, rasch aus der Praxis-EDV Bereits bei der Erstellung von DEGAM- Maßnahmen sollen Angaben über Vor- heraus ausgedruckt werden können. Ne- Patienteninformationen soll ein Kon- bereitung, Ablauf und Nachsorge dieser ben einem unveränderlichen DEGAM- zept erarbeitet werden, wie die Informa- Maßnahmen enthalten. Kern sollen zur individuellen Gestal- tionen verbreitet werden können. Ihre tung durch die jeweilige Praxis Leerstel- Verbreitung sollte unter den Hausärzten len frei gehalten werden (Hinweis auf lo- breit beworben werden. Beispielsweise D Form der Darstellung kale Angebote, Eindruck des Praxisstem- sind farbige Informationen ansprechen- pels etc.) der, ihr Ausdruck erfordert aber in den Zahlen sollen der leichteren Verstehbar- Praxen einen höheren Aufwand und hö- keit halber möglichst grafisch aufberei- here Kosten. Aber nicht nur über die ein- tet werden. Sie sollen beispielsweise in E Interessenkonflikte zelnen Hausarztpraxen, sondern auch Form von Smileys, Balken oder Über- über Publikumszeitschriften oder aber lebenskurven visualisiert werden. Mögliche Interessenkonflikte der Auto- über die Krankenkassen im Rahmen von Zumindest ein Bild sollen alle DEGAM- ren der Information müssen benannt Hausarztverträgen nach §73b erscheint Patientenratgeber enthalten. werden. Ein möglicher Benefit des die eine weit gestreute Verbreitung mög- Für hausärztliche Patienten gedachte In- Intervention durchführenden Arztes lich. formationen sollen maximal ein dop- soll dargestellt werden. pelseitig bedrucktes DIN-A-4-Blatt um- fassen. Ggfs kann auf andere, längere In- H Impressum formationen hingewiesen werden. F Praxistestung Zwischen den sehr umfangreichen An- DEGAM-Patientenratgeber sollen Anga- forderungen des DISCERN-Fragebogens DEGAM-Patienteninformationen soll- ben enthalten, welche Personen sie er- (s. u.) und der Notwendigkeit, dass ange- ten erst veröffentlicht werden, wenn sie stellt haben – und möglichst auch, wie sichts der großen Prävalenz eines zu- von Patienten auf ihre Verständlichkeit diese für Rückfragen erreicht werden mindest funktionellen Analphabetis- getestet worden sind. Die Zufriedenheit können. Erstellungs- und Ablaufdatum mus überhaupt schriftliche Informatio- der Patienten mit dieser Art Aufklärung der Information sollen angegeben wer- nen gelesen werden können, muss ein und mit dem Entscheidungsprozess so- den. Dieses Manual wurde auf der Sit- Kompromiss gefunden werden, der zu- wie das Zustandekommen einer Ent- zung der ständigen Leitlinienkommissi- nächst zugunsten von Prägnanz und scheidung sollen abgefragt werden. Ein on der DEGAM am 14.09.2010 ver- Kürze gelöst werden soll. Im Zweifelsfall brauchbares Instrument für eine solche abschiedet. Es soll im Herbst 2012 plan- soll für lesegewandtere Patientengrup- Testung ist der ins Deutsche übersetzte mäßig überarbeitet werden. pen eine zusätzliche ausführlichere Ver- und von einem der Autoren (GE) verein- Literatur 1. WHO 1978: World Health Organizati- 3. Edwards A, Evans R, Dundon J, Haigh S, 5. Molenaar S, Sprangers M, Postma- on. Declaration of Alma Ata: Report of Hood K, Elwyn G. Personalised risk Schuit F et al.: Interpretive Review: Fea- the International Conference on Pri- communication for informed decision sibility and Effects of Decision Aids. mary Health Care. Geneva: WHO, 1978 making about taking screening tests. Med Decis Making 2000; 20; 112–127 2. http://www.gesundheitspolitik.net/ The Cochrane Collaboration 2007, Is- 6. 