ZEHN JAHRE INDUSTRIE 4.0 - DEUTSCHLAND ALS TREIBER VON INDUSTRIELLER KI FÜR DIE ZUKUNFT DER WERTSCHÖPFUNG
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06 ZEHN JAHRE DFK I News 1/2021 DFK I INDUSTRIE 4.0 DEUTSCHLAND ALS TREIBER VON INDUSTRIELLER KI FÜR DIE ZUKUNFT DER WERTSCHÖPFUNG Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren erschien der initiale Artikel, der das Konzept von Industrie 4.0 vorgestellt und motiviert hat. „Industrie 4.0: Mit dem Internet der Dinge auf dem Weg zur 4. industriellen Revolution“. Veröffentlicht am 1. April in den VDI-Nachrichten kurz vor der Hannover Messe 2011. Die drei Autoren waren Prof. Wolfgang Wahlster, DFKI, Prof. Henning Kagermann, acatech, und Prof. Wolf-Dieter Lukas, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Im Gespräch mit DFKI-Unternehmenssprecher Reinhard Karger: Prof. Wolfgang Wahlster, Gründungsdirektor und bis 2019 CEO des DFKI, der die Arbeit des DFKI heute als Chief Executive Advisor (CEA) begleitet. Prof. Henning Kagermann, Prof. Wolfgang Wahlster und Prof. Wolf-Dieter Lukas.
07 Prof. Wahlster, bitte schildern Sie doch DFK I N E W S 1/2021 DFK I einmal den Weg zu dem Konzept und den Findungsprozess für die Wortmar- ke „Industrie 4.0“. Als Mitglied der Forschungsunion Wirtschaft-Wissen- schaft der Bundesregierung von 2006-2013 war meine Aufgabe, deren Hightech-Strategie zu begleiten, aber auch konkrete Zukunftsprojekte zu entwickeln. Ich war zusammen mit den Kollegen Henning Kagermann und Johannes Helbig in der Promotorengruppe „Kommunika- tion“ tätig, die für das Innovationsfeld der Informations- und Kommunikationstechnologien zuständig war. Unter dem Leitmotto „Ideen zünden!“ hatte uns die damalige Forschungsministerin Annette Schavan gebeten, ehr- geizige Zukunftsprojekte mit großem wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Potenzial zu definieren, welche © Deutsche Messe deutsche Forschungsstärken für wichtige Branchen in die praktische Anwendung bringen. Bereits im September 2010 haben wir in der Promoto- Bei der Eröffnungsveranstaltung der Hannover Messe am rengruppe beschlossen, ausgehend von den wissen- 3. April 2011 konnte ich dann in Anwesenheit der Kanz- schaftlichen Trendthemen Internet der Dinge, Internet lerin, zahlreicher Politiker und ca. 3.000 Führungskräf- der Dienste und Cyber-Physische Systeme (CPS) ein Zu- ten in meiner Ansprache zur Jury-Arbeit für den Her- kunftsprojekt zu definieren. Wir haben dies im Bereich der mes-Award erstmals vor wichtigen Entscheidern den cyber-physischen Produktionssysteme angesiedelt, da Begriff „Industrie 4.0“ vorstellen. in Deutschland damals jeder zweite Arbeitsplatz direkt oder indirekt von der Herstellung physischer Produkte abhing. Im Dezember 2010 habe ich bei einer Bespre- „…Produktionsstandort bleiben heißt heute, sich fit zu machen für die vom Internet getriebe- chung in der deutschen Akademie der Technikwissen- ne 4. industrielle Revolution. Durch das Internet schaften (acatech) in Berlin mit den Kollegen Kager- der Dinge entsteht eine Brücke zwischen virtu- mann und Lukas dann überlegt, das Zukunftsprojekt eller und dinglicher Welt. In der Industrie führt nicht mit dem sperrigen Begriff „cyber-physische Pro- dieser Ansatz zu einem Paradigmenwechsel. duktionssysteme“ zu belegen, sondern es intuitiv ver- Das entstehende Produkt selbst steuert seinen ständlich „Industrie 4.0“ zu nennen. Dabei wird durch Produktionsprozess, überwacht über die einge- die Bezeichnung „4.0“ die 4. industrielle Revolution ein- bettete Sensorik die relevanten Umgebungspa- geläutet und gleichzeitig ein Hinweis auf die wichtige rameter und löst bei Störungen entsprechen- Rolle von Software durch die in der IT bekannte Art der de Gegenmaßnahmen aus – es wird gleichzeitig Versionenbezeichnung gegeben. zum Beobachter und zum Akteur…“ Wolfgang Wahlster Wann begann offiziell die Planung Die Kanzlerin hat in ihrer nachfolgenden Eröffnungsrede des Zukunftsprojekts und wann wurde den Begriff spontan aufgegriffen. Damit war der Bann der Begriff erstmals bei einer großen Fachveranstaltung benutzt? gebrochen, und in der Diskussion beim anschließenden Im Januar 2011 wurde in der Forschungsunion fest- Abendessen wurde das Zukunftsprojekt intensiv und gelegt, dass wir ein Zukunftsprojekt „Industrie 4.0: mit einer gewissen anfänglichen Skepsis traditioneller Deutschland als Leitanbieter für Cyber-Physical Sys- Maschinenbauer diskutiert. tems bis 2020“ ausarbeiten sollten. Obwohl die aca- tech-Studie unter der Leitung von Kollegen Manfred Am 5. Juni 2011 habe ich dann für eine Strategiesitzung Broy damals eine Vielzahl von wichtigen Anwen- bei acatech von unserem DFKI-Grafikspezialisten Re- dungsfeldern aufzeigte, haben Herr Kagermann, Herr nato Orsini nach meiner Konzeption eine Grafik zu den Lukas und ich uns auf Anwendungen in der produzie- vier Stufen industrieller Revolutionen anfertigen las- renden Industrie fokussiert – eine goldrichtige Ent- sen, die heute in Tausenden von Variationen selbst in scheidung, wie der Erfolg von Industrie 4.0 zeigt. Lehrbüchern leider meist als Plagiat verwendet wird.
08 Die Wortmarke „Industrie 4.0“ zusammen mit dieser seit 2005 in unserer weltweit ersten „Smart Factory“ in DFK I News 1/2021 DFK I eingängigen Grafik war dann der Zündstoff für eine ex- Kaiserslautern erarbeitet wurden. Auf der Basis des von ponentielle Verbreitung des Konzepts. Kollegen Detlef Zühlke betriebenen Demonstrators lei- tete ich schon seit 2008 das BMBF-Projekt SemProm zu semantischen Produktgedächtnissen, welches jedem Wie verlief die weitere Verbreitung Fabrikmodul und jedem produzierten Produkt einen des Konzepts? sogenannten digitalen Zwilling zuordnete. Der Begriff hat sich rasend viral ausgebreitet und wird heute weltweit wie die Begriffe „Kindergarten“ und „Au- Der digitale Zwilling speichert die Funktion und die ge- tobahn“ mit Deutschland assoziiert. Industrie 4.0 wird samte Lebensgeschichte eines physischen Objektes als deutscher Exportschlager wahrgenommen, der in in einer maschinenverstehbaren Repräsentation und Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eine weltweite steuert den Produktionsvorgang selbst aktiv, sodass Aufmerksamkeit und Anerkennung erfahren hat. eine Produktion sehr kleiner Losgrößen wirtschaftlich möglich wird. Wir wussten also, wovon wir sprechen, Damit haben wir in der Hightech-Welt erstmals wieder als wir den Begriff „Industrie 4.0“ in die Welt setzten. ein innovatives Konzept aus Deutschland internatio- nal etablieren können, nachdem diese über viele Jah- re meist aus Amerika oder Asien kamen. In den letzten Was von der Konzeption einer „Industrie zehn Jahren haben sich mehr als 100.000 Publikationen, 4.0“, die Sie zusammen mit Ihren Kolle- 10.000 Konferenzen und 1.000 Projektkonsortien mit der gen Kagermann und Lukas am 1. April 2011 technisch-wissenschaftlichen Umsetzung von Industrie publizierten, ist heute schon verwirklicht? 4.0. beschäftigt, so dass man heute über 25 Millionen Das Internet der Dinge und darauf aufsetzende cyber-phy- Internetverweise zu dem Begriff findet. sische Systeme sind in modernen Fabriken heute Reali- tät. Die digitale Konnektivität zwischen allen Maschinen, Werkzeugen, Werkstücken und den Facharbeitern hat Gab es bereits Vorarbeiten zu Indus- auch in Bestandsfabriken große Fortschritte gemacht. trie 4.0, auf die man aufbauen konnte? Die sensorische Aufrüstung aufgrund neuer preiswerter Ja, bei der Spezifikation der Ziele für Industrie 4.0 bauten Sensoren und deren drahtlose Anbindung geht stetig wir auf Forschungsergebnisse des DFKI auf, die schon voran, so dass immer mehr Produktionsschritte durch Industrielle KI ermöglicht die unmittelbare Zusammenarbeit von Menschen und Robotern.