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58 DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS 8. Estabrooks C, Goel V, Thiel E, Pinfold P, 15. Der Senator für Arbeit, Frauen, Gesund- 21. Meyerrose B, Sänger S für das Ärztliche Sawka C, Williams I. Decision aids: are heit, Jugend und Soziales in Bremen: Zentrum für Qualität in der Medizin they worth it? A systematic review. J Gesundheitliche Information und Be- (ÄZQ). Muster-Gesundheitsaufklärung Health Serv Res Policy 2001; 6: 170–182 ratung aus Sicht der Bremer Bevölke- für Früherkennungsmaßnahmen http: 9. Vodermaier A, Caspari C, Köhm J, Bau- rung. Der Senator für Arbeit, Frauen, //www.azq.de, zuletzt besucht am erfeind I, Kahlert S, Untch M. Partizipa- Gesundheit, Jugend und Soziales, Ab- 22.1.2011 tive Entscheidungsfindung beim pri- teilung Gesundheitswesen, Referat Ge- 22. Bastian H, Bender R, Kaiser T et al. Evi- mären Mammakarzinom, ZaeFQ 2004, sundheitsberichterstattung denzbasierte Gesundheitsinformatio- 98: 127–133 16. Mühlhauser I, Steckelberg A. Evidenz- nen für Patienten und Bürger. Metho- 10. Trevena L, Davey H, Barratt A, Butow P, basierte Patienteninformation. Wün- den. www.gesundheitsinformation.de, Caldwell P. A systematic review on sche der Betroffenen. Dtsch Ärztebl zuletzt besucht am 22.1.2011 communicating with patients about 2009; 106: A 2554–56 23. Nebling T. Kompetent als Patient. Gut evidence J Eval Clin Pract 2006; 12: 17. Linden M, Gothe H, Ryser M: „Was gibt informiert entscheiden. www.tk-on 13–23 der Hausarzt seinen Patienten mit auf line.de, zuletzt besucht am 22.1.2011 11. Saba G, Wong S, Schillinger D, Fernan- den Weg?“, MMW, 1999; 141: 832–835 24. Fachbereich Patienteninformation und dez A, Somkin C, Wilson C, Grumbach 18. Kunst H, Khan HS: Quality of web-ba- Patientenbeteiligung Deutsches Netz- K. Shared decision making and the ex- sed medical information on stable werk Evidenzbasierte Medizin. Die perience of partnership in primary ca- COPD: comparison of non-commercial ‚ Gute Praxis Gesundheitsinformation‘. re. Ann Fam Med 2006; 4: 54–62 and commercial websites. Health Inf http://shop.elsevier.de/sixcms/media. 12. Loh A, Simon D, Bieber C et al.: Patient Lib J 2002; 19: 42–48 php/792/gute_praxis_gesundheitsinfo. and citizen participation in German 19. O’Connor A, Stacey D, Rovner D, pdf health care – current state and fut- Holmes-Rovner M et al. Decision aids 25. Elwyn G, Hutchings H, Edwards A et al. ure perspectives. ZaeFQ 2007; 101: for people facing health treatment or The OPTION scale: measuring the ex- 229–235 screening decisions. The Cochrane Da- tent that clinicians involve patients in 13. Bunge M, Mühlhauser I, Steckelberg A. tabase of Syst Rev 2003 1. CD001431 decision-making tasks. Health Expect What constitutes evidence-based pa- 20. Kennedy A. On what basis should the 2005; 8: 34–42 tient information? Overview of discus- effectiveness of decision aids be jud- 26. Kaspar J und Lenz M. Kriterien zur Ent- sed criteria. Pat Edu Couns 2019; 78: ged? Methods review. Health Expect wicklung Schwerpunkt und Beurtei- 316 2003; 6: 255–268 lung von Decision Aids. ZÄFQ 2005; 14. Böcken J, Braun B, Amhof R: Gesund- 99: 359–365 heitsmonitor 2007, Verlag Bertelsmann Stiftung Gütersloh Ständig aktualisierte Veranstaltungstermine von den „Tagen der Allgemeinmedizin“ finden Sie unter www.tag-der-allgemeinmedizin.de. © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
DEGAM-NACHRICHTEN / DEGAM NEWS 59 DEGAM gegen die Einführung der Ambulanten Kodierrichtlinie Auch die Deutsche Gesellschaft für All- Die Deutsche Gesellschaft für All- der typischen hausärztlichen Arbeitswei- gemeinmedizin und Familienmedizin (DE- gemeinmedizin und Familienmedizin se und schützt Patienten vor unnötigen GAM) hat sich gegen die Einführung der (DEGAM) hat sich mit der Problematik Etikettierungen und Folgeproblemen; „Ambulanten Kodierrichtlinie“ (AKR) aus- der AKR in sozialrechtlicher, epidemio- daher wird eine einheitliche, einfache, gesprochen. Damit formiert sich ein breites logischer und versorgungspraktischer übersichtliche und international ver- Bündnis aus zahlreichen Vertragsärzten, ih- Hinsicht ausführlich befasst und fordert gleichbare