09 4. Industrielle Revolution Erste Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS), Modicon 084 auf Basis von Cyber- Multisensor-Fusion in Echtzeit u.a. zur Qualitätskont- 1969 Physical Systems DFK I N E W S 1/2021 DFK I 3. Industrielle Revolution rolle überwacht werden können. durch Einsatz von Elektronik Erstes Fließband, und IT zur weiteren Schlachthöfe von Cincinnati Automatisierung der Produktion Grad der Komplexität Ausgehend von unseren frühen Arbeiten zu aktiven di- 1870 gitalen Objektgedächtnissen werden auch immer mehr 2. Industrielle Revolution digitale Zwillinge realisiert, so dass man sich dem Ziel durch Einführung arbeitsteiliger Massenproduktion mit Hilfe von elektrischer Energie nähert, dass es für jedes physische Objekt ein digitales Erster mechanischer Webstuhl 1784 Abbild gibt, das automatisch und in Echtzeit aktuali- 1. Industrielle Revolution siert und für Steuerungsimpulse genutzt werden kann. durch Einführung mechanischer Produktionsanlagen mit Hilfe von Wasser- und Dampfkraft Zeit Neue Fabriken werden heute stets als wandelbare Fa- heute Ende Beginn Beginn 70er Jahre briken konzipiert. Die Zeiten, in denen eine Fabrik nur 18. Jhdt 20. Jhdt 20. Jhdt für eine spezielle Produktlinie konzipiert wird, sind end- Die vier Stufen der Industriellen Revolution. © DFKI, 2011 gültig vorbei. Beispielsweise muss jede Fabrik für Fahr- zeugmotoren bei der Volatilität der Mobilitätswende Geschäftsmodellinnovationen und nicht um Werbe- mit geringem zeitlichem und finanziellem Aufwand auf platzierungen oder Produktempfehlungen. Denken alternative Antriebsstränge umstellbar sein. Die tradi- Sie an globale Zulieferer wie Bosch, ZF, Continental tionelle Automatisierungspyramide wurde zugunsten oder Mittelständler wie Harting, Claas und Sartorius, heterarchischer Service-orientierter Architekturen auf- aber beachten Sie auch SAP und Software AG, deren gelöst, die auch die dezentrale Produktion unterstützen. Systeme in erster Linie die Nervenbahnen der Unter- nehmen sind, die aber auch das Unternehmenswis- Heute gibt es etliche neu errichtete „Smart Factories“, sen digital bereitstellen und für die Unternehmens- die viele Grundprinzipien von Industrie 4.0 bereits um- entwicklung zugänglich machen. Nicht zuletzt sind setzen: Plug & Produce, taktunabhängige Matrix-Pro- deutsche OEMs wie VW, BMW und Daimler Treiber der duktionsarchitekturen mit konfigurierbaren Produkti- industriellen KI, weil sie ihre Fabriken weltweit schritt- onszellen und kurzen Umrüstzeiten auch für kleinste weise auf Industrie 4.0 umstellen und dabei KI-Techno- Losgrößen mit großem Produktindividualisierungsgrad, logien verstärkt einsetzen. variable Intralogistik kombiniert mit Echtzeitproduk- tionsplanung sowie lokationsbasierte Dienste für alle Werker, die Betriebsmittel und die entstehenden Produk- Konnte das 2011 verkündete Ziel, dass te. Die Positionsbestimmung in Fabrikhallen ist mithilfe Deutschland bis zum Jahr 2020 Leitan- KI-basierter visueller SLAM-Verfahren (Simultaneous bieter für Komponenten zur Realisie- Localization and Mapping) für mobile Systeme wie au- rung cyber-physischer Produktionssys- tonome Gabelstapler stark verbessert worden. Durch teme sein wird, erreicht werden? die hochparallele Ausführung neuronaler Verfahren auf Ja, unsere klassischen Fabrikausrüster wie Siemens, sehr leistungsfähigen Grafikkarten (GPU-Computing), Bosch-Rexroth und ABB, aber noch stärker die vie- wurde die notwendige Erkennung von Landmarken si- len Hidden Champions aus dem Mittelstand waren die gnifikant verbessert, um eine freie Navigation mobiler ersten Lösungsanbieter und haben immer noch einen Roboter zu ermöglichen. Vorsprung von ein bis zwei Jahren. Sie werden weltweit keine Smart Factory finden, in der nicht eine Vielzahl von Software- und Hardware-Komponenten von deut- Sie sprechen oft von „industrieller KI“ schen Firmen stammt. als Schwerpunktthema in Deutsch- land. Was sind die Anwendungs- Der Angriff amerikanischer Unternehmen mit dem bereiche und was ist die Position „Industrial Internet“ war zu kurz gesprungen, weil die Deutschlands bei industrieller KI im reine Aufrüstung der Vernetzungs- und Kommunika- internationalen Vergleich? tionsinfrastruktur zwar eine Voraussetzung, aber kei- KI ist die Speerspitze der zweiten Digitalisierungswelle neswegs schon die Lösung für Industrie 4.0 darstellt. in der Industrie, denn nur mit KI können die Massendaten Auch IoT-Plattformen sind ohne semantisch codier- aus der Industrie in neuen Wertschöpfungsprozessen ver- tes Domänenwissen von exzellenten Ingenieur*innen wertet und monetarisiert werden. Im B2C-Bereich sind und Facharbeiter*innen, intelligente Steuerungen und die amerikanischen und chinesischen Internet-Konzer- digitale Zwillinge noch keine Lösungen für disruptive ne als Hyperscaler führend bei der Anwendung von KI. Fabrikmodelle. Aber Deutschland hat eine herausragende Position bei der F&E in industrieller KI, aber auch beim praktischen Noch wichtiger sind die Lösungen zum Retrofitting Einsatz. Dabei geht es um Produktions-, Prozess- und von Bestandsfabriken mit der Nachrüstung vernetzter
10 DFK I News 1/2021 DFK I IoT-Boxen, verteilter Sensorik und intelligenten Leitstän- tet. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen der Techni- den auf der Basis digitaler Zwillinge. Die digitale Verede- schen Tschechischen Universität Prag ist ausgezeichnet. lung hochpräziser und robuster klassischer Fertigungs- Wir zeigen Ergebnisse dieses Forschungs- und Innovati- anlagen ist eine Spezialität, die deutsche Mittelständler onszentrums für fortgeschrittene industrielle Produktion zum stark nachgefragten Lieferanten besonders in China (RICAIP) auf der digitalen Hannover Messe 2021. Der Fokus gemacht haben. liegt auf der Mensch-Roboter-Kollaboration in der indus- triellen Produktion. Das Ziel sind hybride Teams von Men- Auch mobile Tablets, Smart Phones, Smart Watches und schen und Robotern, die gemeinsam und also am besten Datenbrillen haben eine neue Generation von werker- Hand in Hand zusammen arbeiten. Damit das funktioniert, individuellen kognitiven Assistenzsystemen ermöglicht, müssen Maschinen den Kontext einer Aktion und das Ziel die schon heute die Produktivität, Produktqualität, Ar- kennen, so dass sie einen Zustand interpretieren und den beitszufriedenheit, Sicherheit und Transparenz signifi- Lösungsbeitrag bewerten können. kant gesteigert haben, sodass der Mensch weiterhin im Mittelpunkt steht, lebenslang weiterlernt, keinen Kont- Auch mit Frankreich und den Niederlanden haben wir im rollverlust empfindet und mehr Freude an der Arbeit hat. Bereich