Kodierung analog ICPC benö- ren Verbänden und Körperschaften (z. B. statt Inkraftsetzung und Umsetzung der tigt. Wegen des ohnehin schon enormen Hausärzteverband, MEDI, Vertreterver- Ambulanten Kodierrichtlinie in der ak- Arbeitspensums darf eine hausärztliche sammlungen der Kassenärztlichen Vereini- tuellen Fassung: Kodierung in der Praxis nicht mehr Zeit gungen Bayern, Hamburg, Hessen, Nieder- 1. Ent-Bürokratisierung und Personal benötigen als bisher. sachsen, Nordrhein, Rheinland-Pfalz, 2. Zeitersparnis Bis zur erfolgreichen Erprobung und Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe), 3. Vermeidung unnötiger medizini- einer positiven Aufwand-Nutzen-Analy- die tiefgreifende Bedenken gegen die AKR scher Interventionen se in einer repräsentativen Stichprobe nachdrücklich formuliert haben. In ihrer 4. Patientennähe von Allgemeinarztpraxen und der Ver- ausführlichen Stellungnahme fordert die 5. Kodierung mit ICPC-2 Oberfläche fügbarkeit von flächendeckenden Um- DEGAM qualitative Verbesserungen und ei- 6. Kodierung mit ICD-10 Kompati- setzungshilfen ist die Einführung der ne Vereinfachung der hausärztlichen Kodie- bilität Ambulanten Kodierrichtlinie auszuset- rungsgrundlagen. Bis diese Ziele erreicht 7. Erhalt der Krankengeschichten in zen. sind, muss die Einführung ausgesetzt wer- den Dauerdiagnosen Die ausführliche Stellungnahme der den. Die DEGAM warnt ausdrücklich alle 8. Einbindung von DEGAM-Fachkom- DEGAM zu den AKR finden Sie auf www. niedergelassenen Ärzte vor einer Aktivie- petenz degam.de. rung der AKR in der Praxis-EDV. 9. Datenschutz und Datensparsamkeit 10. Einführung erst nach Praxistest Korrespondenzadresse Anfang November haben Vertreter des GKV-Spitzenverbandes und der Kassen- Das AKR-Regelwerk ist – ebenso wie die Dr. med. Isabelle Otterbach, ärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ei- zugrundeliegende ICD-10 – durch den DEGAM-Bundesgeschäftsstelle ne Vereinbarung zu ‚ Ambulanten Ko- Zuschnitt auf fachspezialistische Verfah- c/o Institut für Allgemeinmedizin, dierrichtlinien‘ (AKR) abgeschlossen, rensweisen und Abrechnungen für die Johann Wolfgang Goethe-Universität die weitreichende Konsequenzen für die hausärztliche Patientenversorgung un- Theodor-Stern-Kai 7 ambulante (nicht nur vertragsärztliche) tauglich. Die ICD-10 ist pseudogenau, re- 60590 Frankfurt am Main Versorgung in Deutschland haben wird. dundant, missverständlich, zu organzen- Tel.: 069 6500-7245 Die KBV hat seitdem die verpflichtende triert, zeitaufwendig und damit unprak- E-Mail:otterbach@allgemeinmedizin. Implementierung in die zertifizierte Pra- tikabel. Nur eine am Beratungsanlass ori- uni-frankfurt.de xisverwaltungssoftware veranlasst. entierte Kodierungs-Struktur entspricht © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
60 ORIGINALARBEIT / ORIGINAL PAPER Sind die Asthmaleitlinien bei den Patienten angekommen? – Befragung von Privatversicherten Did the Asthma-Guidelines Reach the Patients? A Survey of Members of a Private Health Insurance Cornelia-C. Schürer-Maly1, Michael Pentzek1, Susanne Römer2, Heinz-Harald Abholz1, Martin Butzlaff3, Nik Koneczny4 Hintergrund: Obwohl die Asthmasterblichkeit in Background: Though mortality due to asthma has sub- Deutschland stark abgenommen hat, deuten Studien stantially declined in Germany, studies point to still unmet weiterhin auf eine Unterversorgung der Patienten hin. medical needs of patients with asthma. Methode: Postalische Befragung bei Mitgliedern der Method: Questionnaires were mailed to members of a pri- „Allianz Private Krankenversicherung“ zu ihren Kenntnissen vate health insurance provider, Allianz Private Krankenver- über Asthma und zum Umgang mit der Krankheit. sicherungs-AG, to monitor their knowledge about asthma Ergebnisse: Die Auswertung der Antworten zeigt, dass and its management. knapp ein Fünftel derjenigen, die geantwortet haben (Fra- Results: Only one fifth of respondents of our question- gebogenrücklauf insgesamt 16 %), ihre Asthma-Sprays / naire (altogether 16 %), used their asthmainhalers cor- Dosieraerosole nicht korrekt einsetzen. Nur ein Drittel nutzt rectly, only one third used a peak-flow meter or had an die Möglichkeit der Selbstkontrolle mittels Peak-Flow-Meter emergency plan. Only thirty percent had ever attended an oder verfügt über einen Notfallplan. Die wenigsten (31 %) educational program. According to guideline standards, hatten an einer Asthma-Schulung teilgenommen. Fast zwei two thirds of the respondents were partly or non-con- Drittel des Patientenkollektivs sind nach den Standards der trolled. Leitlinien nur teil- oder unkontrolliert. Conclusions: Even members of a private health insurance Schlussfolgerungen: Selbst bei Versicherten einer pri- company, who supposedly possess a good general edu- vaten Krankenkasse, deren Mitglieder eher eine gute Bil- cation, have substantial deficits in asthma treatment. The dung aufweisen dürften, sind deutliche Defizite in der Asth- reasons for this cannot be elucidated through our survey. maversorgung vorhanden. Unsere Befragungsstudie lässt More patient education might improve this situation. die Gründe hierfür nicht eruieren. Dennoch kann vermutet werden, dass sich hier durch intensivere Schulungen und / Keywords: asthma-inhaler, disease-control, patient education, oder durch Behandlungsprogramme wie ein DMP Verbes- self-managemment serungen erreichen ließen. Schlüsselwörter: Asthma, Medikament, Krankheitskontrolle, Schulung, Selbstmanagement Asthma 1 Abt. für Allgemeinmedizin, Universitätsklinikum Düsseldorf 2 Allianz Private Krankenversicherungs-AG, München 3 Medizinische Fakultät der Universität Witten/Herdecke 4 Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Medizinische Fakultät der Universität Witten/Herdecke Peer reviewed article eingereicht: 18.07.2010, akzeptiert 03.11.2010 DOI 10.3238/zfa.2011.060 © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
Schürer-Maly et al.: Sind die Asthmaleitlinien bei den Patienten angekommen? – Befragung von Privatversicherten Did the Asthma-Guidelines Reach the Patients? A Survey of Members of a Private Health Insurance 61 Seit Mitte der 80er Jahre ist die Asth- ma durch. Die Autoren erstellten dazu • Zahl der Krankenhausaufenthalte masterblichkeit in Deutschland rück- einen Fragebogen mit 19 Fragen zu • Gebrauch und Protokollführung läufig; in den letzten 10 Jahren hat sie Kenntnissen über Asthma und zum Um- Peak-Flow-Meter um ca. 30 Prozent abgenommen, eben- gang mit der Krankheit. Die Fragen wa- • Gebrauch von kortisonhaltigen so wie Notfallbehandlungen wegen ren als Wiederholungen und Ergänzun- Sprays- oder Dosieraerosolen (Con- Exazerbationen [1]. Diese erfreuliche gen einer 2007 durchgeführten Telefon- troller) Entwicklung wird in ursächlichem Zu- befragung von zufällig ausgewählten Pa- • Gebrauch von Relievern sammenhang mit der Dauertherapie tienten mit Asthma der Allianz PKV • Einnahme von steroidhaltigen Medi- mit inhalativen Korticosteroiden (ICS) konzipiert. Sie wurden von der Allianz- kamenten gesehen [2]. Sie mag zum einen mit ei- PKV an alle Empfänger des Asthma- • Einnahme von Kombipräparaten ner verbesserten Leitlinienakzeptanz Newsletters verschickt, die aus den Leis- • Verhalten bei Luftnot auf Seiten der behandelnden Ärzte, zum tungsdaten der Krankenkasse ermittelt • Besitz eines Notfallplans anderen mit einer Verbesserung der Pa- worden waren. tientencompliance, z. B. bedingt auch Die Fragen waren in folgende Gebiete durch Vereinfachung der Therapie aufgegliedert: Ergebnisse durch Kombinationspräparate, zusam- 1. Soziodemografische Daten, Beschrei- menhängen [3–5]. Dennoch weisen ver- bung der Kohorte