Smart Factory Kooperationen aufgebaut. China investiert derzeit sehr gezielt, um mit Industrie 4.0 seine Produktion, die vor einigen Jahren noch auf der Ebene Wie sieht die internationale Koopera- von Industrie 2.0 arbeitete, an die Weltspitze zu führen. tion zu Industrie 4.0 aus Sicht des Japan ist dabei aber schon weiter, weil dort das neue Pa- DFKI aus? radigma schneller und tiefer verstanden wurde und auch Als binationale Initiative haben wir, im Rahmen des Staats- Korea holt auf. In den USA wurde erst nach dem Fehlstart besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Tschechien aufgrund der zunächst einseitigen Fokussierung auf das schon im August 2016 und zusammen mit dem damali- „industrielle Internet“ die volle Breite und Tiefe des Pa- gen tschechischen Ministerpräsident Bohuslav Sobotka, radigmenwechsels von Industrie 4.0 erkannt und grund- in Prag das Deutsch-tschechische Innovationslabor für legende Arbeiten dazu begonnen. Mensch-Roboter-Kollaboration in Industrie 4.0 gestar- Präsentation der ersten Handlungsempfehlungen im Rahmen des lab talks auf der CeBIT 2012, 6. März 2012. „Industrie 4.0: Cyber-Physische Systeme als Grundlage für die 4. Industrielle Revolution“. V.l. Prof. Dr. Lutz Heuser, AGT Group Germany; Dr. Andreas Goerdeler, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, BMWi; Prof. Dr. Willem Jonker, EIT ICT Labs; Prof. Dr. Wolf-Dieter Lukas, Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF; Prof. Dr. Wolfgang Wahlster, DFKI; Prof. Dr. Henning Kagermann, acatech.
11 DFK I N E W S 1/2021 DFK I Welche neuen Technologietrends werden die nächsten zehn Jahre der 4. industriellen Revolution beeinflussen? Sechs neue Megatrends sind dafür entscheidend: die indus- trielle KI, das Edge-Computing bis hin zur Edge-Cloud, 5G in der Fabrik, die Team-Robotik, autonome Intralogistik-Sys- teme sowie vertrauenswürdige Dateninfrastrukturen, wie sie GAIA-X bereitstellen soll. Das im Projekt SmartF-IT (2013-2016) entwickelte semantische Fabrik- gedächtnis bildete die Grundlage für eine intelligente Werkerunterstützung Mit der industriellen KI wird eine zweite Welle der Digitalisie- in der Industrie 4.0-Produktion. rung der Produktion möglich. Die erste Welle, die alle Daten der Produktion und der Lieferketten digital und mobil über Welches sind die wichtigsten Erfolgs- © VSE AG Cloud-Systeme verfügbar macht, ist weitestgehend abge- schlossen. Nun können diese digitalen Daten aber durch faktoren für die zweite Halbzeit bei KI-Systeme analysiert und im Kontext interpretiert werden, Industrie 4.0 in den nächsten zehn so dass sie für neue Wertschöpfungsketten und innovative Jahren? Geschäftsmodelle aktiv genutzt werden können. Mit digi- Wir dürfen in der Forschung und bei der Innovation für die talen Trainingsdaten für maschinelle Lernsysteme können nächste Phase dieser 4. industriellen Revolution nicht nach- KI-Systeme nicht nur zur bereits weitverbreiteten voraus- lassen und weiterhin besonders in die industrielle KI als zweite schauenden Wartung, sondern immer mehr zur inkremen- Welle der Digitalisierung investieren. Die enormen Potenzi- tellen Qualitätskontrolle meist über Videosensorik benutzt ale von Industrie 4.0 sind noch lange nicht ausgereizt. Dabei werden. Damit wird in der nächsten Phase von Industrie 4.0 spielt die Interoperabilität in Bezug auf die Software- und eine KI-basierte Null-Fehler-Produktion angestrebt. Selbst- Hardwarekomponenten eine entscheidende Rolle, beson- lernfähigkeit und modulare Langzeit-Autonomie werden ders um den internationalen Marktzugang für den deutschen die neue Generation von Smart Factories auszeichnen und Mittelstand und Start-ups zu sichern. neben einer extremen Flexibilität auch eine hohe Produk- tionsrobustheit, Arbeitssicherheit und hohes Maß an Res- Standards, Normen und Zertifikate sind wichtige Treiber für sourcenschonung garantieren. Eine fähigkeitsorientierte interoperable Lösungen. Hier müssen wir in Deutschland Produktionsarchitektur sichert die Erweiterbarkeit und Wand- eine Vorreiterrolle übernehmen, die auch die Resilienz und lungsfähigkeit auf der nächsten Stufe von Industrie 4.0 ab. Sicherheit der angebotenen Lösungen im Fokus hat. Letzt- lich müssen wir die richtige Balance zwischen einer höhe- Mit privaten 5G-Campusnetzen können Edge-Devices mit der ren digitalen Souveränität auf der einen Seite, aber auch hohen Bandbreite und garantiert geringer Latenzzeit von 5G vertrauenswürdigen und resilienten Lösungen für globale zu einer lokalen Edge-Cloud zusammengeschaltet werden, Märkte als führender Industrieausstatter auf der anderen die dann den Echtzeitanforderungen in der Fabrik genügt. Seite anstreben. Hybride Teams von Werker*innen und kollaborativen Robo- Nach den Erfahrungen in der Pandemie müssen wir Lösun- tern mit verschiedenen Fähigkeiten führen zu einer neuen gen erarbeiten, um Risse in Lieferketten oder den Produk- Form der Team-Robotik, in der Mensch-Maschine-Interaktion tionstopp durch kurzfristige Personalengpässe zu vermei- unter Führung des menschlichen Fachpersonals im Mittel- den. Hier können „Home Office“-Technologien kaum helfen, punkt steht, das Hand-in-Hand mit Robotern zusammenar- sondern es werden „Home Workbenches“ benötigt, welche beitet, um im Team komplexe Fertigungsaufgaben zu lösen. die mobile Steuerung, Wartung und Reparatur von Fabri- kanlagen als Softwarelösungen mit Fernzugriff auf cyber- Bei den Dateninfrastrukturen müssen die Anforderungen physische Systeme bis hin zur Teleoperation mit physischen der jeweiligen Branche und Datenhoheit, Dezentralität/ Avataren ermöglichen. Multi-Cloud und Edge-Support sowie Service-Bereitstellung berücksichtigt werden. Daher wird z.B. für die Lebensmittel- Für die zweite Halbzeit brauchen wir neben diesen technolo- produktion im Sinne von Industrie 4.0 mit in dem vom DFKI gischen Innovationen aber weiterhin die Unterstützung der geführten Konsortium Agri-Gaia ein KI-Ökosystem für die Politik und der Gewerkschaften: für die Zukunft der Wert- mittelstandsgeprägte Agrar- und Ernährungsindustrie auf schöpfung ist auch in der nächsten Legislaturperiode weiterhin Basis der Referenzarchitektur von GAIA-X entwickelt, wäh- die erfolgreiche Kooperation auf der Ebene von Plattformen rend die Automobilbranche für die Realisierung von Industrie dringend notwendig, um dauerhaft die wirtschaftlichen und 4.0 in der Produktion ganz andere Anforderungen für eine gesellschaftlichen Früchte der von Deutschland ausgegan- Dateninfrastruktur auf der Basis von GAIA-X hat. genen 4. industriellen Revolution ernten zu können.
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