Insgesamt wurden 5079 Fragebögen ver- schiedene Studien auf eine Unterversor- 2. Umgang mit Asthma/Krankheits- sandt, von denen 764 (16 %) zurück- gung deutscher Asthma-Patienten hin; management geschickt wurden. Im Text angegeben vor allem in Bezug auf Patientenschu- 3. Umgang mit Medikamenten werden die Zahlen der tatsächlichen lungen, Selbstmanagement und eben 4. Asthmakontrolle Antworten abzüglich der fehlenden Ein- auch die Verwendung inhalativer Korti- träge und des Punktes „Das weiß ich koide [6]. Bei den Fragen nach Medikamenten wa- nicht“. Die Versicherten der Allianz Private ren zu den Substanzgruppen auch die Krankenversicherung (Allianz-PKV) mit häufigsten Wirkstoffnamen angegeben, der Diagnose Asthma erhalten seit 6 Jah- sodass diese auf der Packung nachgese- Soziodemografische Daten / ren alle 3 Monate einen Newsletter ihrer hen werden konnten. Hierbei nannten Beschreibung der Kohorten Krankenkasse [7], der patientenrelevan- wir den Patienten nicht nur die Wirk- te und evidenzbasierte Informationen stoffe, sondern auch die häufigsten Der Anteil an Frauen und Männer war zum neuesten Stand der Therapie und Handelsnamen, nicht aber die Über- mit 373 (49 %) bzw. 381 (51 %) der Ant- Diagnostik von Asthma enthält und begriffe wie „Reliever“ etc. wortenden annähernd gleich. Die meis- auch die an Patienten gerichteten Vor- Die Fragebögen wurden in einer ten Antwortenden (349, 47 %) waren gaben der Nationalen Versorgungsleitli- kleinen Pilotstudie, die an 20 nichtärzt- zwischen 50 und 59 Jahre alt. Bei der nie Asthma [8] abbildet. Ziel dieses lichen und ärztlichen MitarbeiterInnen Mehrheit (599, 79 %) bestand die Diag- Newsletters, der von dem Internisten N. beider Universitäten durchgeführt wur- nose Asthma schon länger als 5 Jahre. Koneczny vom Institut für Allgemein- de, optimiert. medizin und Familienmedizin der Uni- Die Fragebögen wurden anonym an versität Witten/Herdecke verfasst wird, die Versicherung zurückgesandt, wo Umgang mit Asthma / ist es, den Informationsstand der Ver- auch die primäre Datenerfassung statt- Selbstmanagement sicherten mit Asthma zu erhöhen, was fand. Die Anonymisierung sollte „ehrli- ihnen die Möglichkeit zu einem bes- che“ Antworten ermöglichen. Die Aus- Arztkontakte seren Selbstmanagement ihrer Krank- wertung erfolgte durch die Autoren mit heit geben kann. SPSS (Version 17.0, „Häufigkeiten“ und Nur ein Viertel der Patienten (180, 27 %) Fragestellung der hier nun vorgeleg- „Pearson Chi-Square Test“). Die im Text suchte den Hausarzt wegen Asthma ein- ten Studie war, wie sich aus Sicht befrag- genannten Prozentzahlen beziehen sich mal im Quartal auf, etwa ein Drittel tat ter Patienten, die zudem eine regelmäßi- jeweils auf die tatsächlichen vor- ge Information zu Asthma erhalten, die handenen Antworten, wobei in den Versorgung ihrer Asthma-Erkrankung zurückgesandten Fragebögen nicht Seit wann ist Ihr Asthma bekannt? darstellt und welches Wissen zur Krank- immer alle Fragen beantwortet wa- heit und zu Notfällen bei ihnen vorhan- ren. Die Antwortmöglichkeiten wa- Mein Asthma ist bekannt … den ist. ren bei jeder Frage auf einer mehr- stufigen Skala vorgegeben (Tab.1). weniger als 1 Jahr Zusätzlich zur Beschreibung der Methoden Häufigkeiten verglichen wir die Re- seit 1–5 Jahren sultate derjenigen, die niemals an seit mehr als 5 Jahren Um die Versorgungsqualität und den einer Schulung teilgenommen hat- selbstberichteten Umgang mit der ten, mit denjenigen, die ein- oder Das weiß ich nicht. Krankheit zu ermitteln, führten wir mehrmals eine Schulung besucht 2009 eine Befragung aller Versicherten hatten. Zwischen den Gruppen ver- der Allianz-PKV mit der Diagnose Asth- glichen wurde: Tabelle 1 Art und Aufbau der Fragen. © Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2011; 87 (2)
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